Die Volksverblöder
Wie Politiker uns belügen und betrügen
Augen zu, wenn bei ehrgeizigen Großprojekten Milliarden versenkt werden. Hand auf, wenn Wirtschaftsbosse sich Vorteile verschaffen wollen. Wird Deutschland von völlig abgehobenen Falschspielern regiert? Parteienforscher Thomas Wieczorek wirft...
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Produktinformationen zu „Die Volksverblöder “
Augen zu, wenn bei ehrgeizigen Großprojekten Milliarden versenkt werden. Hand auf, wenn Wirtschaftsbosse sich Vorteile verschaffen wollen. Wird Deutschland von völlig abgehobenen Falschspielern regiert? Parteienforscher Thomas Wieczorek wirft einen kritischen Blick ins Parlament und macht den Politiker-Check. Die Ergebnisse sind erschreckend. Kompetenter Weitblick und Integrität? Fehlanzeige. Stattdessen Arroganz, Verantwortungslosigkeit und blanker Egoismus. Das Wohl des Volkes bleibt auf der Strecke. Wieczorek deckt die eklatanten Missstände auf.
Klappentext zu „Die Volksverblöder “
Augen zu, wenn bei ehrgeizigen Großprojekten Milliarden versenkt werden. Hand auf, wenn Wirtschaftsbosse sich Vorteile verschaffen wollen. Wird Deutschland von völlig abgehobenen Falschspielern regiert? Parteienforscher Thomas Wieczorek wirft einen kritischen Blick ins Parlament und macht den Politiker-Check. Die Ergebnisse sind erschreckend. Kompetenter Weitblick und Integrität? Fehlanzeige. Stattdessen Arroganz, Verantwortungslosigkeit und blanker Egoismus. Das Wohl des Volkes bleibt auf der Strecke. Wieczorek deckt die eklatanten Missstände auf.
Lese-Probe zu „Die Volksverblöder “
DIE VOLKSVERBLÖDER von THOMAS WIECZOREK Wie Politiker uns belügen und betrügen
This land is your land, this land is my land - this land is made for you and me.
Heimliche US-Nationalhymne, von Woody Guthrie
Die Sängerlegende Bruce Springsteen fügte in seiner Interpretation hinzu: Ich sah aber auch bitterarme Leute, die sich fragen: Ist dieses Land auch für uns gemacht? Auf Deutsch: WIR sind das Volk. Aber: Sind wir das noch?
INHALT
Einleitung:
Eigennutz als Grundprinzip der Politik . . . . . 13
Die glorreichen Sieben: Pest, Cholera oder diesmal Malaria? . . . . . . 25
CDU - zwischen Dorfdeppen und Großstädtern . . . . . . 27
CSU - von der Volkspartei zur IG Nörgeln . . . . . . . . . . . 31
SPD - ist der Ruf erst ruiniert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
FDP - die Leihstimmenpartei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
Bündnis 90 / Die Grünen - links wählen, rechts leben 44
Die Linke - Traumpaar und Porsche statt Sozialismus 50
Piraten - die Nichtwählerpartei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
Die Partei als Anfang und Ende von allem 55
Parteien als Gegengewicht zur Demokratie . . . . . . . . . . 55
Die Klettertour nach oben - Gewissen als Ballast . . . . . 57
Interne Hierarchie - Lenin würde blass vor Neid . . . . . . 59
Unbelastet von jeder Kompetenz: Unsere Politmacher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
Früher sagte man Scharlatan - heute Experte . . . . . . . . . 64
Experten - die Karnevalsprinzen der Politik . . . . . . . . . 66
Kaninchen aus dem Hut - »Kompetenz« als Bluff . . . . . 67
Image schlägt Wissen und Intelligenz . . . . . . . . . . . . . . . 70
Kompetenz schadet nur - die Politführer brauchen Stümper . . . . . .
... mehr
. . . . . . . . . . 71
Fachpolitiker vom Fach? Ist im Jägerschnitzel ein Jäger? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
Inkompetenz - nicht strafbar, aber grundgesetzwidrig . . 75
Amtssprache Bullshit - lügen, ohne es zu ahnen . . . . . . 77
Was Politiker wirklich beherrschen . . . . . . . . . . . . . . . . 78
Berliner Dilettantenstadel - die Allerbesten der Besten 79
Rudelweise Juristen - nicht nur Marke Bayreuth . . . . . . 84
Die wundersame Kostenvermehrung . . . . . . . . . . . . . . . 86
»Keine Ahnung« -
Inkompetenz produziert Verschwendung . . . . . . . . . . 88
Marktwirtschaft live - die Finanzkrise . . . . . . . . . . . . . . 93
Inkompetenz mit fadem Beigeschmack . . . . . . . . . . . . . 95
Die Beraterhorden - Großkotze unter anderen Blinden 98
Und so was regiert uns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
Die Drahtzieher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
Abgesägt oder rausgeekelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
Belohnte Loyalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
Kläffer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
Dummschwätzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
Provinzfürsten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
Soll das ein Witz sein? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208
Rechtsaußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214
Die Hintermänner der Politik . . . . . . . . . . . . . . 223
Die wahren Gesetzemacher - die Lobbyisten . . . . . . . . . 223
Hauptsache, die Kasse stimmt - die Geldquellen der Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
Korruption - »Geht nicht, gibt's nicht« - offiziell ... . . . 242
Die Musik spielt in den Ausschüssen . . . . . . . . . . . . . . . 255
Der Wähler: Volkssouverän oder Stimmvieh? . . . . . . . . . . . 261
Schluss: Die Zukunft unserer Demokratie - ein Auslaufmodell? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
Inkompetenz ist kein Kavaliersdelikt . . . . . . . . . . . . . . . 269
Die unterschiedlichen Grundwerte von Wirtschaft und Volk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271
Humanismus als wichtigste Kompetenz . . . . . . . . . . . . . 273
Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283
Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283
Die Welt wird von ganz anderen Persönlichkeiten regiert, als diejenigen glauben, die nicht hinter die Kulissen blicken!
Benjamin Disraeli, britischer Premierminister 1868 und 1874 bis 1880
EINLEITUNG: EIGENNUTZ ALS GRUNDPRINZIP DER POLITIK
Auf die Frage, was sein Sohn Roland denn gerade so treibe, pflegte Vater Karl-Heinz Koch stets zu antworten: »Der studiert auf Bundeskanzler.« Damit traf Papa den Nagel auf den Kopf, und zwar nicht nur für den späteren hessischen Schwarzgeld- Ministerpräsidenten, sondern für einen Großteil der politischen Klasse insgesamt. Gerade unter den jüngeren Politikern denkt kaum einer auch nur im Traum daran, einen ehrlichen Beruf zu ergreifen. Und die Mär vom selbstlosen, um das Gemeinwohl besorgten Staatsmann ist spätestens seit dem Mega-Reibach des Peer Steinbrück nur noch eine Lachnummer. Aber das Volk ist nicht ganz so blöde, wie es sich die politische Klasse erhofft: »Politiker sind so unbeliebt wie nie zuvor«, ergab eine Untersuchung des Marktforschungsunternehmens GfK. Das Vertrauen der Deutschen in ihre Politiker ist auf einen historischen Tiefpunkt gesunken. In einer Umfrage landen Politiker abgeschlagen auf dem letzten Platz. Nur noch 9 Prozent vertrauen ihnen: Im Vorjahr waren es 14 Prozent. Manager, Werbefachleute und Journalisten schneiden ebenfalls schlecht ab. Unsere Volksvertreter als arbeitsscheues, geld- und ruhmgeiles Gesocks, das zur Not sogar Doktorarbeiten fälscht?
Politik: Eine Hand wäscht die andere, und wenn's mit Schmierseife ist.
Ekkehard Fritsch
Rund 45 Millionen Deutsche sind zwischen 25 und 64 Jahre alt, also im regierungsfähigen Alter. Ließen sich unter dieser ungeheuren Masse keine 50 Leute finden, die es in Sachen Intelligenz locker mit unserer Bundesregierung aufnehmen können und die vor allem integer sind? Menschen also, um die sich nicht permanent Gerüchte von Korruption und Plagiat, fachlicher Überforderung und Verlogenheit ranken? Sollten wir tatsächlich keine Besseren haben als die Hanseln in der Regierung, so wäre das die größtmögliche Blamage und Bankrotterklärung unseres Volkes.
»Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen«, hatte der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt im Wahlkampf 1980 gelästert. Offenbar haben sich viele (angehende) Politiker seine Worte zu Herzen genommen, denn tatsächlich hatte das Land selten eine derart allumfassende Perspektivlosigkeit wie heute. Schon allein das Grundgesetz mit seinen »ewigen Werten« wie Menschenwürde und Streben nach Glück wirkt angesichts der Wirklichkeit und der Aussagen der meisten Politiker wie der Wunschkalender naiver Zwölfjähriger. Längst geht es nicht mehr um Ideen oder Pläne für eine bessere Welt, sondern nur um die Verhinderung des Schlimmsten. Arbeitnehmer denken nicht einmal mehr an Verkürzung der Arbeitszeit oder höhere Reallöhne; der bloße Arbeitsplatz gilt als Privileg. Senioren sind schon zufrieden, wenn sie der Altersarmut entgehen, Patienten, wenn sie im Krankenhaus aus Kostengründen nicht draufgehen, und Jungakademiker, wenn sie ein unbezahltes Praktikum erhaschen. Auf der anderen Seite verdoppelt sich das Vermögen der Steinreichen - nur 10 Prozent der hundert reichsten Deutschen haben ihr Vermögen nicht erheiratet oder ererbt, sondern durch ehrliche Arbeit erworben. Sogar dann, wenn sie für zehn Jahre im Koma liegen, werden sie reicher und reicher: Fast scheint es, als habe sich die Evolution umgekehrt, und wir würden in einigen tausend Jahren wieder auf den Bäumen leben - angesichts unseres Systems womöglich noch früher. Und selbst für den gutwilligsten Demokraten führt die Suche nach den Ursachen der Katastrophe und den Schuldigen zur Wirtschaft. Längst lautet die Frage nicht mehr, ob, sondern wie lange unsere Marktwirtschaft und ihr System der parlamentarischen Demokratie noch überleben. Schwarz-Gelb, Rot-Grün, Linkspartei und jetzt auch noch die Piraten: Wenn das grundgesetzlich garantierte Recht der Bürger auf Stimmabgabe für die Partei ihrer Wahl zur »Unregierbarkeit « führt, dann passen Grundgesetz und unsere parlamentarische Demokratie offenbar nicht zusammen. Und nicht wenige aus dem Volk - damals der Dichter und Denker, heute der Duckmäuser und Denunzianten - wünschen sich einen starken Mann. 1933 lässt grüßen.
Dabei kann die politische Klasse nicht sagen, man habe sie nicht frühzeitig gewarnt. Schon im Juli 2008 meldeten sich zwei der brillantesten politischen Vordenker zu Wort. So beschrieb Ex-Richter Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung »Das letzte Gefecht der Volksparteien«, und der Göttinger Politikprofessor Franz Walter analysierte in Spiegel Online die Folgen, »Wenn Volksparteien zur Allerweltspartei werden«. Denn die Logik der Parteien entspricht exakt dem neoliberalen Credo. Die Volksparteien haben längst keine Überzeugungen mehr, um andere dafür zu gewinnen, sondern sie suchen nach Marktlücken für Wählerfang.
Politik: die Führung öffentlicher Angelegenheiten zu privatem Vorteil, ein Streit der Interessen, der sich als Wettstreit der Prinzipien ausgibt.
Ambrose Bierce
»Die alten Bindungskräfte dieser Parteien haben stark nachgelassen, sie sind den Menschen nicht mehr, wie früher, eine politische Heimat, sondern eine Art Hotel: die Leute kommen und gehen - und bleiben immer öfter ganz weg. Sie fi nden dort nicht mehr, was sie jahrzehntelang gefunden haben: Grundorientierung. Das liegt nicht nur, aber auch an diesen Parteien.« Oder mit anderen Worten: »Gefordert und versprochen wird, was die meisten Stimmen verspricht: Nur keinen vor den Kopf stoßen: Immer stärker biedern sich die großen Parteien der sogenannten Mitte an und verzichten auf klare Wertvorstellungen. Die Beliebigkeit löst Loyalitäten und Machtgefüge auf, Populisten wittern ihre Chance. Ist die bürgerliche Industriegesellschaft dem Untergang geweiht? « Prantl bringt dies unmittelbar mit der sozialen Gerechtigkeit in Verbindung: »... spektakulär ist die Bedeutung dieser Wahlen: Es handelt sich für SPD und CDU, für die ehemals großen Volksparteien, um das letzte Gefecht in dieser Rolle. Beide Parteien waren Volksparteien, und sie sind es immer weniger ... Wie viel Volk braucht eine Volkspartei? Wenn 73 Prozent der deutschen Wahlbevölkerung die Verhältnisse in Deutschland als ungerecht betrachten und zugleich eine große Mehrheit glaubt, dass es ihr in zehn Jahren nicht besser, sondern schlechter gehen wird, dann ist das eine gewaltige Misstrauenskundgebung gegen die Volksparteien.« Und dieses Misstrauen ist statistisch belegt: »Die Armuts- und Reichtumsberichte der Bundesregierung geben eine Vorahnung von den Spaltungslinien der Gesellschaft: die Ungleichheit verschärft sich; die beispiellose Zunahme an Gleichheit, die Deutschland wie alle westlichen Länder im interkulturellen Vergleich seit dem 19. Jahrhundert erlebt hat, ist gestoppt; die soziale Dynamik der fünfziger Jahre, als in der Nachkriegsgesellschaft Millionen Menschen bei null anfangen mussten, hat sich längst erschöpft; die Bildungsoffensive der siebziger Jahre, als die Kinder kleiner Handwerker und strebsamer Facharbeiter zu Hunderttausenden auf der Strickleiter, die ihnen das BAföG geknüpft hatte, nach oben kletterten, gibt es nicht mehr.« Und weiter: »Das Projekt sozialer Aufstieg ist beendet. Chancen für alle, Wohlstand für alle: Es waren dies die strahlenden Großunternehmungen der beiden Volksparteien. Neue Großprojekte der Befriedung, der Integration und der politischen Leidenschaft haben sie bisher nicht bieten können; die Desintegration nach Hartz IV hält an ... Die politische Zukunft der bisherigen Großparteien wird ... davon abhängen, ob ihnen ein glaubwürdiger Kurs gelingt, der Anschluss an die gesellschaftspolitischen Grundstimmungen findet.« Aber wie soll das gehen - vor allem bei diesem Personal? Wie kann es sein, dass im Jahr 2012 der 93-jährige Ex-Kanzler Schmidt als der beliebteste deutsche Politiker galt, nur knapp gefolgt vom 92-jährigen Altbundespräsidenten Richard von Weizsäcker? Unabhängig von der allgemeinen Zweifelhaftigkeit von Beliebtheitsumfragen: Allein die Frage nach einem Fanclub für die Merkels, Pofallas und Seehofers, Gabriels, Steinbrücks und Nahles, Roths, Trittins und Kippings würde bei der Bevölkerung Hohngelächter auslösen.
Dabei wäre es zu einfach, unsere Politiker pauschal als inkompetente Stümper einzuschätzen. Einige sind vielleicht gar nicht so dumm und unfähig.
Der Politik ist eine bestimmte Form der Lüge fast zwangsläufig zugeordnet: das Ausgeben des für eine Partei Nützlichen als das Gerechte.
Carl Friedrich von Weizsäcker
Warum wohl wurde die 2004 von Deutschland unterzeichnete UN-Konvention, die Korruption umfassend und nicht nur beim Abstimmen unter Strafe stellt, vom Bundestag noch immer nicht umgesetzt? Warum wohl gibt es bis heute kein Gesetz zur »Straftat Geldverbrennung « (Heribert Prantl), so dass die Verantwortlichen und Gewinner der Finanzkrise sich auf Kosten des Steuerzahlers weiterhin einen vergoldeten Lenz machen können? Die meisten Bankster und Börsenbetrüger verzeichnen teilweise nicht einmal geringste Abstriche, sondern sogar einen Zuwachs ihrer irrwitzigen Einkünfte. Auch hier gilt: Bankraub war gestern, heute geht es um Investmentbanking und Spekulation. Und die Politik verhindert dies nicht, sondern unterstützt es. Warum wohl? Aber was erwarten wir: dass sich unsere Volksvertreter einen Zettel »käuflich« an die Stirn heften? Dabei sind diese Figuren selbst nur Produkte des Systems der freien Marktwirtschaft. Und dieses System erlebt seit Beginn der Finanzkrise einen unaufhaltbaren Abstieg, einen Tod auf Raten. »Nach langer schwerer Krankheit verstorben«, wird es irgendwann heißen. Und das zu Recht: Eben noch wurden staatlicher Einfluss und soziale Marktwirtschaft als »DDR ohne Mauer« verhöhnt, kurz darauf erpressen dieselben Marktradikalen insgesamt billionenschwere Hilfspakete von ebendiesem verhassten Staat. Der Philosoph Robert Misik schreibt dazu: »Der Neoliberalismus hat der Welt das größte globale Desaster seit Hitler und Stalin beschert. Tolle Bilanz.« Tatsächlich hat derselbe Staat, der weder dem Nachwuchs ein Minimum an Bildung zu sichern noch den Armen ein menschenwürdiges Existenzminimum zu garantieren beabsichtigt, Abermilliarden für die Zocker und Bankster übrig. »Selbstheilungskräfte des Marktes« sehen anders aus. Auch Altkanzler Helmut Schmidt konstatierte »eine unerhörte Fahrlässigkeit der politischen Klasse insgesamt, die sich leichtfertig auf die Illusion einer selbsttätigen Heilungskraft der Finanzmärkte verlassen hat, statt rechtzeitig einzugreifen«. Eigentlich soll die Wirtschaft ja den Menschen dienen, aber als zum Beispiel das Bundesverfassungsgericht am 11. September 2012 den Euro-Rettungsschirm ESM genehmigte, da sprach niemand über die Bedeutung für Europas Bevölkerung, stattdessen fast jeder über das »Vertrauen der Märkte«: »Die Börsen feiern das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe zugunsten des Euro-Rettungsschirms ESM. Christian von Engelbrechten, Fondsmanager des Fidelity Germany Fund, glaubt, dass das Vertrauen der Märkte und Unternehmen dadurch nachhaltig gestärkt wird.«
Heribert Prantl schreibt dazu in der Süddeutschen Zeitung: »Die Euro-Rettung geschieht nicht in Solidarität mit den Nicht-Betuchten. Sie ist eine ver-rückte Rettung. Mit der Rettungssemantik wird suggeriert, es ginge um die Menschen. Gerettet werden aber Schuldverhältnisse, Finanzbeziehungen, Machtgefüge, Wirtschaftssysteme; sie sollen überleben. Ob und wie Menschen dabei überleben, ist sekundär.« Zwangsläufig springen dabei auch die letzten Reste des demokratisch- parlamentarischen Systems über die Klinge. So forderte Wolfgang Schäuble im Oktober 2012 für die EU einen Super-Sparkommissar (Spiegel), »der ganz allein die Macht hat, nationale Haushalte abzulehnen - auch nachdem sie schon von einem nationalen Parlament beschlossen wurden. Um den Vorwurf des Demokratiedefizits zu entkräften, sollen flankierend auch die Europa-Parlamentarier mehr mitreden dürfen, allerdings nur die Abgeordneten aus den Euro- Ländern.« Wie unverschämt unsere Politiker und die sie schmierenden Reichen und Mächtigen andererseits mit unserem Geld umgehen, bewies Anfang 2013 der Bundesrechnungshof. Was den Ärmsten fehlt, fließt als Edelchampagner in die Badewannen der steinreichen Parasiten.
Übrigens: Es ist zu Recht verboten, »klammheimliche Freude « über einen Terroranschlag zu äußern. Aber ist es auch verboten, mit Schampus anzustoßen, wenn ein Kotzbrocken auf einem Stück Seife ausrutscht? »Taktlos«, werden die katholischen Kinderschänder zum Beispiel vom Berliner Canisius- Kolleg sagen. Aber strafbar ist es nicht.
© 2013 Knaur Taschenbuch
Fachpolitiker vom Fach? Ist im Jägerschnitzel ein Jäger? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
Inkompetenz - nicht strafbar, aber grundgesetzwidrig . . 75
Amtssprache Bullshit - lügen, ohne es zu ahnen . . . . . . 77
Was Politiker wirklich beherrschen . . . . . . . . . . . . . . . . 78
Berliner Dilettantenstadel - die Allerbesten der Besten 79
Rudelweise Juristen - nicht nur Marke Bayreuth . . . . . . 84
Die wundersame Kostenvermehrung . . . . . . . . . . . . . . . 86
»Keine Ahnung« -
Inkompetenz produziert Verschwendung . . . . . . . . . . 88
Marktwirtschaft live - die Finanzkrise . . . . . . . . . . . . . . 93
Inkompetenz mit fadem Beigeschmack . . . . . . . . . . . . . 95
Die Beraterhorden - Großkotze unter anderen Blinden 98
Und so was regiert uns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
Die Drahtzieher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
Abgesägt oder rausgeekelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
Belohnte Loyalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
Kläffer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
Dummschwätzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
Provinzfürsten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
Soll das ein Witz sein? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208
Rechtsaußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214
Die Hintermänner der Politik . . . . . . . . . . . . . . 223
Die wahren Gesetzemacher - die Lobbyisten . . . . . . . . . 223
Hauptsache, die Kasse stimmt - die Geldquellen der Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
Korruption - »Geht nicht, gibt's nicht« - offiziell ... . . . 242
Die Musik spielt in den Ausschüssen . . . . . . . . . . . . . . . 255
Der Wähler: Volkssouverän oder Stimmvieh? . . . . . . . . . . . 261
Schluss: Die Zukunft unserer Demokratie - ein Auslaufmodell? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
Inkompetenz ist kein Kavaliersdelikt . . . . . . . . . . . . . . . 269
Die unterschiedlichen Grundwerte von Wirtschaft und Volk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271
Humanismus als wichtigste Kompetenz . . . . . . . . . . . . . 273
Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283
Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283
Die Welt wird von ganz anderen Persönlichkeiten regiert, als diejenigen glauben, die nicht hinter die Kulissen blicken!
Benjamin Disraeli, britischer Premierminister 1868 und 1874 bis 1880
EINLEITUNG: EIGENNUTZ ALS GRUNDPRINZIP DER POLITIK
Auf die Frage, was sein Sohn Roland denn gerade so treibe, pflegte Vater Karl-Heinz Koch stets zu antworten: »Der studiert auf Bundeskanzler.« Damit traf Papa den Nagel auf den Kopf, und zwar nicht nur für den späteren hessischen Schwarzgeld- Ministerpräsidenten, sondern für einen Großteil der politischen Klasse insgesamt. Gerade unter den jüngeren Politikern denkt kaum einer auch nur im Traum daran, einen ehrlichen Beruf zu ergreifen. Und die Mär vom selbstlosen, um das Gemeinwohl besorgten Staatsmann ist spätestens seit dem Mega-Reibach des Peer Steinbrück nur noch eine Lachnummer. Aber das Volk ist nicht ganz so blöde, wie es sich die politische Klasse erhofft: »Politiker sind so unbeliebt wie nie zuvor«, ergab eine Untersuchung des Marktforschungsunternehmens GfK. Das Vertrauen der Deutschen in ihre Politiker ist auf einen historischen Tiefpunkt gesunken. In einer Umfrage landen Politiker abgeschlagen auf dem letzten Platz. Nur noch 9 Prozent vertrauen ihnen: Im Vorjahr waren es 14 Prozent. Manager, Werbefachleute und Journalisten schneiden ebenfalls schlecht ab. Unsere Volksvertreter als arbeitsscheues, geld- und ruhmgeiles Gesocks, das zur Not sogar Doktorarbeiten fälscht?
Politik: Eine Hand wäscht die andere, und wenn's mit Schmierseife ist.
Ekkehard Fritsch
Rund 45 Millionen Deutsche sind zwischen 25 und 64 Jahre alt, also im regierungsfähigen Alter. Ließen sich unter dieser ungeheuren Masse keine 50 Leute finden, die es in Sachen Intelligenz locker mit unserer Bundesregierung aufnehmen können und die vor allem integer sind? Menschen also, um die sich nicht permanent Gerüchte von Korruption und Plagiat, fachlicher Überforderung und Verlogenheit ranken? Sollten wir tatsächlich keine Besseren haben als die Hanseln in der Regierung, so wäre das die größtmögliche Blamage und Bankrotterklärung unseres Volkes.
»Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen«, hatte der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt im Wahlkampf 1980 gelästert. Offenbar haben sich viele (angehende) Politiker seine Worte zu Herzen genommen, denn tatsächlich hatte das Land selten eine derart allumfassende Perspektivlosigkeit wie heute. Schon allein das Grundgesetz mit seinen »ewigen Werten« wie Menschenwürde und Streben nach Glück wirkt angesichts der Wirklichkeit und der Aussagen der meisten Politiker wie der Wunschkalender naiver Zwölfjähriger. Längst geht es nicht mehr um Ideen oder Pläne für eine bessere Welt, sondern nur um die Verhinderung des Schlimmsten. Arbeitnehmer denken nicht einmal mehr an Verkürzung der Arbeitszeit oder höhere Reallöhne; der bloße Arbeitsplatz gilt als Privileg. Senioren sind schon zufrieden, wenn sie der Altersarmut entgehen, Patienten, wenn sie im Krankenhaus aus Kostengründen nicht draufgehen, und Jungakademiker, wenn sie ein unbezahltes Praktikum erhaschen. Auf der anderen Seite verdoppelt sich das Vermögen der Steinreichen - nur 10 Prozent der hundert reichsten Deutschen haben ihr Vermögen nicht erheiratet oder ererbt, sondern durch ehrliche Arbeit erworben. Sogar dann, wenn sie für zehn Jahre im Koma liegen, werden sie reicher und reicher: Fast scheint es, als habe sich die Evolution umgekehrt, und wir würden in einigen tausend Jahren wieder auf den Bäumen leben - angesichts unseres Systems womöglich noch früher. Und selbst für den gutwilligsten Demokraten führt die Suche nach den Ursachen der Katastrophe und den Schuldigen zur Wirtschaft. Längst lautet die Frage nicht mehr, ob, sondern wie lange unsere Marktwirtschaft und ihr System der parlamentarischen Demokratie noch überleben. Schwarz-Gelb, Rot-Grün, Linkspartei und jetzt auch noch die Piraten: Wenn das grundgesetzlich garantierte Recht der Bürger auf Stimmabgabe für die Partei ihrer Wahl zur »Unregierbarkeit « führt, dann passen Grundgesetz und unsere parlamentarische Demokratie offenbar nicht zusammen. Und nicht wenige aus dem Volk - damals der Dichter und Denker, heute der Duckmäuser und Denunzianten - wünschen sich einen starken Mann. 1933 lässt grüßen.
Dabei kann die politische Klasse nicht sagen, man habe sie nicht frühzeitig gewarnt. Schon im Juli 2008 meldeten sich zwei der brillantesten politischen Vordenker zu Wort. So beschrieb Ex-Richter Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung »Das letzte Gefecht der Volksparteien«, und der Göttinger Politikprofessor Franz Walter analysierte in Spiegel Online die Folgen, »Wenn Volksparteien zur Allerweltspartei werden«. Denn die Logik der Parteien entspricht exakt dem neoliberalen Credo. Die Volksparteien haben längst keine Überzeugungen mehr, um andere dafür zu gewinnen, sondern sie suchen nach Marktlücken für Wählerfang.
Politik: die Führung öffentlicher Angelegenheiten zu privatem Vorteil, ein Streit der Interessen, der sich als Wettstreit der Prinzipien ausgibt.
Ambrose Bierce
»Die alten Bindungskräfte dieser Parteien haben stark nachgelassen, sie sind den Menschen nicht mehr, wie früher, eine politische Heimat, sondern eine Art Hotel: die Leute kommen und gehen - und bleiben immer öfter ganz weg. Sie fi nden dort nicht mehr, was sie jahrzehntelang gefunden haben: Grundorientierung. Das liegt nicht nur, aber auch an diesen Parteien.« Oder mit anderen Worten: »Gefordert und versprochen wird, was die meisten Stimmen verspricht: Nur keinen vor den Kopf stoßen: Immer stärker biedern sich die großen Parteien der sogenannten Mitte an und verzichten auf klare Wertvorstellungen. Die Beliebigkeit löst Loyalitäten und Machtgefüge auf, Populisten wittern ihre Chance. Ist die bürgerliche Industriegesellschaft dem Untergang geweiht? « Prantl bringt dies unmittelbar mit der sozialen Gerechtigkeit in Verbindung: »... spektakulär ist die Bedeutung dieser Wahlen: Es handelt sich für SPD und CDU, für die ehemals großen Volksparteien, um das letzte Gefecht in dieser Rolle. Beide Parteien waren Volksparteien, und sie sind es immer weniger ... Wie viel Volk braucht eine Volkspartei? Wenn 73 Prozent der deutschen Wahlbevölkerung die Verhältnisse in Deutschland als ungerecht betrachten und zugleich eine große Mehrheit glaubt, dass es ihr in zehn Jahren nicht besser, sondern schlechter gehen wird, dann ist das eine gewaltige Misstrauenskundgebung gegen die Volksparteien.« Und dieses Misstrauen ist statistisch belegt: »Die Armuts- und Reichtumsberichte der Bundesregierung geben eine Vorahnung von den Spaltungslinien der Gesellschaft: die Ungleichheit verschärft sich; die beispiellose Zunahme an Gleichheit, die Deutschland wie alle westlichen Länder im interkulturellen Vergleich seit dem 19. Jahrhundert erlebt hat, ist gestoppt; die soziale Dynamik der fünfziger Jahre, als in der Nachkriegsgesellschaft Millionen Menschen bei null anfangen mussten, hat sich längst erschöpft; die Bildungsoffensive der siebziger Jahre, als die Kinder kleiner Handwerker und strebsamer Facharbeiter zu Hunderttausenden auf der Strickleiter, die ihnen das BAföG geknüpft hatte, nach oben kletterten, gibt es nicht mehr.« Und weiter: »Das Projekt sozialer Aufstieg ist beendet. Chancen für alle, Wohlstand für alle: Es waren dies die strahlenden Großunternehmungen der beiden Volksparteien. Neue Großprojekte der Befriedung, der Integration und der politischen Leidenschaft haben sie bisher nicht bieten können; die Desintegration nach Hartz IV hält an ... Die politische Zukunft der bisherigen Großparteien wird ... davon abhängen, ob ihnen ein glaubwürdiger Kurs gelingt, der Anschluss an die gesellschaftspolitischen Grundstimmungen findet.« Aber wie soll das gehen - vor allem bei diesem Personal? Wie kann es sein, dass im Jahr 2012 der 93-jährige Ex-Kanzler Schmidt als der beliebteste deutsche Politiker galt, nur knapp gefolgt vom 92-jährigen Altbundespräsidenten Richard von Weizsäcker? Unabhängig von der allgemeinen Zweifelhaftigkeit von Beliebtheitsumfragen: Allein die Frage nach einem Fanclub für die Merkels, Pofallas und Seehofers, Gabriels, Steinbrücks und Nahles, Roths, Trittins und Kippings würde bei der Bevölkerung Hohngelächter auslösen.
Dabei wäre es zu einfach, unsere Politiker pauschal als inkompetente Stümper einzuschätzen. Einige sind vielleicht gar nicht so dumm und unfähig.
Der Politik ist eine bestimmte Form der Lüge fast zwangsläufig zugeordnet: das Ausgeben des für eine Partei Nützlichen als das Gerechte.
Carl Friedrich von Weizsäcker
Warum wohl wurde die 2004 von Deutschland unterzeichnete UN-Konvention, die Korruption umfassend und nicht nur beim Abstimmen unter Strafe stellt, vom Bundestag noch immer nicht umgesetzt? Warum wohl gibt es bis heute kein Gesetz zur »Straftat Geldverbrennung « (Heribert Prantl), so dass die Verantwortlichen und Gewinner der Finanzkrise sich auf Kosten des Steuerzahlers weiterhin einen vergoldeten Lenz machen können? Die meisten Bankster und Börsenbetrüger verzeichnen teilweise nicht einmal geringste Abstriche, sondern sogar einen Zuwachs ihrer irrwitzigen Einkünfte. Auch hier gilt: Bankraub war gestern, heute geht es um Investmentbanking und Spekulation. Und die Politik verhindert dies nicht, sondern unterstützt es. Warum wohl? Aber was erwarten wir: dass sich unsere Volksvertreter einen Zettel »käuflich« an die Stirn heften? Dabei sind diese Figuren selbst nur Produkte des Systems der freien Marktwirtschaft. Und dieses System erlebt seit Beginn der Finanzkrise einen unaufhaltbaren Abstieg, einen Tod auf Raten. »Nach langer schwerer Krankheit verstorben«, wird es irgendwann heißen. Und das zu Recht: Eben noch wurden staatlicher Einfluss und soziale Marktwirtschaft als »DDR ohne Mauer« verhöhnt, kurz darauf erpressen dieselben Marktradikalen insgesamt billionenschwere Hilfspakete von ebendiesem verhassten Staat. Der Philosoph Robert Misik schreibt dazu: »Der Neoliberalismus hat der Welt das größte globale Desaster seit Hitler und Stalin beschert. Tolle Bilanz.« Tatsächlich hat derselbe Staat, der weder dem Nachwuchs ein Minimum an Bildung zu sichern noch den Armen ein menschenwürdiges Existenzminimum zu garantieren beabsichtigt, Abermilliarden für die Zocker und Bankster übrig. »Selbstheilungskräfte des Marktes« sehen anders aus. Auch Altkanzler Helmut Schmidt konstatierte »eine unerhörte Fahrlässigkeit der politischen Klasse insgesamt, die sich leichtfertig auf die Illusion einer selbsttätigen Heilungskraft der Finanzmärkte verlassen hat, statt rechtzeitig einzugreifen«. Eigentlich soll die Wirtschaft ja den Menschen dienen, aber als zum Beispiel das Bundesverfassungsgericht am 11. September 2012 den Euro-Rettungsschirm ESM genehmigte, da sprach niemand über die Bedeutung für Europas Bevölkerung, stattdessen fast jeder über das »Vertrauen der Märkte«: »Die Börsen feiern das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe zugunsten des Euro-Rettungsschirms ESM. Christian von Engelbrechten, Fondsmanager des Fidelity Germany Fund, glaubt, dass das Vertrauen der Märkte und Unternehmen dadurch nachhaltig gestärkt wird.«
Heribert Prantl schreibt dazu in der Süddeutschen Zeitung: »Die Euro-Rettung geschieht nicht in Solidarität mit den Nicht-Betuchten. Sie ist eine ver-rückte Rettung. Mit der Rettungssemantik wird suggeriert, es ginge um die Menschen. Gerettet werden aber Schuldverhältnisse, Finanzbeziehungen, Machtgefüge, Wirtschaftssysteme; sie sollen überleben. Ob und wie Menschen dabei überleben, ist sekundär.« Zwangsläufig springen dabei auch die letzten Reste des demokratisch- parlamentarischen Systems über die Klinge. So forderte Wolfgang Schäuble im Oktober 2012 für die EU einen Super-Sparkommissar (Spiegel), »der ganz allein die Macht hat, nationale Haushalte abzulehnen - auch nachdem sie schon von einem nationalen Parlament beschlossen wurden. Um den Vorwurf des Demokratiedefizits zu entkräften, sollen flankierend auch die Europa-Parlamentarier mehr mitreden dürfen, allerdings nur die Abgeordneten aus den Euro- Ländern.« Wie unverschämt unsere Politiker und die sie schmierenden Reichen und Mächtigen andererseits mit unserem Geld umgehen, bewies Anfang 2013 der Bundesrechnungshof. Was den Ärmsten fehlt, fließt als Edelchampagner in die Badewannen der steinreichen Parasiten.
Übrigens: Es ist zu Recht verboten, »klammheimliche Freude « über einen Terroranschlag zu äußern. Aber ist es auch verboten, mit Schampus anzustoßen, wenn ein Kotzbrocken auf einem Stück Seife ausrutscht? »Taktlos«, werden die katholischen Kinderschänder zum Beispiel vom Berliner Canisius- Kolleg sagen. Aber strafbar ist es nicht.
© 2013 Knaur Taschenbuch
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Autoren-Porträt von Thomas Wieczorek
Thomas Wieczorek (1953 - 2013) war Journalist und Parteienforscher. Nach einem VWL-Studium an der Freien Universität Berlin arbeitete er u.a. für die dpa und Reuters und als freier Journalist für die Frankfurter Rundschau, den Deutschlandfunk, den Südwestfunk sowie den Eulenspiegel. Thomas Wieczorek, der über "Die Normalität der politischen Korruption" promovierte, war Autor mehrerer politischer Debattenbücher, darunter die Bestseller "Die Dilettanten", "Die verblödete Republik" und "Die geplünderte Republik".
Bibliographische Angaben
- Autor: Thomas Wieczorek
- 2013, 1. Auflage, 320 Seiten, Maße: 12,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Droemer/Knaur
- ISBN-10: 342678615X
- ISBN-13: 9783426786154
- Erscheinungsdatum: 01.08.2013
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