Ein vortrefflicher Schurke / Hellions of Halstead Hall Bd.3
Roman. Deutsche Erstausgabe
Die Schriftstellerin Lady Minerva Sharpe muss heiraten, wenn sie das Erbe ihrer Großmutter nicht verlieren will. Deshalb täuscht sie eine Verlobung mit dem Draufgänger Giles Masters vor doch dann kommen ihr ihre Gefühle in die Quere.
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Produktinformationen zu „Ein vortrefflicher Schurke / Hellions of Halstead Hall Bd.3 “
Die Schriftstellerin Lady Minerva Sharpe muss heiraten, wenn sie das Erbe ihrer Großmutter nicht verlieren will. Deshalb täuscht sie eine Verlobung mit dem Draufgänger Giles Masters vor doch dann kommen ihr ihre Gefühle in die Quere.
Klappentext zu „Ein vortrefflicher Schurke / Hellions of Halstead Hall Bd.3 “
Lady Minerva Sharpe soll möglichst bald heiraten, wenn sie das Erbe ihrer Großmutter nicht verlieren will. Um der Großmutter einen Strich durch die Rechnung zu machen, täuscht sie eine Verlobung mit dem Draufgänger Giles Masters vor. Doch während Giles und Minerva Nachforschungen über den Tod von Minervas Eltern anstellen, entwickeln sie bald echte Gefühle füreinander.
Lese-Probe zu „Ein vortrefflicher Schurke / Hellions of Halstead Hall Bd.3 “
Ein vortrefflicher Schurke von Sabrina JeffriesProlog
Halstead Hall, Ealing 1806
Auf den Blättern der Buchsbaumhecken krabbelte Ungeziefer herum. Mama würde sicher mit dem Gärtner schimpfen.
Der neunjährigen Minerva kamen die Tränen. Nein, Mama konnte gar nicht schimpfen. Sie lag in diesem schrecklichen Sarg in der Kapelle. neben dem, in dem Papa war.
Im hintersten Winkel des Irrgartens versteckt, presste Minerva die Lippen fest zusammen, um nicht zu weinen. Man könnte sie hören, und sie wollte auf keinen Fall gefunden werden.
Eine Stimme drang durch die Hecken. »Wie konnte das Mädchen so schnell verschwinden?«
Es war Desmond Plumtree, Mamas Vetter ersten Grades.
»Diese Trauerfeier ist eine Farce!«, murrte seine Frau Bertha. Wie es klang, kamen sie ihr immer näher. »Nicht, dass ich es Prudence verüble, dass sie den Schwerenöter erschossen hat, aber wie konnte sie sich nur selbst umbringen? Deine Tante Hetty kann froh sein, dass die Geschworenen Pru für unzurechnungsfähig befunden haben. Sonst würde die Krone das gesamte Familienvermögen einkassieren.«
Minerva machte sich noch ein bisschen kleiner und betete, dass die beiden nicht um die Ecke kamen und sie entdeckten.
»Wie hätten sie auch sonst urteilen sollen?«, fragte Desmond. »Sie war eindeutig nicht bei Verstand.«
Minerva musste sich auf die Zunge beißen, um nicht lautstark zu protestieren. Es war ein Unglück gewesen - ein schreckliches Unglück, hatte Großmutter gesagt.
»Deshalb will deine Tante die Kinder wohl auch in der Kapelle dabeihaben«, erwiderte Bertha. »Um den Leuten zu zeigen, dass es sie nicht kümmert, was über ihre Tochter geredet wird.«
... mehr
Desmond schnaubte. »Tante Hetty ist tatsächlich der Ansicht, dass die Bälger sich persönlich verabschieden sollen. Die verfluchte Frau hat kein Problem damit, sich über gesellschaftliche Konventionen hinwegzusetzen, wenn es ihr dienlich ist, ganz egal, was es für den Rest der ...«
Die Stimmen entfernten sich wieder, und Minerva verließ ihr Versteck, um in die entgegengesetzte Richtung zu fliehen. Als sie um die nächste Ecke bog, lief sie unglücklicherweise einem Gentleman in die Arme. Sie versuchte noch, ihm zu entkommen, doch er packte sie und hielt sie fest.
»Beruhige dich, kleines Fräulein!«, rief er, als sie sich mit Händen und Füßen zur Wehr setzte. »Ich tue dir nichts. nun halt schon still!«
Sie war im Begriff, ihn zu beißen, als sie erkannte, wer er war: Giles Masters, der achtzehnjährige Freund ihrer Brüder, der mit seiner Familie zur Beerdigung gekommen war. Vetter Desmond hatte die Gästeliste wegen des Skandals klein halten wollen, doch Großmutter hatte gesagt, dass die Kinder ihre Freunde gerade in dieser Zeit besonders brauchten.
Da Mr Masters nicht zur Familie gehörte, konnte Minerva ihn vielleicht dazu bringen, ihr zu helfen. »Bitte lassen Sie mich gehen!«, bat sie. »Und sagen Sie niemandem, dass ich hier draußen bin!«
»Aber alle warten auf dich, damit die Trauerfeier beginnen kann.«
Sie schämte sich für ihre Feigheit und schlug die Augen nieder. »Ich kann da nicht hineingehen. ich habe gelesen, was in der Zeitung stand über ... über ... Sie wissen schon.« Darüber, dass Mama erst Papa und dann sich selbst erschossen hatte. »Ich will Mama nicht mit einem Loch in der Brust sehen und Papa ohne ...« Ohne Gesicht. Schon bei dem Gedanken wurde ihr angst und bange.
»Ah.« Er hockte sich vor sie hin. »Du denkst, sie liegen in den Särgen, wie man sie gefunden hat?«
Sie nickte.
»Darüber musst du dir keine Sorgen machen«, erklärte er sanft. »Der Sarg deines Vaters ist geschlossen, und deine Mutter haben sie wieder hübsch zurechtgemacht. Du wirst das Loch in ihrer Brust nicht sehen, das schwöre ich dir. Du hast nichts zu befürchten.«
Minerva nagte an ihrer Unterlippe, weil sie nicht so recht wusste, ob sie ihm glauben konnte. Ihre großen Brüder versuchten manchmal, mit einer List dafür zu sorgen, dass sie auf sie hörte. Und Großmutter sagte immer, dass Mr Masters ein schlimmer Halunke sei. »Ich weiß nicht, Mr Masters ...«
»Giles. Wir sind doch Freunde, nicht wahr?«
»I-ich denke schon.«
»Ich mache dir einen Vorschlag«, fuhr er fort. »Wenn du mit mir in die Kapelle gehst, halte ich während der Trauerfeier deine Hand. Und solltest du Angst bekommen, kannst du meine Hand so fest drücken, wie du willst.«
Minerva nahm ihren ganzen Mut zusammen und sah ihm ins Gesicht. Er hatte liebe Augen, die so blau waren wie Vergissmeinnicht. Ehrliche Augen, wie die von Großmutter.
Sie schluckte. »Und Mama und Papa werden bestimmt nicht aussehen wie ... wie es in der Zeitung beschrieben wurde?«
»Ich schwöre.« Er legte mit ernster Miene die Hand aufs Herz. »Großes Ehrenwort!« Dann erhob er sich und reichte ihr die Hand. »Kommst du jetzt mit?«
Obwohl ihr das Herz bis zum Hals schlug, fügte sie sich. Und als Giles sie in die Kapelle führte, stellte sie fest, dass er nicht gelogen hatte. Papas Sarg war geschlossen. Minerva wusste zwar, was unter dem Deckel verborgen war, doch sie stellte sich einfach vor, Papa wäre genau wie immer.
Es half ihr, dass Mama hübsch zurechtgemacht war und aussah, als schliefe sie. Die größte Hilfe aber war Giles, der ihre Hand die ganze Trauerfeier über festhielt, auch als Ned, Desmonds frecher Sohn, zu kichern anfing. Jedes Mal, wenn sie Angst bekam oder traurig wurde, drückte sie Giles' Hand, und er drückte ihre, um ihr zu zeigen, dass sie nicht allein war. Irgendwie machte das die ganze Sache erträglich. Er ließ ihre Hand erst los, als die Särge in die Erde gesenkt worden waren und die Trauergäste sich zerstreuten.
Das war der Tag, an dem sie sich in Giles Masters verliebte.
London 1816
An ihrem neunzehnten Geburtstag liebte Minerva ihn immer noch. Sie wusste alles über ihn. Giles hatte noch nicht geheiratet, er hatte nicht einmal ernsthaft um eine Frau geworben. Er führte ein ebenso ausschweifendes Leben wie ihre Brüder. Aber im Gegensatz zu ihnen hatte er einen Beruf - Erst im vergangenen Jahr war er als Rechtsanwalt beim Obergericht zugelassen worden. Und wenn er erfolgreich sein und aufsteigen wollte, mussten die Ausschweifungen ein Ende haben. Dann brauchte er eine Ehefrau.
Warum nicht sie, Minerva? Sie war recht hübsch - das sagte jeder. Und sie war gescheit, was ein Mann wie er sicherlich zu schätzen wusste. Außerdem würde er sie wegen der Skandale in ihrer Familie nicht so von oben herab behandeln wie die voreingenommenen, kleingeistigen Herren, denen sie in der feinen Gesellschaft begegnete, seit sie ihr Debüt gehabt hatte. Er hatte selbst einen Skandal zu bewältigen, nachdem sich sein Vater vor vier Monaten umgebracht hatte. Das hatten sie und Giles miteinander gemein.
Doch als sie den Blick über ihre Geburtstagsgäste schweifen ließ und Giles nicht entdeckte, obwohl sie ihn eingeladen hatte, stieg Enttäuschung in ihr auf. Wie sollte sie ihn jemals dazu bringen, etwas anderes in ihr zu sehen als die kleine Schwester seiner Freunde, wenn sie ihn nie zu Gesicht bekam?
Als die Nachmittagsparty vorbei war, ging sie in den Garten, um ihren Kummer zu lindern, und hörte zufällig, wie sich ihre Brüder unterhielten, die hinter dem Haus Zigarren rauchten.
»Die Jungs haben mir erzählt, Newmarshs fest beginnt um zehn«, sagte Oliver. »Wir treffen uns kurz vorher hier draußen. Gott sei Dank ist es nicht weit, und wir können zu Fuß gehen! Also braucht es niemand von den bediensteten zu erfahren. Ihr wisst ja, wie die sind - sie verraten Großmutter alles, und dann hält sie uns eine Standpauke, weil wir an Minervas Geburtstag ausgehen.«
»Großmutter wird es bestimmt merken, wenn wir uns verkleidet aus dem Haus schleichen«, wandte Jarret ein.
»Bevor wir verschwinden, gehen wir einer nach dem anderen in den Garten und verstecken unsere Kostüme. Lasst euch dabei nur nicht von Minerva erwischen! Wir wollen doch ihre Gefühle nicht verletzen.«
Minerva war kurz davor, ihnen den Marsch zu blasen, weil sie an ihrem Geburtstag ohne sie auf ein Fest gehen wollten, als ihr plötzlich ein Licht aufging. Wenn ihre Brüder sich irgendwo mit »den Jungs« trafen, würde auch Giles dort sein! Und da es ein Maskenball war, konnte sie hingehen, ohne dass es jemandem auffiel. Und sie wusste auch schon, was sie anziehen wollte. Ihre jüngere Schwester und sie waren kürzlich auf einen Koffer mit Kleidern ihrer Großmutter gestoßen, die über dreißig Jahre alt waren - eine wahre Fundgrube an Kostümen!
Um neun Uhr schlüpfte sie mit der vierzehnjährigen Celia in den Schuppen im Garten. Celia hatte ihr ihre Unterstützung versprochen - im Austausch gegen einen vollständigen Bericht über alles, was Minerva auf dem Ball sehen und erleben würde. Sie half ihr, sich in eins der alten Korsetts und einen ausladenden Reifrock zu zwängen. Dann zog Minerva das elegante Kleid aus goldenem Satin an, das Großmutter bei der Hochzeit ihrer Eltern getragen hatte.
Sie kicherten unaufhörlich, während sie ihr hellbraunes Haar unter eine gepuderte Perücke mit weißen, hoch aufgetürmten Locken stopften. Danach setzte Minerva eine Augenmaske auf, und Celia klebte ihr einen Schönheitsfleck auf die Wange. eine Kette mit einem altmodischen blauen Kamee-anhänger von Großmutter gab dem Kostüm den letzten Schliff.
»Und? Sehe ich aus wie Marie Antoinette?«, fragte Minerva im Flüsterton. Ihre Brüder waren noch nicht im Garten aufgetaucht, aber sie würden sicherlich jeden Moment kommen.
»Du siehst großartig aus«, entgegnete Celia leise. »Und sehr exotisch.«
»Exotisch« war Celias neues Lieblingswort, doch Minerva nahm an, dass sie eigentlich so etwas wie »erotisch« meinte, denn das Oberteil ihres Kleides war unverschämt tief ausgeschnitten.
Aber sie wollte Giles ja auch bezirzen. »Du verschwindest jetzt besser«, sagte sie zu ihrer Schwester. »Bevor sie kommen. «
Celia eilte zurück ins Haus. Minerva musste noch eine Weile warten, bis sich ihre Brüder im Garten verkleidet hatten und loszogen. Dann folgte sie ihnen unauffällig.
Zum Glück waren viele Leute zu dem Maskenball unterwegs, und sie tauchte in der Menge unter, als ihre Brüder das Haus des Gastgebers betraten. Obwohl sie keine Einladung hatte, war es erstaunlich einfach für sie, ebenfalls hineinzugelangen. Da es sich jedoch als schwierig erweisen könnte, Giles zu finden, weil sie ihren Brüdern aus dem Weg gehen musste, steckte sie dem Butler Geld zu, damit er ihr sagte, was für ein Kostüm das Objekt ihrer Begierde trug.
»Mr Masters ist gar nicht hier, meine Liebe«, antwortete er mit empörender Vertraulichkeit. »Er hat abgesagt, weil er zu seiner Mutter aufs Land fahren musste.«
Minerva wusste nicht, ob sie erleichtert sein sollte, dass Giles wegen einer anderen Verpflichtung nicht zu ihrer Geburtstagsparty hatte kommen können, oder enttäuscht, weil sie ihn nun nicht treffen würde.
»Aber wenn Sie einen Gönner suchen«, fuhr der Butler beflissen fort, »sollten Sie nach einem besseren Fang Ausschau halten. Mr Masters ist nur ein Zweitgeborener.«
Einen Gönner? Wie kam er darauf, dass sie einen Gönner suchen könnte?
Als sie sich die versammelten Gäste genauer ansah, wurde ihr augenblicklich klar, dass es sich nicht um einen gewöhnlichen Maskenball handelte. Ihr »exotisches« Kostüm nahm sich im Vergleich zu den Kostümen der anderen Frauen geradezu sittsam aus.
Es gab viele griechische Gewänder und römische Togen mit unanständig langen Schlitzen zu sehen. Ein Milchmädchen hatte ein tiefer ausgeschnittenes Kleid an, als es jedes echte Milchmädchen anziehen würde, und eine Frau trug an gewissen Stellen sogar nur Federn. Am anderen Ende des Saales sah Minerva ihren Bruder Jarret mit einer Lady Marian tanzen, die gewiss keine Lady war. Er ließ seine Hand über ihren Rücken gleiten und legte sie auf ihren ...
Minerva wandte sich errötend ab. Grundgütiger! Sie war auf einem Lebedamenball gelandet! Sie hatte von solchen Veranstaltungen gehört, die von Frauen besucht wurden, die Gönner suchten, und von Männern, die sich mit diesen Frauen ... amüsieren wollten. Es wäre eine Katastrophe, wenn sie hier von jemandem erkannt würde!
Bevor sie das Weite suchen konnte, packte sie ein Mann, der als französischer Höfling verkleidet war, an der Taille und zog sie an sich. »Na, wenn das nicht die Königin der Kurtisanen ist!«
Er lachte über seinen kleinen Scherz, und sie starrte ihn fassungslos an. Hatte er sie gerade eine Hure genannt?
Zu ihrem Entsetzen presste er seinen Mund auf ihr Ohr und steckte seine Zunge hinein. »Komm doch mit nach oben, Süße, damit wir unser Rollenspiel im stillen Kämmerlein fortsetzen können!«
Sie wollte ihm gerade kräftig auf den Fuß treten, als sie ihm von einem anderen Mann entrissen wurde. »Verzieh dich, Lansing! Ich habe sie zuerst gesehen.« Ein Edelmann in glänzendem Tuch legte ihr wollüstig grinsend einen Arm um die Schultern.
Lansing? Handelte es sich etwa um Graf Lansing? Sie kannte seine Frau, ein süßes junges Ding, wenn auch ein wenig drall. Um Himmels willen, er ging in dieselbe Kirche wie Großmutter!
»Komm schon, Hartley, überlass sie mir!«, entgegnete Lansing mürrisch. »Ich habe das passendere Kostüm!«
Hartley musste der hoch geschätzte Viscount Hartley sein, dessen Frau eine kühle Schönheit war, die eine ebenso kalte Art hatte. Hartley und Lansing waren dicke Freunde. Und Minerva hatte immer gedacht, sie seien auch Gentlemen ...
Sie hatte noch mit der Erkenntnis zu kämpfen, dass sie alles andere als feine Herren waren, als Lansing sie am Arm fasste.
»Wir können sie uns doch teilen«, sagte er ohne die geringsten Skrupel. »Wäre nicht das erste Mal.«
Sie teilen! Als ginge sie freiwillig mit zwei volltrunkenen Witzfiguren auf ein Zimmer!
Sie machte sich von Lansing los. »Es tut mir leid, aber ich habe bereits eine Verabredung mit Lord Stoneville.« Vielleicht ließen sie sich ja dadurch abschrecken, dass Oliver rangmäßig über ihnen stand.
Doch Hartley kicherte nur und zeigte auf die gegenüberliegende Seite des Raumes. »Stoneville ist im Moment beschäftigt, Schätzchen.«
Als Minerva seinem Blick folgte, sah sie ihren Bruder auf einem Sessel herumlümmeln und einer Frau zusehen, die als Kleopatra verkleidet war und mit verführerischen Bewegungen für ihn tanzte. Um Himmels willen! Er war genauso verdorben wie Jarret ... ja, genauso verdorben wie diese beiden lasterhaften Herren hier!
Na gut, sie würde Oliver eine Lektion erteilen - und sich gleichzeitig von diesen Narren befreien. Minerva stemmte die Hände in die Hüften und sah Lansing aufgebracht an. »Wie kann es dieser Hund wagen, mit einer anderen Frau zu tändeln, nachdem er mich mit Syphilis angesteckt hat?«
Ihre List ging auf. Hartley und Lansing konnten nicht schnell genug vor ihr fliehen.
Nachdem sie ihre lästigen Verehrer losgeworden war, schlängelte sie sich durch die Menge zur Tür. Ein schadenfrohes Lächeln huschte über ihr Gesicht. Hoffentlich sprach sich rasch herum, an welcher »Krankheit« Marie Antoinette litt - und vor allem, von wem sie sie bekommen hatte! Diese Strafe hatte Oliver verdient. Was verkehrte er auch mit derart schrecklichen Kerlen?
Die anderen Gäste waren genauso furchtbar. Während Minerva an Königen und Bettlern vorbeiging, hörte sie Männer, die sie kannte, Dinge sagen, die ein junges Mädchen nicht hören sollte. Manche waren junge Hallodris wie ihre Brüder, die sich die Hörner abstießen, aber es waren auch mehrere verheiratete Herren darunter. Grundgütiger, waren denn alle Männer so schrecklich, wie ihr Vater gewesen war?
Nein, nicht alle Männer. Giles war nicht so ein Schurke. Allein die Tatsache, dass er sich um seine Mutter kümmerte, statt diesen Maskenball zu besuchen, bewies, dass er sich gebessert hatte.
Als sie sich endlich einen Weg aus dem Saal gebahnt hatte, blieb sie in der dunklen Eingangshalle stehen, um sich zurechtzufinden. Sie wollte nicht noch einmal in Schwierigkeiten geraten.
Plötzlich ging auf der anderen Seite der Halle eine Tür auf, und ein als Priester verkleideter Mann kam mit einer Kerze in der Hand heraus. Mit klopfendem Herzen huschte sie hinter einen Vorhang und betete, dass er sie nicht bemerkt hatte. Der Vorhang war nicht besonders dick, und sie konnte den Mann besser erkennen, als ihr lieb war. aber sie glaubte nicht, dass er sie sehen konnte, weil sie sich außerhalb des Kerzenscheins befand.
Er hielt inne und legte den Kopf schräg, als lausche er. Das flackernde Licht erhellte sein Profil ... und das Muttermal unter seinem Ohr.
Ihr stockte der Atem. Dieses Profil kannte sie nur zu gut - in- und auswendig sozusagen. Giles war doch da! Aber warum schlich er in der Eingangshalle umher?
Als er raschen Schrittes in ein Zimmer ging, dämmerte es ihr: Er musste eine Verabredung mit einem Flittchen haben! Zur Hölle mit ihm, wie konnte er nur? Er war genauso schlimm wie ihre Brüder!
Falls sie sich nicht doch geirrt hatte. Schließlich hatte der Butler gesagt, er sei nicht zugegen.
Sie kam hinter dem Vorhang hervor. Wie konnte sie das Haus verlassen, ohne genau zu wissen, ob Giles tatsächlich mit einer Dirne verkehrte? Falls es so war, würde sie es zwar nicht verwinden, aber sie musste es in Erfahrung bringen.
Minerva näherte sich auf Zehenspitzen der Tür, durch die er verschwunden war, nahm all ihren Mut zusammen und betrat den Raum. Der Mann, dem sie gefolgt war, stand halb mit dem Rücken zur Tür und durchstöberte den Schreibtisch. Minerva erstarrte und beobachtete, wie er systematisch eine Schublade nach der anderen durchsuchte. Wenn es Giles war, was um alles in der Welt trieb er dann da?
Der Mann hatte auf jeden Fall Giles' aussehen. Er bewegte sich genauso elegant und geschmeidig wie er, und sein Haar war nach dem, was davon unter seinem breitkrempigen Hut zu erkennen war, auch gewellt und dunkelbraun. Er zog eine Mappe heraus, öffnete sie und hielt sie dichter an die Kerze. Dann setzte er fluchend seine Maske ab, um die Papiere besser begutachten zu können.
Ihr Herz hämmerte wie verrückt. Es war Giles! Was führte er nur im Schilde?
Nachdem er die Akte durchgeblättert hatte, versteckte er sie unter seinem Priestergewand, drehte sich um und erblickte Minerva. Im selben Moment setzte er ein charmantes Lächeln auf und streifte sich die Maske wieder über. »ich glaube, Sie haben sich verlaufen, Madam. Das Fest findet im Ballsaal statt.«
Sie hätte sich dumm stellen sollen, doch das konnte sie einfach nicht. »Wenn sich hier jemand verlaufen hat, dann bist du es, Giles Masters!«
Er schnappte entgeistert nach Luft und war in Sekundenschnelle bei ihr, um ihre Maske hochzuschieben. »Minerva? Was zum Teufel ...«
»Ich sollte hier wohl die Fragen stellen. Was hast du da gestohlen? Warum bist du überhaupt hier? Ich dachte, du wärst auf dem Land bei deiner Mutter.«
Seine Augen funkelten hinter seiner Maske. »Für alle anderen bin ich das auch.« Er sah sie prüfend an. »Wie hast du es eigentlich geschafft, eine Einladung zu einem Fest von jemandem wie Newmarsh zu bekommen?«
Als sie nicht gleich antwortete, schüttelte er den Kopf. »Du hast dich heimlich eingeschlichen, nicht wahr? Und wie es mein Pech wollte, hast du mir nachspioniert.«
Das tat weh. »Ich habe dir nicht nachspioniert!«, log sie. »Ich bin nur aus Jux hergekommen, nachdem ich meine Brüder über den Ball reden gehört habe. Und gerade habe ich dich zufällig gesehen und ...«
»Deine Neugier hat über deine Vernunft gesiegt.« Er hielt sie an den Armen fest, als wollte er sie schütteln. »Du dummes kleines ... Was, wenn ich ein gewissenloser Gauner wäre, der dir ein Messer zwischen die Rippen rammt, weil du dich in Dinge einmischst, die dich nichts angehen?«
»Woher soll ich wissen, dass du keiner bist?«, gab sie patzig zurück. Sie ließ sich nicht gern als dumm bezeichnen. »Du hast mir immer noch nicht gesagt, warum du hier bist.«
»Weil es dich nichts angeht, Fräulein Naseweis.«
»Oh, um Himmels willen, behandle mich nicht wie ein Kind! ich bin keine neun mehr.«
»Schwer zu glauben«, brummte er, rückte ihre Maske zurecht und führte sie zur Tür. »Ich würde dich ja in die liebevolle Obhut deiner Brüder übergeben, aber niemand darf wissen, dass ich hier bin. Und ich denke, du willst auch nicht, dass jemand erfährt, dass du hier bist. Also bringe ich dich jetzt nach Hause, damit du keinen Ärger bekommst.«
Sie hätte ihm gern eine scharfe Antwort gegeben, doch sie waren inzwischen in der Eingangshalle, und es konnte jederzeit jemand aus dem Ballsaal kommen. Außerdem hatten Giles und sie gerade das gleiche Ziel: Das Haus auf dem schnellsten Weg zu verlassen, ohne erwischt zu werden. Aber sobald sie in Sicherheit waren, wollte sie ihm gehörig Bescheid sagen. Von wegen Fräulein Naseweis! Und er hatte kein Wort über ihr Kostüm verloren. Würde sie für ihn denn ewig ein kleines Mädchen bleiben?
Er geleitete sie durch ein verwirrendes Labyrinth aus Zimmern und Korridoren, was ihr verriet, dass er schon einmal in diesem Haus gewesen sein musste, wahrscheinlich bei einer ähnlichen Veranstaltung. Es sei denn, er hätte sich das Stehlen zur Gewohnheit gemacht. Nein, unmöglich, dafür musste es eine vernünftige Erklärung geben!
Aber er gab ihr keine Gelegenheit zu fragen. Sobald sie draußen waren und eine dunkle Gasse hinunterliefen, riss er sich die Maske vom Gesicht. »Was soll das überhaupt für ein Kostüm sein, zum Teufel?«
»Marie Antoinette.«
»Großer Gott! Ist dir eigentlich klar, was hätte passieren können, wenn dich jemand erkannt hätte?« Er marschierte zielstrebig mit ihr auf Großmutters Stadthaus zu. »Es wäre das Ende deiner Zukunft gewesen! Hätte man dich auf einem solchen Fest von Newmarsh entdeckt, hätte es einen Skandal sondergleichen gegeben, und dein Ruf wäre ein für alle Mal ruiniert gewesen. Kein anständiger Mann würde eine Frau heiraten, die ...«
»Es scheint sowieso keinen anständigen Mann zu geben, der mich heiraten will.« Sie nahm aufgebracht ihre Maske ab. »Meine Familie ist skandalbehaftet, und die einzigen Männer, die seit meinem Debüt um mich herumscharwenzeln, sind Mitgiftjäger und Taugenichtse.«
Außerdem will ich nur dich, dachte sie.
Er sah sie von der Seite an. »Wenn das wahr ist, solltest du dir nicht noch mehr Skandale aufladen. Wir wissen beide, wie sich die Gesellschaft an denjenigen rächt, die ihre Regeln missachten. Du solltest versuchen, den guten Namen deiner Familie wiederherzustellen.«
Das sagte ausgerechnet er! »Wie es meine Brüder tun?«, entgegnete sie bitter. »Wie du es tust?«
Sie waren bereits am Garten des Stadthauses der Plumtrees angekommen, und sie musste zusehen, dass sie die Wahrheit aus ihm herausbekam. »Warum hast du diese Papiere gestohlen, Giles? Was hat es damit auf sich?«
Ein Muskel in seiner Wange zuckte, als er sich ihr zuwandte. »Das hättest du nicht sehen dürfen. Und ich hoffe, du bist so vernünftig, Stillschweigen darüber zu bewahren.«
»Und wenn nicht? Was willst du dann machen?«, erwiderte sie voller Sarkasmus. »Mir ein Messer zwischen die Rippen rammen?«
»Sehr amüsant!« er musterte sie im fahlen Licht des Mondes. »Aber wenn du es jemandem erzählst, musst du zugeben, dass du auch dort warst, und das willst du gewiss nicht. Zumal du zurechtgemacht bist wie ... wie ...«
Als er verstummte und sein Blick auf den Kamee-Anhänger fiel, der in der Mitte ihres halb entblößten Dekolletés ruhte, hielt sie den Atem an. Nun sah er sie endlich einmal als Frau! »Wie denn?«, fragte sie und legte so viel Sinnlichkeit in ihre Stimme, wie sie konnte.
Er riss seinen Blick los und sah ihr wieder ins Gesicht. »Wie ein liederliches Flittchen«, sagte er schroff. »Das darf wirklich niemand erfahren.«
Ein Flittchen! Er fand, sie sah wie ein Flittchen aus? Und noch dazu ein liederliches? »Warum nicht? Weil es meinen Ruf ruinieren könnte? Schlechter kann meine Lage eigentlich nicht werden.«
»Du hast immerhin eine Mitgift ...«
»Die lediglich dafür sorgt, dass sich die falschen Männer für mich interessieren.« Sie hob das Kinn. »Aber ich bin überzeugt, du würdest meinen Ruf nicht aus purer Bosheit ruinieren. Dafür bist du zu sehr Gentleman.«
Er zog eine Augenbraue hoch. »Und du würdest nicht wollen, dass ich wegen Diebstahls gehängt werde. Dafür sind wir zu gut befreundet.«
Wenn er sie erweichen wollte, dann machte er seine Sache wirklich gut. »Doch ich könnte es deinem Bruder verraten, dem Viscount«, erwiderte sie. »Ich glaube nicht, dass es ihm gefallen würde.«
Das schien Giles zu denken zu geben. »Und ich könnte deinen Brüdern von deinem kleinen Abenteuer berichten. Und ich bin ganz sicher, dass es ihnen nicht gefallen würde.«
»Mach nur!«, bluffte sie. »Mir ist egal, was sie denken.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Wie du siehst, hast du keine andere Wahl, als mir die Wahrheit zu sagen.«
»Ich habe eine bessere Idee.« Er trat näher an sie heran und senkte seine Stimme. »Nenn mir deinen Preis, Minerva! Ich verdiene noch nicht besonders viel als Anwalt, aber ich kann es mir leisten, mir dein Schweigen zu erkaufen.«
»Mach dich nicht lächerlich!« Als ein verschmitztes Lächeln um seine Mundwinkel spielte, wurde ihr klar, dass er sie mit seinem Gerede nur hatte ärgern wollen. »Du weigerst dich also, mir zu erzählen, was du getan hast und warum?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich behalte meine Geheimnisse lieber für mich.«
Und er wusste verflixt noch mal, dass sie sein Geheimnis ohnehin bewahren würde, wenn er sie darum bat. Doch das bedeutete nicht, dass sie auf der Stelle klein beigeben musste. »Also gut, ich nenne dir meinen Preis: Gib mir einen Kuss!«
Er stutzte. »Wie bitte?«
»Gib mir einen Kuss!« Ihr Ton wurde sarkastisch. »Ich will einen Kuss von der Art, wie du und meine Brüder sie an jede Kellnerin, Dirne und Tänzerin verteilt, die ihr kennt. Mit einem einzigen Kuss kannst du dir mein Schweigen erkaufen.« Vielleicht sah er sie dann endlich als Frau an, der er vertrauen konnte, die er umwerben und ... lieben konnte.
Als er seinen Blick langsam über ihren Körper schweifen ließ, wurde ihr an Stellen warm, wo sie nie zuvor Wärme verspürt hatte, und ihr Puls begann zu rasen. »Das halte ich für keine gute Idee.«
»Wieso?«
»Vor allem«, entgegnete er trocken, »weil mich deine Brüder bei lebendigem Leibe häuten, wenn sie davon erfahren.«
»Wir müssen es ihnen ja nicht auf die Nase binden.« Als er keine Anstalten machte, sich zu rühren, fügte sie hinzu: »Heute ist mein neunzehnter Geburtstag, und ich hatte gerade auf einer geschmacklosen Veranstaltung das widerliche Erlebnis, dass zwei Herren beredet haben, sich mich zu teilen.«
Als sich Entrüstung in seinem Gesicht abzeichnete, schob sie rasch nach: »Ich konnte ihren ekelhaften Annäherungsversuchen zwar entrinnen, aber ich brauche jetzt etwas Schönes, das mir hilft zu vergessen, dass sich um ein Haar zwei Widerlinge über mich hergemacht hätten. Und ich bitte dich, es mir zu geben.«
»Wie kommst du darauf, dass ein Kuss von mir schön sein könnte?«, fragte er, und seine raue Stimme jagte ihr einen wonnigen Schauder über den Rücken.
Sie bemühte sich, ebenso unbefangen zu klingen wie er. »Das kann ich dir nur raten, wenn du willst, dass ich dein Geheimnis für mich behalte!«
Zu ihrer Überraschung lachte er. »Na gut, du kleines Biest, ich werde den Preis bezahlen.«
Er beugte sich vor und presste seine Lippen auf ihre, doch der Kuss war genauso kurz und enttäuschend wie züchtig.
Als Giles sich wieder aufrichtete, runzelte sie die Stirn. »Ich hätte mich wohl klarer ausdrücken sollen. Mit ›schön‹ meinte ich so etwas wie ›aufregend‹. Ich dachte nicht an einen Kuss, wie du ihn deiner Großmutter gibst.«
Er starrte sie wortlos an. Dann glomm ein verwegenes Funkeln in seinen Augen auf, und er umfing ihr Gesicht ohne Vorwarnung mit den Händen und küsste sie abermals. Aber dieser Kuss war schonungslos, unerbittlich, überwältigend. Er schob seine Zunge zwischen ihre Lippen und drang wieder und wieder in ihren Mund ein, bis ihr ganz schwindelig wurde und sie weiche Knie bekam.
Auf einen Schlag zerstörte er alle ihre romantischen Mädchenträume und ließ ein unbändiges, rasendes Verlangen an ihre Stelle treten, wie sie es noch nie erlebt hatte.
Es schockierte sie.
Es berauschte sie.
Ohne nachzudenken, schlang sie die Arme um seinen Hals. Giles murmelte einen Fluch an ihren Lippen, dann zog er sie fest an sich, um sie noch leidenschaftlicher zu küssen.
Sein stoppeliges Kinn kratzte an ihrer Wange, und er roch nach Kerzenrauch und Brandy; einer Mischung, von der eine eigentümliche Verlockung ausging. Es war einfach traumhaft. Und als seine Hände über ihre Rippen nach oben wanderten, begann sie, sich nach mehr zu sehnen ... nach mehr Zärtlichkeiten, nach mehr Küssen ... nach mehr von ihm.
Kurz darauf löste er sich von ihr und fragte mit erstickter Stimme: »Entspricht das in etwa deiner Vorstellung von einem schönen Kuss?«
Noch völlig benommen von ihrem ersten richtigen Kuss, sah sie mit einem verträumten Lächeln zu ihm auf. »Es war absolut perfekt, Giles.«
Er sah sie irritiert an. Dann huschte ein Ausdruck purer Panik über sein Gesicht, und er schob sie abrupt von sich weg. »Dann habe ich meine Verbindlichkeit also erfüllt?«
Diese Antwort brachte Minerva so aus der Fassung, dass sie nur nicken konnte. Sie sah ihn wie vom Donner gerührt an und hoffte auf etwas, dass dem kalten Wort »Verbindlichkeit« die Härte nahm.
»Gut«, meinte er und wandte sich zum Gehen. Nach einigen Schritten drehte er sich noch einmal um. Sein blick war genauso verächtlich wie sein Ton. »Sei vorsichtig, meine Liebe, wenn du das nächste Mal vorhast, dich wie ein Flittchen aufzuführen! Manche Männer reagieren nicht so freundlich auf Erpressungsversuche. Du könntest in einer dunklen Gasse auf dem Rücken landen. Und ich bezweifle, dass es dir dann noch gefallen würde, die Hure zu spielen.«
Seine derben Worte verletzten ihren Stolz. Hatte er denn nicht die Leidenschaft gespürt, die zwischen ihnen aufgeflammt war, dieses wunderbare Gefühl des Eins Werdens zweier Seelen? Hatte er denn gar nichts empfunden bei diesem Kuss, der sie von jetzt auf gleich vom Mädchen zur frau gemacht hatte?
Offenbar nicht. Giles hatte ihr sein Messer so tief zwischen die Rippen gerammt, dass es ihr Herz durchbohrt hatte.
Irgendwie gelang es ihr, die Fassung zu wahren, als er davonschlenderte. Doch kaum war er außer Sichtweite, brach sie in Tränen aus.
Das war der Abend, an dem sie sich von Giles Masters entliebte.
1
London 1825
Kurz nach Tagesanbruch beobachtete Giles im Schutz der Bäume, wie Viscount Ravenswood, der Untersekretär des Innenministeriums, das Bootshaus am Serpentine River im Hyde Park betrat. als eine Viertelstunde verstrichen war und sich sonst niemand zeigte, trat auch Giles in das Bootshaus.
Nachdem er und Ravenswood die üblichen Höflichkeiten ausgetauscht hatten, sagte der Viscount: »Wie mir zu Ohren gekommen ist, wirst du für einen Posten als Kronanwalt in Erwägung gezogen.«
Giles erstarrte. Er hätte wissen müssen, dass Ravenswood davon Wind bekam. Der Mann hatte seine Augen überall. »Das habe ich auch gehört.«
»Ich nehme an, wenn du berufen wirst, kannst du deine Bemühungen für mich nicht fortsetzen.«
»Die Position eines Kronanwalts ist anspruchsvoll«, sagte Giles vorsichtig. Er hatte nicht damit gerechnet, dass er dieses Gespräch schon so bald führen würde.
»Und sie ist eine sehr prestigeträchtige für einen jungen Anwalt wie dich. Obendrein höchst politisch. Dich weiterhin als Taugenichts auszugeben, um Informationen für mich zu sammeln, ist dann wohl nicht mehr opportun.«
»Richtig.« er sah Ravenswood prüfend ins Gesicht, aber dessen stoische Miene war unergründlich.
Copyright © 2013 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
Desmond schnaubte. »Tante Hetty ist tatsächlich der Ansicht, dass die Bälger sich persönlich verabschieden sollen. Die verfluchte Frau hat kein Problem damit, sich über gesellschaftliche Konventionen hinwegzusetzen, wenn es ihr dienlich ist, ganz egal, was es für den Rest der ...«
Die Stimmen entfernten sich wieder, und Minerva verließ ihr Versteck, um in die entgegengesetzte Richtung zu fliehen. Als sie um die nächste Ecke bog, lief sie unglücklicherweise einem Gentleman in die Arme. Sie versuchte noch, ihm zu entkommen, doch er packte sie und hielt sie fest.
»Beruhige dich, kleines Fräulein!«, rief er, als sie sich mit Händen und Füßen zur Wehr setzte. »Ich tue dir nichts. nun halt schon still!«
Sie war im Begriff, ihn zu beißen, als sie erkannte, wer er war: Giles Masters, der achtzehnjährige Freund ihrer Brüder, der mit seiner Familie zur Beerdigung gekommen war. Vetter Desmond hatte die Gästeliste wegen des Skandals klein halten wollen, doch Großmutter hatte gesagt, dass die Kinder ihre Freunde gerade in dieser Zeit besonders brauchten.
Da Mr Masters nicht zur Familie gehörte, konnte Minerva ihn vielleicht dazu bringen, ihr zu helfen. »Bitte lassen Sie mich gehen!«, bat sie. »Und sagen Sie niemandem, dass ich hier draußen bin!«
»Aber alle warten auf dich, damit die Trauerfeier beginnen kann.«
Sie schämte sich für ihre Feigheit und schlug die Augen nieder. »Ich kann da nicht hineingehen. ich habe gelesen, was in der Zeitung stand über ... über ... Sie wissen schon.« Darüber, dass Mama erst Papa und dann sich selbst erschossen hatte. »Ich will Mama nicht mit einem Loch in der Brust sehen und Papa ohne ...« Ohne Gesicht. Schon bei dem Gedanken wurde ihr angst und bange.
»Ah.« Er hockte sich vor sie hin. »Du denkst, sie liegen in den Särgen, wie man sie gefunden hat?«
Sie nickte.
»Darüber musst du dir keine Sorgen machen«, erklärte er sanft. »Der Sarg deines Vaters ist geschlossen, und deine Mutter haben sie wieder hübsch zurechtgemacht. Du wirst das Loch in ihrer Brust nicht sehen, das schwöre ich dir. Du hast nichts zu befürchten.«
Minerva nagte an ihrer Unterlippe, weil sie nicht so recht wusste, ob sie ihm glauben konnte. Ihre großen Brüder versuchten manchmal, mit einer List dafür zu sorgen, dass sie auf sie hörte. Und Großmutter sagte immer, dass Mr Masters ein schlimmer Halunke sei. »Ich weiß nicht, Mr Masters ...«
»Giles. Wir sind doch Freunde, nicht wahr?«
»I-ich denke schon.«
»Ich mache dir einen Vorschlag«, fuhr er fort. »Wenn du mit mir in die Kapelle gehst, halte ich während der Trauerfeier deine Hand. Und solltest du Angst bekommen, kannst du meine Hand so fest drücken, wie du willst.«
Minerva nahm ihren ganzen Mut zusammen und sah ihm ins Gesicht. Er hatte liebe Augen, die so blau waren wie Vergissmeinnicht. Ehrliche Augen, wie die von Großmutter.
Sie schluckte. »Und Mama und Papa werden bestimmt nicht aussehen wie ... wie es in der Zeitung beschrieben wurde?«
»Ich schwöre.« Er legte mit ernster Miene die Hand aufs Herz. »Großes Ehrenwort!« Dann erhob er sich und reichte ihr die Hand. »Kommst du jetzt mit?«
Obwohl ihr das Herz bis zum Hals schlug, fügte sie sich. Und als Giles sie in die Kapelle führte, stellte sie fest, dass er nicht gelogen hatte. Papas Sarg war geschlossen. Minerva wusste zwar, was unter dem Deckel verborgen war, doch sie stellte sich einfach vor, Papa wäre genau wie immer.
Es half ihr, dass Mama hübsch zurechtgemacht war und aussah, als schliefe sie. Die größte Hilfe aber war Giles, der ihre Hand die ganze Trauerfeier über festhielt, auch als Ned, Desmonds frecher Sohn, zu kichern anfing. Jedes Mal, wenn sie Angst bekam oder traurig wurde, drückte sie Giles' Hand, und er drückte ihre, um ihr zu zeigen, dass sie nicht allein war. Irgendwie machte das die ganze Sache erträglich. Er ließ ihre Hand erst los, als die Särge in die Erde gesenkt worden waren und die Trauergäste sich zerstreuten.
Das war der Tag, an dem sie sich in Giles Masters verliebte.
London 1816
An ihrem neunzehnten Geburtstag liebte Minerva ihn immer noch. Sie wusste alles über ihn. Giles hatte noch nicht geheiratet, er hatte nicht einmal ernsthaft um eine Frau geworben. Er führte ein ebenso ausschweifendes Leben wie ihre Brüder. Aber im Gegensatz zu ihnen hatte er einen Beruf - Erst im vergangenen Jahr war er als Rechtsanwalt beim Obergericht zugelassen worden. Und wenn er erfolgreich sein und aufsteigen wollte, mussten die Ausschweifungen ein Ende haben. Dann brauchte er eine Ehefrau.
Warum nicht sie, Minerva? Sie war recht hübsch - das sagte jeder. Und sie war gescheit, was ein Mann wie er sicherlich zu schätzen wusste. Außerdem würde er sie wegen der Skandale in ihrer Familie nicht so von oben herab behandeln wie die voreingenommenen, kleingeistigen Herren, denen sie in der feinen Gesellschaft begegnete, seit sie ihr Debüt gehabt hatte. Er hatte selbst einen Skandal zu bewältigen, nachdem sich sein Vater vor vier Monaten umgebracht hatte. Das hatten sie und Giles miteinander gemein.
Doch als sie den Blick über ihre Geburtstagsgäste schweifen ließ und Giles nicht entdeckte, obwohl sie ihn eingeladen hatte, stieg Enttäuschung in ihr auf. Wie sollte sie ihn jemals dazu bringen, etwas anderes in ihr zu sehen als die kleine Schwester seiner Freunde, wenn sie ihn nie zu Gesicht bekam?
Als die Nachmittagsparty vorbei war, ging sie in den Garten, um ihren Kummer zu lindern, und hörte zufällig, wie sich ihre Brüder unterhielten, die hinter dem Haus Zigarren rauchten.
»Die Jungs haben mir erzählt, Newmarshs fest beginnt um zehn«, sagte Oliver. »Wir treffen uns kurz vorher hier draußen. Gott sei Dank ist es nicht weit, und wir können zu Fuß gehen! Also braucht es niemand von den bediensteten zu erfahren. Ihr wisst ja, wie die sind - sie verraten Großmutter alles, und dann hält sie uns eine Standpauke, weil wir an Minervas Geburtstag ausgehen.«
»Großmutter wird es bestimmt merken, wenn wir uns verkleidet aus dem Haus schleichen«, wandte Jarret ein.
»Bevor wir verschwinden, gehen wir einer nach dem anderen in den Garten und verstecken unsere Kostüme. Lasst euch dabei nur nicht von Minerva erwischen! Wir wollen doch ihre Gefühle nicht verletzen.«
Minerva war kurz davor, ihnen den Marsch zu blasen, weil sie an ihrem Geburtstag ohne sie auf ein Fest gehen wollten, als ihr plötzlich ein Licht aufging. Wenn ihre Brüder sich irgendwo mit »den Jungs« trafen, würde auch Giles dort sein! Und da es ein Maskenball war, konnte sie hingehen, ohne dass es jemandem auffiel. Und sie wusste auch schon, was sie anziehen wollte. Ihre jüngere Schwester und sie waren kürzlich auf einen Koffer mit Kleidern ihrer Großmutter gestoßen, die über dreißig Jahre alt waren - eine wahre Fundgrube an Kostümen!
Um neun Uhr schlüpfte sie mit der vierzehnjährigen Celia in den Schuppen im Garten. Celia hatte ihr ihre Unterstützung versprochen - im Austausch gegen einen vollständigen Bericht über alles, was Minerva auf dem Ball sehen und erleben würde. Sie half ihr, sich in eins der alten Korsetts und einen ausladenden Reifrock zu zwängen. Dann zog Minerva das elegante Kleid aus goldenem Satin an, das Großmutter bei der Hochzeit ihrer Eltern getragen hatte.
Sie kicherten unaufhörlich, während sie ihr hellbraunes Haar unter eine gepuderte Perücke mit weißen, hoch aufgetürmten Locken stopften. Danach setzte Minerva eine Augenmaske auf, und Celia klebte ihr einen Schönheitsfleck auf die Wange. eine Kette mit einem altmodischen blauen Kamee-anhänger von Großmutter gab dem Kostüm den letzten Schliff.
»Und? Sehe ich aus wie Marie Antoinette?«, fragte Minerva im Flüsterton. Ihre Brüder waren noch nicht im Garten aufgetaucht, aber sie würden sicherlich jeden Moment kommen.
»Du siehst großartig aus«, entgegnete Celia leise. »Und sehr exotisch.«
»Exotisch« war Celias neues Lieblingswort, doch Minerva nahm an, dass sie eigentlich so etwas wie »erotisch« meinte, denn das Oberteil ihres Kleides war unverschämt tief ausgeschnitten.
Aber sie wollte Giles ja auch bezirzen. »Du verschwindest jetzt besser«, sagte sie zu ihrer Schwester. »Bevor sie kommen. «
Celia eilte zurück ins Haus. Minerva musste noch eine Weile warten, bis sich ihre Brüder im Garten verkleidet hatten und loszogen. Dann folgte sie ihnen unauffällig.
Zum Glück waren viele Leute zu dem Maskenball unterwegs, und sie tauchte in der Menge unter, als ihre Brüder das Haus des Gastgebers betraten. Obwohl sie keine Einladung hatte, war es erstaunlich einfach für sie, ebenfalls hineinzugelangen. Da es sich jedoch als schwierig erweisen könnte, Giles zu finden, weil sie ihren Brüdern aus dem Weg gehen musste, steckte sie dem Butler Geld zu, damit er ihr sagte, was für ein Kostüm das Objekt ihrer Begierde trug.
»Mr Masters ist gar nicht hier, meine Liebe«, antwortete er mit empörender Vertraulichkeit. »Er hat abgesagt, weil er zu seiner Mutter aufs Land fahren musste.«
Minerva wusste nicht, ob sie erleichtert sein sollte, dass Giles wegen einer anderen Verpflichtung nicht zu ihrer Geburtstagsparty hatte kommen können, oder enttäuscht, weil sie ihn nun nicht treffen würde.
»Aber wenn Sie einen Gönner suchen«, fuhr der Butler beflissen fort, »sollten Sie nach einem besseren Fang Ausschau halten. Mr Masters ist nur ein Zweitgeborener.«
Einen Gönner? Wie kam er darauf, dass sie einen Gönner suchen könnte?
Als sie sich die versammelten Gäste genauer ansah, wurde ihr augenblicklich klar, dass es sich nicht um einen gewöhnlichen Maskenball handelte. Ihr »exotisches« Kostüm nahm sich im Vergleich zu den Kostümen der anderen Frauen geradezu sittsam aus.
Es gab viele griechische Gewänder und römische Togen mit unanständig langen Schlitzen zu sehen. Ein Milchmädchen hatte ein tiefer ausgeschnittenes Kleid an, als es jedes echte Milchmädchen anziehen würde, und eine Frau trug an gewissen Stellen sogar nur Federn. Am anderen Ende des Saales sah Minerva ihren Bruder Jarret mit einer Lady Marian tanzen, die gewiss keine Lady war. Er ließ seine Hand über ihren Rücken gleiten und legte sie auf ihren ...
Minerva wandte sich errötend ab. Grundgütiger! Sie war auf einem Lebedamenball gelandet! Sie hatte von solchen Veranstaltungen gehört, die von Frauen besucht wurden, die Gönner suchten, und von Männern, die sich mit diesen Frauen ... amüsieren wollten. Es wäre eine Katastrophe, wenn sie hier von jemandem erkannt würde!
Bevor sie das Weite suchen konnte, packte sie ein Mann, der als französischer Höfling verkleidet war, an der Taille und zog sie an sich. »Na, wenn das nicht die Königin der Kurtisanen ist!«
Er lachte über seinen kleinen Scherz, und sie starrte ihn fassungslos an. Hatte er sie gerade eine Hure genannt?
Zu ihrem Entsetzen presste er seinen Mund auf ihr Ohr und steckte seine Zunge hinein. »Komm doch mit nach oben, Süße, damit wir unser Rollenspiel im stillen Kämmerlein fortsetzen können!«
Sie wollte ihm gerade kräftig auf den Fuß treten, als sie ihm von einem anderen Mann entrissen wurde. »Verzieh dich, Lansing! Ich habe sie zuerst gesehen.« Ein Edelmann in glänzendem Tuch legte ihr wollüstig grinsend einen Arm um die Schultern.
Lansing? Handelte es sich etwa um Graf Lansing? Sie kannte seine Frau, ein süßes junges Ding, wenn auch ein wenig drall. Um Himmels willen, er ging in dieselbe Kirche wie Großmutter!
»Komm schon, Hartley, überlass sie mir!«, entgegnete Lansing mürrisch. »Ich habe das passendere Kostüm!«
Hartley musste der hoch geschätzte Viscount Hartley sein, dessen Frau eine kühle Schönheit war, die eine ebenso kalte Art hatte. Hartley und Lansing waren dicke Freunde. Und Minerva hatte immer gedacht, sie seien auch Gentlemen ...
Sie hatte noch mit der Erkenntnis zu kämpfen, dass sie alles andere als feine Herren waren, als Lansing sie am Arm fasste.
»Wir können sie uns doch teilen«, sagte er ohne die geringsten Skrupel. »Wäre nicht das erste Mal.«
Sie teilen! Als ginge sie freiwillig mit zwei volltrunkenen Witzfiguren auf ein Zimmer!
Sie machte sich von Lansing los. »Es tut mir leid, aber ich habe bereits eine Verabredung mit Lord Stoneville.« Vielleicht ließen sie sich ja dadurch abschrecken, dass Oliver rangmäßig über ihnen stand.
Doch Hartley kicherte nur und zeigte auf die gegenüberliegende Seite des Raumes. »Stoneville ist im Moment beschäftigt, Schätzchen.«
Als Minerva seinem Blick folgte, sah sie ihren Bruder auf einem Sessel herumlümmeln und einer Frau zusehen, die als Kleopatra verkleidet war und mit verführerischen Bewegungen für ihn tanzte. Um Himmels willen! Er war genauso verdorben wie Jarret ... ja, genauso verdorben wie diese beiden lasterhaften Herren hier!
Na gut, sie würde Oliver eine Lektion erteilen - und sich gleichzeitig von diesen Narren befreien. Minerva stemmte die Hände in die Hüften und sah Lansing aufgebracht an. »Wie kann es dieser Hund wagen, mit einer anderen Frau zu tändeln, nachdem er mich mit Syphilis angesteckt hat?«
Ihre List ging auf. Hartley und Lansing konnten nicht schnell genug vor ihr fliehen.
Nachdem sie ihre lästigen Verehrer losgeworden war, schlängelte sie sich durch die Menge zur Tür. Ein schadenfrohes Lächeln huschte über ihr Gesicht. Hoffentlich sprach sich rasch herum, an welcher »Krankheit« Marie Antoinette litt - und vor allem, von wem sie sie bekommen hatte! Diese Strafe hatte Oliver verdient. Was verkehrte er auch mit derart schrecklichen Kerlen?
Die anderen Gäste waren genauso furchtbar. Während Minerva an Königen und Bettlern vorbeiging, hörte sie Männer, die sie kannte, Dinge sagen, die ein junges Mädchen nicht hören sollte. Manche waren junge Hallodris wie ihre Brüder, die sich die Hörner abstießen, aber es waren auch mehrere verheiratete Herren darunter. Grundgütiger, waren denn alle Männer so schrecklich, wie ihr Vater gewesen war?
Nein, nicht alle Männer. Giles war nicht so ein Schurke. Allein die Tatsache, dass er sich um seine Mutter kümmerte, statt diesen Maskenball zu besuchen, bewies, dass er sich gebessert hatte.
Als sie sich endlich einen Weg aus dem Saal gebahnt hatte, blieb sie in der dunklen Eingangshalle stehen, um sich zurechtzufinden. Sie wollte nicht noch einmal in Schwierigkeiten geraten.
Plötzlich ging auf der anderen Seite der Halle eine Tür auf, und ein als Priester verkleideter Mann kam mit einer Kerze in der Hand heraus. Mit klopfendem Herzen huschte sie hinter einen Vorhang und betete, dass er sie nicht bemerkt hatte. Der Vorhang war nicht besonders dick, und sie konnte den Mann besser erkennen, als ihr lieb war. aber sie glaubte nicht, dass er sie sehen konnte, weil sie sich außerhalb des Kerzenscheins befand.
Er hielt inne und legte den Kopf schräg, als lausche er. Das flackernde Licht erhellte sein Profil ... und das Muttermal unter seinem Ohr.
Ihr stockte der Atem. Dieses Profil kannte sie nur zu gut - in- und auswendig sozusagen. Giles war doch da! Aber warum schlich er in der Eingangshalle umher?
Als er raschen Schrittes in ein Zimmer ging, dämmerte es ihr: Er musste eine Verabredung mit einem Flittchen haben! Zur Hölle mit ihm, wie konnte er nur? Er war genauso schlimm wie ihre Brüder!
Falls sie sich nicht doch geirrt hatte. Schließlich hatte der Butler gesagt, er sei nicht zugegen.
Sie kam hinter dem Vorhang hervor. Wie konnte sie das Haus verlassen, ohne genau zu wissen, ob Giles tatsächlich mit einer Dirne verkehrte? Falls es so war, würde sie es zwar nicht verwinden, aber sie musste es in Erfahrung bringen.
Minerva näherte sich auf Zehenspitzen der Tür, durch die er verschwunden war, nahm all ihren Mut zusammen und betrat den Raum. Der Mann, dem sie gefolgt war, stand halb mit dem Rücken zur Tür und durchstöberte den Schreibtisch. Minerva erstarrte und beobachtete, wie er systematisch eine Schublade nach der anderen durchsuchte. Wenn es Giles war, was um alles in der Welt trieb er dann da?
Der Mann hatte auf jeden Fall Giles' aussehen. Er bewegte sich genauso elegant und geschmeidig wie er, und sein Haar war nach dem, was davon unter seinem breitkrempigen Hut zu erkennen war, auch gewellt und dunkelbraun. Er zog eine Mappe heraus, öffnete sie und hielt sie dichter an die Kerze. Dann setzte er fluchend seine Maske ab, um die Papiere besser begutachten zu können.
Ihr Herz hämmerte wie verrückt. Es war Giles! Was führte er nur im Schilde?
Nachdem er die Akte durchgeblättert hatte, versteckte er sie unter seinem Priestergewand, drehte sich um und erblickte Minerva. Im selben Moment setzte er ein charmantes Lächeln auf und streifte sich die Maske wieder über. »ich glaube, Sie haben sich verlaufen, Madam. Das Fest findet im Ballsaal statt.«
Sie hätte sich dumm stellen sollen, doch das konnte sie einfach nicht. »Wenn sich hier jemand verlaufen hat, dann bist du es, Giles Masters!«
Er schnappte entgeistert nach Luft und war in Sekundenschnelle bei ihr, um ihre Maske hochzuschieben. »Minerva? Was zum Teufel ...«
»Ich sollte hier wohl die Fragen stellen. Was hast du da gestohlen? Warum bist du überhaupt hier? Ich dachte, du wärst auf dem Land bei deiner Mutter.«
Seine Augen funkelten hinter seiner Maske. »Für alle anderen bin ich das auch.« Er sah sie prüfend an. »Wie hast du es eigentlich geschafft, eine Einladung zu einem Fest von jemandem wie Newmarsh zu bekommen?«
Als sie nicht gleich antwortete, schüttelte er den Kopf. »Du hast dich heimlich eingeschlichen, nicht wahr? Und wie es mein Pech wollte, hast du mir nachspioniert.«
Das tat weh. »Ich habe dir nicht nachspioniert!«, log sie. »Ich bin nur aus Jux hergekommen, nachdem ich meine Brüder über den Ball reden gehört habe. Und gerade habe ich dich zufällig gesehen und ...«
»Deine Neugier hat über deine Vernunft gesiegt.« Er hielt sie an den Armen fest, als wollte er sie schütteln. »Du dummes kleines ... Was, wenn ich ein gewissenloser Gauner wäre, der dir ein Messer zwischen die Rippen rammt, weil du dich in Dinge einmischst, die dich nichts angehen?«
»Woher soll ich wissen, dass du keiner bist?«, gab sie patzig zurück. Sie ließ sich nicht gern als dumm bezeichnen. »Du hast mir immer noch nicht gesagt, warum du hier bist.«
»Weil es dich nichts angeht, Fräulein Naseweis.«
»Oh, um Himmels willen, behandle mich nicht wie ein Kind! ich bin keine neun mehr.«
»Schwer zu glauben«, brummte er, rückte ihre Maske zurecht und führte sie zur Tür. »Ich würde dich ja in die liebevolle Obhut deiner Brüder übergeben, aber niemand darf wissen, dass ich hier bin. Und ich denke, du willst auch nicht, dass jemand erfährt, dass du hier bist. Also bringe ich dich jetzt nach Hause, damit du keinen Ärger bekommst.«
Sie hätte ihm gern eine scharfe Antwort gegeben, doch sie waren inzwischen in der Eingangshalle, und es konnte jederzeit jemand aus dem Ballsaal kommen. Außerdem hatten Giles und sie gerade das gleiche Ziel: Das Haus auf dem schnellsten Weg zu verlassen, ohne erwischt zu werden. Aber sobald sie in Sicherheit waren, wollte sie ihm gehörig Bescheid sagen. Von wegen Fräulein Naseweis! Und er hatte kein Wort über ihr Kostüm verloren. Würde sie für ihn denn ewig ein kleines Mädchen bleiben?
Er geleitete sie durch ein verwirrendes Labyrinth aus Zimmern und Korridoren, was ihr verriet, dass er schon einmal in diesem Haus gewesen sein musste, wahrscheinlich bei einer ähnlichen Veranstaltung. Es sei denn, er hätte sich das Stehlen zur Gewohnheit gemacht. Nein, unmöglich, dafür musste es eine vernünftige Erklärung geben!
Aber er gab ihr keine Gelegenheit zu fragen. Sobald sie draußen waren und eine dunkle Gasse hinunterliefen, riss er sich die Maske vom Gesicht. »Was soll das überhaupt für ein Kostüm sein, zum Teufel?«
»Marie Antoinette.«
»Großer Gott! Ist dir eigentlich klar, was hätte passieren können, wenn dich jemand erkannt hätte?« Er marschierte zielstrebig mit ihr auf Großmutters Stadthaus zu. »Es wäre das Ende deiner Zukunft gewesen! Hätte man dich auf einem solchen Fest von Newmarsh entdeckt, hätte es einen Skandal sondergleichen gegeben, und dein Ruf wäre ein für alle Mal ruiniert gewesen. Kein anständiger Mann würde eine Frau heiraten, die ...«
»Es scheint sowieso keinen anständigen Mann zu geben, der mich heiraten will.« Sie nahm aufgebracht ihre Maske ab. »Meine Familie ist skandalbehaftet, und die einzigen Männer, die seit meinem Debüt um mich herumscharwenzeln, sind Mitgiftjäger und Taugenichtse.«
Außerdem will ich nur dich, dachte sie.
Er sah sie von der Seite an. »Wenn das wahr ist, solltest du dir nicht noch mehr Skandale aufladen. Wir wissen beide, wie sich die Gesellschaft an denjenigen rächt, die ihre Regeln missachten. Du solltest versuchen, den guten Namen deiner Familie wiederherzustellen.«
Das sagte ausgerechnet er! »Wie es meine Brüder tun?«, entgegnete sie bitter. »Wie du es tust?«
Sie waren bereits am Garten des Stadthauses der Plumtrees angekommen, und sie musste zusehen, dass sie die Wahrheit aus ihm herausbekam. »Warum hast du diese Papiere gestohlen, Giles? Was hat es damit auf sich?«
Ein Muskel in seiner Wange zuckte, als er sich ihr zuwandte. »Das hättest du nicht sehen dürfen. Und ich hoffe, du bist so vernünftig, Stillschweigen darüber zu bewahren.«
»Und wenn nicht? Was willst du dann machen?«, erwiderte sie voller Sarkasmus. »Mir ein Messer zwischen die Rippen rammen?«
»Sehr amüsant!« er musterte sie im fahlen Licht des Mondes. »Aber wenn du es jemandem erzählst, musst du zugeben, dass du auch dort warst, und das willst du gewiss nicht. Zumal du zurechtgemacht bist wie ... wie ...«
Als er verstummte und sein Blick auf den Kamee-Anhänger fiel, der in der Mitte ihres halb entblößten Dekolletés ruhte, hielt sie den Atem an. Nun sah er sie endlich einmal als Frau! »Wie denn?«, fragte sie und legte so viel Sinnlichkeit in ihre Stimme, wie sie konnte.
Er riss seinen Blick los und sah ihr wieder ins Gesicht. »Wie ein liederliches Flittchen«, sagte er schroff. »Das darf wirklich niemand erfahren.«
Ein Flittchen! Er fand, sie sah wie ein Flittchen aus? Und noch dazu ein liederliches? »Warum nicht? Weil es meinen Ruf ruinieren könnte? Schlechter kann meine Lage eigentlich nicht werden.«
»Du hast immerhin eine Mitgift ...«
»Die lediglich dafür sorgt, dass sich die falschen Männer für mich interessieren.« Sie hob das Kinn. »Aber ich bin überzeugt, du würdest meinen Ruf nicht aus purer Bosheit ruinieren. Dafür bist du zu sehr Gentleman.«
Er zog eine Augenbraue hoch. »Und du würdest nicht wollen, dass ich wegen Diebstahls gehängt werde. Dafür sind wir zu gut befreundet.«
Wenn er sie erweichen wollte, dann machte er seine Sache wirklich gut. »Doch ich könnte es deinem Bruder verraten, dem Viscount«, erwiderte sie. »Ich glaube nicht, dass es ihm gefallen würde.«
Das schien Giles zu denken zu geben. »Und ich könnte deinen Brüdern von deinem kleinen Abenteuer berichten. Und ich bin ganz sicher, dass es ihnen nicht gefallen würde.«
»Mach nur!«, bluffte sie. »Mir ist egal, was sie denken.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Wie du siehst, hast du keine andere Wahl, als mir die Wahrheit zu sagen.«
»Ich habe eine bessere Idee.« Er trat näher an sie heran und senkte seine Stimme. »Nenn mir deinen Preis, Minerva! Ich verdiene noch nicht besonders viel als Anwalt, aber ich kann es mir leisten, mir dein Schweigen zu erkaufen.«
»Mach dich nicht lächerlich!« Als ein verschmitztes Lächeln um seine Mundwinkel spielte, wurde ihr klar, dass er sie mit seinem Gerede nur hatte ärgern wollen. »Du weigerst dich also, mir zu erzählen, was du getan hast und warum?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich behalte meine Geheimnisse lieber für mich.«
Und er wusste verflixt noch mal, dass sie sein Geheimnis ohnehin bewahren würde, wenn er sie darum bat. Doch das bedeutete nicht, dass sie auf der Stelle klein beigeben musste. »Also gut, ich nenne dir meinen Preis: Gib mir einen Kuss!«
Er stutzte. »Wie bitte?«
»Gib mir einen Kuss!« Ihr Ton wurde sarkastisch. »Ich will einen Kuss von der Art, wie du und meine Brüder sie an jede Kellnerin, Dirne und Tänzerin verteilt, die ihr kennt. Mit einem einzigen Kuss kannst du dir mein Schweigen erkaufen.« Vielleicht sah er sie dann endlich als Frau an, der er vertrauen konnte, die er umwerben und ... lieben konnte.
Als er seinen Blick langsam über ihren Körper schweifen ließ, wurde ihr an Stellen warm, wo sie nie zuvor Wärme verspürt hatte, und ihr Puls begann zu rasen. »Das halte ich für keine gute Idee.«
»Wieso?«
»Vor allem«, entgegnete er trocken, »weil mich deine Brüder bei lebendigem Leibe häuten, wenn sie davon erfahren.«
»Wir müssen es ihnen ja nicht auf die Nase binden.« Als er keine Anstalten machte, sich zu rühren, fügte sie hinzu: »Heute ist mein neunzehnter Geburtstag, und ich hatte gerade auf einer geschmacklosen Veranstaltung das widerliche Erlebnis, dass zwei Herren beredet haben, sich mich zu teilen.«
Als sich Entrüstung in seinem Gesicht abzeichnete, schob sie rasch nach: »Ich konnte ihren ekelhaften Annäherungsversuchen zwar entrinnen, aber ich brauche jetzt etwas Schönes, das mir hilft zu vergessen, dass sich um ein Haar zwei Widerlinge über mich hergemacht hätten. Und ich bitte dich, es mir zu geben.«
»Wie kommst du darauf, dass ein Kuss von mir schön sein könnte?«, fragte er, und seine raue Stimme jagte ihr einen wonnigen Schauder über den Rücken.
Sie bemühte sich, ebenso unbefangen zu klingen wie er. »Das kann ich dir nur raten, wenn du willst, dass ich dein Geheimnis für mich behalte!«
Zu ihrer Überraschung lachte er. »Na gut, du kleines Biest, ich werde den Preis bezahlen.«
Er beugte sich vor und presste seine Lippen auf ihre, doch der Kuss war genauso kurz und enttäuschend wie züchtig.
Als Giles sich wieder aufrichtete, runzelte sie die Stirn. »Ich hätte mich wohl klarer ausdrücken sollen. Mit ›schön‹ meinte ich so etwas wie ›aufregend‹. Ich dachte nicht an einen Kuss, wie du ihn deiner Großmutter gibst.«
Er starrte sie wortlos an. Dann glomm ein verwegenes Funkeln in seinen Augen auf, und er umfing ihr Gesicht ohne Vorwarnung mit den Händen und küsste sie abermals. Aber dieser Kuss war schonungslos, unerbittlich, überwältigend. Er schob seine Zunge zwischen ihre Lippen und drang wieder und wieder in ihren Mund ein, bis ihr ganz schwindelig wurde und sie weiche Knie bekam.
Auf einen Schlag zerstörte er alle ihre romantischen Mädchenträume und ließ ein unbändiges, rasendes Verlangen an ihre Stelle treten, wie sie es noch nie erlebt hatte.
Es schockierte sie.
Es berauschte sie.
Ohne nachzudenken, schlang sie die Arme um seinen Hals. Giles murmelte einen Fluch an ihren Lippen, dann zog er sie fest an sich, um sie noch leidenschaftlicher zu küssen.
Sein stoppeliges Kinn kratzte an ihrer Wange, und er roch nach Kerzenrauch und Brandy; einer Mischung, von der eine eigentümliche Verlockung ausging. Es war einfach traumhaft. Und als seine Hände über ihre Rippen nach oben wanderten, begann sie, sich nach mehr zu sehnen ... nach mehr Zärtlichkeiten, nach mehr Küssen ... nach mehr von ihm.
Kurz darauf löste er sich von ihr und fragte mit erstickter Stimme: »Entspricht das in etwa deiner Vorstellung von einem schönen Kuss?«
Noch völlig benommen von ihrem ersten richtigen Kuss, sah sie mit einem verträumten Lächeln zu ihm auf. »Es war absolut perfekt, Giles.«
Er sah sie irritiert an. Dann huschte ein Ausdruck purer Panik über sein Gesicht, und er schob sie abrupt von sich weg. »Dann habe ich meine Verbindlichkeit also erfüllt?«
Diese Antwort brachte Minerva so aus der Fassung, dass sie nur nicken konnte. Sie sah ihn wie vom Donner gerührt an und hoffte auf etwas, dass dem kalten Wort »Verbindlichkeit« die Härte nahm.
»Gut«, meinte er und wandte sich zum Gehen. Nach einigen Schritten drehte er sich noch einmal um. Sein blick war genauso verächtlich wie sein Ton. »Sei vorsichtig, meine Liebe, wenn du das nächste Mal vorhast, dich wie ein Flittchen aufzuführen! Manche Männer reagieren nicht so freundlich auf Erpressungsversuche. Du könntest in einer dunklen Gasse auf dem Rücken landen. Und ich bezweifle, dass es dir dann noch gefallen würde, die Hure zu spielen.«
Seine derben Worte verletzten ihren Stolz. Hatte er denn nicht die Leidenschaft gespürt, die zwischen ihnen aufgeflammt war, dieses wunderbare Gefühl des Eins Werdens zweier Seelen? Hatte er denn gar nichts empfunden bei diesem Kuss, der sie von jetzt auf gleich vom Mädchen zur frau gemacht hatte?
Offenbar nicht. Giles hatte ihr sein Messer so tief zwischen die Rippen gerammt, dass es ihr Herz durchbohrt hatte.
Irgendwie gelang es ihr, die Fassung zu wahren, als er davonschlenderte. Doch kaum war er außer Sichtweite, brach sie in Tränen aus.
Das war der Abend, an dem sie sich von Giles Masters entliebte.
1
London 1825
Kurz nach Tagesanbruch beobachtete Giles im Schutz der Bäume, wie Viscount Ravenswood, der Untersekretär des Innenministeriums, das Bootshaus am Serpentine River im Hyde Park betrat. als eine Viertelstunde verstrichen war und sich sonst niemand zeigte, trat auch Giles in das Bootshaus.
Nachdem er und Ravenswood die üblichen Höflichkeiten ausgetauscht hatten, sagte der Viscount: »Wie mir zu Ohren gekommen ist, wirst du für einen Posten als Kronanwalt in Erwägung gezogen.«
Giles erstarrte. Er hätte wissen müssen, dass Ravenswood davon Wind bekam. Der Mann hatte seine Augen überall. »Das habe ich auch gehört.«
»Ich nehme an, wenn du berufen wirst, kannst du deine Bemühungen für mich nicht fortsetzen.«
»Die Position eines Kronanwalts ist anspruchsvoll«, sagte Giles vorsichtig. Er hatte nicht damit gerechnet, dass er dieses Gespräch schon so bald führen würde.
»Und sie ist eine sehr prestigeträchtige für einen jungen Anwalt wie dich. Obendrein höchst politisch. Dich weiterhin als Taugenichts auszugeben, um Informationen für mich zu sammeln, ist dann wohl nicht mehr opportun.«
»Richtig.« er sah Ravenswood prüfend ins Gesicht, aber dessen stoische Miene war unergründlich.
Copyright © 2013 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
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Autoren-Porträt von Sabrina Jeffries
Sabrina Jeffries ist in den USA geboren und in Thailand aufgewachsen. Sie ist begeisterte Jane-Austen-Leserin und besitzt einen Doktortitel in englischer Literatur. Mit ihren Liebesromanen gelangt sie regelmäßig auf die amerikanischen Bestsellerlisten.
Bibliographische Angaben
- Autor: Sabrina Jeffries
- 2013, 416 Seiten, Maße: 12,4 x 18 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Antje Görnig
- Verlag: LYX
- ISBN-10: 3802590856
- ISBN-13: 9783802590856
- Erscheinungsdatum: 08.07.2013
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