Drücken Sie bitte die Eins
Willkommen in der Servicehölle. Originalausgabe
Ob Telekom, Deutsche Bahn, Post oder Bank: Kundenservice wird in Deutschland kleingeschrieben. Man wartet wochenlang auf einen DSL-Anschluss, hängt in nervtötenden Warteschleifen fest oder redet auf verständnislose Computerstimmen ein....
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Drücken Sie bitte die Eins “
Ob Telekom, Deutsche Bahn, Post oder Bank: Kundenservice wird in Deutschland kleingeschrieben. Man wartet wochenlang auf einen DSL-Anschluss, hängt in nervtötenden Warteschleifen fest oder redet auf verständnislose Computerstimmen ein. Für alle leidgeprüften Kunden gibt es nun dieses phantastische Buch: Es versammelt die besten Erfahrungsberichte aus den finsteren Schlünden des Servicesektors böse, haarsträubend und erfrischend witzig.
Klappentext zu „Drücken Sie bitte die Eins “
Ob Telekom, Deutsche Bahn, Post oder Bank: Kundenservice wird in Deutschland kleingeschrieben. Man wartet wochenlang auf einen DSL-Anschluss, hängt in nervtötenden Warteschleifen fest oder redet auf verständnislose Computerstimmen ein.Für alle leidgeprüften Kunden gibt es nun dieses phantastische Buch: Es versammelt die besten Erfahrungsberichte aus den finsteren Schlünden des Servicesektors - böse, haarsträubend und erfrischend witzig.
Lese-Probe zu „Drücken Sie bitte die Eins “
Drücken Sie bitte die Eins von Klaus UngererDas Geld kann ja nicht weg sein
Klaus Ungerer
Meine Bank ist ein starker Partner. Und lieb. Und gehört praktisch zur Familie. Mein eigener Vater hat früher für diese Bank gearbeitet, die Bank für Gemeinwirtschaft, bis er es (aus nie ganz geklärten Gründen) eines Tages nicht mehr ertragen konnte und sich lieber selbständig machte. Die Bank aber wurde immer nur noch sympathischer: Mitsamt ihrem Herzen für Gemeinwirtschaft wurde sie an die Schweden verkauft, nun hieß sie SEB, und die Schweden taten einen Elch aus Plüsch auf ihre Homepage. Die ört - liche Angestellte des Elchs aber fragte mich, als wir vor Jahren nach Berlin zogen: »Schon mal über ein Immobi - lienfonds-Depot nachgedacht? Das verpfänden Sie Ihrem Vermieter als Kaution, und die Kaution wächst und gedeiht dann, dass es eine Art hat.« So sprach die Elchfrau sinngemäß, und bezirzt blätterte ich knisterndes Bargeld vor sie hin, in der Friedrichstraße zu Berlin: 1750 Euro, ich hatte gar nicht gewusst, dass es so bunte Scheine gibt. Die Elchfrau nahm alles hübsch an sich, auch unterschreiben und stempeln konnte sie gut.
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Eine Nummer verschwindet
Sieben Jahre später ziehen wir um. Fleißige Umzugshelfer wuseln und tragen Waschmaschinen herum, ein Maler kommt und malert alles, wir hinterlassen die alte Wohnung im Urzustand. Der Vermieter ist ganz glücklich mit uns, er gibt das verpfändete Kautionsdepot wieder frei. Das wird jetzt aber ein Leben! Für einige Tage gebe ich mich in der neuen Wohnung der Naturkunde hin, bestimme die Bäume ringsum, erschrecke fast, dass ein Eichelhäher vor mein Stadtfenster hüpft. Dann rufe ich ordnungshalber bei SEB ImmoInvest an. Nur mal so lauschen. Wann das Geld kommt. Vielleicht ist ja dann auch ein Vogelhäuschen drin oder neue Hocker für den Flur. Ich habe eine nette Frau in der Leitung, und die nette Frau von SEB ImmoInvest findet: Das sei ja eine komische Nummer, die mein Depot da habe ... sie könne das hier nicht finden ... hm. Es müsse wohl bei der Filiale geführt werden. Das ist gut zu wissen, und das Wetter ist ja schön, ich steige also unter Ulmen aufs Fahrrad und in der Friedrichstraße wieder ab.
Ist ja ein Ding!
Eine dienstbare junge Dame steht aufrecht hinterm Schalter, sie findet sogar die Unterlagen zu meiner Depoteröffnung bei sich in der Filiale, und ihre weitere Performance bestätigt, dass es mit der Frankfurter Auskunft seine Richtigkeit hat: Mein Depot ist wirklich nicht mehr da. Ungläubig starrt sie auf ihren Bildschirm, Frankfurt am Ohr, um in regelmäßigen Abständen auszustoßen: »Ist ja ein Ding!« ... »Ist ja ein Ding!« Einige Istja-ein-Dings später legt sie dann auf und berichtet mir mit wohltuender Beiläufigkeit: Ja, das Depot sei wohl irgendwie verschwunden, wohin, könne ihre Kollegin aber nicht sagen, die blicke bei ihren Unterlagen gerade nicht durch. Launig schließt sie: »Wo das wohl wieder hingeraten ist?« Und wirft sich flott auf den nächsten Kunden. Der hat sicher ein noch viel größeres verschwundenes Depot als meines. Ich also trolle mich ungegrüßt, mit der Zusage eines Anrufs, und radle ins Wetter hinaus.
Hallo, Frankfurt!
Ein Tag geht ins Land. Ein nächster hoppelt hinterdrein. Und der übernächste auch. Aus alter Verbundenheit mit meinem Geld rufe ich einfach noch mal in der Filiale Friedrichstraße an. In der Filiale Friedrichstraße anrufen geht so: Man wählt die Nummer, lässt es drei-, viermal klingeln - und schwupp, schon hat man die Frankfurter Zentrale am Ohr. Worum geht's denn? Das möchte ich der Filiale Friedrichstraße erklären. Wie lautet denn Ihre Kontonummer? Meine Kontonummer tut nichts zur Sache, es geht um ein Depot. Ach, es geht um ein Depot - welche Nummer denn? Sie müssen wissen, das Depot wird nicht bei der Filiale geführt. (Womit die Stimme letztlich ja recht hat. Mein Depot wird nirgends geführt, nur ein paar blasse Zettel erinnern noch daran.)
Ein paar Versuche später habe ich dann Herrn Wilhelm an der Strippe, Herrn Wilhelm aus der Friedrichstraße. Superfreundlich und dienstbereit, weiß er natürlich von nichts. Denn was sind schon 1750 Euro plus Zinsen, die einfach so verschwinden? Das reicht sicherlich nicht mal für ein Anekdötchen in der Bankangestellten-Mittagspause. Herr Wilhelm sagt, er müsse sich erst mal kundig machen. Weil ich aber gerade so verwirrt bin, werde ich versehentlich ein ganz klein wenig unfreundlich, doch Herr Wilhelm rettet die Situation: Er bleibt die Umgänglichkeit in Person, vielleicht sind ja auch Kunden in Hörweite, und um meine Unvernunft zu kühlen, spricht er einen großen weisen Satz aus der Bankenwelt: »Das Geld kann ja nicht weg sein.« Und da man sich auch um den schwierigsten Kunden noch bemühen sollte, ruft in den nächsten Tagen sogar die Dame Ist-ja-ein-Ding an: Alles habe sich geklärt! Die Depotnummer sei irgendwie irgendwo falsch verbucht worden! Das Geld sei praktisch nahezu zugänglich für mich - nur müsse sie erst noch mal die schriftliche Freigabe durch den Vermieter wiederfinden, die sei möglicherweise nach Kiel gewandert, wo auch mein Konto seit langen Jahren heimisch ist.
Gefühle müssen raus
Dann ist ja doch alles gut - und ich wollte mir schon Sorgen machen. Dabei ist es doch nur Geld! Schließlich bin ich doch, wenn mir nichts dazwischenkommt, ein Mann des Geistes. Und gebe mich dem Geistesleben hin, das bekanntlich des Mammons nicht bedarf. Tage und halbe Wochen ziehen ereignisreich vorüber, die neue Wohnung wird warmgefeiert, ich erzähle vom Eichelhäher und zeige die Erle hinterm Haus. Erst nach knapp zwei Wochen melde ich mich mal wieder bei meiner Bank, bis ich alle Telefondienstleister in der Frankfurter Zentrale persönlich kennengelernt habe. Die sind supernett! Und zwei Tage später geht dann sogar in der Friedrichstraße jemand ran: Frau Ist-ja-ein-Ding. Vor lauter Wiederhörensfreude fange ich direkt an, ihr ein paar persönliche Dinge zu erzählen; über Stimmungen und Empfindungen, die mich so umtreiben; über Emotionen, die mich manchmal so durchwallen; doch auch Berufliches ist dabei: etwa, dass ich schon bald eine zentrale Figur im Medienbusiness sein könnte, die dann wahnsinnig gern wahnsinnig lange Artikel schreiben würde, über Sachen, die die Menschen bewegen. Denn man soll nicht immer nur so kühl im Umgang sein, gerade im Geldverkehr fehlt ja oft doch die menschliche Wärme, das Miteinander. Frau Ist-ja-ein-Ding quittiert: »Ich kümmer' mich drum!«
Der praktische Briefvorleseservice
Zwei Tage später werde ich von meiner Bank angerufen! Es ist der gute Herr Wilhelm, er hat etwas herausgefunden, er sagt, es habe da einen Zahlendreher gegeben! Ein technisches Versehen, sagt er. Endlich habe man das jetzt nachvollziehen können! Mir aber entfährt: Das hat mir Ihre Kollegin doch schon vor zwei Wochen gesagt? Das beirrt Herrn Wilhelm nicht: In nur zirka einer Woche werde mein Geld von 2003 nun also auf meinem Konto erscheinen! Und tatsächlich dauert es genau so lange, bis sich Großes tut. Wieder ruft Herr Wilhelm an, gute Kunde im Gepäck: Erstens habe ihn sein Filialleiter persönlich beauftragt, mich extra noch mal anzurufen! Und zweitens würde ich demnächst sogar einen Brief erhalten, einen richtig schriftlichen Brief, und da stünde dann noch mal drin, dass ich mein Geld irgendwann wiederbekäme! Als mir ein paar Sekunden lang keine Erwiderung einfällt, geht Herr Wilhelm dazu über, mir Auszüge aus dem Brief vorzulesen, und der Brief steuert auf einen Höhepunkt zu, der nun die nächstfolgende Woche fest ins Visier nimmt: »Die endgültige Rückabwicklung werden wir bis zum 30.04.2010 sicherstellen.« Vor Dankbarkeit weiß ich nun gar nicht mehr, wohin mit mir; ohne recht nachzudenken, maile ich den Pressesprecher meiner Bank an und erzähle ihm - so von Kollege zu Kollege -, bei was für einem guten Unternehmen er doch arbeitet. Er liest sich das gern durch und verspricht, mein Lob in die richtigen Kanäle weiterzuleiten.
Nachdenken über den Standard
Froh gehe ich zu Bett. Alles wird gut. Und in den nächsten Tagen kommen sogar drei Briefe meiner Bank: Den ersten kenne ich schon, der ist mir ja vorgelesen worden. Der zweite ist über meinen Kontakt zum Pressesprecher gelaufen, da möchte meine liebe, gute Schwedenbank sich »in aller Form entschuldigen«, und zwischenzeitlich habe sich sogar ein echter Distriktsleiter für meine Sache eingesetzt, und meine Bank versichert mir mit zweifacher Unterschrift: All das, was mir widerfahren sei, »entspricht nicht unserem Standard«. Ja, meinem doch auch nicht! Der dritte Brief teilt mir dann mit: Auch bei der SEB Investment GmbH habe man jetzt von dieser Sache aus »Friedrichshafen« gehört, man habe »Überprüfungen« angestellt, und den Überprüfungen zufolge beruhe das ganze Verschwinden, diese ganze Zahlendrehergeschichte auf einer »Namensgleichheit«. Meine Zinsen seit 2003 müsse man aber leider einbehalten: Schließlich habe ich ja seit 2003 nie nachgefragt, warum ich keine Abrechnungen zu dem Depot erhalte! Bin also mitschuldig am Verschwinden. Hart, aber gerecht, so muss es zugehen im Finanzgeschäft, anders kann man ja das Geld nicht vermehren. Meine Bank ist ein starker Partner. Dass sie mein Geld auch am 30. April für sich behält, überrascht mich gar nicht: »Rückabwicklung sicherstellen«, das heißt ja noch lange nicht »rückabwickeln«. Gewitzt ist sie halt auch, meine Bank!
Eine Nummer verschwindet
Sieben Jahre später ziehen wir um. Fleißige Umzugshelfer wuseln und tragen Waschmaschinen herum, ein Maler kommt und malert alles, wir hinterlassen die alte Wohnung im Urzustand. Der Vermieter ist ganz glücklich mit uns, er gibt das verpfändete Kautionsdepot wieder frei. Das wird jetzt aber ein Leben! Für einige Tage gebe ich mich in der neuen Wohnung der Naturkunde hin, bestimme die Bäume ringsum, erschrecke fast, dass ein Eichelhäher vor mein Stadtfenster hüpft. Dann rufe ich ordnungshalber bei SEB ImmoInvest an. Nur mal so lauschen. Wann das Geld kommt. Vielleicht ist ja dann auch ein Vogelhäuschen drin oder neue Hocker für den Flur. Ich habe eine nette Frau in der Leitung, und die nette Frau von SEB ImmoInvest findet: Das sei ja eine komische Nummer, die mein Depot da habe ... sie könne das hier nicht finden ... hm. Es müsse wohl bei der Filiale geführt werden. Das ist gut zu wissen, und das Wetter ist ja schön, ich steige also unter Ulmen aufs Fahrrad und in der Friedrichstraße wieder ab.
Ist ja ein Ding!
Eine dienstbare junge Dame steht aufrecht hinterm Schalter, sie findet sogar die Unterlagen zu meiner Depoteröffnung bei sich in der Filiale, und ihre weitere Performance bestätigt, dass es mit der Frankfurter Auskunft seine Richtigkeit hat: Mein Depot ist wirklich nicht mehr da. Ungläubig starrt sie auf ihren Bildschirm, Frankfurt am Ohr, um in regelmäßigen Abständen auszustoßen: »Ist ja ein Ding!« ... »Ist ja ein Ding!« Einige Istja-ein-Dings später legt sie dann auf und berichtet mir mit wohltuender Beiläufigkeit: Ja, das Depot sei wohl irgendwie verschwunden, wohin, könne ihre Kollegin aber nicht sagen, die blicke bei ihren Unterlagen gerade nicht durch. Launig schließt sie: »Wo das wohl wieder hingeraten ist?« Und wirft sich flott auf den nächsten Kunden. Der hat sicher ein noch viel größeres verschwundenes Depot als meines. Ich also trolle mich ungegrüßt, mit der Zusage eines Anrufs, und radle ins Wetter hinaus.
Hallo, Frankfurt!
Ein Tag geht ins Land. Ein nächster hoppelt hinterdrein. Und der übernächste auch. Aus alter Verbundenheit mit meinem Geld rufe ich einfach noch mal in der Filiale Friedrichstraße an. In der Filiale Friedrichstraße anrufen geht so: Man wählt die Nummer, lässt es drei-, viermal klingeln - und schwupp, schon hat man die Frankfurter Zentrale am Ohr. Worum geht's denn? Das möchte ich der Filiale Friedrichstraße erklären. Wie lautet denn Ihre Kontonummer? Meine Kontonummer tut nichts zur Sache, es geht um ein Depot. Ach, es geht um ein Depot - welche Nummer denn? Sie müssen wissen, das Depot wird nicht bei der Filiale geführt. (Womit die Stimme letztlich ja recht hat. Mein Depot wird nirgends geführt, nur ein paar blasse Zettel erinnern noch daran.)
Ein paar Versuche später habe ich dann Herrn Wilhelm an der Strippe, Herrn Wilhelm aus der Friedrichstraße. Superfreundlich und dienstbereit, weiß er natürlich von nichts. Denn was sind schon 1750 Euro plus Zinsen, die einfach so verschwinden? Das reicht sicherlich nicht mal für ein Anekdötchen in der Bankangestellten-Mittagspause. Herr Wilhelm sagt, er müsse sich erst mal kundig machen. Weil ich aber gerade so verwirrt bin, werde ich versehentlich ein ganz klein wenig unfreundlich, doch Herr Wilhelm rettet die Situation: Er bleibt die Umgänglichkeit in Person, vielleicht sind ja auch Kunden in Hörweite, und um meine Unvernunft zu kühlen, spricht er einen großen weisen Satz aus der Bankenwelt: »Das Geld kann ja nicht weg sein.« Und da man sich auch um den schwierigsten Kunden noch bemühen sollte, ruft in den nächsten Tagen sogar die Dame Ist-ja-ein-Ding an: Alles habe sich geklärt! Die Depotnummer sei irgendwie irgendwo falsch verbucht worden! Das Geld sei praktisch nahezu zugänglich für mich - nur müsse sie erst noch mal die schriftliche Freigabe durch den Vermieter wiederfinden, die sei möglicherweise nach Kiel gewandert, wo auch mein Konto seit langen Jahren heimisch ist.
Gefühle müssen raus
Dann ist ja doch alles gut - und ich wollte mir schon Sorgen machen. Dabei ist es doch nur Geld! Schließlich bin ich doch, wenn mir nichts dazwischenkommt, ein Mann des Geistes. Und gebe mich dem Geistesleben hin, das bekanntlich des Mammons nicht bedarf. Tage und halbe Wochen ziehen ereignisreich vorüber, die neue Wohnung wird warmgefeiert, ich erzähle vom Eichelhäher und zeige die Erle hinterm Haus. Erst nach knapp zwei Wochen melde ich mich mal wieder bei meiner Bank, bis ich alle Telefondienstleister in der Frankfurter Zentrale persönlich kennengelernt habe. Die sind supernett! Und zwei Tage später geht dann sogar in der Friedrichstraße jemand ran: Frau Ist-ja-ein-Ding. Vor lauter Wiederhörensfreude fange ich direkt an, ihr ein paar persönliche Dinge zu erzählen; über Stimmungen und Empfindungen, die mich so umtreiben; über Emotionen, die mich manchmal so durchwallen; doch auch Berufliches ist dabei: etwa, dass ich schon bald eine zentrale Figur im Medienbusiness sein könnte, die dann wahnsinnig gern wahnsinnig lange Artikel schreiben würde, über Sachen, die die Menschen bewegen. Denn man soll nicht immer nur so kühl im Umgang sein, gerade im Geldverkehr fehlt ja oft doch die menschliche Wärme, das Miteinander. Frau Ist-ja-ein-Ding quittiert: »Ich kümmer' mich drum!«
Der praktische Briefvorleseservice
Zwei Tage später werde ich von meiner Bank angerufen! Es ist der gute Herr Wilhelm, er hat etwas herausgefunden, er sagt, es habe da einen Zahlendreher gegeben! Ein technisches Versehen, sagt er. Endlich habe man das jetzt nachvollziehen können! Mir aber entfährt: Das hat mir Ihre Kollegin doch schon vor zwei Wochen gesagt? Das beirrt Herrn Wilhelm nicht: In nur zirka einer Woche werde mein Geld von 2003 nun also auf meinem Konto erscheinen! Und tatsächlich dauert es genau so lange, bis sich Großes tut. Wieder ruft Herr Wilhelm an, gute Kunde im Gepäck: Erstens habe ihn sein Filialleiter persönlich beauftragt, mich extra noch mal anzurufen! Und zweitens würde ich demnächst sogar einen Brief erhalten, einen richtig schriftlichen Brief, und da stünde dann noch mal drin, dass ich mein Geld irgendwann wiederbekäme! Als mir ein paar Sekunden lang keine Erwiderung einfällt, geht Herr Wilhelm dazu über, mir Auszüge aus dem Brief vorzulesen, und der Brief steuert auf einen Höhepunkt zu, der nun die nächstfolgende Woche fest ins Visier nimmt: »Die endgültige Rückabwicklung werden wir bis zum 30.04.2010 sicherstellen.« Vor Dankbarkeit weiß ich nun gar nicht mehr, wohin mit mir; ohne recht nachzudenken, maile ich den Pressesprecher meiner Bank an und erzähle ihm - so von Kollege zu Kollege -, bei was für einem guten Unternehmen er doch arbeitet. Er liest sich das gern durch und verspricht, mein Lob in die richtigen Kanäle weiterzuleiten.
Nachdenken über den Standard
Froh gehe ich zu Bett. Alles wird gut. Und in den nächsten Tagen kommen sogar drei Briefe meiner Bank: Den ersten kenne ich schon, der ist mir ja vorgelesen worden. Der zweite ist über meinen Kontakt zum Pressesprecher gelaufen, da möchte meine liebe, gute Schwedenbank sich »in aller Form entschuldigen«, und zwischenzeitlich habe sich sogar ein echter Distriktsleiter für meine Sache eingesetzt, und meine Bank versichert mir mit zweifacher Unterschrift: All das, was mir widerfahren sei, »entspricht nicht unserem Standard«. Ja, meinem doch auch nicht! Der dritte Brief teilt mir dann mit: Auch bei der SEB Investment GmbH habe man jetzt von dieser Sache aus »Friedrichshafen« gehört, man habe »Überprüfungen« angestellt, und den Überprüfungen zufolge beruhe das ganze Verschwinden, diese ganze Zahlendrehergeschichte auf einer »Namensgleichheit«. Meine Zinsen seit 2003 müsse man aber leider einbehalten: Schließlich habe ich ja seit 2003 nie nachgefragt, warum ich keine Abrechnungen zu dem Depot erhalte! Bin also mitschuldig am Verschwinden. Hart, aber gerecht, so muss es zugehen im Finanzgeschäft, anders kann man ja das Geld nicht vermehren. Meine Bank ist ein starker Partner. Dass sie mein Geld auch am 30. April für sich behält, überrascht mich gar nicht: »Rückabwicklung sicherstellen«, das heißt ja noch lange nicht »rückabwickeln«. Gewitzt ist sie halt auch, meine Bank!
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Autoren-Porträt von Klaus Ungerer, Susanne Berkenheger
Klaus Ungerer, geboren 1969 in der Hansestadt Lübeck, ist Journalist und Literat. Von 2001 bis 2003 war er Redakteur im F.A.Z.-Feuilleton. Er gehört zum Redaktionsteam der Satirerubrik SPAM auf spiegel.de. Ungerer ist verheiratet, hat eine Tochter und zwei Lieblingsvereine: VfB Lübeck und Hertha BSC.Susanne Berkenheger ist Autorin, Künstlerin, Journalistin.
Bibliographische Angaben
- Autoren: Klaus Ungerer , Susanne Berkenheger
- 2011, 238 Seiten, Maße: 12 x 18,9 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Ullstein TB
- ISBN-10: 3548374166
- ISBN-13: 9783548374161
Rezension zu „Drücken Sie bitte die Eins “
»Humorvolle Tipps, wie man sich durch die Servicehölle kämpft.« BILD ONLINE, 29.09.11 »Als ich das Buch gesehen habe, schrie etwas in mir: Endlich! Endlich kann ich einmal diese ganzen Elendsgeschichten, die ich erlebt habe, wieder lesen.« Holger Noltze, WDR, Oktober 2011 »Herrlich gescrhieben und amüsant zusammengestellt zeigen die Geschichten was passiert, wenn der Dienst am Kunden zum Service verkommt - Lesetipp des Jahres!« TELE TALK, Oktober 2011 »Die Entdeckung des Sommers heißt Drücken Sie bitte die Eins.« MAINPOST »Schon ein paar Zeilen treiben einem die Tränen der Wiedererkennung von Verzweiflung und Demütigung in die Augen.« RBB INFORADIO, Renee Zucker
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