Ein geschenkter Tag
Frühling in Frankreich: Die Geschwister Lola, Garance und Simon sind auf dem Weg zu einer Hochzeit. Doch schon auf der Autofahrt beginnt ein Streit mit der Schwägerin. Also hauen die drei ab. Und statt auf die Hochzeitsfeier fahren sie zu ihrem Bruder Vincent in die Provinz.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Ein geschenkter Tag “
Frühling in Frankreich: Die Geschwister Lola, Garance und Simon sind auf dem Weg zu einer Hochzeit. Doch schon auf der Autofahrt beginnt ein Streit mit der Schwägerin. Also hauen die drei ab. Und statt auf die Hochzeitsfeier fahren sie zu ihrem Bruder Vincent in die Provinz.
Klappentext zu „Ein geschenkter Tag “
Frühling, irgendwo in Frankreich, die Geschwister Simon, Garance und Lola auf dem Weg zu einer Hochzeit: Schon die Autofahrt mündet in einen handfesten Streit mit der Schwägerin. Kurzerhand machen sich die drei aus dem Staub, lassen die gediegene Familienfeier sausen und besuchen stattdessen den Bruder Vincent, der in der Provinz auf einem Schloss in der Touraine lebt. In ihrer heiteren, spritzigen Frühlingslektüre erzählt Anna Gavalda von einer überraschenden Landpartie, die den Geschwistern ein Stück Kindheitsglück zurückgibt: einen geschenkten Tag, fernab von Small Talk und Förmlichkeiten, voller Erinnerungen und ohne nervende Schwägerin.
Lese-Probe zu „Ein geschenkter Tag “
Ich saß noch nicht richtig, eine Pobacke in der Luft,die Hand auf der Wagentür, da blaffte mich meine
Schwägerin bereits an:
"Na, endlich. Hast du unser Hupen nicht gehört?
Wir stehen hier schon seit zehn Minuten!"
"Hallo", antworte ich.
Mein Bruder hatte sich umgedreht. Diskretes Augenzwinkern.
"Alles in Ordnung, Sweetheart?"
"Alles in Ordnung."
"Soll ich deine Sachen in den Kofferraum pakken?"
"Nein, vielen Dank. Ich habe nur diese kleine Tasche
und mein Kleid. Das lege ich hinten auf die Ablage."
"Das hier ist dein Kleid?", fragte sie stirnrunzelnd
mit einem Blick zu der Stoffkugel auf meinem
Schoß.
"Ja."
"Was – was ist das?"
"Ein Sari."
"Ah. Ich sehe schon …"
"Du siehst noch gar nichts", bemerkte ich freundlich,
"du wirst erst was sehen, wenn ich ihn anziehe."
Kleine Grimasse.
"Können wir los?", wirft mein Bruder ein.
"Ja. Das heißt, nein. Könntest du kurz beim Araber
am Ende der Straße halten, ich muss noch was
besorgen."
Meine Schwägerin seufzt.
"Was brauchst du denn jetzt noch?"
"Eine Enthaarungscreme."
"Und die kaufst du beim Araber?"
"Na klar, ich kaufe alles bei meinem geliebten Raschid!
Alles, alles, alles!"
Sie glaubt mir nicht.
"Alles klar? Können wir los?"
"Ja."
"Schnallst du dich nicht an?"
"Nein."
"Warum schnallst du dich nicht an?"
"Klaustrophobie", antworte ich.
Und bevor sie ihr Sprüchlein über abgestoßene
Gliedmaßen infolge unfallbedingter Transplantation
ablassen kann, füge ich hinzu:
"Außerdem will ich ein bisschen schlafen. Ich bin
todmüde."
Mein Bruder lächelt.
"Bist du gerade aufgestanden?"
"Ich war gar
... mehr
nicht erst im Bett", stelle ich mit einem
Gähnen klar.
Was natürlich nicht stimmt. Ich habe ein paar Stunden
geschlafen. Damit will ich nur meine Schwägerin
ärgern. Und es klappt. Das gefällt mir so gut an ihr:
Es klappt immer.
"Wo warst du denn schon wieder?", knurrt sie und
verdreht die Augen.
"Zu Hause."
"Hast du eine Party gegeben?"
"Nein, ich habe Karten gespielt."
"Karten?!"
"Ja. Poker."
Sie schüttelt den Kopf. Nicht zu sehr. Die Frisur
könnte leiden.
"Wieviel hast du verloren?", fragt mein Bruder belustigt.
"Nichts. Diesmal hab ich gewonnen."
Ohrenbetäubende Stille.
"Darf man wissen, wieviel?", fragt sie und platzt vor
Neugier, rückt die Persol auf ihrer Nase zurecht.
"Dreitausend."
"Dreitausend! Dreitausend was?"
"Na ja, Euro", gebe ich naiv zurück, "wir werden
uns doch nicht mit Rubeln plagen …"
Ich kicherte und rollte mich zu einer Kugel zusammen.
Jetzt hatte ich meiner lieben Carine eine Denksportaufgabe
für die restliche Reise gegeben …
Ich hörte, wie sich die Rädchen in ihrem Gehirn in
Bewegung setzten:
Dreitausend Euro – ratter ratter ratter – wieviel
musste sie selbst an Trockenshampoofl aschen und
Aspirintabletten verkaufen, um dreitausend Euro zu
verdienen? – ratter ratter ratter – plus die laufenden
Kosten, plus die Gewerbesteuer, plus die Gemeindesteuer,
plus die Miete minus die Mehrwertsteuer …
Wie oft musste sie selbst ihren weißen Kittel überstreifen,
um dreitausend Euro netto zu verdienen?
Plus die Krankenzusatzversicherung. Acht hin, zwei
im Sinn … Und die Urlaubstage, macht zehn, multipliziert
mit drei … ratter ratter ratter …
Ja, ich kicherte vor mich hin. Sanft geschaukelt vom
Schnurren ihrer Limousine, die Nase in der Armbeuge,
die Beine unterm Kinn. Ich war ziemlich stolz
auf mich, meine Schwägerin ist schon ein besonderer
Fall.
Meine Schwägerin Carine hat Pharmazie studiert,
möchte aber, dass man Medizin sagt, folglich ist sie
Apothekerin, möchte aber, dass man Frau Doktor
sagt, folglich hat sie eine Apotheke, möchte aber,
dass man Offi zin sagt.
Beim Dessert klagt sie mit Vorliebe über ihre
Buchführung und trägt einen bis oben zugeknöpften
Chirurgenkittel mit einem aufgebügelten Schildchen,
auf dem zwischen zwei blauen Äskulapstäben ihr
Name prangt. Heute verkauft sie vor allem Cremes
zur Straffung der Gesäßhaut und Carotin-Kapseln,
weil das einträglicher ist, spricht aber lieber davon,
dass sie den parapharmazeutischen Sektor optimiert hat.
Meine Schwägerin Carine ist ziemlich vorhersagbar.
"Tja, wenn du letzte Nacht so viel gewonnen hast,
könntest du dich ja ausnahmsweise mal am Benzin
beteiligen."
"Am Benzin UND an der Autobahngebühr", sage
ich und reibe mir die Nase.
Ich kann es nicht sehen, aber ich stelle mir vor,
wie sie zufrieden lächelt und ihre Hände gesittet auf
den Beinen ruhen, die sie eng aneinanderpresst.
Ich schiebe die Hüfte vor, um einen großen Schein
aus meiner Jeans zu ziehen.
"Lass das", sagt mein Bruder.
Woraufhin sie quiekt:
"Aber Simon, wirklich, ich sehe nicht ein,
dass …"
"Lass das, habe ich gesagt", wiederholt mein Bruder,
ohne die Stimme zu erheben.
Sie öffnet den Mund, schließt ihn wieder, windet
sich ein wenig, öffnet von neuem den Mund, entfernt
ein imaginäres Staubkorn von ihren Schenkeln, berührt
ihren Saphirring, dreht ihn wieder an die richtige
Stelle, inspiziert ihre Fingernägel, macht Anstalten,
etwas zu sagen – bleibt aber stumm.
Es knirscht im Gebälk. Wenn sie die Klappe hält,
heißt das, dass sie sich gestritten haben. Wenn sie
die Klappe hält, heißt das, dass mein Bruder die
Stimme erhoben hat.
Das kommt selten vor.
Mein Bruder regt sich nie auf, redet nie schlecht
über andere, weiß nicht, was Gehässigkeit ist, und
urteilt nicht über seinen Nächsten. Mein Bruder
stammt von einem anderen Planeten. Von der Venus
vielleicht …
Wir vergöttern ihn. Wir fragen ihn: "Wie kannst du
bloß so ruhig bleiben? Wie machst du das?" Er zuckt
mit den Schultern: "Keine Ahnung." Wir fragen weiter:"Hast du nicht manchmal Lust, dich ein bisschen
gehenzulassen? Richtig schäbige, richtig gehässige
Sachen zu sagen?"
"Dafür hab ich doch euch, meine Lieben", antwortet
er mit einem engelsgleichen Lächeln.
Ja, wir vergöttern ihn. Alle Welt vergöttert ihn. Unsere
Kindermädchen, die Grundschullehrerinnen, die
Gymnasiallehrer, seine Kollegen, seine Nachbarn.
Alle.
Als wir noch klein waren, haben wir uns in seinem
Zimmer auf dem Teppich gefl äzt, seine Platten gehört
und seine Bonbons stibitzt, während er an unseren
Hausaufgaben saß, und wir machten uns einen
Spaß daraus, uns die Zukunft vorzustellen. Ihm prophezeiten
wir:
"Du bist so ein lieber Kerl, du lässt dich bestimmt
von einem richtigen Biest krallen."
Bingo.
Gähnen klar.
Was natürlich nicht stimmt. Ich habe ein paar Stunden
geschlafen. Damit will ich nur meine Schwägerin
ärgern. Und es klappt. Das gefällt mir so gut an ihr:
Es klappt immer.
"Wo warst du denn schon wieder?", knurrt sie und
verdreht die Augen.
"Zu Hause."
"Hast du eine Party gegeben?"
"Nein, ich habe Karten gespielt."
"Karten?!"
"Ja. Poker."
Sie schüttelt den Kopf. Nicht zu sehr. Die Frisur
könnte leiden.
"Wieviel hast du verloren?", fragt mein Bruder belustigt.
"Nichts. Diesmal hab ich gewonnen."
Ohrenbetäubende Stille.
"Darf man wissen, wieviel?", fragt sie und platzt vor
Neugier, rückt die Persol auf ihrer Nase zurecht.
"Dreitausend."
"Dreitausend! Dreitausend was?"
"Na ja, Euro", gebe ich naiv zurück, "wir werden
uns doch nicht mit Rubeln plagen …"
Ich kicherte und rollte mich zu einer Kugel zusammen.
Jetzt hatte ich meiner lieben Carine eine Denksportaufgabe
für die restliche Reise gegeben …
Ich hörte, wie sich die Rädchen in ihrem Gehirn in
Bewegung setzten:
Dreitausend Euro – ratter ratter ratter – wieviel
musste sie selbst an Trockenshampoofl aschen und
Aspirintabletten verkaufen, um dreitausend Euro zu
verdienen? – ratter ratter ratter – plus die laufenden
Kosten, plus die Gewerbesteuer, plus die Gemeindesteuer,
plus die Miete minus die Mehrwertsteuer …
Wie oft musste sie selbst ihren weißen Kittel überstreifen,
um dreitausend Euro netto zu verdienen?
Plus die Krankenzusatzversicherung. Acht hin, zwei
im Sinn … Und die Urlaubstage, macht zehn, multipliziert
mit drei … ratter ratter ratter …
Ja, ich kicherte vor mich hin. Sanft geschaukelt vom
Schnurren ihrer Limousine, die Nase in der Armbeuge,
die Beine unterm Kinn. Ich war ziemlich stolz
auf mich, meine Schwägerin ist schon ein besonderer
Fall.
Meine Schwägerin Carine hat Pharmazie studiert,
möchte aber, dass man Medizin sagt, folglich ist sie
Apothekerin, möchte aber, dass man Frau Doktor
sagt, folglich hat sie eine Apotheke, möchte aber,
dass man Offi zin sagt.
Beim Dessert klagt sie mit Vorliebe über ihre
Buchführung und trägt einen bis oben zugeknöpften
Chirurgenkittel mit einem aufgebügelten Schildchen,
auf dem zwischen zwei blauen Äskulapstäben ihr
Name prangt. Heute verkauft sie vor allem Cremes
zur Straffung der Gesäßhaut und Carotin-Kapseln,
weil das einträglicher ist, spricht aber lieber davon,
dass sie den parapharmazeutischen Sektor optimiert hat.
Meine Schwägerin Carine ist ziemlich vorhersagbar.
"Tja, wenn du letzte Nacht so viel gewonnen hast,
könntest du dich ja ausnahmsweise mal am Benzin
beteiligen."
"Am Benzin UND an der Autobahngebühr", sage
ich und reibe mir die Nase.
Ich kann es nicht sehen, aber ich stelle mir vor,
wie sie zufrieden lächelt und ihre Hände gesittet auf
den Beinen ruhen, die sie eng aneinanderpresst.
Ich schiebe die Hüfte vor, um einen großen Schein
aus meiner Jeans zu ziehen.
"Lass das", sagt mein Bruder.
Woraufhin sie quiekt:
"Aber Simon, wirklich, ich sehe nicht ein,
dass …"
"Lass das, habe ich gesagt", wiederholt mein Bruder,
ohne die Stimme zu erheben.
Sie öffnet den Mund, schließt ihn wieder, windet
sich ein wenig, öffnet von neuem den Mund, entfernt
ein imaginäres Staubkorn von ihren Schenkeln, berührt
ihren Saphirring, dreht ihn wieder an die richtige
Stelle, inspiziert ihre Fingernägel, macht Anstalten,
etwas zu sagen – bleibt aber stumm.
Es knirscht im Gebälk. Wenn sie die Klappe hält,
heißt das, dass sie sich gestritten haben. Wenn sie
die Klappe hält, heißt das, dass mein Bruder die
Stimme erhoben hat.
Das kommt selten vor.
Mein Bruder regt sich nie auf, redet nie schlecht
über andere, weiß nicht, was Gehässigkeit ist, und
urteilt nicht über seinen Nächsten. Mein Bruder
stammt von einem anderen Planeten. Von der Venus
vielleicht …
Wir vergöttern ihn. Wir fragen ihn: "Wie kannst du
bloß so ruhig bleiben? Wie machst du das?" Er zuckt
mit den Schultern: "Keine Ahnung." Wir fragen weiter:"Hast du nicht manchmal Lust, dich ein bisschen
gehenzulassen? Richtig schäbige, richtig gehässige
Sachen zu sagen?"
"Dafür hab ich doch euch, meine Lieben", antwortet
er mit einem engelsgleichen Lächeln.
Ja, wir vergöttern ihn. Alle Welt vergöttert ihn. Unsere
Kindermädchen, die Grundschullehrerinnen, die
Gymnasiallehrer, seine Kollegen, seine Nachbarn.
Alle.
Als wir noch klein waren, haben wir uns in seinem
Zimmer auf dem Teppich gefl äzt, seine Platten gehört
und seine Bonbons stibitzt, während er an unseren
Hausaufgaben saß, und wir machten uns einen
Spaß daraus, uns die Zukunft vorzustellen. Ihm prophezeiten
wir:
"Du bist so ein lieber Kerl, du lässt dich bestimmt
von einem richtigen Biest krallen."
Bingo.
... weniger
Autoren-Porträt von Anna Gavalda
Anna Gavalda, geb. 1970, ist auf dem Land aufgewachsen, hat in Paris Literatur studiert und wurde mit ihrem ersten Erzählband auf einen Schlag berühmt. Sie lebt mit ihren zwei Kindern bei Paris.Ina Kronenberger, geboren 1965 in der Pfalz, übersetzt aus dem Norwegischen und Französischen, u.a. Per Petterson, Linn Ullmann, Ketil Björnstad, Anna Gavalda, Amin Maalouf und Thomas Gunzig.
Bibliographische Angaben
- Autor: Anna Gavalda
- 2010, 2. Aufl., 138 Seiten, Maße: 12 x 19 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Kronenberger, Ina
- Übersetzer: Ina Kronenberger
- Verlag: HANSER
- ISBN-10: 3446234896
- ISBN-13: 9783446234895
- Erscheinungsdatum: 08.02.2010
Rezension zu „Ein geschenkter Tag “
"Komödiantisch, bissig und zärtlich. Wir raten zu." Sanda Leis, Die Zeit, 01.07.10"Anna Gavaldas neuer Roman zaubert eine Flucht aus dem Alltag, er ist tröstlich, heiter - und macht glücklich!" Freundin
Kommentare zu "Ein geschenkter Tag"
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