Ein König für Deutschland
Roman. Ausgezeichnet mit dem Kurd-Laßwitz-Preis, Bester Roman 2010. Originalausgabe
Computerfreak Vincent entwickelt ein Programm, mit dem man Wahlcomputer manipulieren kann. Zusammen mit seinem Vater heckt er einen Plan aus: Sie wollen eine Partei zur Wiedereinführung der Monarchie gründen, die Wahl gewinnen und so die...
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Produktinformationen zu „Ein König für Deutschland “
Computerfreak Vincent entwickelt ein Programm, mit dem man Wahlcomputer manipulieren kann. Zusammen mit seinem Vater heckt er einen Plan aus: Sie wollen eine Partei zur Wiedereinführung der Monarchie gründen, die Wahl gewinnen und so die Gefährlichkeit von Wahlmaschinen zeigen. Vincents Vater gewinnt - doch sollen sie den Schwindel nun wirklich aufdecken?
Klappentext zu „Ein König für Deutschland “
Wir schreiben das Jahr 2009. Im Dom zu Aachen soll ein neuer deutscher König gekrönt werden. Und niemand versteht, wie es soweit kommen konnte. Einmal König sein - die Macht haben, Dinge zu verändern. Mit gesundem Menschenverstand die Welt geraderücken. Was wäre, wenn man tatsächlich plötzlich die Möglichkeit dazu hätte? Könnten Sie der Versuchung widerstehen? Kann Simon König es? Die Frage stellt sich ihm, als er in den Besitz eines Computer-Programmes kommt, mit dem sich
die Resultate von Wahlmaschinen manipulieren lassen. Was dann geschieht, hätte er sich in seinen wildesten Träumen nicht vorzustellen gewagt ...
Lese-Probe zu „Ein König für Deutschland “
EIN KÖNIG FÜR DEUTSCHLAND von ANDREAS ESCHBACH Kapitel 1
Betrachten Sie das Folgende bitte als deutliche Warnung «, sagte der Richter und sah Vincent eindringlich an. »Sind Sie imstande, eine Warnung zu verstehen, Mister Merrit, wenn man sie als solche kennzeichnet und laut und deutlich ausspricht?« »Ja, Euer Ehren«, beeilte sich Vincent mit heftigem Kopfnicken zu versichern und dachte: Er darf mir an den Kopf schmeißen, was er will, Hauptsache, ich komm hier heil raus! »Das sollten Sie auch. Denn wenn man Sie noch einmal erwischt, wie Sie irgendwelche illegalen Dinge mit einem Computer anstellen, dann, Mister Merrit, werden Sie Ihre Freiheit für sehr, sehr lange Zeit los sein.« Der Richter, Seine Ehren Alfred J. Straw, sprach so laut und so deutlich, dass seine Stimme von den Wänden und der reich verzierten Decke des Gerichtssaals 2 des Philadelphia Municipal Court widerhallte. »Und um Ihrer Vorstellungskraft hinsichtlich dessen, was das bedeutet, auf die Sprünge zu helfen, verurteile ich Sie zu einer Woche Arrest im Oak Tree Detention Center.
... mehr
Die Strafe ist sofort anzutreten.« Damit fiel der Hammer. Vincent fand die Woche im Gefängnis in der Tat überaus eindrucksvoll, besonders den Abend, an dem ihn eine Gruppe Lebenslänglicher in der Dusche zu vergewaltigen versuchte. Die Wächter retteten ihn in letzter Minute und verlegten ihn in einen anderen Zellenblock, wo er anschließend viel Zeit hatte, über sein Leben nachzudenken. Er kam zu dem Schluss, dass ihn in Philadelphia eigentlich nichts mehr hielt und im Staate Pennsylvania auch nichts, wenn er schon dabei war. Er würde nach Florida gehen. Er hatte schon immer nach Florida gehen wollen. 10 Sonne, Strand und schöne Mädchen. Wenn er die Mühen eines gesetzestreuen Lebens auf sich nehmen wollte, dann konnte er das genauso gut im Warmen tun. Nach seiner Rückkehr aus dem Gefängnis stellte er fest, dass seine Freundin ausgezogen war, was ihn angesichts des Zustandes, in dem ihre Beziehung zuletzt gewesen war, nicht im Geringsten wunderte.
Dass sie die meisten Möbel mitgenommen hatte, auch solche, die ihr nicht gehörten, war eher hilfreich, denn so passte seine restliche Habe ohne Probleme in seinen rostigen Ford Kombi. So überquerte Vincent Wayne Merrit im Alter von 21 Jahren erstmals eine Staatsgrenze. Nicht, dass es ihm grundsätzlich an Umzugserfahrung gemangelt hätte: Mit seiner Mutter Lila Merrit, deren einziges und darüber hinaus uneheliches Kind er war, hatte er in den ersten 18 Jahren seines Lebens 19-mal den Wohnsitz gewechselt, allerdings immer innerhalb Pennsylvanias, meistens von Philadelphia weg oder nach Philadelphia zurück und stets im Zusammenhang mit irgendwelchen Liebesgeschichten seiner Mutter, die ihm von Kindesbeinen an erklärt hatte: »Mach dir nichts draus, wenn du ein schräger Vogel bist; deine Mutter ist auch einer.« Über seinen Vater erzählte sie ihm nie etwas.
Er musste erst den Code des Schlosses an ihrem Tagebuch knacken, um seinen Namen zu erfahren. Besagte Tagebücher verwahrte seine Mutter in einem geräumigen Regal neben ihrem Bett.
Für jedes Jahr gab es ein eigenes Buch, das die jeweilige Jahreszahl auf dem Rücken trug und mit einem Zahlenschloss gesichert war, das über drei kleine, gerändelte Zahlenräder verfügte. Der damals zehnjährige Vincent sagte sich, dass der Code demzufolge aus einer dreistelligen Zahl bestehen musste. Das wiederum hieß, dass er, wenn er bei 000 anfing und alle Kombinationen bis 999 durchprobierte, unweigerlich auf die richtige kommen würde. Eines Nachmittags, als seine Mutter außer Haus war, schlich er sich in ihr Schlafzimmer, holte das Tagebuch seines Geburtsjahrs heraus, probierte die Zahlen zwischen 000 und 010 durch und stoppte die Zeit, die er dafür benötigte: zwanzig Sekunden. Das multiplizierte er mit 100 und 11 gelangte zu dem überraschenden Resultat, dass er bei diesem Tempo den Code in etwas mehr als einer halben Stunde knacken konnte. Was weitaus schneller war, als er befürchtet hatte. Tatsächlich brauchte er keine zehn Minuten, denn die gesuchte Zahl lautete 216 – das Datum von Vincents Geburt, der am 16. Februar 1977 das Licht der Welt erblickt hatte.
Dies lehrte Vincent etwas über die Art und Weise, wie Menschen Passwörter und Geheimcodes wählen, das ihm später oft von Nutzen sein sollte. Er knackte gleich auch noch den Code des Tagebuchs vom Jahr davor. Diesmal probierte er es sofort mit dem Geburtstag seiner Mutter: mit Erfolg. Mit einer eigenartigen Erregung, die damit zu tun hatte, in verbotenes Territorium einzudringen, las er die Einträge seiner Mutter über seinen Vater, wie sie ihn kennengelernt und wie sie ihn verführt hatte. Vieles von dem, was er las, sollte er erst Jahre später verstehen, aber er fand den Namen seines Vaters und seine Adresse. Eine Adresse in Deutschland. Er musste auf einer Landkarte nachsehen, wo das lag. Nach einigem Nachdenken schrieb er seinem Vater heimlich einen Brief, nicht ahnend, dass er damit dessen Scheidung auslöste. Vincent erreichte Florida im Mai des Jahres 1998, fuhr ohne konkreteres Ziel umher und landete schließlich in Daytona Beach. Hier verbrachte er ein paar Wochen in einem winzigen Haus zwischen Palmen, von dem aus es nicht weit bis zum Strand war, und stellte in dieser Zeit Folgendes fest: Erstens, dass er es langweilig fand, an einem Strand herumzuliegen. Zweitens, dass der Monitor seines Computers empfindlich spiegelte, eine Eigenschaft, die sich in einer sonnigen Gegend unangenehmer bemerkbar machte als im eher trüben Pennsylvania.
Und drittens, dass es zwar schrecklich lange dauerte, Ersparnisse anzusammeln, sie aber schrecklich schnell zur Neige gingen, wenn man davon zu leben versuchte. Mit anderen Worten: Er brauchte einen Job. Vincent hatte sich das Programmieren selbst beigebracht und war gut darin. Um genau zu sein, war er der Beste, seiner Überzeugung nach zumindest. Seine bisherigen Arbeitgeber hatten 12 diese Überzeugung zwar nicht unbedingt geteilt, waren im Prinzip aber zufrieden mit seiner Arbeit gewesen, und hätte er nicht mehr gemacht als diese – hätte Vincent seine Freizeit mit, sagen wir, Baseball, Fernsehen oder Mädchen verbracht –, es hätte nie Probleme gegeben. Aber Vincent hielt wenig von Sport, ertrug das Stillsitzen vor einem Fernseher nicht und war in Bezug auf Mädchen der Ansicht, dass sie einen bei allen Vorzügen doch sehr von der Arbeit abhielten.
Denn Vincent verbrachte auch seine Freizeit am liebsten mit Arbeit, vorausgesetzt, diese Arbeit hatte mit Computern zu tun. An Jobangeboten für derart disponierte Leute herrschte auch in Florida kein Mangel. Leider erfuhren aber die meisten Firmen, bei denen er vorstellig wurde, auf irgendeine Weise – bei der zweifellos ebenfalls Computer eine tragende Rolle spielten – von seiner Verurteilung und seiner Gefängnisstrafe und zeigten sich danach wenig geneigt, ihn einzustellen. So vergingen die Wochen, und seine Ersparnisse nahmen mit bedenklicher Geschwindigkeit weiter ab, nicht zuletzt, weil er den Radius seiner Suche immer mehr ausdehnen und deswegen mehr fahren musste. In Oviedo, einem Ort in der Nähe von Orlando, fand er schließlich ein Unternehmen, das sich an seinem Vorleben nicht störte.
Es handelte sich um eine Softwarefirma namens SIT, Sanchez Information Technology, deren Inhaberin, Consuela Margarita Sanchez, eine dralle kleine Exilkubanerin, sich im Gegenteil an den fachlichen Details seiner Untat überaus interessiert zeigte. »Ein Trojaner?«, wiederholte sie mit unverkennbarer Faszination. »Und Sie haben fünfzigtausend Kreditkartennummern damit gestohlen? « Vincent schüttelte entschieden den Kopf. »Das war der andere. Der sitzt noch.« Ihn schauderte bei dem Gedanken, wie es seinem ehemaligen Kollegen dabei ergehen mochte. »Ich habe bloß das Programm geschrieben. Ich hatte keine Ahnung, was er vorhatte.« Das entsprach, obwohl ihm das der Richter nicht geglaubt hatte, der Wahrheit. Zumindest insoweit, dass Vincent nicht im Detail gewusst hatte, was Craig mit dem Trojanerprogramm 13 vorgehabt hatte. Dass er etwas damit vorgehabt hatte, war ihm durchaus klar gewesen; er hatte sich aber eingeredet, dass Craig bestimmt nur jemandem bei der Bank, die sich als unerfreulicher Kunde erwiesen hatte, einen Streich spielen wollte.
In Wirklichkeit hatte er einfach der Gelegenheit nicht widerstehen können, Craig zu zeigen, wer der bessere Programmierer war. »Und wieso hat man Sie erwischt?« Vincent wand sich auf seinem Stuhl. »Weil ich meine Signatur darin versteckt hatte. So eine Angewohnheit von mir.« Das Trojanerprogramm hatte sich auf den Rechnern der Kreditkartenabteilung eingenistet, sich deren Mitarbeitern gegenüber als regulärer Login-Schirm ausgegeben und alle Passwörter an Craig weitergeleitet. Der hatte sich damit Zugang verschafft, Tausende von gültigen Kreditkartennummern abgerufen und übers Internet verkauft. Und nicht dran gedacht, den Trojaner wieder zu löschen. Consuela lächelte von einem ihrer dicken roten Ohrclipse zum anderen. »Wissen Sie was, Vincent? Sie sind ein Strolch, aber Sie gefallen mir.« Sie streckte die Hand über den Tisch. »Willkommen im Team.«
Dieser Titel ist auch als Hörbuch bei Lübbe Audio lieferbar Gustav Lübbe Verlag in der Verlagsgruppe Lübbe
Originalausgabe
Copyright © 2009 by Andreas Eschbach und Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, Bergisch Gladbach
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen
Textredaktion: Stefan Bauer Umschlaggestaltung: Hilden Design, München Einband- /
Umschlagmotiv: Stefan Hilden, München unter Verwendung eines Motives von granata 1111 / Shutterstock Autorenfoto: pro event, Andreas Biesenbach Satz: Druck & Grafik Siebel, Lindlar Gesetzt aus der ITC Giovanni Druck und Einband: Friedrich Pustet, Regensburg Printed in Germany
ISBN 978-3-7857-2374-6 5 4 3 2 1
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www.luebbe.de Bitte beachten Sie auch: www.lesejury.de
Dass sie die meisten Möbel mitgenommen hatte, auch solche, die ihr nicht gehörten, war eher hilfreich, denn so passte seine restliche Habe ohne Probleme in seinen rostigen Ford Kombi. So überquerte Vincent Wayne Merrit im Alter von 21 Jahren erstmals eine Staatsgrenze. Nicht, dass es ihm grundsätzlich an Umzugserfahrung gemangelt hätte: Mit seiner Mutter Lila Merrit, deren einziges und darüber hinaus uneheliches Kind er war, hatte er in den ersten 18 Jahren seines Lebens 19-mal den Wohnsitz gewechselt, allerdings immer innerhalb Pennsylvanias, meistens von Philadelphia weg oder nach Philadelphia zurück und stets im Zusammenhang mit irgendwelchen Liebesgeschichten seiner Mutter, die ihm von Kindesbeinen an erklärt hatte: »Mach dir nichts draus, wenn du ein schräger Vogel bist; deine Mutter ist auch einer.« Über seinen Vater erzählte sie ihm nie etwas.
Er musste erst den Code des Schlosses an ihrem Tagebuch knacken, um seinen Namen zu erfahren. Besagte Tagebücher verwahrte seine Mutter in einem geräumigen Regal neben ihrem Bett.
Für jedes Jahr gab es ein eigenes Buch, das die jeweilige Jahreszahl auf dem Rücken trug und mit einem Zahlenschloss gesichert war, das über drei kleine, gerändelte Zahlenräder verfügte. Der damals zehnjährige Vincent sagte sich, dass der Code demzufolge aus einer dreistelligen Zahl bestehen musste. Das wiederum hieß, dass er, wenn er bei 000 anfing und alle Kombinationen bis 999 durchprobierte, unweigerlich auf die richtige kommen würde. Eines Nachmittags, als seine Mutter außer Haus war, schlich er sich in ihr Schlafzimmer, holte das Tagebuch seines Geburtsjahrs heraus, probierte die Zahlen zwischen 000 und 010 durch und stoppte die Zeit, die er dafür benötigte: zwanzig Sekunden. Das multiplizierte er mit 100 und 11 gelangte zu dem überraschenden Resultat, dass er bei diesem Tempo den Code in etwas mehr als einer halben Stunde knacken konnte. Was weitaus schneller war, als er befürchtet hatte. Tatsächlich brauchte er keine zehn Minuten, denn die gesuchte Zahl lautete 216 – das Datum von Vincents Geburt, der am 16. Februar 1977 das Licht der Welt erblickt hatte.
Dies lehrte Vincent etwas über die Art und Weise, wie Menschen Passwörter und Geheimcodes wählen, das ihm später oft von Nutzen sein sollte. Er knackte gleich auch noch den Code des Tagebuchs vom Jahr davor. Diesmal probierte er es sofort mit dem Geburtstag seiner Mutter: mit Erfolg. Mit einer eigenartigen Erregung, die damit zu tun hatte, in verbotenes Territorium einzudringen, las er die Einträge seiner Mutter über seinen Vater, wie sie ihn kennengelernt und wie sie ihn verführt hatte. Vieles von dem, was er las, sollte er erst Jahre später verstehen, aber er fand den Namen seines Vaters und seine Adresse. Eine Adresse in Deutschland. Er musste auf einer Landkarte nachsehen, wo das lag. Nach einigem Nachdenken schrieb er seinem Vater heimlich einen Brief, nicht ahnend, dass er damit dessen Scheidung auslöste. Vincent erreichte Florida im Mai des Jahres 1998, fuhr ohne konkreteres Ziel umher und landete schließlich in Daytona Beach. Hier verbrachte er ein paar Wochen in einem winzigen Haus zwischen Palmen, von dem aus es nicht weit bis zum Strand war, und stellte in dieser Zeit Folgendes fest: Erstens, dass er es langweilig fand, an einem Strand herumzuliegen. Zweitens, dass der Monitor seines Computers empfindlich spiegelte, eine Eigenschaft, die sich in einer sonnigen Gegend unangenehmer bemerkbar machte als im eher trüben Pennsylvania.
Und drittens, dass es zwar schrecklich lange dauerte, Ersparnisse anzusammeln, sie aber schrecklich schnell zur Neige gingen, wenn man davon zu leben versuchte. Mit anderen Worten: Er brauchte einen Job. Vincent hatte sich das Programmieren selbst beigebracht und war gut darin. Um genau zu sein, war er der Beste, seiner Überzeugung nach zumindest. Seine bisherigen Arbeitgeber hatten 12 diese Überzeugung zwar nicht unbedingt geteilt, waren im Prinzip aber zufrieden mit seiner Arbeit gewesen, und hätte er nicht mehr gemacht als diese – hätte Vincent seine Freizeit mit, sagen wir, Baseball, Fernsehen oder Mädchen verbracht –, es hätte nie Probleme gegeben. Aber Vincent hielt wenig von Sport, ertrug das Stillsitzen vor einem Fernseher nicht und war in Bezug auf Mädchen der Ansicht, dass sie einen bei allen Vorzügen doch sehr von der Arbeit abhielten.
Denn Vincent verbrachte auch seine Freizeit am liebsten mit Arbeit, vorausgesetzt, diese Arbeit hatte mit Computern zu tun. An Jobangeboten für derart disponierte Leute herrschte auch in Florida kein Mangel. Leider erfuhren aber die meisten Firmen, bei denen er vorstellig wurde, auf irgendeine Weise – bei der zweifellos ebenfalls Computer eine tragende Rolle spielten – von seiner Verurteilung und seiner Gefängnisstrafe und zeigten sich danach wenig geneigt, ihn einzustellen. So vergingen die Wochen, und seine Ersparnisse nahmen mit bedenklicher Geschwindigkeit weiter ab, nicht zuletzt, weil er den Radius seiner Suche immer mehr ausdehnen und deswegen mehr fahren musste. In Oviedo, einem Ort in der Nähe von Orlando, fand er schließlich ein Unternehmen, das sich an seinem Vorleben nicht störte.
Es handelte sich um eine Softwarefirma namens SIT, Sanchez Information Technology, deren Inhaberin, Consuela Margarita Sanchez, eine dralle kleine Exilkubanerin, sich im Gegenteil an den fachlichen Details seiner Untat überaus interessiert zeigte. »Ein Trojaner?«, wiederholte sie mit unverkennbarer Faszination. »Und Sie haben fünfzigtausend Kreditkartennummern damit gestohlen? « Vincent schüttelte entschieden den Kopf. »Das war der andere. Der sitzt noch.« Ihn schauderte bei dem Gedanken, wie es seinem ehemaligen Kollegen dabei ergehen mochte. »Ich habe bloß das Programm geschrieben. Ich hatte keine Ahnung, was er vorhatte.« Das entsprach, obwohl ihm das der Richter nicht geglaubt hatte, der Wahrheit. Zumindest insoweit, dass Vincent nicht im Detail gewusst hatte, was Craig mit dem Trojanerprogramm 13 vorgehabt hatte. Dass er etwas damit vorgehabt hatte, war ihm durchaus klar gewesen; er hatte sich aber eingeredet, dass Craig bestimmt nur jemandem bei der Bank, die sich als unerfreulicher Kunde erwiesen hatte, einen Streich spielen wollte.
In Wirklichkeit hatte er einfach der Gelegenheit nicht widerstehen können, Craig zu zeigen, wer der bessere Programmierer war. »Und wieso hat man Sie erwischt?« Vincent wand sich auf seinem Stuhl. »Weil ich meine Signatur darin versteckt hatte. So eine Angewohnheit von mir.« Das Trojanerprogramm hatte sich auf den Rechnern der Kreditkartenabteilung eingenistet, sich deren Mitarbeitern gegenüber als regulärer Login-Schirm ausgegeben und alle Passwörter an Craig weitergeleitet. Der hatte sich damit Zugang verschafft, Tausende von gültigen Kreditkartennummern abgerufen und übers Internet verkauft. Und nicht dran gedacht, den Trojaner wieder zu löschen. Consuela lächelte von einem ihrer dicken roten Ohrclipse zum anderen. »Wissen Sie was, Vincent? Sie sind ein Strolch, aber Sie gefallen mir.« Sie streckte die Hand über den Tisch. »Willkommen im Team.«
Dieser Titel ist auch als Hörbuch bei Lübbe Audio lieferbar Gustav Lübbe Verlag in der Verlagsgruppe Lübbe
Originalausgabe
Copyright © 2009 by Andreas Eschbach und Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, Bergisch Gladbach
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen
Textredaktion: Stefan Bauer Umschlaggestaltung: Hilden Design, München Einband- /
Umschlagmotiv: Stefan Hilden, München unter Verwendung eines Motives von granata 1111 / Shutterstock Autorenfoto: pro event, Andreas Biesenbach Satz: Druck & Grafik Siebel, Lindlar Gesetzt aus der ITC Giovanni Druck und Einband: Friedrich Pustet, Regensburg Printed in Germany
ISBN 978-3-7857-2374-6 5 4 3 2 1
Sie finden uns im Internet unter:
www.luebbe.de Bitte beachten Sie auch: www.lesejury.de
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Autoren-Porträt von Andreas Eschbach
Andreas Eschbach, geboren 1959, studierte Luft- und Raumfahrttechnik und arbeitete zunächst als Softwareentwickler, bevor er sich ausschließlich der Schriftstellerei widmete. Er lebt als freier Schriftsteller mit seiner Frau an der französischen Atlantikküste.
Bibliographische Angaben
- Autor: Andreas Eschbach
- 2009, 491 Seiten, Maße: 14,2 x 21,8 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Bastei Lübbe
- ISBN-10: 3785723741
- ISBN-13: 9783785723746
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