Gezeiten der Liebe
Die Liebe kann alles heilen, selbst die Schmerzen der Vergangenheit. Das Leben des schweigsamen Naturmenschen Ethan Quinn verläuft in geregelten Bahnen - doch seine unerfüllte Liebe zu Grace Monroe lässt ihn nicht zur Ruhe kommen.
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Die Liebe kann alles heilen, selbst die Schmerzen der Vergangenheit. Das Leben des schweigsamen Naturmenschen Ethan Quinn verläuft in geregelten Bahnen - doch seine unerfüllte Liebe zu Grace Monroe lässt ihn nicht zur Ruhe kommen.
Gezeiten der Liebe von Nora Roberts
LESEPROBE
»'n paar prächtigeButterkrebse haben wir uns da an Land gezogen, Capt'n.« Jim Bodine pulte die Krebse ausder Falle und warf die ansehnlichsten Exemplare in den Wassertank. Dieklappernden Scheren schreckten ihn nicht die Narben an seinen breiten Händenwaren der beste Beweis dafür. Er trug zwar die traditionellen Handschuhe derFischer, die sich jedoch - wie einem jeder, der sich auskannte, bestätigenkonnte - i Nu abnutzten. Und hatten sie erst irgendwo ein Loch, schnappten dieKrebse todsicher zu.
Er arbeitete ingleichmäßigem Rhythmus, stand breitbeinig da, um auf dem schaukelnden Boot dasGleichgewicht zu halten, und blinzelte gegen die Sonne. Sein vom Wetter und vomLeben gegerbtes Gesicht machte es einem schwer, sein wahres Alter zu schätzen.Man konnte auf fünfzig oder auch auf achtzig Jahre tippen; Jim war es ohnehinherzlich egal, was andere Leute über ihn dachten.
Meist gab er sichreserviert und wortkarg, was Ethan, den >Capt'n<,jedoch nicht im geringsten störte.
Ethan nahm jetzt Kursauf die nächste Falle. Die Ruderpinne, die auf seinem Boot wie bei den meistender Fischer das Steuerrad ersetzte, hielt er mit der rechten Hand. Mit derLinken bediente er Gashebel und Gangschaltung. Auf der Fahrt längs der Leinemit den Fallenmußten ständig kleinereRichtungskorrekturen vorgenommen werden.
Die ChesapeakeBay zeigte fast jeden Tag ein anderes Gesicht. Mal gab sie sich großzügig und goß ein wahres Füllhorn an Schätzen über die Fischer aus,dann wieder machte sie ihnen das Leben schwer und ließ die Männer für magereAusbeute kräftig schwitzen.
Ethan kannte die Bucht,als wäre sie ein Teil von ihm selbst - ihre Unbeständigkeit, ihren Wankelmut.Die größte Meeresbucht des Kontinents maß von Norden nach Süden dreihundertKilometer, war vor Annapolis ganze sechs Kilometerund an der Mündung des Potomac nur fünfundvierzig Kilometer breit. St. Christopher's lag am südlichen Küstenabschnitt Marylandsund profitierte von den ergiebigen Fanggründen der Bucht, hatte jedoch auchunter ihren Launen zu leiden.
Hier bestand die Küsteaus Marschland, geädert von Binnengewässern mit steilen Ufern, die vonEukalyptus und Eichen beschattet wurden. Eine magische Welt mit Gezeitenbächenund tückischen Sandbänken, wo wilder Sellerie und Entengras wuchsen. Diese Weltmit ihrem jähen Wechsel der Jahreszeiten, plötzlich losbrechenden Gewittern undden zeitlosen, unwandelbaren Geräuschen und Gerüchen des Wassers war EthansUniversum.
Er griff nach seinemFischhaken, paßte den richtigen Zeitpunkt ab undholte mit den fließenden Bewegungen eines Tänzers die Leine der nächsten Falleein.
Wenig später tauchtedie Falle aus dem Wasser auf, verklebt mit Seetang, Resten alter Köder - undrandvoll mit Krebsen.
Als die Falle in derHalterung einrastete, fing die Sonne sich in den hellroten Zangen derausgewachsenen Blaukrabben-Weibchen und den zornfunkelndenAugen der Männchen.
»Nicht schlecht.« Mehrsagte Jim nicht, als er die Falle an Bord hievte, als wiege sie nicht etlichePfund, sondern nur einige wenige Gramm.
Es herrschte rauher Seegang, was auf einen nahenden Sturm schließen ließ.Als sie weiterfuhren, bediente Ethan die Steuerung mit den Knien. Dabei blickteer immer wieder prüfend zu den dunklen Wolken, die sich am westlichen Horizontzusammenballten.
Sie hatten noch genugZeit, um die Fallen im Herzen der Bucht abzufahren. Er wußte,daß Jim dringend Geld benötigte - und auch er nahm,was er kriegen konnte, um es in die noch junge Bootswerkstatt zu stecken, dieer mit seinen Brüdern zusammen aus der Taufe gehoben hatte.
Ja, die Zeit reichtgerade noch, sagte er sich, als Jim neue Köder aus tiefgefrorenenFischresten in eine Falle legte und diese ins Wasser warf. Weit über die Relinggebeugt, holte Ethan den nächsten Schwimmer ein.
Simon, Ethans Chesapeake Bay-Retriever, standmit hängender Zunge neben ihm, die Vorderpfoten auf das Dolibordgestützt. So wie sein Herrchen war er draußen auf dem Wasser in seinem Element.
Die Männer arbeitetenschweigend weiter; sie verständigten sich nur hin und wieder durch einenabgehackten Laut, ein Schulterzucken oder einen unterdrückten Fluch. Da es indieser Saison Krebse in Hülle und Fülle gab, lohnte sich die Arbeit. In manchenJahren bot sich ein völlig anderes Bild; dann schien der Winter nahezu denganzen Bestand an Krustentieren vernichtet zu haben. Oder man hatte denEindruck, daß das Wasser sich nie genug erwärmenwürde, um sie aus ihren Schlupflöchern zu locken.
In solchen Jahrengerieten die Fischer in arge Bedrängnis, wenn sie nicht über zusätzlicheEinkommensquellen verfügten. Deshalb hatte Ethan vor, sich ein zweitesStandbein zu schaffen - durch den Bootsbau.
Das erste Boot derQuinn-Brüder war fast fertig. Ein erstklassiges, wunderschönes Boot, fandEthan. Cameron hatte auch bereits einen Kunden für das zweite aufgetrieben -irgendeinen reichen Fuzzi aus seinen RegattaTagen -, so daß sie inKürze mit ihrem nächsten Projekt beginnen könnten. Keine Frage, sein Bruderwürde noch das ganz große Geld anlocken.
Sie würden es schaffen,sagte er sich, mochte Phillip auch noch so skeptisch sein.
© HeyneVerlag
Übersetzung:Brigitta Merschmann
- Autor: Nora Roberts
- 2000, 400 Seiten, Maße: 12,1 x 18,9 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Brigitta Merschmann
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453161297
- ISBN-13: 9783453161290
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