Grabesstille / Jane Rizzoli Bd.9
Roman
Was, wenn die Geistergeschichten Deiner Kindheit wahr würden? - Ein neuer Fall für Jane Rizzoli und Maura Isles!
Jahraus, jahrein werden sie an den schrecklichen Tag erinnert, da in einem Restaurant in Chinatown ein...
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Produktinformationen zu „Grabesstille / Jane Rizzoli Bd.9 “
Was, wenn die Geistergeschichten Deiner Kindheit wahr würden? - Ein neuer Fall für Jane Rizzoli und Maura Isles!
Jahraus, jahrein werden sie an den schrecklichen Tag erinnert, da in einem Restaurant in Chinatown ein Amokläufer ihre Angehörigen hinrichtete. Doch wer schreibt die Briefe, die besagen, dass der wahre Täter noch immer frei herumläuft? Erst als 19 Jahre später in Boston die Leiche einer Frau gefunden wird, die mit einem antiken chinesischen Schwert verstümmelt wurde, wird der alte Fall wiederaufgerollt. Und nicht immer haben Jane Rizzoli und Maura Isles bei den Ermittlungen das Gefühl, es mit einem Gegner aus Fleisch und Blut zu tun zu haben.
Klappentext zu „Grabesstille / Jane Rizzoli Bd.9 “
Wohliger Schauer oder nackte Angst. Was, wenn die Geistergeschichten Ihrer Kindheit wahr würden?Jahraus, jahrein werden sie an den schrecklichen Tag erinnert, da in einem kleinen Restaurant in Chinatown ein Amokläufer ihre Angehörigen hinrichtete. Doch wer schreibt die Briefe, die besagen, dass der wahre Täter noch immer nicht gefasst sei? Erst als neunzehn Jahre später bei einer Stadtführung durch Boston die Leiche einer Frau gefunden wird, die mit einem antiken chinesischen Ritualschwert verstümmelt wurde, wird der alte Fall wiederaufgerollt. Und nicht immer haben Jane Rizzoli und Maura Isles bei den Ermittlungen das Gefühl, es mit einem leibhaftigen Gegner aus Fleisch und Blut zu tun zu haben
Lese-Probe zu „Grabesstille / Jane Rizzoli Bd.9 “
Grabesstille von Tess Gerritsen1
SAN FRANCISCO
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Den ganzen Tag schon beobachte ich das Mädchen.
Sie lässt nicht erkennen, dass sie mich bemerkt hat, obwohl mein Mietwagen in Sichtweite der Straßenecke steht, an der sie und ihre Freunde sich an diesem Nachmittag versammelt haben, um zu tun, was gelangweilte Teenager eben so tun: die Zeit totschlagen. Sie wirkt jünger als die anderen, aber das liegt vielleicht daran, dass sie Asiatin ist und recht klein und zierlich für ihre siebzehn Jahre. Ihr schwarzes Haar trägt sie kurz geschnitten wie ein Junge, ihre Bluejeans ist zerrissen und ausgefranst. Kein Modegag, denke ich bei mir, sondern echte Gebrauchsspuren, eine Folge des harten Lebens auf der Straße. Sie zieht an einer Zigarette und bläst eine Rauchwolke in die Luft, mit der lässigen Pose eines Straßengangsters, die so gar nicht zu ihrem blassen Gesicht und ihren feinen chinesischen Gesichtszügen passt. Sie ist hübsch genug, um die gierigen Blicke zweier Männer anzuziehen, die an der Gruppe vorbeikommen. Das Mädchen registriert sie und starrt unerschrocken zurück, doch es ist leicht, furchtlos zu sein, wenn die Gefahr nur abstrakt ist. Wie, so frage ich mich, würde das Mädchen angesichts einer realen Gefahr reagieren? Würde sie sich nach Kräften wehren, oder würde sie klein beigeben? Ich will wissen, aus welchem Holz sie geschnitzt ist, aber noch habe ich keine Probe ihres Charakters gesehen.
Als der Abend hereinbricht, löst sich die Teenager-Versammlung an der Straßenecke allmählich auf. Einer nach dem anderen gehen sie ihrer Wege. In San Francisco sind die Nächte selbst im Sommer kühl, und die Verbliebenen drängen sich zusammen, in ihre Jacken und Sweatshirts gehüllt, und geben einander Feuer, kosten die flüchtige Wärme der Flamme aus. Aber schließlich vertreiben Hunger und Kälte auch die Letzten, und nur das Mädchen bleibt zurück - wohin sollte sie auch gehen? Sie winkt ihren Freunden nach und steht dann eine Weile allein herum, als ob sie auf jemanden wartet. Schließlich zuckt sie mit den Achseln und geht in meine Richtung davon, die Hände in die Hosentaschen gesteckt. Als sie an meinem Wagen vorbeikommt, würdigt sie mich keines Blickes, starrt nur geradeaus, mit entschlossener, grimmiger Miene, als grübelte sie über irgendein Problem nach. Vielleicht überlegt sie, wo und wie sie sich heute ihr Abendessen organisieren soll. Oder vielleicht ist es auch etwas Schwerwiegenderes, was sie beschäftigt. Ihre Zukunft. Ihr Überleben.
Wahrscheinlich merkt sie gar nicht, dass die beiden Männer ihr folgen.
Sekunden nachdem sie an meinem Wagen vorbeigekommen ist, sehe ich die Männer aus einem Durchgang zwischen den Häusern treten. Ich erkenne sie wieder; es sind dieselben, die sie vorhin so angestarrt haben. Als sie sich an die Verfolgung machen und an meinem Wagen vorübereilen, sieht mich einer der Männer durch die Windschutzscheibe an. Es ist nur ein kurzer Blick, mit dem er einschätzen will, ob ich eine Bedrohung darstelle. Was er sieht, beunruhigt ihn nicht im Geringsten. Er und sein Begleiter gehen weiter, und jede ihrer Bewegungen strahlt die souveräne Selbstsicherheit des Jägers aus, der sich an eine schwächere, wehrlose Beute heranpirscht.
Ich steige aus und folge ihnen, so, wie sie dem Mädchen folgen.
Sie steuert eine Wohngegend an, wo allzu viele Gebäude leer stehen, wo die Gehsteige mit zerbrochenen Flaschen gepflastert scheinen. Das Mädchen lässt keine Furcht erkennen, kein Zögern; offenbar ist ihr die Umgebung vertraut. Sie schaut sich auch nicht um, und das verrät mir, dass sie entweder tollkühn ist oder keine Ahnung hat von der Welt und von dem, was diese Welt Mädchen wie ihr antun kann. Die Männer, die sie verfolgen, drehen sich auch nicht um. Und selbst wenn sie mich entdecken sollten, was ich zu verhindern weiß, würden sie nichts sehen, wovor sie sich fürchten müssten. So geht es allen.
Einen Block weiter wendet sich das Mädchen nach rechts und verschwindet in einem Hauseingang.
Ich ziehe mich in den Schatten zurück, um zu beobachten, was nun geschieht. Die beiden Männer bleiben vor dem Haus stehen und beraten sich kurz. Dann gehen sie ebenfalls hinein.
Vom Gehsteig aus blicke ich zu den mit Brettern vernagelten Fenstern auf. Es ist ein verlassenes Lagerhaus mit einem Schild, auf dem steht: ZUTRITT FÜR UNBEFUGTE VERBOTEN. Die Tür hängt schief in den Angeln. Ich schlüpfe hindurch, tauche ein in eine so tiefe Finsternis, dass ich einen Moment innehalten und mich auf meine anderen Sinne verlassen muss, um zu erspüren, was ich noch nicht sehen kann. Ich höre die Bodendielen knarren. Ich rieche heißes Kerzenwachs. Dann kann ich zur Linken eine Tür ausmachen, durch die ein schwacher Lichtschein dringt. Ich bleibe davor stehen und spähe durch den Türspalt ins Zimmer.
Das Mädchen kniet vor einem behelfsmäßigen Tisch; nur eine flackernde Kerze erhellt ihr Gesicht. Um sie herum entdecke ich Anzeichen dafür, dass jemand sich hier häuslich eingerichtet hat: einen Schlafsack, Konservendosen, einen kleinen Campingkocher. Sie kämpft gerade mit einem klobigen Dosenöffner und merkt nicht, dass die beiden Männer sich ihr von hinten nähern.
Ich hole eben Luft, um sie mit einem Ruf zu warnen, da wirbelt das Mädchen herum und stellt sich den Angreifern entgegen. In der Hand hält sie nur den Dosenöffner - eine bescheidene Waffe gegen zwei größere und kräftigere Angreifer.
»Das ist mein Zimmer«, sagt sie. »Raus hier!«
Ich hatte mich schon darauf gefasst gemacht einzugreifen. Stattdessen bleibe ich, wo ich bin, um zu sehen, wie es weitergeht. Um zu sehen, was in dem Mädchen steckt.
Einer der Männer lacht. »Wir kommen nur zu Besuch, Schätzchen.«
»Hab ich euch eingeladen?«
»Du siehst aus, als könntest du ein bisschen Gesellschaft gebrauchen.«
»Und du siehst aus, als könntest du eine Portion Hirn gebrauchen.«
Keine sehr kluge Bemerkung angesichts der Situation, denke ich. Jetzt ist die Begierde der Männer mit Zorn vermischt - eine gefährliche Kombination. Doch das Mädchen steht ganz ruhig da, mit nichts als diesem lächerlichen Küchenutensil in der Hand. Als die Männer sich auf sie stürzen, wippe ich schon auf den Fußballen, mache mich zum Sprung bereit.
Doch sie kommt mir zuvor. Ein Satz, und ihr Fuß kracht mit voller Wucht gegen das Brustbein des ersten Mannes.
Kein sehr elegantes Manöver, aber wirkungsvoll. Der Mann taumelt und fasst sich an die Brust, als ob er keine Luft bekommt. Ehe der zweite Mann reagieren kann, schwingt sie bereits zu ihm herum und versetzt ihm mit dem Dosenöffner einen Schlag gegen die Schläfe. Er heult auf und weicht zurück.
Jetzt wird es wirklich interessant.
Der erste Mann hat sich gefangen und rennt auf sie zu, rammt sie mit solcher Wucht, dass beide der Länge nach zu Boden gehen. Sie traktiert ihn mit Tritten und Schlägen, und ihre Faust kracht gegen seinen Unterkiefer. Aber in seiner rasenden Wut spürt er die Schmerzen nicht; mit lautem Gebrüll wälzt er sich auf sie und drückt sie mit seinem Gewicht zu Boden.
Jetzt springt der zweite Mann wieder herbei. Er packt ihre Handgelenke und hält sie am Boden fest. Ihre Jugend und ihre Unerfahrenheit haben sie in eine fatale Lage gebracht, aus der zu entkommen schier unmöglich ist. Bei all ihrer ungestümen Energie ist sie doch naiv und untrainiert, und jeden Moment wird das Unvermeidliche passieren. Schon hat der erste Mann den Reißverschluss ihrer Jeans aufgezogen und zerrt ihr die Hose über die mageren Hüften. Deutlich zeichnet sich seine Erregung ab. Nie ist ein Mann so verwundbar.
Er hört mich nicht kommen. Gerade nestelt er noch an seinem Reißverschluss herum, im nächsten Moment liegt er schon mit zerschmettertem Kiefer am Boden und spuckt Blut und ausgeschlagene Zähne.
Der zweite Mann schafft es gerade noch, die Hände des Mädchens loszulassen und aufzuspringen, aber er ist nicht schnell genug. Ich bin ein Tiger, und er ist nichts als ein schwerfälliger, stumpfsinniger Büffel, hilflos meinem Schlag ausgeliefert. Mit einem schrillen Schrei stürzt er zu Boden, und nach dem unnatürlichen Winkel zu urteilen, in dem sein Arm abgeknickt ist, muss der Knochen glatt gebrochen sein.
Ich packe das Mädchen und hole es mit einem Ruck auf die Füße. »Bist du unverletzt?«
Sie zieht den Reißverschluss ihrer Jeans hoch und starrt mich an. »Wer zum Teufel sind Sie denn?«
»Das erklär ich dir später. Jetzt komm weg hier!«, blaffe ich sie an.
»Wie haben Sie das gemacht? Wie haben Sie die beiden so schnell überwältigt?«
»Willst du es lernen?«
»Ja!«
Ich betrachte die zwei Männer, die sich stöhnend zu unseren Füßen winden. »Dann merk dir die erste Lektion: Du musst wissen, wann es Zeit ist zu fliehen.« Ich schiebe sie in Richtung Tür. »In diesem Fall wäre das genau jetzt.«
Ich sehe ihr beim Essen zu. So schmächtig sie ist, hat sie doch den Appetit einer Wölfin; sie verschlingt drei Hähnchen-Tacos und einen großen Teller Bohnenpüree und spült alles mit einem Glas Cola hinunter. Sie hat sich mexikanisches Essen gewünscht, und so sitzen wir nun in diesem Restaurant, wo Mariachi-Musik läuft und die Wände mit grellbunten Gemälden von tanzenden Señoritas geschmückt sind. Trotz ihrer chinesischen Gesichtszüge ist das Mädchen durch und durch amerikanisch, von ihrem kurz geschorenen Haar bis hin zu ihrer zerfetzten Jeans. Ein wildes, unverbildetes Geschöpf, das den letzten Rest aus dem Colaglas schlürft, um dann geräuschvoll auf den Eiswürfeln herumzukauen.
Mir kommen leise Zweifel am Sinn meines Unterfangens. Sie ist schon zu alt, um die Lehren aufzunehmen; zu verwildert, um Disziplin zu lernen. Ich sollte sie wieder auf die Straße zurückkehren lassen, wenn sie meint, dass sie dorthin gehört, und eine andere Möglichkeit finden. Aber dann fällt mein Blick auf die Narben an ihren Fingerknöcheln, und ich erinnere mich, wie sie um ein Haar im Alleingang die beiden Männer überwältigt hätte. Sie besitzt rohes Talent, und sie ist furchtlos - zwei Dinge, die man niemandem beibringen kann.
»Erinnerst du dich an mich?«, frage ich.
Das Mädchen stellt sein Glas ab und runzelt die Stirn. Ganz kurz glaube ich, einen Funken des Wiedererkennens aufblitzen zu sehen, doch dann ist er wieder verschwunden. Sie schüttelt den Kopf.
»Es ist lange her«, sage ich. »Zwölf Jahre.« Eine Ewigkeit für ein so junges Mädchen. »Du warst noch klein.«
Sie zuckt mit den Achseln. »Kein Wunder, dass ich mich nicht an Sie erinnere.« Sie greift in ihre Jackentasche, zieht eine Zigarette heraus und macht Anstalten, sie anzuzünden.
»Du vergiftest deinen Körper.«
»Es ist mein Körper«, gibt sie zurück.
»Nicht, wenn du trainieren willst.« Ich beuge mich über den Tisch und schnappe ihr die Zigarette aus dem Mund. »Wenn du lernen willst, muss deine Einstellung sich ändern. Du musst Respekt zeigen.«
Sie schnaubt. »Sie klingen wie meine Mutter.«
»Ich habe deine Mutter gekannt. In Boston.«
»Tja, aber sie ist tot.«
»Ich weiß. Letzten Monat habe ich einen Brief von ihr bekommen. Sie schrieb mir, sie sei krank und habe nur noch sehr wenig Zeit. Deswegen bin ich hier.«
Ich bin verblüfft, als ich in den Augen des Mädchens Tränen schimmern sehe, und sie wendet sich rasch ab, als sei es ihr peinlich, Schwäche zu zeigen. Aber in diesem Moment der Verletzlichkeit, ehe sie die Augen niederschlägt, ruft sie mir meine eigene Tochter ins Gedächtnis, die jünger war als dieses Mädchen, als ich sie verlor. Tränen brennen in meinen Augen, aber ich versuche nicht, sie zu verbergen. Der Kummer hat mich zu dem gemacht, was ich bin. Er war das läuternde Feuer, das meine Entschlossenheit geschärft und meinen Willen gestählt hat.
Ich brauche dieses Mädchen. Und offensichtlich braucht sie mich ebenso.
»Ich habe dich wochenlang gesucht«, sage ich.
»Bei der Pflegefamilie hat's mir gestunken. Ich komm viel besser allein klar.«
»Wenn deine Mutter dich jetzt sehen könnte, würde es ihr das Herz brechen.«
»Sie hatte nie Zeit für mich.«
»Vielleicht, weil sie in zwei Jobs schuften musste, damit du genug zu essen hattest? Weil sie wusste, dass sie ganz auf sich allein gestellt war? «
»Sie hat sich von allen immer rumschubsen lassen. Ich hab's nicht ein Mal erlebt, dass sie sich gegen irgendwen durchgesetzt hätte. Nicht mal gegen mich.«
»Sie hatte Angst.«
»Sie hatte kein Rückgrat.«
Ich beuge mich vor, erfüllt von plötzlicher Wut auf dieses undankbare Gör. »Was deine arme Mutter gelitten hat, das kannst du dir überhaupt nicht vorstellen. Alles, was sie getan hat, hat sie nur für dich getan.« Angewidert werfe ich ihr die Zigarette zurück. Das ist nicht das Mädchen, das ich zu f nden gehofft hatte. Sie mag stark und furchtlos sein, aber kein Gefühl der Kindespflicht bindet sie an ihre toten Eltern, kein Sinn für Familienehre. Ohne eine Beziehung zu unseren Ahnen sind wir nur verlorene Staubkörnchen, die haltlos im Wind treiben, an nichts und niemanden gebunden.
Ich bezahle ihr Essen und stehe auf. »Ich hoffe, dass du eines Tages zur Einsicht gelangen und verstehen wirst, was deine Mutter für dich geopfert hat. «
» Sie wollen gehen?«
»Es gibt nichts, was ich dir beibringen könnte.«
»Wie kommen Sie eigentlich darauf, mir etwas beibringen zu wollen? Wieso haben Sie mich überhaupt gesucht?«
»Ich dachte, ich würde jemand anderen vorfinden. Jemanden, den ich lehren könnte. Jemanden, der mir helfen würde.«
»Wobei helfen?«
Ich weiß nicht, wie ich ihre Frage beantworten soll. Einen Moment lang ist das einzige Geräusch die blecherne Mariachi-Musik, die aus den Lautsprechern des Restaurants tönt.
»Erinnerst du dich an deinen Vater?«, frage ich. »Erinnerst du dich daran, was mit ihm passiert ist? «
Sie starrt mich an. »Darum geht es also, nicht wahr? Deswegen haben Sie mich gesucht? Weil meine Mutter Ihnen von ihm geschrieben hat.«
»Dein Vater war ein guter Mann. Er hat dich geliebt, und du entehrst ihn. Du entehrst deine beiden Eltern.« Ich lege ein Bündel Geldscheine vor sie auf den Tisch. »Das hier ist zu ihrem Gedächtnis. Sieh zu, dass du von der Straße wegkommst, und geh wieder zur Schule. Da musst du dich wenigstens nicht gegen fremde Männer zur Wehr setzen.« Ich drehe mich um und verlasse das Restaurant.
Sekunden später stürzt sie zur Tür hinaus und läuft mir nach. »Warten Sie!«, ruft sie. »Wohin gehen Sie?«
»Zurück nach Hause, nach Boston.«
»Ich erinnere mich doch an Sie. Ich glaube, ich weiß, was Sie wollen.«
Ich bleibe stehen und sehe sie an. »Es ist dasselbe, was auch du wollen müsstest.«
»Was muss ich tun? «
Ich mustere sie von Kopf bis Fuß, und ich sehe magere Schultern, sehe Hüften, so schmal, dass die Bluejeans kaum Halt f ndet. »Es geht nicht darum, was du tun musst«, antworte ich. »Es geht darum, was du sein musst.« Langsam gehe ich auf sie zu. Bis zu diesem Moment hat sie keinen Grund gesehen, mich zu fürchten. Warum auch? Ich bin nur eine Frau. Aber jetzt sieht sie etwas in meinen Augen, und es lässt sie einen Schritt zurückweichen.
»Hast du Angst?«, frage ich sie leise.
Ihr Kinn ruckt in die Höhe, und sie entgegnet mit gespielter Tapferkeit: »Nein.«
»Das solltest du aber.«
...
Übersetzung: Andreas Jäger
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2012
by Limes Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Den ganzen Tag schon beobachte ich das Mädchen.
Sie lässt nicht erkennen, dass sie mich bemerkt hat, obwohl mein Mietwagen in Sichtweite der Straßenecke steht, an der sie und ihre Freunde sich an diesem Nachmittag versammelt haben, um zu tun, was gelangweilte Teenager eben so tun: die Zeit totschlagen. Sie wirkt jünger als die anderen, aber das liegt vielleicht daran, dass sie Asiatin ist und recht klein und zierlich für ihre siebzehn Jahre. Ihr schwarzes Haar trägt sie kurz geschnitten wie ein Junge, ihre Bluejeans ist zerrissen und ausgefranst. Kein Modegag, denke ich bei mir, sondern echte Gebrauchsspuren, eine Folge des harten Lebens auf der Straße. Sie zieht an einer Zigarette und bläst eine Rauchwolke in die Luft, mit der lässigen Pose eines Straßengangsters, die so gar nicht zu ihrem blassen Gesicht und ihren feinen chinesischen Gesichtszügen passt. Sie ist hübsch genug, um die gierigen Blicke zweier Männer anzuziehen, die an der Gruppe vorbeikommen. Das Mädchen registriert sie und starrt unerschrocken zurück, doch es ist leicht, furchtlos zu sein, wenn die Gefahr nur abstrakt ist. Wie, so frage ich mich, würde das Mädchen angesichts einer realen Gefahr reagieren? Würde sie sich nach Kräften wehren, oder würde sie klein beigeben? Ich will wissen, aus welchem Holz sie geschnitzt ist, aber noch habe ich keine Probe ihres Charakters gesehen.
Als der Abend hereinbricht, löst sich die Teenager-Versammlung an der Straßenecke allmählich auf. Einer nach dem anderen gehen sie ihrer Wege. In San Francisco sind die Nächte selbst im Sommer kühl, und die Verbliebenen drängen sich zusammen, in ihre Jacken und Sweatshirts gehüllt, und geben einander Feuer, kosten die flüchtige Wärme der Flamme aus. Aber schließlich vertreiben Hunger und Kälte auch die Letzten, und nur das Mädchen bleibt zurück - wohin sollte sie auch gehen? Sie winkt ihren Freunden nach und steht dann eine Weile allein herum, als ob sie auf jemanden wartet. Schließlich zuckt sie mit den Achseln und geht in meine Richtung davon, die Hände in die Hosentaschen gesteckt. Als sie an meinem Wagen vorbeikommt, würdigt sie mich keines Blickes, starrt nur geradeaus, mit entschlossener, grimmiger Miene, als grübelte sie über irgendein Problem nach. Vielleicht überlegt sie, wo und wie sie sich heute ihr Abendessen organisieren soll. Oder vielleicht ist es auch etwas Schwerwiegenderes, was sie beschäftigt. Ihre Zukunft. Ihr Überleben.
Wahrscheinlich merkt sie gar nicht, dass die beiden Männer ihr folgen.
Sekunden nachdem sie an meinem Wagen vorbeigekommen ist, sehe ich die Männer aus einem Durchgang zwischen den Häusern treten. Ich erkenne sie wieder; es sind dieselben, die sie vorhin so angestarrt haben. Als sie sich an die Verfolgung machen und an meinem Wagen vorübereilen, sieht mich einer der Männer durch die Windschutzscheibe an. Es ist nur ein kurzer Blick, mit dem er einschätzen will, ob ich eine Bedrohung darstelle. Was er sieht, beunruhigt ihn nicht im Geringsten. Er und sein Begleiter gehen weiter, und jede ihrer Bewegungen strahlt die souveräne Selbstsicherheit des Jägers aus, der sich an eine schwächere, wehrlose Beute heranpirscht.
Ich steige aus und folge ihnen, so, wie sie dem Mädchen folgen.
Sie steuert eine Wohngegend an, wo allzu viele Gebäude leer stehen, wo die Gehsteige mit zerbrochenen Flaschen gepflastert scheinen. Das Mädchen lässt keine Furcht erkennen, kein Zögern; offenbar ist ihr die Umgebung vertraut. Sie schaut sich auch nicht um, und das verrät mir, dass sie entweder tollkühn ist oder keine Ahnung hat von der Welt und von dem, was diese Welt Mädchen wie ihr antun kann. Die Männer, die sie verfolgen, drehen sich auch nicht um. Und selbst wenn sie mich entdecken sollten, was ich zu verhindern weiß, würden sie nichts sehen, wovor sie sich fürchten müssten. So geht es allen.
Einen Block weiter wendet sich das Mädchen nach rechts und verschwindet in einem Hauseingang.
Ich ziehe mich in den Schatten zurück, um zu beobachten, was nun geschieht. Die beiden Männer bleiben vor dem Haus stehen und beraten sich kurz. Dann gehen sie ebenfalls hinein.
Vom Gehsteig aus blicke ich zu den mit Brettern vernagelten Fenstern auf. Es ist ein verlassenes Lagerhaus mit einem Schild, auf dem steht: ZUTRITT FÜR UNBEFUGTE VERBOTEN. Die Tür hängt schief in den Angeln. Ich schlüpfe hindurch, tauche ein in eine so tiefe Finsternis, dass ich einen Moment innehalten und mich auf meine anderen Sinne verlassen muss, um zu erspüren, was ich noch nicht sehen kann. Ich höre die Bodendielen knarren. Ich rieche heißes Kerzenwachs. Dann kann ich zur Linken eine Tür ausmachen, durch die ein schwacher Lichtschein dringt. Ich bleibe davor stehen und spähe durch den Türspalt ins Zimmer.
Das Mädchen kniet vor einem behelfsmäßigen Tisch; nur eine flackernde Kerze erhellt ihr Gesicht. Um sie herum entdecke ich Anzeichen dafür, dass jemand sich hier häuslich eingerichtet hat: einen Schlafsack, Konservendosen, einen kleinen Campingkocher. Sie kämpft gerade mit einem klobigen Dosenöffner und merkt nicht, dass die beiden Männer sich ihr von hinten nähern.
Ich hole eben Luft, um sie mit einem Ruf zu warnen, da wirbelt das Mädchen herum und stellt sich den Angreifern entgegen. In der Hand hält sie nur den Dosenöffner - eine bescheidene Waffe gegen zwei größere und kräftigere Angreifer.
»Das ist mein Zimmer«, sagt sie. »Raus hier!«
Ich hatte mich schon darauf gefasst gemacht einzugreifen. Stattdessen bleibe ich, wo ich bin, um zu sehen, wie es weitergeht. Um zu sehen, was in dem Mädchen steckt.
Einer der Männer lacht. »Wir kommen nur zu Besuch, Schätzchen.«
»Hab ich euch eingeladen?«
»Du siehst aus, als könntest du ein bisschen Gesellschaft gebrauchen.«
»Und du siehst aus, als könntest du eine Portion Hirn gebrauchen.«
Keine sehr kluge Bemerkung angesichts der Situation, denke ich. Jetzt ist die Begierde der Männer mit Zorn vermischt - eine gefährliche Kombination. Doch das Mädchen steht ganz ruhig da, mit nichts als diesem lächerlichen Küchenutensil in der Hand. Als die Männer sich auf sie stürzen, wippe ich schon auf den Fußballen, mache mich zum Sprung bereit.
Doch sie kommt mir zuvor. Ein Satz, und ihr Fuß kracht mit voller Wucht gegen das Brustbein des ersten Mannes.
Kein sehr elegantes Manöver, aber wirkungsvoll. Der Mann taumelt und fasst sich an die Brust, als ob er keine Luft bekommt. Ehe der zweite Mann reagieren kann, schwingt sie bereits zu ihm herum und versetzt ihm mit dem Dosenöffner einen Schlag gegen die Schläfe. Er heult auf und weicht zurück.
Jetzt wird es wirklich interessant.
Der erste Mann hat sich gefangen und rennt auf sie zu, rammt sie mit solcher Wucht, dass beide der Länge nach zu Boden gehen. Sie traktiert ihn mit Tritten und Schlägen, und ihre Faust kracht gegen seinen Unterkiefer. Aber in seiner rasenden Wut spürt er die Schmerzen nicht; mit lautem Gebrüll wälzt er sich auf sie und drückt sie mit seinem Gewicht zu Boden.
Jetzt springt der zweite Mann wieder herbei. Er packt ihre Handgelenke und hält sie am Boden fest. Ihre Jugend und ihre Unerfahrenheit haben sie in eine fatale Lage gebracht, aus der zu entkommen schier unmöglich ist. Bei all ihrer ungestümen Energie ist sie doch naiv und untrainiert, und jeden Moment wird das Unvermeidliche passieren. Schon hat der erste Mann den Reißverschluss ihrer Jeans aufgezogen und zerrt ihr die Hose über die mageren Hüften. Deutlich zeichnet sich seine Erregung ab. Nie ist ein Mann so verwundbar.
Er hört mich nicht kommen. Gerade nestelt er noch an seinem Reißverschluss herum, im nächsten Moment liegt er schon mit zerschmettertem Kiefer am Boden und spuckt Blut und ausgeschlagene Zähne.
Der zweite Mann schafft es gerade noch, die Hände des Mädchens loszulassen und aufzuspringen, aber er ist nicht schnell genug. Ich bin ein Tiger, und er ist nichts als ein schwerfälliger, stumpfsinniger Büffel, hilflos meinem Schlag ausgeliefert. Mit einem schrillen Schrei stürzt er zu Boden, und nach dem unnatürlichen Winkel zu urteilen, in dem sein Arm abgeknickt ist, muss der Knochen glatt gebrochen sein.
Ich packe das Mädchen und hole es mit einem Ruck auf die Füße. »Bist du unverletzt?«
Sie zieht den Reißverschluss ihrer Jeans hoch und starrt mich an. »Wer zum Teufel sind Sie denn?«
»Das erklär ich dir später. Jetzt komm weg hier!«, blaffe ich sie an.
»Wie haben Sie das gemacht? Wie haben Sie die beiden so schnell überwältigt?«
»Willst du es lernen?«
»Ja!«
Ich betrachte die zwei Männer, die sich stöhnend zu unseren Füßen winden. »Dann merk dir die erste Lektion: Du musst wissen, wann es Zeit ist zu fliehen.« Ich schiebe sie in Richtung Tür. »In diesem Fall wäre das genau jetzt.«
Ich sehe ihr beim Essen zu. So schmächtig sie ist, hat sie doch den Appetit einer Wölfin; sie verschlingt drei Hähnchen-Tacos und einen großen Teller Bohnenpüree und spült alles mit einem Glas Cola hinunter. Sie hat sich mexikanisches Essen gewünscht, und so sitzen wir nun in diesem Restaurant, wo Mariachi-Musik läuft und die Wände mit grellbunten Gemälden von tanzenden Señoritas geschmückt sind. Trotz ihrer chinesischen Gesichtszüge ist das Mädchen durch und durch amerikanisch, von ihrem kurz geschorenen Haar bis hin zu ihrer zerfetzten Jeans. Ein wildes, unverbildetes Geschöpf, das den letzten Rest aus dem Colaglas schlürft, um dann geräuschvoll auf den Eiswürfeln herumzukauen.
Mir kommen leise Zweifel am Sinn meines Unterfangens. Sie ist schon zu alt, um die Lehren aufzunehmen; zu verwildert, um Disziplin zu lernen. Ich sollte sie wieder auf die Straße zurückkehren lassen, wenn sie meint, dass sie dorthin gehört, und eine andere Möglichkeit finden. Aber dann fällt mein Blick auf die Narben an ihren Fingerknöcheln, und ich erinnere mich, wie sie um ein Haar im Alleingang die beiden Männer überwältigt hätte. Sie besitzt rohes Talent, und sie ist furchtlos - zwei Dinge, die man niemandem beibringen kann.
»Erinnerst du dich an mich?«, frage ich.
Das Mädchen stellt sein Glas ab und runzelt die Stirn. Ganz kurz glaube ich, einen Funken des Wiedererkennens aufblitzen zu sehen, doch dann ist er wieder verschwunden. Sie schüttelt den Kopf.
»Es ist lange her«, sage ich. »Zwölf Jahre.« Eine Ewigkeit für ein so junges Mädchen. »Du warst noch klein.«
Sie zuckt mit den Achseln. »Kein Wunder, dass ich mich nicht an Sie erinnere.« Sie greift in ihre Jackentasche, zieht eine Zigarette heraus und macht Anstalten, sie anzuzünden.
»Du vergiftest deinen Körper.«
»Es ist mein Körper«, gibt sie zurück.
»Nicht, wenn du trainieren willst.« Ich beuge mich über den Tisch und schnappe ihr die Zigarette aus dem Mund. »Wenn du lernen willst, muss deine Einstellung sich ändern. Du musst Respekt zeigen.«
Sie schnaubt. »Sie klingen wie meine Mutter.«
»Ich habe deine Mutter gekannt. In Boston.«
»Tja, aber sie ist tot.«
»Ich weiß. Letzten Monat habe ich einen Brief von ihr bekommen. Sie schrieb mir, sie sei krank und habe nur noch sehr wenig Zeit. Deswegen bin ich hier.«
Ich bin verblüfft, als ich in den Augen des Mädchens Tränen schimmern sehe, und sie wendet sich rasch ab, als sei es ihr peinlich, Schwäche zu zeigen. Aber in diesem Moment der Verletzlichkeit, ehe sie die Augen niederschlägt, ruft sie mir meine eigene Tochter ins Gedächtnis, die jünger war als dieses Mädchen, als ich sie verlor. Tränen brennen in meinen Augen, aber ich versuche nicht, sie zu verbergen. Der Kummer hat mich zu dem gemacht, was ich bin. Er war das läuternde Feuer, das meine Entschlossenheit geschärft und meinen Willen gestählt hat.
Ich brauche dieses Mädchen. Und offensichtlich braucht sie mich ebenso.
»Ich habe dich wochenlang gesucht«, sage ich.
»Bei der Pflegefamilie hat's mir gestunken. Ich komm viel besser allein klar.«
»Wenn deine Mutter dich jetzt sehen könnte, würde es ihr das Herz brechen.«
»Sie hatte nie Zeit für mich.«
»Vielleicht, weil sie in zwei Jobs schuften musste, damit du genug zu essen hattest? Weil sie wusste, dass sie ganz auf sich allein gestellt war? «
»Sie hat sich von allen immer rumschubsen lassen. Ich hab's nicht ein Mal erlebt, dass sie sich gegen irgendwen durchgesetzt hätte. Nicht mal gegen mich.«
»Sie hatte Angst.«
»Sie hatte kein Rückgrat.«
Ich beuge mich vor, erfüllt von plötzlicher Wut auf dieses undankbare Gör. »Was deine arme Mutter gelitten hat, das kannst du dir überhaupt nicht vorstellen. Alles, was sie getan hat, hat sie nur für dich getan.« Angewidert werfe ich ihr die Zigarette zurück. Das ist nicht das Mädchen, das ich zu f nden gehofft hatte. Sie mag stark und furchtlos sein, aber kein Gefühl der Kindespflicht bindet sie an ihre toten Eltern, kein Sinn für Familienehre. Ohne eine Beziehung zu unseren Ahnen sind wir nur verlorene Staubkörnchen, die haltlos im Wind treiben, an nichts und niemanden gebunden.
Ich bezahle ihr Essen und stehe auf. »Ich hoffe, dass du eines Tages zur Einsicht gelangen und verstehen wirst, was deine Mutter für dich geopfert hat. «
» Sie wollen gehen?«
»Es gibt nichts, was ich dir beibringen könnte.«
»Wie kommen Sie eigentlich darauf, mir etwas beibringen zu wollen? Wieso haben Sie mich überhaupt gesucht?«
»Ich dachte, ich würde jemand anderen vorfinden. Jemanden, den ich lehren könnte. Jemanden, der mir helfen würde.«
»Wobei helfen?«
Ich weiß nicht, wie ich ihre Frage beantworten soll. Einen Moment lang ist das einzige Geräusch die blecherne Mariachi-Musik, die aus den Lautsprechern des Restaurants tönt.
»Erinnerst du dich an deinen Vater?«, frage ich. »Erinnerst du dich daran, was mit ihm passiert ist? «
Sie starrt mich an. »Darum geht es also, nicht wahr? Deswegen haben Sie mich gesucht? Weil meine Mutter Ihnen von ihm geschrieben hat.«
»Dein Vater war ein guter Mann. Er hat dich geliebt, und du entehrst ihn. Du entehrst deine beiden Eltern.« Ich lege ein Bündel Geldscheine vor sie auf den Tisch. »Das hier ist zu ihrem Gedächtnis. Sieh zu, dass du von der Straße wegkommst, und geh wieder zur Schule. Da musst du dich wenigstens nicht gegen fremde Männer zur Wehr setzen.« Ich drehe mich um und verlasse das Restaurant.
Sekunden später stürzt sie zur Tür hinaus und läuft mir nach. »Warten Sie!«, ruft sie. »Wohin gehen Sie?«
»Zurück nach Hause, nach Boston.«
»Ich erinnere mich doch an Sie. Ich glaube, ich weiß, was Sie wollen.«
Ich bleibe stehen und sehe sie an. »Es ist dasselbe, was auch du wollen müsstest.«
»Was muss ich tun? «
Ich mustere sie von Kopf bis Fuß, und ich sehe magere Schultern, sehe Hüften, so schmal, dass die Bluejeans kaum Halt f ndet. »Es geht nicht darum, was du tun musst«, antworte ich. »Es geht darum, was du sein musst.« Langsam gehe ich auf sie zu. Bis zu diesem Moment hat sie keinen Grund gesehen, mich zu fürchten. Warum auch? Ich bin nur eine Frau. Aber jetzt sieht sie etwas in meinen Augen, und es lässt sie einen Schritt zurückweichen.
»Hast du Angst?«, frage ich sie leise.
Ihr Kinn ruckt in die Höhe, und sie entgegnet mit gespielter Tapferkeit: »Nein.«
»Das solltest du aber.«
...
Übersetzung: Andreas Jäger
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2012
by Limes Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Autoren-Porträt von Tess Gerritsen
Die chinesischstämmige Tess Gerritsen arbeitete erfolgreich als Ärztin, bevor sie sich ihrer Jugendleidenschaft besann und anfing, Romane zu schreiben. Kaum jemand vereint seit vielen Jahren so gekonnt wie sie erzählerische Raffinesse mit medizinischer Detailgenauigkeit und psychologischer Glaubwürdigkeit der Figuren. Tess Gerritsen lebt mit ihrer Familie in Maine.Andreas Jäger ist nach dem Studium der Ethnologie, Politikwissenschaft, Soziologie, Anglistik und Germanistik in Freiburg, Saarbrücken, Sheffield und Brighton und einer Ausbildung als Verlagskaufmann seit 2000 als freier Übersetzer aus dem Englischen und Französischen tätig. Seine Promotion verfasste Andreas Jäger zur englischen Lyrik
Bibliographische Angaben
- Autor: Tess Gerritsen
- 2012, 448 Seiten, Maße: 14,5 x 21,9 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Jäger, Andreas
- Übersetzer: Andreas Jäger
- Verlag: Limes
- ISBN-10: 3809025771
- ISBN-13: 9783809025771
- Erscheinungsdatum: 10.03.2012
Rezension zu „Grabesstille / Jane Rizzoli Bd.9 “
"Mysteriös und spannend."
Kommentare zu "Grabesstille / Jane Rizzoli Bd.9"
4.5 von 5 Sternen
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