Geisterpfade
Celine Kiernan schreibt Fantasy, die verzaubert
In einer Welt, in der Magie Teil des täglichen Lebens ist ... einer Welt, in der Eulen, Katzen und Wölfe Geheimnisse ausplaudern ... einer Welt, in der dunkle Mächte nach der Herrschaft...
In einer Welt, in der Magie Teil des täglichen Lebens ist ... einer Welt, in der Eulen, Katzen und Wölfe Geheimnisse ausplaudern ... einer Welt, in der dunkle Mächte nach der Herrschaft...
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Produktinformationen zu „Geisterpfade “
Celine Kiernan schreibt Fantasy, die verzaubert
In einer Welt, in der Magie Teil des täglichen Lebens ist ... einer Welt, in der Eulen, Katzen und Wölfe Geheimnisse ausplaudern ... einer Welt, in der dunkle Mächte nach der Herrschaft greifen ... ist ein junges Mädchen die einzige Hoffnung. Die faszinierende Fantasy-Saga aus Irland - Celine Kiernan schreibt so episch wie Christopher Paolini und so zauberhaft wie Michael Ende.
Seitdem Wynter den Hof König Jonathons unentdeckt verlassen konnte, um nach dem verstoßenen Kronprinzen Alberon zu suchen, ist sie auf sich allein gestellt. Ohne Schutz reist sie durch die Wälder und begreift bald: Sie ist nicht die Einzige, die sich auf die Suche nach Alberon gemacht hat. Alle, die sich in den letzten Jahren gegen König Jonathon gestellt haben, scheinen Abgesandte geschickt zu haben, die den rebellischen Königssohn finden sollen. Und so ist Wynter überglücklich, als sie - mitten unter Feinden - auf ihre Freunde und Verbündeten Razi und Christopher stößt. Doch alten Freunden folgen alte Gegner, und es dauert nicht lange, bis die drei den Loups-Garous, den berüchtigten Wölfen, gegenüberstehen. Die einzige Rettung versprechen sie sich von Christophers Volk, den geheimnisvollen Merronern, doch die verfolgen offensichtlich andere Pläne ...
Mit Landkarte im Vorsatz.
In einer Welt, in der Magie Teil des täglichen Lebens ist ... einer Welt, in der Eulen, Katzen und Wölfe Geheimnisse ausplaudern ... einer Welt, in der dunkle Mächte nach der Herrschaft greifen ... ist ein junges Mädchen die einzige Hoffnung. Die faszinierende Fantasy-Saga aus Irland - Celine Kiernan schreibt so episch wie Christopher Paolini und so zauberhaft wie Michael Ende.
Seitdem Wynter den Hof König Jonathons unentdeckt verlassen konnte, um nach dem verstoßenen Kronprinzen Alberon zu suchen, ist sie auf sich allein gestellt. Ohne Schutz reist sie durch die Wälder und begreift bald: Sie ist nicht die Einzige, die sich auf die Suche nach Alberon gemacht hat. Alle, die sich in den letzten Jahren gegen König Jonathon gestellt haben, scheinen Abgesandte geschickt zu haben, die den rebellischen Königssohn finden sollen. Und so ist Wynter überglücklich, als sie - mitten unter Feinden - auf ihre Freunde und Verbündeten Razi und Christopher stößt. Doch alten Freunden folgen alte Gegner, und es dauert nicht lange, bis die drei den Loups-Garous, den berüchtigten Wölfen, gegenüberstehen. Die einzige Rettung versprechen sie sich von Christophers Volk, den geheimnisvollen Merronern, doch die verfolgen offensichtlich andere Pläne ...
Mit Landkarte im Vorsatz.
Klappentext zu „Geisterpfade “
Seitdem Wynter den Hof König Jonathons unentdeckt verlassen konnte, um nach dem verstoßenen Kronprinzen Alberon zu suchen, ist sie auf sich allein gestellt. Ohne Schutz reist sie durch die Wälder und begreift bald: Sie ist nicht die Einzige, die sich auf die Suche nach Alberon gemacht hat. Alle, die sich in den letzten Jahren gegen König Jonathon gestellt haben, scheinen Abgesandte geschickt zu haben, die den rebellischen Königssohn finden sollen. Und so ist Wynter überglücklich, als sie - mitten unter Feinden - auf ihre Freunde und Verbündeten Razi und Christopher stößt. Doch alten Freunden folgen alte Gegner, und es dauert nicht lange, bis die drei den Loups-Garous, den berüchtigten Wölfen, gegenüberstehen. Die einzige Rettung versprechen sie sich von Christophers Volk, den geheimnisvollen Merronern, doch die verfolgen offensichtlich andere Pläne ...
Celine Kiernan schreibt Fantasy, die verzaubert In einer Welt, in der Magie Teil des täglichen Lebens ist ... einer Welt, in der Eulen, Katzen und Wölfe Geheimnisse ausplaudern ... einer Welt, in der dunkle Mächte nach der Herrschaft greifen ... ist ein junges Mädchen die einzige Hoffnung. Die faszinierende Fantasy-Saga aus Irland - Celine Kiernan schreibt so episch wie Christopher Paolini und so zauberhaft wie Michael Ende.
Seitdem Wynter den Hof König Jonathons unentdeckt verlassen konnte, um nach dem verstoßenen Kronprinzen Alberon zu suchen, ist sie auf sich allein gestellt. Ohne Schutz reist sie durch die Wälder und begreift bald: Sie ist nicht die Einzige, die sich auf die Suche nach Alberon gemacht hat. Alle, die sich in den letzten Jahren gegen König Jonathon gestellt haben, scheinen Abgesandte geschickt zu haben, die den rebellischen Königssohn finden sollen. Und so ist Wynter überglücklich, als sie - mitten unter Feinden - auf ihre Freunde und Verbündeten Razi und Christopher stößt. Doch alten Freunden folgen alte Gegner, und es dauert nicht lange, bis die drei den Loups-Garous, den berüchtigten Wölfen, gegenüberstehen. Die einzige Rettung versprechen sie sich von Christophers Volk, den geheimnisvollen Merronern, doch die verfolgen offensichtlich andere Pläne ...Mit Landkarte im Vorsatz.
Seitdem Wynter den Hof König Jonathons unentdeckt verlassen konnte, um nach dem verstoßenen Kronprinzen Alberon zu suchen, ist sie auf sich allein gestellt. Ohne Schutz reist sie durch die Wälder und begreift bald: Sie ist nicht die Einzige, die sich auf die Suche nach Alberon gemacht hat. Alle, die sich in den letzten Jahren gegen König Jonathon gestellt haben, scheinen Abgesandte geschickt zu haben, die den rebellischen Königssohn finden sollen. Und so ist Wynter überglücklich, als sie - mitten unter Feinden - auf ihre Freunde und Verbündeten Razi und Christopher stößt. Doch alten Freunden folgen alte Gegner, und es dauert nicht lange, bis die drei den Loups-Garous, den berüchtigten Wölfen, gegenüberstehen. Die einzige Rettung versprechen sie sich von Christophers Volk, den geheimnisvollen Merronern, doch die verfolgen offensichtlich andere Pläne ...Mit Landkarte im Vorsatz.
Lese-Probe zu „Geisterpfade “
Geisterpfade von Celine KiernanDichte Schatten
Wynter beugte sich tiefer über Ozkars Hals und senkte den Kopf, damit die dunkle Hutkrempe ihre Augen verbarg. Unruhig tänzelte der Hengst unter ihr und versuchte, sich rückwärts aus ihrem Versteck zu schieben. Er konnte Wynters Furcht spüren, und das flößte auch ihm Angst ein. Sie raunte Ozkar besänftigende Worte ins Ohr und streichelte ihm die Schulter, doch er schüttelte die Mähne, schnaubte und stampfte laut mit dem Huf auf.
Die Männer zwischen den Bäumen kamen näher. Angestrengt lauschte Wynter auf die Schritte ihrer Pferde, und als die Geräusche lauter wurden, zog sie sich vorsichtig weiter in die Deckung zurück. Sie konnte kaum fassen, wie leicht sich diese Reiter ihrer Aufmerksamkeit entzogen hatten. Der Wald war hier so dicht und dunkel, dass Wynter sie vielleicht überhaupt nicht bemerkt hätte, wären sie nicht so töricht gewesen, eine Pfeife anzuzünden, deren üppiges Tabakaroma sie vor ihnen gewarnt hatte. Bestürzt begriff Wynter, dass sie und diese Männer möglicherweise seit Tagen nebeneinanderher in die gleiche Richtung ritten, ohne einander wahrzunehmen, da die Pferde der Fremden den Klang von Ozkars Hufen aufhoben und umgekehrt.
Schon machte Wynter Anstalten, sich aufzurichten, um durch die Äste zu spähen, da ertönte ein leiser Pfiff von der Straße, und sie zog rasch den Kopf wieder ein. Ihr Herz pochte heftig. Die Männer verharrten einen Augenblick, dann pfiffen sie eine Antwortmelodie und trieben ihre Pferde zu Wynters Entsetzen durch das Dickicht genau auf sie zu.
... mehr
Sie kamen beängstigend nahe - der Drang, den Kopf zu heben und einen Blick zu wagen, war beinahe unwiderstehlich. Doch schon eine einzige unbedachte Bewegung konnte sie verraten, also hielt sie die Augen fest geschlossen und rührte sich nicht. Langsam zogen die Fremden an ihr vorbei und lenkten ihre Pferde eine steile Böschung hinab außer Sicht.
Leise ließ Wynter Ozkar zur Seite treten, damit sie ihren Abstieg zur Straße beobachten konnte.
Die Köpfe der Männer befanden sich bereits weit unter ihr und wechselten gerade aus dem Schatten in den unbarmherzigen Sonnenschein. Auf der Straße angekommen, zügelten sie ihre Pferde und sahen erwartungsvoll in den gegenüberliegenden Wald. Wynter folgte ihrem Blick und kauerte sich unwillkürlich wieder zusammen, als sie vier weitere Reiter auf dem Abhang entdeckte. Sobald die Neuankömmlinge die Straße erreicht hatten, nahmen die beiden ersten Männer die dunklen Hüte ab und enthüllten ihre Gesichter: Es waren Comberer - ihre mit Harz eingeriebenen Haare und Bärte glitzerten in der Sonne. Misstrauisch blinzelten sie die vier von der anderen Seite an, und einer rief auf Südlandisch, der in Jonathons Königreich gesprochenen Sprache: »So weit?«
Die Neuankömmlinge entgegneten: »Und noch nicht angekommen? «
Allgemeine Erleichterung machte sich breit, und Wynter prägte sich diese Losung und die vorausgegangenen Pfi ffe ins Gedächtnis ein.
Nun fragte der kleinere der Comberer: »Ich nehme an, dass wir dieselbe Richtung haben?«
»Möglich ist alles«, gab einer der vier fremden Reiter ausweichend zurück. Dann entledigten sie sich ihrer Kopfbedeckungen, und Wynter überlief ein ängstlicher Schauer. Sie waren Haunardier! Krieger, der Unmenge schimmernder Waffen nach zu urteilen. Lautlos lehnte sie sich in ihrem Sattel vor, um besser sehen zu können. Noch nie war Wynter Haunardiern in Fleisch und Blut begegnet, doch ihre Wildheit und Verschlagenheit waren berüchtigt. Die schmalen, leicht schräg gestellten Augen waren schwarz wie die Nacht, und sie betrachteten die Comberer verächtlich, die honigfarbenen Mienen erfüllt von spöttischer Geringschätzung.
»Diese Männer hier möchten Euch in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, dass Ihr nicht allzu geschickt darin seid, Euch zu verbergen«, höhnte der Jüngste der vier. »Welcher Narr hat solch ein Verlangen nach einer Pfeife Tabaks?«
Die Comberer warfen einander einen kurzen Blick zu, dann schob sich der Größere allmählich wieder dichter an die Bäume heran, die Pfeife fest zwischen die Zähne geklemmt. »Bleibt Ihr einfach auf Eurer Straßenseite, dann braucht mein Rauch Euch nicht zu bekümmern«, erklärte er bestimmt.
Die Haunardier wirkten belustigt. Sie grinsten einander an und lenkten ihre Pferde gemächlich rückwärts zum Straßenrand.
Für Wynter war es eindeutig, dass diese Männer - wie sie selbst - im Geheimen unterwegs waren und zugunsten der Deckung des dichten Waldes auf die Bequemlichkeit der Straße verzichteten. Es kam ihr vor, als hätten die Haunardier die anderen nur angerufen, um sich über ihren Leichtsinn lustig zu machen.
Lachend sagte der Jüngste noch: »Wir hoffen inständig, dass es nicht Eure Listigkeit ist, die Ihr an der Tafel des Rebellenprinzen andienen wollt.«
Der Rebellenprinz?, dachte Wynter. Alberon! Ungläubig starrte sie die Männer unten auf der Straße an. Dann versammelst du also Verbündete um deine Tafel. Aber Gütiger, Alberon! Erst Comberer und nun Haunardier? Hast du den Verstand verloren?
Unten stichelte der junge Haunardier weiter, seine hämische Stimme wehte zu Wynter herauf. »Wir möchten in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, dass Ihr ebenso gut grölend mitten auf der Straße tanzen könntet, so unauffällig, wie Ihr Euch dort oben im Wald gebärdet habt.«
»Was Ihr nicht sagt«, knurrte der kleinere Comberer. »Und Euer feinfühliges Geschick als Unterhändler wird für den künftigen König von unschätzbarem Wert sein, wage ich zu behaupten. Schlaft wohl in den kommenden zwölf Nächten, Ihr Haun, und seid gewiss, wir werden dann Euch im Feldlager treffen.«
Noch im Sprechen begannen die Comberer, wieder bergan zu steigen, und Wynter trieb Ozkar leise zurück ins Zwielicht, während sie den zwischen den Zähnen hervorgestoßenen Abschiedsworten lauschte. Die Comberer machten sich durch die Bäume davon, Pfeifenrauch und unterdrücktes Murmeln wehte hinter ihnen her. Die Haunardier mussten wohl den gegenüberliegenden Abhang erklommen haben und dort mit dem Wald verschmolzen sein.
Wynter blieb, wo sie war, tief in Gedanken versunken. Unter ihr döste Ozkar wieder ein.
War es möglich, dass der König recht gehabt hatte? War es tatsächlich Alberons Absicht, die Krone zu stürzen? Bei der Vorstellung, dass Alberon ein Bündnis mit den Haunardiern oder auch mit den Comberern eingegangen sein könnte, lief es Wynter eiskalt den Rücken hinunter. Hatte er sich wahrhaftig gegen seinen Vater gestellt, mit gierigen Eroberern zur einen Seite und frömmlerischen Eiferern zur anderen? Was sollte dann aus dem Königreich werden, und welchen Empfang hatte Wynter von ihrem alten Freund zu erwarten, falls er sich wirklich seinem Vater entgegenzustemmen versuchte?
Den Blick in den Wald gerichtet, dachte sie an die Haun und die Comberer und an alles, wofür sie standen. Wenn es hart auf hart käme und sie zwischen ihnen und König Jonathon abwägen müsste - Alberon hin oder her -, dann gab es für Wynter keinen Zweifel, für wen sie sich entscheiden würde. Sie schüttelte den Kopf und sah sich hilfl os um. Über so etwas wollte sie jetzt nicht nachdenken. Urplötzlich wollte die Verzweiflung sie übermannen, und sie richtete sich kerzengerade auf, um sich innerlich dagegen zu stählen.
Schluss jetzt, ermahnte sie sich streng. Es hat keinen Zweck, sich Sorgen zu machen, bevor ich Alberon nicht gefunden und die Wahrheit herausbekommen habe. Dann sehen wir weiter, und die ganze Sache wird mit Leichtigkeit aufgeklärt werden. Grimmig entschlossen schob sie das Kinn vor. Sie hatten ihren Vater für diese Unternehmung geopfert, sie setzte ihr eigenes Leben aufs Spiel, und sie würde nicht scheitern.
Der Wald lag nun wieder still und dem Anschein nach menschenleer, also wagte sich Wynter endlich aus ihrem Versteck und rutschte von Ozkars Rücken. Müde lehnte sie sich einen Augenblick lang an seinen Hals. Sie und Ozkar waren kurz vor Morgengrauen aufgebrochen und hatten beide eine Rast dringend nötig. Am sichersten wären sie weiter hügelan, doch zuerst musste Wynter ihren Wasservorrat auffrischen. Sie beschloss, die Wasserschläuche im Fluss neben der Straße zu füllen, obwohl es riskant war. Gott allein mochte wissen, wann sie wieder Gelegenheit dazu bekäme.
Als sie die Schnüre löste, schnüffelte Ozkar an ihr und knabberte auf der Suche nach Futter an ihrem Hemd. Erschöpft und ungeduldig schob Wynter seinen Kopf beiseite. Morgens und abends bekam er jeweils einen Laib Pferdebrot, und das war mehr als ausreichend, selbst bei ihrem zügigen Marsch. Von ihr aus hätte er gern mehr haben können - sogar alles, denn nach fünf Tagen hingen ihr Pferdebrot, Käse und getrocknete Wurst weidlich zum Halse heraus. Selbst eingeweicht war das derbe Backwerk eine Zumutung für die Zähne und Folter für die Gedärme.
Was würde ich nicht für einen Teller Leber mit Zwiebeln geben, dachte sie, während sie die Wasserschläuche um beide Arme schlang und sich auf Hände und Knie niederließ. Oder, großer Gott, einen Becher Erdbeertrank ... oder Apfelkuchen mit dickem Rahm. Vorsichtig glitt sie bäuchlings den Hang hinab. Ohren und Augen waren wachsam auf die Umgebung gerichtet, Herz und Magen träumten vom Essen.
Sie erreichte den Rand des Dickichts und spähte auf den flachen kleinen Bach hinunter, der sich blubbernd seinen Weg durch das tiefe Bett bahnte. Wynter wusste, dass sie nur ein unauffällig dunkler Fleck im Wechselspiel der Schatten war, solange ihr Gesicht verhüllt blieb. Aber sie verzichtete dennoch auf jede unnötige Bewegung, streckte vorsichtig die Arme aus und tauchte den ersten Schlauch ins Wasser. Langsam füllte er sich, und Wynter legte die Wange auf die Böschung, um die Straße im Auge zu behalten.
Der erste Sack war voll und Wynter im Begriff, den zweiten in den Bach zu halten, da vernahm sie Hufe durch das Gras in ihre Richtung stapfen. Hastig riss sie die Hand zurück und drückte sich flach auf den Boden, als das Pferd vorbeigaloppierte.
Es war ein Händler, dem Erscheinungsbild nach von mittlerem Einkommen, der ein voll beladenes Packmuli hinter sich herzog. Für die sperrige Last des Tiers ritt er viel zu schnell, und immer wieder drehte er sich um, Schrecken im Gesicht. Sorgenvoll blickte Wynter ihm nach und fragte sich, was zum Henker er wohl erwartet hatte, wenn er ganz allein auf dieser Straße reiste. Er hatte nicht einmal genug Umsicht gezeigt, sein kostbares Sattelzeug oder die edle Kleidung zu verstecken.
Zwei Verfolger waren ihm auf den Fersen; sie ritten sehr schnell und tief in die Sättel gebeugt. Rasch hatten sie ihre Beute eingeholt, nahmen das Packmuli in ihre Mitte wie Wölfe und schlossen zu dem Fliehenden auf. Im wilden Galopp holte der linke Räuber mit einem Stock weit aus und riss den Händler mit einem Hieb gegen den Kopf vom Pferd.
Der helle Hut des Getroffenen flog hoch durch die Luft und rollte vor Wynter in den Graben. Der Mann selbst stürzte zwischen die Pferde und wurde im Staub zurückgelassen, während die Räuber weiterrasten, um seine Tiere einzufangen.
Wynter konnte den Blick nicht von dem Händler abwenden, der rücklings auf der Straße lag. Er war völlig benommen, das Gesicht von Schmutz bedeckt, und unter seinem Kopf sammelte sich ein dünnes Rinnsal Blut zu einer Lache. Sie hörte, wie die Wegelagerer sein Pferd und das Muli erhaschten und umkehrten, und sie wusste genau, welches Schicksal dem armen Mann nun blühte. Geräuschlos zog sie das Kinn ein und ballte die Hände zu Fäusten, als die Wegelagerer wieder in Sicht kamen.
Einer von ihnen, der mit dem Stock, sprang behände aus dem Sattel und trabte auf den Händler zu. Wynter sah den auf dem Boden Liegenden eine behandschuhte Hand gen Himmel heben, sein Blick war fragend. Ganz offensichtlich begriff er nicht, was ihm geschehen war. Der Räuber hob den Stock hoch über den Kopf, und als er ihn auf das Gesicht des Händlers herabsausen ließ, kniff Wynter fest die Augen zusammen.
Danach folgten nicht mehr viele Schläge. Wynter blieb ganz still liegen, das Gesicht in die Hände vergraben, während die Diebe den Leichnam entkleideten. Angeregt plaudernd erledigten sie ihre Arbeit, sie schienen einander gut zu kennen und ihrem Beruf gänzlich ungezwungen nachzugehen. Sie erwähnten ein Gasthaus und eine Jenny und fragten sich, welchen von ihnen sie wohl lieber mochte. Sie überschlugen, wie viel ihnen ihr Fang einbringen würde, und kamen zu dem Schluss, dass es nicht wenig wäre. Vielleicht so viel, dass Jenny sie sogar beide gleichzeitig mögen würde, wenn sie es schlau anstellten. Dazu lachten sie reichlich und gut gelaunt, und Wynter musste sich die Finger fest gegen die Schläfen pressen und auf die Lippe beißen.
Endlich entfernten sich ihre Stimmen in Richtung Pferde, und Wynter wagte es, den Kopf zu drehen und den Händler anzusehen.
Die Räuber hatten ihn an den Straßenrand geschleppt und ordentlich am Fuße eines Baums abgelegt, als wollten sie höflich den Weg nicht blockieren. Mit dem Rücken zu ihr lag er zusammengekrümmt auf der Seite, und nachdem sie erst hingesehen hatte, konnte Wynter unmöglich den Blick wieder von ihm lösen. Das war vielleicht jemandes Vater, jemandes Sohn. Bis vor wenigen Augenblicken war er am Leben gewesen, hatte geatmet, Gedanken und Pläne gehabt. Und nun war er nichts als Fleisch, achtlos beiseitegeworfen und zurückgelassen als Aas für die Dachse und Füchse, und seine Familie würde nie erfahren, was ihm zugestoßen war.
Das könnte ich sein, dachte Wynter, von jetzt auf gleich getötet und ausgelöscht.
Plötzlich tauchte der Räuber mit dem Stock wieder auf. Er lief zum Straßenrand, kniete sich hin und beugte sich von der anderen Seite aus in das Flussbett, den Arm weit ausgestreckt, um etwas tief in den Brombeerbüschen zu erreichen. Dann hockte er sich grinsend zurück und hielt den Hut des Händlers hoch.
Wynter hätte den Kopf senken sollen, doch sie war so von Hass erfüllt, dass sie den Strauchdieb einfach nur anstarrte, während er den Staub aus dem Hut seines Opfers klopfte.
Schon wollte er aufstehen, als er den Blick hob und sie im Dickicht der Brombeerzweige entdeckte. Wynter sah ihn unter seiner Hutkrempe blinzeln und die Stirn runzeln, und als er langsam auf die Füße kam und mit fragender Miene angestrengt ins Zwielicht starrte, wurde sie von eiskalter Furcht ergriffen.
»Was ist denn?«, fragte der andere Räuber, der bereits im Sattel saß und losreiten wollte.
Der Mann mit dem Stock antwortete nicht, ging nur wortlos vor Wynters Versteck in die Hocke und blickte ihr über die tanzende Helligkeit des Wassers hinweg geradewegs in die Augen.
Alles, was Wynter jemals gelernt hatte, alles, was man in einer solchen Lage tun sollte, war wie weggeblasen. Zu ihrem eigenen Entsetzen blieb sie einfach liegen, erstarrt und hilflos, während der Mann sie in aller Ruhe von oben bis unten musterte.
Seine Augen wanderten über ihren Körper, und sie sah, dass er ihre Rundungen und Wölbungen zur Kenntnis nahm, ihre eindeutig weibliche Gestalt. Als er den Blick wieder hob und ihrem begegnete, war er berechnend und brennend. Er entblößte die Zähne, und die Gier in seinem Grinsen jagte Wynter lähmende, grauenhafte Furcht durch den Bauch.
»Heda! Tosh!«, rief sein Kumpan. »Was treibst du da?« Inzwischen hatte er sein Pferd gewendet, und Wynter hörte ihn herantrotten.
Da stand der Mann auf und bedeutete ihm, nicht näher zu kommen. »Nichts«, gab er zurück und schlenderte zu seinem Pferd zurück. »Nur ein Dachsbau. Ich dachte, da würde ein Mensch liegen. Hab wohl zu viel Sonne abgekriegt.«
Wynter fühlte gleichzeitig ungeheure Erleichterung und überwältigende Übelkeit. Sie presste sich die Hand vor den Mund, überzeugt, sich übergeben zu müssen. Als der Räuber wieder aufstieg, hörte sie ihn sagen: »Hör mal, Peter, wenn wir mit dem stummen Murk einen Preis ausgehandelt haben, kannst du Jenny heute Nacht für dich allein haben. Ich hab was vor.«
»Was vor?«, rief sein Freund ungläubig. »Anstatt Jenny ... Was hast du denn vor?«
»Ach, nichts Besonderes. Hab nur Lust, bisschen auf die Jagd zu gehen.«
»Auf die Jagd?«, wiederholte der andere völlig verwirrt. »Statt Jenny? Tosh, ich will mich ja weiß Gott nicht beklagen, aber bist du irre?«
Der Räuber gluckste fröhlich. Nun trabten die beiden langsam von dannen, doch noch ehe sie außer Hörweite kamen, hörte Wynter seine Erwiderung.
»Nee, ich bin nicht irre«, sagte er umgänglich. »Ich hab bloß ganz plötzlich so einen Hunger auf Frischfleisch, das ist alles.« Und erneut lachte er - ein Lachen, dessen Klang Wynter zittern machte und ihr die Kehle zuschnürte.
Allein auf Reisen
Nach einer Weile begann Ozkar zu stolpern, doch Wynter trieb ihn gnadenlos weiter und weiter. Sie hatte jeden Sinn für Vorsicht und Besonnenheit verloren und drängte voran durch Hitze und Staub, achtete kaum auf die Richtung, wollte nur fort.
Ihr Vater hatte sie gelehrt, wie man allein reiste, und bis zu diesem Moment war Wynter seinen Ratschlägen gewissenhaft gefolgt; sie war beherrscht gewesen, umsichtig, hatte alles bedacht. Jetzt aber, von blinder Furcht getrieben, fl oh sie durch die glühende Mittagshitze, und das Einzige, woran sie denken konnte, waren die fiebrigen Augen dieses Mannes und die Angst, dass sie sie eines Tages wieder ansehen könnten.
Alles, was Lorcan sie je über Selbstverteidigung gelehrt hatte, kreiste zusammenhanglos in ihrem Kopf. Die Daumen fest in die Augen des Angreifers. Das Knie oder die Faust in die Weichteile, den Stiefelabsatz auf seinen Fußrist. Seine ganzen ausführlichen Anweisungen für den Fall, dass sie einmal von einem Mann angegriffen werden sollte, spulten sich endlos in ihrem Geist ab. Dreh ihm auf keinen Fall den Rücken zu, solange er sich noch rühren kann. Wenn er bewegungsunfähig ist, lauf wie der Teufel zur nächsten Ansiedlung. Wenn du allein bist und weit und breit auf keine Menschenseele zu hoffen ist, dann bring ihn an Ort und Stelle um. Tritt auf seinen Schädel ein. Stich ihm die Augen aus. Schlitz ihm die Kehle oder die Leistenbeuge auf. Wynter hatte sie so viele Male gehört - Lorcans unerbittliche Liste von Maßnahmen, um ihr eigenes Leben zu retten und ihre Feinde zu überwältigen oder zu töten. Und eines, das Wichtigste, hatte er ihr wieder und wieder eingeschärft: Furcht lähmt dich, mein Liebling. Furcht tötet dich. Du darfst die Furcht nicht zulassen. Wenn das geschieht, hast du den Kampf verloren.
Tja, es gab keinen Zweifel daran, dass sie den Kampf unten am Bach verloren hatte. Als dieser Mann sie über das glitzernde Wasser hinweg angesehen hatte, hatte Wynter gebibbert wie ein in die Ecke getriebener Hase, und in ihrem Inneren hatte es nur mehr Schrecken gegeben. Die Furcht hatte gewonnen. Dieser Mann hatte gewonnen. Hätte er sofort zugeschlagen, hätte Wynter ihm nichts entgegenzusetzen gehabt. Er und sein Kumpan hätten sie so leicht bezwingen können, wie man Beeren von einem Strauch pfl ückt.
Erneut strauchelte Ozkar, und Wynter trat ihm zornig in die Flanken. Sie würde immer weiterreiten, würde niemals mehr anhalten. Die Vorstellung, jetzt stehen zu bleiben, irgendwo in der Nähe dieses Mannes, die bloße Möglichkeit, er könnte sie finden, erfüllte Wynter mit Grauen.
Ganz unvermittelt stieg die Erinnerung an Christopher in ihr auf, klar und deutlich und unerwartet; seine lächelnden Augen und sein Grinsen, seine verwegene Tapferkeit. Christopher!, dachte sie mit aufrichtigem Kummer. Christopher!
Wie konnte sie ihn nur so vermissen, obwohl sie ihn doch kaum kannte? Aber so war es. Sie vermisste ihn und bewunderte ihn, sowohl für seinen Mut als auch für sein Lachen, ungeachtet all dessen, was man ihm genommen hatte. Nicht wie du!, dachte sie bitter. Dir wurde noch nie etwas genommen!
Nichts wurde dir angetan außer einem Blick in deine Richtung. Und du lässt dich davon vernichten! Du armseliger Feigling! Du wehleidiges Kleinkind!
Mit einer abfälligen Grimasse lehnte sich Wynter im Sattel zurück und zog an den Zügeln. Erleichtert kam Ozkar zum Stehen und keuchte mit hängendem Kopf. Die Hitze war drückend, und Wynter zog die Schultern ein und horchte auf Verfolger. Doch abgesehen vom unablässigen Zirpen der Insekten war der Wald vollkommen still.
Tief atmend richtete sich Wynter wieder auf und presste die Hand auf die Brust, um ihren Herzschlag zur Ruhe zu zwingen. Razis Brief wisperte unter ihrer Handfl äche. Das Zunftmedaillon kam still auf ihrer Brust zu liegen. Der Wald um sie herum schlummerte friedlich.
Sie lachte. Also gut, dachte sie noch etwas zittrig. Also gut. Das wäre vorbei.
Ohne noch mehr Zeit zu vergeuden, wendete Wynter Ozkar und trieb ihn den Hang hinauf. Sie ließ sich von ihm weit zwischen die hohen Bäume tragen und wählte dort rasch einen Platz, glitt aus dem Sattel und schlug ihr Lager auf.
Innerhalb einer halben Stunde war Ozkar gefüttert und getränkt, abgerieben und festgebunden und döste, zufrieden an einen Baumstamm gelehnt. Müde kroch Wynter in ihr einfaches Zelt. Sie lag mit dem Kopf auf dem Sattel, blickte hinauf gegen die helle, schlammbespritzte Leinwand und versuchte, an nichts als das gemächliche Summen des Waldes zu denken. Dann sprach sie ein Gebet für Lorcan, eines für Razi und aus tiefstem Herzen eines für Christopher, wo auch immer er sein mochte. Der Schlaf übermannte sie ganz plötzlich - ein dunkler Abgrund, der sich geräuschlos und riesengroß auftat und sie ohne Vorwarnung hinabzog.
Donner dröhnte im Himmel über den Baumwipfeln. Wynter schrak auf und wusste im ersten Moment nicht, wo sie war. Sie lag auf dem Rücken unter der Leinwand. Es war fast dunkel, sie musste stundenlang geschlafen haben. Die Luft war schwer vor Gewitterhitze, der winzige Unterschlupf dunstig und zu eng, und Wynter war froh, eine Seite offen gelassen zu haben. Blinzelnd sah sie hinaus auf die Lichtung, wartete darauf, dass sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnten.
Dort im Wald stand Lorcan und suchte besorgt die dunkle Umgebung ab. »Horch«, sagte er.
Bei seinem im Zwielicht flimmernden Anblick musste Wynter schlucken. »Vater«, flüsterte sie, »ich habe Angst.«
Lorcan machte ein missbilligendes Geräusch und schüttelte den Kopf. »Darauf habe ich dich vorbereitet, so gut ich konnte«, sagte er bestimmt. »Du bist jetzt auf dich selbst gestellt, meine Kleine.« Er richtete seinen düsteren Blick in die Finsternis. »Da draußen sind Wölfe. Sie kommen.«
»Vater«, bettelte Wynter, doch Lorcan war bereits entschwunden, sein weißes Hemd nur mehr ein blasser Fleck in der herabsinkenden Nachtschwärze. Als er sich noch einmal zu ihr umdrehte und einen Finger auf die Lippen legte, waren seine Züge verschwommen.
Da erhellte ein Blitz die Umrisse der Bäume durch die Leinwand ihres Zelts. Wynter schrie auf, und während über ihr der Donner grollte, wurde sie endlich vollständig wach. Ozkar wieherte unruhig, sie hörte ihn aufstampfen und ängstlich trippelnd an seinem Strick zerren. Heftig riss Wynter den Kopf herum, als sich in dem noch nicht ganz fi nsteren Wald etwas bewegte.
Er stand genau in dem offenen Kreis zwischen den Bäumen, keine fünfzehn Fuß von ihr entfernt. Seitlich zu ihr gerichtet, hielt der Räuber einen dicken Stock in der Hand und beobachtete sie durch die offene Seite ihres Unterschlupfs. Er musste ihre Augen in der Dämmerung aufl euchten gesehen haben, denn nun umschloss er den Stock fester und grinste sie an, seine Zähne schimmerten im Halbdunkel.
»Keine Angst«, sagte er leise. »Bin bloß ich ... du hast mir ja eine hübsche Spur hinterlassen. Sehr aufmerksam von dir.«
Mucksmäuschenstill blieb Wynter liegen und sah zu, wie er sich über die Lichtung schlich, den Stock zur Seite gestreckt. Erneut flackerte ein Blitz auf, so dass sie das Messer in seiner anderen Hand erkennen konnte. Kurz war Wynter geblendet, doch dann konnte sie wieder sehen: Der Mann stand neben ihrem Zelt und blickte auf sie herab. Das Grinsen war verschwunden, seine Miene jetzt argwöhnisch.
»Also«, sagte er. »Ich werde dir nicht wehtun. Kapiert?« Er ging auf die Knie, den Stock immer noch erhoben, das Messer vor sich. Er ließ Wynter nicht aus den Augen, den Kopf hielt er leicht nach hinten geneigt. Seine Stimme war leise, als spräche er mit einem zähnefletschenden Hund. »Wenn du mir gibst, was ich will, dann tu ich dir nicht weh. Einverstanden? «
Wynter gab keinen Laut von sich und rührte sich nicht.
Immer noch kniete der Mann dort und versuchte, ihre Absichten einzuschätzen. Dann ließ er den Blick an ihrem Körper herabwandern, auf den Brüsten verweilen, zwischen ihre Beine sinken und wieder zu ihren Brüsten klettern. Seine Lider wurden schwer, die Lippen teilten sich. Wieder sah er Wynter in die Augen und zeigte ihr das Messer.
Und dann bückte er sich ins Zelt.
Aus dem Englischen von Astrid Finke
Copyright © 2010 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Sie kamen beängstigend nahe - der Drang, den Kopf zu heben und einen Blick zu wagen, war beinahe unwiderstehlich. Doch schon eine einzige unbedachte Bewegung konnte sie verraten, also hielt sie die Augen fest geschlossen und rührte sich nicht. Langsam zogen die Fremden an ihr vorbei und lenkten ihre Pferde eine steile Böschung hinab außer Sicht.
Leise ließ Wynter Ozkar zur Seite treten, damit sie ihren Abstieg zur Straße beobachten konnte.
Die Köpfe der Männer befanden sich bereits weit unter ihr und wechselten gerade aus dem Schatten in den unbarmherzigen Sonnenschein. Auf der Straße angekommen, zügelten sie ihre Pferde und sahen erwartungsvoll in den gegenüberliegenden Wald. Wynter folgte ihrem Blick und kauerte sich unwillkürlich wieder zusammen, als sie vier weitere Reiter auf dem Abhang entdeckte. Sobald die Neuankömmlinge die Straße erreicht hatten, nahmen die beiden ersten Männer die dunklen Hüte ab und enthüllten ihre Gesichter: Es waren Comberer - ihre mit Harz eingeriebenen Haare und Bärte glitzerten in der Sonne. Misstrauisch blinzelten sie die vier von der anderen Seite an, und einer rief auf Südlandisch, der in Jonathons Königreich gesprochenen Sprache: »So weit?«
Die Neuankömmlinge entgegneten: »Und noch nicht angekommen? «
Allgemeine Erleichterung machte sich breit, und Wynter prägte sich diese Losung und die vorausgegangenen Pfi ffe ins Gedächtnis ein.
Nun fragte der kleinere der Comberer: »Ich nehme an, dass wir dieselbe Richtung haben?«
»Möglich ist alles«, gab einer der vier fremden Reiter ausweichend zurück. Dann entledigten sie sich ihrer Kopfbedeckungen, und Wynter überlief ein ängstlicher Schauer. Sie waren Haunardier! Krieger, der Unmenge schimmernder Waffen nach zu urteilen. Lautlos lehnte sie sich in ihrem Sattel vor, um besser sehen zu können. Noch nie war Wynter Haunardiern in Fleisch und Blut begegnet, doch ihre Wildheit und Verschlagenheit waren berüchtigt. Die schmalen, leicht schräg gestellten Augen waren schwarz wie die Nacht, und sie betrachteten die Comberer verächtlich, die honigfarbenen Mienen erfüllt von spöttischer Geringschätzung.
»Diese Männer hier möchten Euch in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, dass Ihr nicht allzu geschickt darin seid, Euch zu verbergen«, höhnte der Jüngste der vier. »Welcher Narr hat solch ein Verlangen nach einer Pfeife Tabaks?«
Die Comberer warfen einander einen kurzen Blick zu, dann schob sich der Größere allmählich wieder dichter an die Bäume heran, die Pfeife fest zwischen die Zähne geklemmt. »Bleibt Ihr einfach auf Eurer Straßenseite, dann braucht mein Rauch Euch nicht zu bekümmern«, erklärte er bestimmt.
Die Haunardier wirkten belustigt. Sie grinsten einander an und lenkten ihre Pferde gemächlich rückwärts zum Straßenrand.
Für Wynter war es eindeutig, dass diese Männer - wie sie selbst - im Geheimen unterwegs waren und zugunsten der Deckung des dichten Waldes auf die Bequemlichkeit der Straße verzichteten. Es kam ihr vor, als hätten die Haunardier die anderen nur angerufen, um sich über ihren Leichtsinn lustig zu machen.
Lachend sagte der Jüngste noch: »Wir hoffen inständig, dass es nicht Eure Listigkeit ist, die Ihr an der Tafel des Rebellenprinzen andienen wollt.«
Der Rebellenprinz?, dachte Wynter. Alberon! Ungläubig starrte sie die Männer unten auf der Straße an. Dann versammelst du also Verbündete um deine Tafel. Aber Gütiger, Alberon! Erst Comberer und nun Haunardier? Hast du den Verstand verloren?
Unten stichelte der junge Haunardier weiter, seine hämische Stimme wehte zu Wynter herauf. »Wir möchten in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, dass Ihr ebenso gut grölend mitten auf der Straße tanzen könntet, so unauffällig, wie Ihr Euch dort oben im Wald gebärdet habt.«
»Was Ihr nicht sagt«, knurrte der kleinere Comberer. »Und Euer feinfühliges Geschick als Unterhändler wird für den künftigen König von unschätzbarem Wert sein, wage ich zu behaupten. Schlaft wohl in den kommenden zwölf Nächten, Ihr Haun, und seid gewiss, wir werden dann Euch im Feldlager treffen.«
Noch im Sprechen begannen die Comberer, wieder bergan zu steigen, und Wynter trieb Ozkar leise zurück ins Zwielicht, während sie den zwischen den Zähnen hervorgestoßenen Abschiedsworten lauschte. Die Comberer machten sich durch die Bäume davon, Pfeifenrauch und unterdrücktes Murmeln wehte hinter ihnen her. Die Haunardier mussten wohl den gegenüberliegenden Abhang erklommen haben und dort mit dem Wald verschmolzen sein.
Wynter blieb, wo sie war, tief in Gedanken versunken. Unter ihr döste Ozkar wieder ein.
War es möglich, dass der König recht gehabt hatte? War es tatsächlich Alberons Absicht, die Krone zu stürzen? Bei der Vorstellung, dass Alberon ein Bündnis mit den Haunardiern oder auch mit den Comberern eingegangen sein könnte, lief es Wynter eiskalt den Rücken hinunter. Hatte er sich wahrhaftig gegen seinen Vater gestellt, mit gierigen Eroberern zur einen Seite und frömmlerischen Eiferern zur anderen? Was sollte dann aus dem Königreich werden, und welchen Empfang hatte Wynter von ihrem alten Freund zu erwarten, falls er sich wirklich seinem Vater entgegenzustemmen versuchte?
Den Blick in den Wald gerichtet, dachte sie an die Haun und die Comberer und an alles, wofür sie standen. Wenn es hart auf hart käme und sie zwischen ihnen und König Jonathon abwägen müsste - Alberon hin oder her -, dann gab es für Wynter keinen Zweifel, für wen sie sich entscheiden würde. Sie schüttelte den Kopf und sah sich hilfl os um. Über so etwas wollte sie jetzt nicht nachdenken. Urplötzlich wollte die Verzweiflung sie übermannen, und sie richtete sich kerzengerade auf, um sich innerlich dagegen zu stählen.
Schluss jetzt, ermahnte sie sich streng. Es hat keinen Zweck, sich Sorgen zu machen, bevor ich Alberon nicht gefunden und die Wahrheit herausbekommen habe. Dann sehen wir weiter, und die ganze Sache wird mit Leichtigkeit aufgeklärt werden. Grimmig entschlossen schob sie das Kinn vor. Sie hatten ihren Vater für diese Unternehmung geopfert, sie setzte ihr eigenes Leben aufs Spiel, und sie würde nicht scheitern.
Der Wald lag nun wieder still und dem Anschein nach menschenleer, also wagte sich Wynter endlich aus ihrem Versteck und rutschte von Ozkars Rücken. Müde lehnte sie sich einen Augenblick lang an seinen Hals. Sie und Ozkar waren kurz vor Morgengrauen aufgebrochen und hatten beide eine Rast dringend nötig. Am sichersten wären sie weiter hügelan, doch zuerst musste Wynter ihren Wasservorrat auffrischen. Sie beschloss, die Wasserschläuche im Fluss neben der Straße zu füllen, obwohl es riskant war. Gott allein mochte wissen, wann sie wieder Gelegenheit dazu bekäme.
Als sie die Schnüre löste, schnüffelte Ozkar an ihr und knabberte auf der Suche nach Futter an ihrem Hemd. Erschöpft und ungeduldig schob Wynter seinen Kopf beiseite. Morgens und abends bekam er jeweils einen Laib Pferdebrot, und das war mehr als ausreichend, selbst bei ihrem zügigen Marsch. Von ihr aus hätte er gern mehr haben können - sogar alles, denn nach fünf Tagen hingen ihr Pferdebrot, Käse und getrocknete Wurst weidlich zum Halse heraus. Selbst eingeweicht war das derbe Backwerk eine Zumutung für die Zähne und Folter für die Gedärme.
Was würde ich nicht für einen Teller Leber mit Zwiebeln geben, dachte sie, während sie die Wasserschläuche um beide Arme schlang und sich auf Hände und Knie niederließ. Oder, großer Gott, einen Becher Erdbeertrank ... oder Apfelkuchen mit dickem Rahm. Vorsichtig glitt sie bäuchlings den Hang hinab. Ohren und Augen waren wachsam auf die Umgebung gerichtet, Herz und Magen träumten vom Essen.
Sie erreichte den Rand des Dickichts und spähte auf den flachen kleinen Bach hinunter, der sich blubbernd seinen Weg durch das tiefe Bett bahnte. Wynter wusste, dass sie nur ein unauffällig dunkler Fleck im Wechselspiel der Schatten war, solange ihr Gesicht verhüllt blieb. Aber sie verzichtete dennoch auf jede unnötige Bewegung, streckte vorsichtig die Arme aus und tauchte den ersten Schlauch ins Wasser. Langsam füllte er sich, und Wynter legte die Wange auf die Böschung, um die Straße im Auge zu behalten.
Der erste Sack war voll und Wynter im Begriff, den zweiten in den Bach zu halten, da vernahm sie Hufe durch das Gras in ihre Richtung stapfen. Hastig riss sie die Hand zurück und drückte sich flach auf den Boden, als das Pferd vorbeigaloppierte.
Es war ein Händler, dem Erscheinungsbild nach von mittlerem Einkommen, der ein voll beladenes Packmuli hinter sich herzog. Für die sperrige Last des Tiers ritt er viel zu schnell, und immer wieder drehte er sich um, Schrecken im Gesicht. Sorgenvoll blickte Wynter ihm nach und fragte sich, was zum Henker er wohl erwartet hatte, wenn er ganz allein auf dieser Straße reiste. Er hatte nicht einmal genug Umsicht gezeigt, sein kostbares Sattelzeug oder die edle Kleidung zu verstecken.
Zwei Verfolger waren ihm auf den Fersen; sie ritten sehr schnell und tief in die Sättel gebeugt. Rasch hatten sie ihre Beute eingeholt, nahmen das Packmuli in ihre Mitte wie Wölfe und schlossen zu dem Fliehenden auf. Im wilden Galopp holte der linke Räuber mit einem Stock weit aus und riss den Händler mit einem Hieb gegen den Kopf vom Pferd.
Der helle Hut des Getroffenen flog hoch durch die Luft und rollte vor Wynter in den Graben. Der Mann selbst stürzte zwischen die Pferde und wurde im Staub zurückgelassen, während die Räuber weiterrasten, um seine Tiere einzufangen.
Wynter konnte den Blick nicht von dem Händler abwenden, der rücklings auf der Straße lag. Er war völlig benommen, das Gesicht von Schmutz bedeckt, und unter seinem Kopf sammelte sich ein dünnes Rinnsal Blut zu einer Lache. Sie hörte, wie die Wegelagerer sein Pferd und das Muli erhaschten und umkehrten, und sie wusste genau, welches Schicksal dem armen Mann nun blühte. Geräuschlos zog sie das Kinn ein und ballte die Hände zu Fäusten, als die Wegelagerer wieder in Sicht kamen.
Einer von ihnen, der mit dem Stock, sprang behände aus dem Sattel und trabte auf den Händler zu. Wynter sah den auf dem Boden Liegenden eine behandschuhte Hand gen Himmel heben, sein Blick war fragend. Ganz offensichtlich begriff er nicht, was ihm geschehen war. Der Räuber hob den Stock hoch über den Kopf, und als er ihn auf das Gesicht des Händlers herabsausen ließ, kniff Wynter fest die Augen zusammen.
Danach folgten nicht mehr viele Schläge. Wynter blieb ganz still liegen, das Gesicht in die Hände vergraben, während die Diebe den Leichnam entkleideten. Angeregt plaudernd erledigten sie ihre Arbeit, sie schienen einander gut zu kennen und ihrem Beruf gänzlich ungezwungen nachzugehen. Sie erwähnten ein Gasthaus und eine Jenny und fragten sich, welchen von ihnen sie wohl lieber mochte. Sie überschlugen, wie viel ihnen ihr Fang einbringen würde, und kamen zu dem Schluss, dass es nicht wenig wäre. Vielleicht so viel, dass Jenny sie sogar beide gleichzeitig mögen würde, wenn sie es schlau anstellten. Dazu lachten sie reichlich und gut gelaunt, und Wynter musste sich die Finger fest gegen die Schläfen pressen und auf die Lippe beißen.
Endlich entfernten sich ihre Stimmen in Richtung Pferde, und Wynter wagte es, den Kopf zu drehen und den Händler anzusehen.
Die Räuber hatten ihn an den Straßenrand geschleppt und ordentlich am Fuße eines Baums abgelegt, als wollten sie höflich den Weg nicht blockieren. Mit dem Rücken zu ihr lag er zusammengekrümmt auf der Seite, und nachdem sie erst hingesehen hatte, konnte Wynter unmöglich den Blick wieder von ihm lösen. Das war vielleicht jemandes Vater, jemandes Sohn. Bis vor wenigen Augenblicken war er am Leben gewesen, hatte geatmet, Gedanken und Pläne gehabt. Und nun war er nichts als Fleisch, achtlos beiseitegeworfen und zurückgelassen als Aas für die Dachse und Füchse, und seine Familie würde nie erfahren, was ihm zugestoßen war.
Das könnte ich sein, dachte Wynter, von jetzt auf gleich getötet und ausgelöscht.
Plötzlich tauchte der Räuber mit dem Stock wieder auf. Er lief zum Straßenrand, kniete sich hin und beugte sich von der anderen Seite aus in das Flussbett, den Arm weit ausgestreckt, um etwas tief in den Brombeerbüschen zu erreichen. Dann hockte er sich grinsend zurück und hielt den Hut des Händlers hoch.
Wynter hätte den Kopf senken sollen, doch sie war so von Hass erfüllt, dass sie den Strauchdieb einfach nur anstarrte, während er den Staub aus dem Hut seines Opfers klopfte.
Schon wollte er aufstehen, als er den Blick hob und sie im Dickicht der Brombeerzweige entdeckte. Wynter sah ihn unter seiner Hutkrempe blinzeln und die Stirn runzeln, und als er langsam auf die Füße kam und mit fragender Miene angestrengt ins Zwielicht starrte, wurde sie von eiskalter Furcht ergriffen.
»Was ist denn?«, fragte der andere Räuber, der bereits im Sattel saß und losreiten wollte.
Der Mann mit dem Stock antwortete nicht, ging nur wortlos vor Wynters Versteck in die Hocke und blickte ihr über die tanzende Helligkeit des Wassers hinweg geradewegs in die Augen.
Alles, was Wynter jemals gelernt hatte, alles, was man in einer solchen Lage tun sollte, war wie weggeblasen. Zu ihrem eigenen Entsetzen blieb sie einfach liegen, erstarrt und hilflos, während der Mann sie in aller Ruhe von oben bis unten musterte.
Seine Augen wanderten über ihren Körper, und sie sah, dass er ihre Rundungen und Wölbungen zur Kenntnis nahm, ihre eindeutig weibliche Gestalt. Als er den Blick wieder hob und ihrem begegnete, war er berechnend und brennend. Er entblößte die Zähne, und die Gier in seinem Grinsen jagte Wynter lähmende, grauenhafte Furcht durch den Bauch.
»Heda! Tosh!«, rief sein Kumpan. »Was treibst du da?« Inzwischen hatte er sein Pferd gewendet, und Wynter hörte ihn herantrotten.
Da stand der Mann auf und bedeutete ihm, nicht näher zu kommen. »Nichts«, gab er zurück und schlenderte zu seinem Pferd zurück. »Nur ein Dachsbau. Ich dachte, da würde ein Mensch liegen. Hab wohl zu viel Sonne abgekriegt.«
Wynter fühlte gleichzeitig ungeheure Erleichterung und überwältigende Übelkeit. Sie presste sich die Hand vor den Mund, überzeugt, sich übergeben zu müssen. Als der Räuber wieder aufstieg, hörte sie ihn sagen: »Hör mal, Peter, wenn wir mit dem stummen Murk einen Preis ausgehandelt haben, kannst du Jenny heute Nacht für dich allein haben. Ich hab was vor.«
»Was vor?«, rief sein Freund ungläubig. »Anstatt Jenny ... Was hast du denn vor?«
»Ach, nichts Besonderes. Hab nur Lust, bisschen auf die Jagd zu gehen.«
»Auf die Jagd?«, wiederholte der andere völlig verwirrt. »Statt Jenny? Tosh, ich will mich ja weiß Gott nicht beklagen, aber bist du irre?«
Der Räuber gluckste fröhlich. Nun trabten die beiden langsam von dannen, doch noch ehe sie außer Hörweite kamen, hörte Wynter seine Erwiderung.
»Nee, ich bin nicht irre«, sagte er umgänglich. »Ich hab bloß ganz plötzlich so einen Hunger auf Frischfleisch, das ist alles.« Und erneut lachte er - ein Lachen, dessen Klang Wynter zittern machte und ihr die Kehle zuschnürte.
Allein auf Reisen
Nach einer Weile begann Ozkar zu stolpern, doch Wynter trieb ihn gnadenlos weiter und weiter. Sie hatte jeden Sinn für Vorsicht und Besonnenheit verloren und drängte voran durch Hitze und Staub, achtete kaum auf die Richtung, wollte nur fort.
Ihr Vater hatte sie gelehrt, wie man allein reiste, und bis zu diesem Moment war Wynter seinen Ratschlägen gewissenhaft gefolgt; sie war beherrscht gewesen, umsichtig, hatte alles bedacht. Jetzt aber, von blinder Furcht getrieben, fl oh sie durch die glühende Mittagshitze, und das Einzige, woran sie denken konnte, waren die fiebrigen Augen dieses Mannes und die Angst, dass sie sie eines Tages wieder ansehen könnten.
Alles, was Lorcan sie je über Selbstverteidigung gelehrt hatte, kreiste zusammenhanglos in ihrem Kopf. Die Daumen fest in die Augen des Angreifers. Das Knie oder die Faust in die Weichteile, den Stiefelabsatz auf seinen Fußrist. Seine ganzen ausführlichen Anweisungen für den Fall, dass sie einmal von einem Mann angegriffen werden sollte, spulten sich endlos in ihrem Geist ab. Dreh ihm auf keinen Fall den Rücken zu, solange er sich noch rühren kann. Wenn er bewegungsunfähig ist, lauf wie der Teufel zur nächsten Ansiedlung. Wenn du allein bist und weit und breit auf keine Menschenseele zu hoffen ist, dann bring ihn an Ort und Stelle um. Tritt auf seinen Schädel ein. Stich ihm die Augen aus. Schlitz ihm die Kehle oder die Leistenbeuge auf. Wynter hatte sie so viele Male gehört - Lorcans unerbittliche Liste von Maßnahmen, um ihr eigenes Leben zu retten und ihre Feinde zu überwältigen oder zu töten. Und eines, das Wichtigste, hatte er ihr wieder und wieder eingeschärft: Furcht lähmt dich, mein Liebling. Furcht tötet dich. Du darfst die Furcht nicht zulassen. Wenn das geschieht, hast du den Kampf verloren.
Tja, es gab keinen Zweifel daran, dass sie den Kampf unten am Bach verloren hatte. Als dieser Mann sie über das glitzernde Wasser hinweg angesehen hatte, hatte Wynter gebibbert wie ein in die Ecke getriebener Hase, und in ihrem Inneren hatte es nur mehr Schrecken gegeben. Die Furcht hatte gewonnen. Dieser Mann hatte gewonnen. Hätte er sofort zugeschlagen, hätte Wynter ihm nichts entgegenzusetzen gehabt. Er und sein Kumpan hätten sie so leicht bezwingen können, wie man Beeren von einem Strauch pfl ückt.
Erneut strauchelte Ozkar, und Wynter trat ihm zornig in die Flanken. Sie würde immer weiterreiten, würde niemals mehr anhalten. Die Vorstellung, jetzt stehen zu bleiben, irgendwo in der Nähe dieses Mannes, die bloße Möglichkeit, er könnte sie finden, erfüllte Wynter mit Grauen.
Ganz unvermittelt stieg die Erinnerung an Christopher in ihr auf, klar und deutlich und unerwartet; seine lächelnden Augen und sein Grinsen, seine verwegene Tapferkeit. Christopher!, dachte sie mit aufrichtigem Kummer. Christopher!
Wie konnte sie ihn nur so vermissen, obwohl sie ihn doch kaum kannte? Aber so war es. Sie vermisste ihn und bewunderte ihn, sowohl für seinen Mut als auch für sein Lachen, ungeachtet all dessen, was man ihm genommen hatte. Nicht wie du!, dachte sie bitter. Dir wurde noch nie etwas genommen!
Nichts wurde dir angetan außer einem Blick in deine Richtung. Und du lässt dich davon vernichten! Du armseliger Feigling! Du wehleidiges Kleinkind!
Mit einer abfälligen Grimasse lehnte sich Wynter im Sattel zurück und zog an den Zügeln. Erleichtert kam Ozkar zum Stehen und keuchte mit hängendem Kopf. Die Hitze war drückend, und Wynter zog die Schultern ein und horchte auf Verfolger. Doch abgesehen vom unablässigen Zirpen der Insekten war der Wald vollkommen still.
Tief atmend richtete sich Wynter wieder auf und presste die Hand auf die Brust, um ihren Herzschlag zur Ruhe zu zwingen. Razis Brief wisperte unter ihrer Handfl äche. Das Zunftmedaillon kam still auf ihrer Brust zu liegen. Der Wald um sie herum schlummerte friedlich.
Sie lachte. Also gut, dachte sie noch etwas zittrig. Also gut. Das wäre vorbei.
Ohne noch mehr Zeit zu vergeuden, wendete Wynter Ozkar und trieb ihn den Hang hinauf. Sie ließ sich von ihm weit zwischen die hohen Bäume tragen und wählte dort rasch einen Platz, glitt aus dem Sattel und schlug ihr Lager auf.
Innerhalb einer halben Stunde war Ozkar gefüttert und getränkt, abgerieben und festgebunden und döste, zufrieden an einen Baumstamm gelehnt. Müde kroch Wynter in ihr einfaches Zelt. Sie lag mit dem Kopf auf dem Sattel, blickte hinauf gegen die helle, schlammbespritzte Leinwand und versuchte, an nichts als das gemächliche Summen des Waldes zu denken. Dann sprach sie ein Gebet für Lorcan, eines für Razi und aus tiefstem Herzen eines für Christopher, wo auch immer er sein mochte. Der Schlaf übermannte sie ganz plötzlich - ein dunkler Abgrund, der sich geräuschlos und riesengroß auftat und sie ohne Vorwarnung hinabzog.
Donner dröhnte im Himmel über den Baumwipfeln. Wynter schrak auf und wusste im ersten Moment nicht, wo sie war. Sie lag auf dem Rücken unter der Leinwand. Es war fast dunkel, sie musste stundenlang geschlafen haben. Die Luft war schwer vor Gewitterhitze, der winzige Unterschlupf dunstig und zu eng, und Wynter war froh, eine Seite offen gelassen zu haben. Blinzelnd sah sie hinaus auf die Lichtung, wartete darauf, dass sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnten.
Dort im Wald stand Lorcan und suchte besorgt die dunkle Umgebung ab. »Horch«, sagte er.
Bei seinem im Zwielicht flimmernden Anblick musste Wynter schlucken. »Vater«, flüsterte sie, »ich habe Angst.«
Lorcan machte ein missbilligendes Geräusch und schüttelte den Kopf. »Darauf habe ich dich vorbereitet, so gut ich konnte«, sagte er bestimmt. »Du bist jetzt auf dich selbst gestellt, meine Kleine.« Er richtete seinen düsteren Blick in die Finsternis. »Da draußen sind Wölfe. Sie kommen.«
»Vater«, bettelte Wynter, doch Lorcan war bereits entschwunden, sein weißes Hemd nur mehr ein blasser Fleck in der herabsinkenden Nachtschwärze. Als er sich noch einmal zu ihr umdrehte und einen Finger auf die Lippen legte, waren seine Züge verschwommen.
Da erhellte ein Blitz die Umrisse der Bäume durch die Leinwand ihres Zelts. Wynter schrie auf, und während über ihr der Donner grollte, wurde sie endlich vollständig wach. Ozkar wieherte unruhig, sie hörte ihn aufstampfen und ängstlich trippelnd an seinem Strick zerren. Heftig riss Wynter den Kopf herum, als sich in dem noch nicht ganz fi nsteren Wald etwas bewegte.
Er stand genau in dem offenen Kreis zwischen den Bäumen, keine fünfzehn Fuß von ihr entfernt. Seitlich zu ihr gerichtet, hielt der Räuber einen dicken Stock in der Hand und beobachtete sie durch die offene Seite ihres Unterschlupfs. Er musste ihre Augen in der Dämmerung aufl euchten gesehen haben, denn nun umschloss er den Stock fester und grinste sie an, seine Zähne schimmerten im Halbdunkel.
»Keine Angst«, sagte er leise. »Bin bloß ich ... du hast mir ja eine hübsche Spur hinterlassen. Sehr aufmerksam von dir.«
Mucksmäuschenstill blieb Wynter liegen und sah zu, wie er sich über die Lichtung schlich, den Stock zur Seite gestreckt. Erneut flackerte ein Blitz auf, so dass sie das Messer in seiner anderen Hand erkennen konnte. Kurz war Wynter geblendet, doch dann konnte sie wieder sehen: Der Mann stand neben ihrem Zelt und blickte auf sie herab. Das Grinsen war verschwunden, seine Miene jetzt argwöhnisch.
»Also«, sagte er. »Ich werde dir nicht wehtun. Kapiert?« Er ging auf die Knie, den Stock immer noch erhoben, das Messer vor sich. Er ließ Wynter nicht aus den Augen, den Kopf hielt er leicht nach hinten geneigt. Seine Stimme war leise, als spräche er mit einem zähnefletschenden Hund. »Wenn du mir gibst, was ich will, dann tu ich dir nicht weh. Einverstanden? «
Wynter gab keinen Laut von sich und rührte sich nicht.
Immer noch kniete der Mann dort und versuchte, ihre Absichten einzuschätzen. Dann ließ er den Blick an ihrem Körper herabwandern, auf den Brüsten verweilen, zwischen ihre Beine sinken und wieder zu ihren Brüsten klettern. Seine Lider wurden schwer, die Lippen teilten sich. Wieder sah er Wynter in die Augen und zeigte ihr das Messer.
Und dann bückte er sich ins Zelt.
Aus dem Englischen von Astrid Finke
Copyright © 2010 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Autoren-Porträt von Celine Kiernan
Celine Kiernan, geboren und aufgewachsen in Dublin, hat lange Jahre in der Filmbranche gearbeitet, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Sie lebt mit ihrer Familie im County Cavan nördlich von Dublin.
Bibliographische Angaben
- Autor: Celine Kiernan
- 2010, 541 Seiten, Maße: 14 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Aus d. Engl. v. Finke, Astrid
- Übersetzer: Astrid Finke
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 345326634X
- ISBN-13: 9783453266346
Rezension zu „Geisterpfade “
"Eine faszinierende Weltenschöpfung aus Fantasy und Historie. Höchst spannend!"
Kommentare zu "Geisterpfade"
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