Grün wie die Hoffnung / Ring Trilogie Bd.1
Roman
Das Schicksal treibt die New Yorkerin Glenna in die Arme des attraktiven Hoyt Mac Cionaoth. Bald stellt sich heraus, dass Hoyt nicht von dieser Welt ist. Er ist ein Keltenkrieger, der für die Göttin Morrigan eine Armee aufstelllt. Denn die dunkle...
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Produktinformationen zu „Grün wie die Hoffnung / Ring Trilogie Bd.1 “
Das Schicksal treibt die New Yorkerin Glenna in die Arme des attraktiven Hoyt Mac Cionaoth. Bald stellt sich heraus, dass Hoyt nicht von dieser Welt ist. Er ist ein Keltenkrieger, der für die Göttin Morrigan eine Armee aufstelllt. Denn die dunkle Königin Lilith hat einen Krieg entfacht.
Klappentext zu „Grün wie die Hoffnung / Ring Trilogie Bd.1 “
Der Startschuss zur neuen großen Ring-Trilogie!Die schöne junge New Yorkerin Glenna Ward ist verzweifelt: Jede Nacht schleicht sich ein hoch gewachsener Keltenkrieger in ihre Träume - und beschert ihr einen äußerst unruhigen Schlaf. Was Glenna nicht ahnen kann, ist, dass dieser gefährlich attraktive Mann ganz in ihrer Nähe ist und einen wichtigen Auftrag hat: Hoyt MacCionaoith kam aus der Vergangenheit nach New York, um fünf Auserwählte zu finden und sich gemeinsam mit ihnen einem aufziehenden Kampf zwischen Gut und Böse zu stellen. Und auch Glenna scheint dabei eine wichtige Rolle zu spielen ...
Lese-Probe zu „Grün wie die Hoffnung / Ring Trilogie Bd.1 “
Grün wie die Hoffnung von Nora Roberts Prolog
Es war der Regen, der ihn an die Geschichte denken ließ. Er prasselte an die Fensterscheiben, rauschte auf die Dächer herunter und blies seinen bitteren Atem unter der Tür hindurch.
Die Feuchtigkeit machte seinen Knochen zu schaffen, obwohl er am Feuer saß. Das alter plagte ihn in den langen, nassen Herbstnächten - und in dem dunklen Winter, der bevorstand, würde er es noch mehr spüren.
Die Kinder hatten sich um ihn herum versammelt, sie hockten auf dem Fußboden, hatten sich zu zweit und zu dritt in die Sessel gequetscht. Erwartungsvoll blickten sie ihn an, denn er hatte ihnen eine Geschichte versprochen, um die Langeweile an diesem stürmischen tag zu vertreiben.
Eigentlich hatte er nicht vorgehabt, ihnen gerade diese Geschichte zu erzählen, zumindest noch nicht, denn manche waren noch so klein, und die Geschichte war eigentlich nichts für zarte Gemüter. Aber der Regen flüsterte ihm zischend die Worte zu, die er sprechen sollte, sodass selbst ein Geschichtenerzähler, oder vielleicht gerade ein Geschichtenerzähler, auf ihn hören musste.
»Ich kenne eine Geschichte«, begann er, und einige der Kinder rutschten aufgeregt hin und her. »Sie handelt von Mut und Feigheit, von Blut und Tod, und vom Leben. Von Liebe und Verlust.«
»Kommen auch Monster vor?«, fragte ein kleines Mädchen, die blauen Augen in ängstlicher Vorfreude weit aufgerissen.
»Monster kommen immer vor«, erwiderte der alte Mann.
»So wie es immer Männer gibt, die sich ihnen anschließen, und Männer, die sie bekämpfen.«
»Und Frauen!«, rief eines der älteren Mädchen. er lächelte.
... mehr
»Und Frauen. tapfere und aufrechte, böse und todbringende Frauen. Ich habe beide gekannt. Diese Geschichte, die ich euch heute erzähle, spielt vor langer, langer Zeit. Sie hat viele Anfänge, aber nur ein Ende.«
Der Wind heulte ums Haus, und der alte Mann ergriff seine Teetasse, um sich die Kehle zu befeuchten. Das Feuer knisterte, und im Schein der flackernden Flammen wirkte sein Gesicht wie von güldenem Blut belebt.
»Dies ist ein Anfang. In den letzten Tagen des Hochsommers stand der Zauberer auf einem Felsen hoch über der tosenden See, während blitze blau über einen schwarzen Himmel zuckten.«
1
Eire, in der Gegend von Chiarrai 1128
Auch in seinem Inneren herrschte sturm, so dunkel und heftig wie auf dem Meer, peitschte sein Blut und tobte innen wie außen, während er auf dem regennassen Felsen stand.
Der Name seines Sturms war Trauer.
Trauer, die aus seinen Augen funkelte wie die Blitze, die über den Himmel zuckten. Trauer, die die Luft erbeben ließ mit dem dumpfen Grollen und Krachen des Donners.
Hoch reckte er seinen Stab und schrie die Zauberworte. Die roten blitze seiner Wut und das tosen des Sturms ließen jeden, der noch draußen war, schleunigst in sein Haus eilen, Türen und Fenster hinter sich verriegeln und die Kinder um sich versammeln, um zu den Göttern zu beten.
Und selbst die Feen in ihre Hügelfestungen zitterten.
Der Felsen bebte, das Meer wurde schwarz wie der Schlund der Hölle, und immer noch tobte der Sturm, und immer noch trauerte er. Der Regen, der aus dem Himmel fiel wie aus einer offenen Wunde, wurde rot wie Blut und kochend heiß, und die Luft roch verbrannt.
Danach hieß sie auf ewig die Nacht der Trauer, und wer sich daran zu erinnern wagte, sprach von dem Zauberer, der hoch aufgerichtet auf der Klippe stand, während der blutige Regen seinen Umhang tränkte und über sein schmales Gesicht rann wie die Tränen des Todes, als er Himmel und Hölle verfluchte.
Er hieß Hoyt, seine Familie waren die Mac Cionaoith, die angeblich von Morrigan abstammte, der Feenkönigin und Göttin. er besaß große Macht, aber er war noch sehr jung und übte sie mit einer Leidenschaft aus, die keinen Raum für Vorsicht, für Pflicht, für Licht ließ. Sie war sein Schwert und seine Lanze.
Er rief in diesem furchtbaren Sturm den Tod an.
Und im Heulen des Windes wandte er dem aufgewühlten Meer den Rücken zu, und dort stand, was er gerufen hatte. Sie - denn sie war einmal eine Frau gewesen - lächelte. Sie war unglaublich schön und kalt wie der Winter. Ihre Augen waren lichtblau, ihre Lippen rosig wie Rosenblüten, ihre Haut milchweiß. Ihre Stimme klang wie Musik; die Stimme einer Sirene, die schon unzählige Männer ins Verderben gestürzt hatte.
»Du hast es eilig, mich zu sehen. Wartest du so ungeduldig auf meinen Kuss, Mac Cionaoith?«
»Hast du meinen Bruder getötet?«
»Der Tod ist ...« ohne auf den Regen zu achten, schob sie ihre Kapuze zurück. »Komplex. Du bist zu jung, um seine Größe zu verstehen. Ich gab ihm ein kostbares, mächtiges Geschenk.«
»Du hast ihn verdammt.«
»Oh.« sie machte eine geringschätzige Geste. »Ein kleiner Preis für die Ewigkeit. Ihm gehört jetzt die Welt, und er nimmt sich, was immer er begehrt. Er weiß mehr, als du dir jemals träumen lässt. Er gehört jetzt mir, mehr als er jemals dein war.«
»Dämon, sein Blut klebt an deinen Händen, und bei der Göttin, ich werde dich vernichten.«
Sie lachte fröhlich, wie ein Kind, dem man einen besonderen Leckerbissen verspricht. »An meinen Händen, in meiner Kehle. So wie mein Blut in seinem. Er ist jetzt wie ich, ein Kind der Nacht und der Schatten. Willst du etwa auch deinen eigenen Bruder vernichten? Deinen Zwillingsbruder? «
Der schwarze Bodennebel glitt wie Seide auseinander, als sie hindurchschritt. »Ich rieche deine Macht und deine Trauer und auch dein Staunen. Hier, an dieser Stelle, biete ich dir ein Geschenk an. Ich werde dich wieder zu seinem Zwillingsbruder machen, Hoyt Mac Cionaoith. Ich schenke dir den Tod, der ewiges Leben ist.«
Er senkte seinen Stab und blickte sie durch den Regenschleier hindurch an. »Sag mir deinen Namen.«
Sie schwebte jetzt über dem Nebel, und ihr roter Umhang bauschte sich. Über dem eng geschnürten Mieder ihres Kleides wölbten sich die weißen Halbkugeln ihrer brüste. Er verspürte schreckliche Erregung, obwohl er den scharfen Gestank ihrer Macht roch.
»Ich habe so viele«, entgegnete sie und berührte seinen Arm - wie war sie ihm so nahe gekommen? - mit der Fingerspitze. »Willst du meinen Namen sagen, wenn wir uns vereinen? Willst du ihn auf den Lippen schmecken, so wie ich dich schmecke?«
Seine Kehle war trocken und brannte. Er ertrank in ihren blauen, zärtlichen Augen. »Ja, ich will wissen, was mein Bruder weiß.«
Wieder lachte sie, aber dieses Mal war es ein kehliger Laut. Hungrig wie bei einem wilden Tier. Und die sanften, blauen Augen röteten sich.
»Eifersüchtig?«
Sie streifte seine Lippen mit ihren, und sie waren kalt, bitterkalt. Und doch so verführerisch. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. »Ich will sehen, was mein Bruder sieht.«
Er legte seine Hand auf eine weiße Brust, aber darunter regte sich nichts. »Sag mir deinen Namen.«
Lächelnd entblößte sie ihre weißen Eckzähne. »Es ist Lilith, die dich nimmt. Es ist Lilith, die dich macht. Dein Blut wird sich mit meinem Mischen, und wir werden diese Welt und alle anderen Welten beherrschen.«
Sie warf den Kopf zurück, und in diesem Augenblick stieß Hoyt ihr mit aller Kraft seinen Stab mitten ins Herz.
Ihr schrei zerriss die Nacht und mischte sich in das Heulen des Sturms. Er war nicht menschlich und auch nicht der eines wilden Tieres. Sie war der Dämon, der ihm seinen Bruder genommen hatte, der seine böse Natur hinter kalter Schönheit verbarg und aus einem Herzen blutete, das nicht schlug.
Zuckend stieg sie empor in die blitze, die den Himmel zerrissen. Vor Entsetzen versagte ihm die stimme, und die Worte, die er eigentlich sprechen musste, wurden in dem Blut ertränkt, das sich wie klebriger Nebel auf ihn legte.
»Wie kannst du es wagen!«, zischte sie wütend mit schmerzverzerrter stimme. »Du willst deine armselige Zauberkraft auf mich anwenden? Ich wandere seit tausend Jahren durch die Welt.« Sie fuhr sich über die Wunde und streckte ihre blutige Hand aus.
Und als die tropfen auf Hoyts arm fielen, zerschnitten sie die Haut wie Messer.
»Lilith! Du bist ausgestoßen! Lilith, du bist bezwungen! Bei meinem Blut.« Er zog einen Dolch aus seinem Umhang und stach in seine Handfläche. »Beim Blut der Götter, das durch meine Adern fließt, kraft meiner Geburt, verstoße ich dich ...«
Dicht am Boden kam etwas auf ihn zugeflogen und stürzte sich mit wilder, wütender Kraft auf ihn. sie rangen miteinander und stürzten über die Klippe auf die zerklüfteten Felsen darunter. Durch Wellen von Schmerz und Angst hindurch sah er das Gesicht des Geschöpfs, das einmal sein Bruder gewesen war.
Hoyt roch Tod und Blut, und an den roten Augen erkannte er, dass sein Bruder ein wildes Tier geworden war. Und doch flackerte noch ein winziges Licht der Hoffnung in seinem Herzen.
»Cian. Hilf mir, ihr Einhalt zu gebieten. Noch haben wir eine Chance.«
»Fühlst du, wie stark ich bin?« Cian legte seine Hände um Hoyts Hals und drückte zu. »Und das ist nur der Anfang. Ich habe die Ewigkeit vor mir.« Er beugte sich vor und leckte, beinahe spielerisch, Blut von Hoyts Gesicht. »Sie will dich für sich, aber ich habe Hunger. Schrecklichen Hunger. Und schließlich ist dein Blut auch meins.«
Er entblößte seine Reißzähne, aber als er sie in den Hals seines Bruders schlagen wollte, stieß Hoyt mit dem Dolch zu.
Aufheulend wich Cian zurück. Schmerz und Schreck durchfuhren sein Gesicht, als er die Hand auf die Wunde presste. Langsam fiel er vornüber. Einen Augenblick lang glaubte Hoyt, seinen Bruder, seinen wahren Bruder zu sehen, und dann umgaben ihn nur noch das Heulen des Sturms und der prasselnde Regen.
Mühsam zog er sich zur Klippe hinauf, suchte Halt mit Händen, die schlüpfrig waren von Blut, Schweiß und Regen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht zog er sich Zentimeter für Zentimeter hinauf, und die Stelle am Hals, die die Fangzähne geritzt hatten, schmerzte wie Feuer. Mit pfeifendem Atem hievte er sich über die Kante.
Wenn sie auf ihn wartete, war er tot. Seine Kraft war erschöpft, und er hatte nur noch den Dolch, rot vom Blut seines Bruders. Sls er sich auf dem Plateau auf den Rücken warf und der bittere Regen auf sein Gesicht prasselte, war er jedoch allein.
Vielleicht hatte es ausgereicht, vielleicht hatte er den Dämon in die Hölle zurückgeschickt. Ganz bestimmt aber hatte er sein eigenes Fleisch und Blut der ewigen Verdammnis preisgegeben.
Stöhnend erhob er sich auf alle viere und übergab sich heftig. Die Magie schmeckte wie Asche in seinem Mund.
Dann kroch er zu seinem Stab und stützte sich darauf, um aufzustehen. Keuchend vor Anstrengung taumelte er den Pfad entlang, fort von den Klippen. Den Weg hätte er mit geschlossenen Augen gefunden. Die Wucht des Sturms hatte nachgelassen, und es regnete nur noch.
Er konnte sein Zuhause riechen-Pferd und Heu, die Kräuter, die er zum Schutz verwendete, den rauch des Herdfeuers. Aber er empfand weder Freude noch Triumph.
Er humpelte auf sein Cottage zu, und in sein Keuchen mischten sich Schmerzenslaute. Er wusste, dass er verloren wäre, wenn die Kreatur, die ihm seinen Bruder genommen hatte, jetzt zu ihm käme. Jeder Schatten, jeder Umriss, den die sturmgepeitschten bäume warfen, konnten sein Tod sein. Nein, schlimmer als der Tod. Die Angst davor leckte mit eisigen Zungen über seine Haut, und mit letzter Kraft murmelte er Beschwörungen, die mehr wie Gebete klangen.
Sein Pferd schnaubte und bewegte sich im Stall, als es Witterung von ihm bekam, aber Hoyt ging mit zitternden Knien an ihm vorbei zu dem kleinen Cottage und schleppte sich hinein.
Drinnen war es warm, und die Zaubersprüche, die er zurückgelassen hatte, bevor er zu den Klippen gegangen war, erfüllten noch den Raum. Er verriegelte die Tür, wobei er das Holz mit seinem und Cians Blut beschmierte. Ob dies sie wohl abhalten würde, fragte er sich. Wenn die Überlieferung, die er gelesen hatte, stimmte, konnte sie nicht unaufgefordert eintreten. Er konnte nur darauf vertrauen und hoffen, dass der Schutzzauber, mit dem er sein Haus umgeben hatte, seine Wirkung tat.
Er ließ seinen nassen Umhang achtlos zu Boden gleiten, wobei er kaum der Versuchung widerstehen konnte, sich daneben sinken zu lassen. Er würde sich einen Heil-und stärkungstrank mischen und die Nacht über am Feuer sitzen bleiben. Er würde es schüren und auf das Morgengrauen warten.
Was er tun konnte, hatte er für seine Eltern, seine Schwestern und ihre Familien getan. Jetzt musste er einfach glauben, dass es genug war.
Cian war tot, und was in seiner Gestalt zurückgekommen war, hatte er vernichtet. Er konnte ihnen jetzt nichts mehr antun. Aber die Kreatur, die ihm dies angetan hatte, war dazu in der Lage.
Er würde etwas stärkeres finden, um sie zu beschützen. Und er würde den Dämon erneut jagen. Er wollte sein Leben dessen Vernichtung widmen.
Seine Hände mit den langen Fingern und den breiten Handflächen zitterten, als er seine Flaschen und Tiegel auswählte. Seine sturmblauen Augen waren glasig vor Schmerz - nicht nur sein Körper schmerzte, sondern auch sein Herz. Schuldgefühle lasteten auf ihm wie ein bleierner Umhang.
Er hatte seinen Bruder nicht gerettet. Stattdessen hatte er ihn verdammt und vernichtet, ihn ausgestoßen und weggejagt. Wie hatte er diesen schrecklichen sieg nur erringen können? Cian war körperlich immer der stärkere von ihnen gewesen, und durch den Dämon war er zusätzlich noch gestärkt geworden.
Dann hatte also seine Magie ausgelöscht, was er einmal geliebt hatte. Seine impulsive, fröhliche Hälfte, während er selbst oft langweilig und zu ruhig war. Er war immer schon mehr an seinen Studien und seinen Fähigkeiten interessiert gewesen als am gesellschaftlichen Leben.
Cian hingegen hatte das Spiel und die Kneipen, die Mädchen und Wettkampf geliebt.
»Seine Liebe zum Leben«, murmelte Hoyt, während er arbeitete, »Seine Liebe zum Leben hat ihn umgebracht. Ich habe nur das getötet, was ihn in dem Monster gefangen gehalten hat.«
Er musste es einfach glauben.
Als er seinen Umhang auszog, schmerzte sein gesamter Oberkörper. Seine Haut war mit Prellungen und blauen Flecken übersät, so wie sein Herz mit Trauer und Schuldgefühl. Er trug Salbe auf und begann dann heftig fluchend seine Rippen zu bandagieren. Zwei waren gebrochen, das spürte er ganz deutlich.
Der ritt nach Hause am kommenden Morgen würde alles andere als ein Zuckerschlecken werden.
Er schluckte den trank und humpelte zum Feuer, auf das er Torf gab, sodass die Flammen rot aufleuchteten. Er kochte Tee und wickelte sich in eine Decke. So saß er am Herd, trank von Zeit zu Zeit einen Schluck und grübelte.
Er war von Geburt an mit einer Gabe gesegnet und hatte schon als Kind danach gestrebt, sich ihrer würdig zu erweisen. Oft hatte er sich von allen zurückgezogen und für sich allein studiert und geübt.
Cians Macht war nicht so ausgeprägt, aber Hoyt erinnerte sich auch daran, dass er nie so eifrig gelernt und geübt hatte. Letztendlich hatte Cian mit der Magie nur gespielt und sich und andere damit erheitert.
Und manchmal hatte er Hoyt sogar überredet, mit ihm gemeinsam irgendetwas albernes anzustellen. einmal hatten sie den Jungen, der ihre kleine Schwester in den Schlamm geschubst hatte, in einen langohrigen, iahenden Esel verwandelt.
Wie Cian gelacht hatte. Anschließend hatte Hoyt drei Tage lang panisch daran gearbeitet, den Zauber zurückzunehmen, während sich Cian keinen Deut darum geschert hatte.
Er war doch der geborene Esel. Wir haben ihm nur seine wahre Gestalt gegeben.
Mit zwölf Jahren war Cian wesentlich mehr an Schwertern als an Zaubersprüchen interessiert. Und das war für ihn auch das Beste, dachte Hoyt, als er seinen bitteren Tee trank. Die Zauberei hatte er verantwortungslos betrieben, mit dem Schwert hingegen war er ein wahrer Zauberer gewesen. Letztendlich jedoch hatte ihn weder das Schwert noch die Magie gerettet.
Er lehnte sich zurück. Trotz des warmen Feuers war er völlig durchgefroren. Der Sturm hatte nachgelassen, rüttelte aber immer noch an dem Dach seines Cottages und heulte durch den Wald, in dem es stand.
Aber sonst hörte er nichts bedrohliches. Ungestört konnte er seinen Gedanken und Erinnerungen nachhängen.
Er hätte an jenem Abend mit Cian ins Dorf gehen sollen. Aber er hatte gearbeitet, und ihm war nicht der Sinn nach Ale, nach den Gerüchen und Geräuschen in einer Taverne oder nach Menschen gewesen.
Er hatte keine Frau gewollt, Cian jedoch immer.
Aber wenn er mitgegangen wäre, wenn er einen einzigen verdammten Abend lang seine Arbeit hätte ruhen lassen, dann wäre Cian noch am Leben. Sie beide gemeinsam hätte der Dämon nicht überwältigen können. Dank seiner Gabe hätte er bestimmt gespürt, was sie für ein Geschöpf war, trotz ihrer Schönheit und ihres Auftretens.
Wenn sein Bruder bei ihm gewesen wäre, wäre Cian niemals mit ihr gegangen. Und ihre Mutter bräuchte jetzt nicht zu trauern. Das Grab wäre nie gegraben worden, und - bei den Göttern - die Kreatur, die sie begraben hatten, wäre nie wieder aufgetaucht.
Hätte er die Zeit zurückdrehen können, würde er all seine Fähigkeiten aufgeben, ihnen abschwören, um noch einmal den Moment zu erleben, in dem er seine Arbeit hätte liegen lassen, um seinen Bruder zu begleiten.
»Was nützen mir alle meine Fähigkeiten denn schon? Wozu sind sie gut? Warum verfügt man über magische Kräfte, wenn man noch nicht einmal das Wichtigste im Leben retten kann? Verflucht seien sie.« Er warf seinen Becher durch den kleinen Raum. »Verflucht sollen sie sein, die Götter und Feen. Er war unser Licht, und ihr habt ihn in die Dunkelheit gestoßen.«
Sein ganzes Leben lang hatte Hoyt getan, was von ihm erwartet wurde. Er hatte sich Hunderte kleiner Freuden versagt, um sich ganz seiner Kunst zu widmen. Und jetzt hatten die, die ihm diese Gabe, diese Macht verliehen hatten, sich abgewendet, als ihm sein Bruder genommen wurde?
Und nicht etwa in der Schlacht, noch nicht einmal durch Magie, sondern durch etwas unvorstellbar böses. War das der Lohn für alles, was er getan hatte?
Er schwenkte die Hand vor dem Feuer, und die Flammen züngelten empor. Er warf die Arme hoch, und der Sturm nahm an Gewalt zu, sodass der Wind heulte und kreischte wie eine gefolterte Frau. Das Haus erbebte unter seiner Macht, und die Häute vor den Fenstern waren straff gespannt. Ein kalter Windstoß drang in den Raum, warf Flaschen um und blätterte die Seiten seiner Bücher um. Und er hörte das kehlige Kichern der schwarzen Magie darin.
© 1. Auflage Taschenbuchausgabe Juni 2014 bei Blanvalet Verlag, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
»Und Frauen. tapfere und aufrechte, böse und todbringende Frauen. Ich habe beide gekannt. Diese Geschichte, die ich euch heute erzähle, spielt vor langer, langer Zeit. Sie hat viele Anfänge, aber nur ein Ende.«
Der Wind heulte ums Haus, und der alte Mann ergriff seine Teetasse, um sich die Kehle zu befeuchten. Das Feuer knisterte, und im Schein der flackernden Flammen wirkte sein Gesicht wie von güldenem Blut belebt.
»Dies ist ein Anfang. In den letzten Tagen des Hochsommers stand der Zauberer auf einem Felsen hoch über der tosenden See, während blitze blau über einen schwarzen Himmel zuckten.«
1
Eire, in der Gegend von Chiarrai 1128
Auch in seinem Inneren herrschte sturm, so dunkel und heftig wie auf dem Meer, peitschte sein Blut und tobte innen wie außen, während er auf dem regennassen Felsen stand.
Der Name seines Sturms war Trauer.
Trauer, die aus seinen Augen funkelte wie die Blitze, die über den Himmel zuckten. Trauer, die die Luft erbeben ließ mit dem dumpfen Grollen und Krachen des Donners.
Hoch reckte er seinen Stab und schrie die Zauberworte. Die roten blitze seiner Wut und das tosen des Sturms ließen jeden, der noch draußen war, schleunigst in sein Haus eilen, Türen und Fenster hinter sich verriegeln und die Kinder um sich versammeln, um zu den Göttern zu beten.
Und selbst die Feen in ihre Hügelfestungen zitterten.
Der Felsen bebte, das Meer wurde schwarz wie der Schlund der Hölle, und immer noch tobte der Sturm, und immer noch trauerte er. Der Regen, der aus dem Himmel fiel wie aus einer offenen Wunde, wurde rot wie Blut und kochend heiß, und die Luft roch verbrannt.
Danach hieß sie auf ewig die Nacht der Trauer, und wer sich daran zu erinnern wagte, sprach von dem Zauberer, der hoch aufgerichtet auf der Klippe stand, während der blutige Regen seinen Umhang tränkte und über sein schmales Gesicht rann wie die Tränen des Todes, als er Himmel und Hölle verfluchte.
Er hieß Hoyt, seine Familie waren die Mac Cionaoith, die angeblich von Morrigan abstammte, der Feenkönigin und Göttin. er besaß große Macht, aber er war noch sehr jung und übte sie mit einer Leidenschaft aus, die keinen Raum für Vorsicht, für Pflicht, für Licht ließ. Sie war sein Schwert und seine Lanze.
Er rief in diesem furchtbaren Sturm den Tod an.
Und im Heulen des Windes wandte er dem aufgewühlten Meer den Rücken zu, und dort stand, was er gerufen hatte. Sie - denn sie war einmal eine Frau gewesen - lächelte. Sie war unglaublich schön und kalt wie der Winter. Ihre Augen waren lichtblau, ihre Lippen rosig wie Rosenblüten, ihre Haut milchweiß. Ihre Stimme klang wie Musik; die Stimme einer Sirene, die schon unzählige Männer ins Verderben gestürzt hatte.
»Du hast es eilig, mich zu sehen. Wartest du so ungeduldig auf meinen Kuss, Mac Cionaoith?«
»Hast du meinen Bruder getötet?«
»Der Tod ist ...« ohne auf den Regen zu achten, schob sie ihre Kapuze zurück. »Komplex. Du bist zu jung, um seine Größe zu verstehen. Ich gab ihm ein kostbares, mächtiges Geschenk.«
»Du hast ihn verdammt.«
»Oh.« sie machte eine geringschätzige Geste. »Ein kleiner Preis für die Ewigkeit. Ihm gehört jetzt die Welt, und er nimmt sich, was immer er begehrt. Er weiß mehr, als du dir jemals träumen lässt. Er gehört jetzt mir, mehr als er jemals dein war.«
»Dämon, sein Blut klebt an deinen Händen, und bei der Göttin, ich werde dich vernichten.«
Sie lachte fröhlich, wie ein Kind, dem man einen besonderen Leckerbissen verspricht. »An meinen Händen, in meiner Kehle. So wie mein Blut in seinem. Er ist jetzt wie ich, ein Kind der Nacht und der Schatten. Willst du etwa auch deinen eigenen Bruder vernichten? Deinen Zwillingsbruder? «
Der schwarze Bodennebel glitt wie Seide auseinander, als sie hindurchschritt. »Ich rieche deine Macht und deine Trauer und auch dein Staunen. Hier, an dieser Stelle, biete ich dir ein Geschenk an. Ich werde dich wieder zu seinem Zwillingsbruder machen, Hoyt Mac Cionaoith. Ich schenke dir den Tod, der ewiges Leben ist.«
Er senkte seinen Stab und blickte sie durch den Regenschleier hindurch an. »Sag mir deinen Namen.«
Sie schwebte jetzt über dem Nebel, und ihr roter Umhang bauschte sich. Über dem eng geschnürten Mieder ihres Kleides wölbten sich die weißen Halbkugeln ihrer brüste. Er verspürte schreckliche Erregung, obwohl er den scharfen Gestank ihrer Macht roch.
»Ich habe so viele«, entgegnete sie und berührte seinen Arm - wie war sie ihm so nahe gekommen? - mit der Fingerspitze. »Willst du meinen Namen sagen, wenn wir uns vereinen? Willst du ihn auf den Lippen schmecken, so wie ich dich schmecke?«
Seine Kehle war trocken und brannte. Er ertrank in ihren blauen, zärtlichen Augen. »Ja, ich will wissen, was mein Bruder weiß.«
Wieder lachte sie, aber dieses Mal war es ein kehliger Laut. Hungrig wie bei einem wilden Tier. Und die sanften, blauen Augen röteten sich.
»Eifersüchtig?«
Sie streifte seine Lippen mit ihren, und sie waren kalt, bitterkalt. Und doch so verführerisch. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. »Ich will sehen, was mein Bruder sieht.«
Er legte seine Hand auf eine weiße Brust, aber darunter regte sich nichts. »Sag mir deinen Namen.«
Lächelnd entblößte sie ihre weißen Eckzähne. »Es ist Lilith, die dich nimmt. Es ist Lilith, die dich macht. Dein Blut wird sich mit meinem Mischen, und wir werden diese Welt und alle anderen Welten beherrschen.«
Sie warf den Kopf zurück, und in diesem Augenblick stieß Hoyt ihr mit aller Kraft seinen Stab mitten ins Herz.
Ihr schrei zerriss die Nacht und mischte sich in das Heulen des Sturms. Er war nicht menschlich und auch nicht der eines wilden Tieres. Sie war der Dämon, der ihm seinen Bruder genommen hatte, der seine böse Natur hinter kalter Schönheit verbarg und aus einem Herzen blutete, das nicht schlug.
Zuckend stieg sie empor in die blitze, die den Himmel zerrissen. Vor Entsetzen versagte ihm die stimme, und die Worte, die er eigentlich sprechen musste, wurden in dem Blut ertränkt, das sich wie klebriger Nebel auf ihn legte.
»Wie kannst du es wagen!«, zischte sie wütend mit schmerzverzerrter stimme. »Du willst deine armselige Zauberkraft auf mich anwenden? Ich wandere seit tausend Jahren durch die Welt.« Sie fuhr sich über die Wunde und streckte ihre blutige Hand aus.
Und als die tropfen auf Hoyts arm fielen, zerschnitten sie die Haut wie Messer.
»Lilith! Du bist ausgestoßen! Lilith, du bist bezwungen! Bei meinem Blut.« Er zog einen Dolch aus seinem Umhang und stach in seine Handfläche. »Beim Blut der Götter, das durch meine Adern fließt, kraft meiner Geburt, verstoße ich dich ...«
Dicht am Boden kam etwas auf ihn zugeflogen und stürzte sich mit wilder, wütender Kraft auf ihn. sie rangen miteinander und stürzten über die Klippe auf die zerklüfteten Felsen darunter. Durch Wellen von Schmerz und Angst hindurch sah er das Gesicht des Geschöpfs, das einmal sein Bruder gewesen war.
Hoyt roch Tod und Blut, und an den roten Augen erkannte er, dass sein Bruder ein wildes Tier geworden war. Und doch flackerte noch ein winziges Licht der Hoffnung in seinem Herzen.
»Cian. Hilf mir, ihr Einhalt zu gebieten. Noch haben wir eine Chance.«
»Fühlst du, wie stark ich bin?« Cian legte seine Hände um Hoyts Hals und drückte zu. »Und das ist nur der Anfang. Ich habe die Ewigkeit vor mir.« Er beugte sich vor und leckte, beinahe spielerisch, Blut von Hoyts Gesicht. »Sie will dich für sich, aber ich habe Hunger. Schrecklichen Hunger. Und schließlich ist dein Blut auch meins.«
Er entblößte seine Reißzähne, aber als er sie in den Hals seines Bruders schlagen wollte, stieß Hoyt mit dem Dolch zu.
Aufheulend wich Cian zurück. Schmerz und Schreck durchfuhren sein Gesicht, als er die Hand auf die Wunde presste. Langsam fiel er vornüber. Einen Augenblick lang glaubte Hoyt, seinen Bruder, seinen wahren Bruder zu sehen, und dann umgaben ihn nur noch das Heulen des Sturms und der prasselnde Regen.
Mühsam zog er sich zur Klippe hinauf, suchte Halt mit Händen, die schlüpfrig waren von Blut, Schweiß und Regen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht zog er sich Zentimeter für Zentimeter hinauf, und die Stelle am Hals, die die Fangzähne geritzt hatten, schmerzte wie Feuer. Mit pfeifendem Atem hievte er sich über die Kante.
Wenn sie auf ihn wartete, war er tot. Seine Kraft war erschöpft, und er hatte nur noch den Dolch, rot vom Blut seines Bruders. Sls er sich auf dem Plateau auf den Rücken warf und der bittere Regen auf sein Gesicht prasselte, war er jedoch allein.
Vielleicht hatte es ausgereicht, vielleicht hatte er den Dämon in die Hölle zurückgeschickt. Ganz bestimmt aber hatte er sein eigenes Fleisch und Blut der ewigen Verdammnis preisgegeben.
Stöhnend erhob er sich auf alle viere und übergab sich heftig. Die Magie schmeckte wie Asche in seinem Mund.
Dann kroch er zu seinem Stab und stützte sich darauf, um aufzustehen. Keuchend vor Anstrengung taumelte er den Pfad entlang, fort von den Klippen. Den Weg hätte er mit geschlossenen Augen gefunden. Die Wucht des Sturms hatte nachgelassen, und es regnete nur noch.
Er konnte sein Zuhause riechen-Pferd und Heu, die Kräuter, die er zum Schutz verwendete, den rauch des Herdfeuers. Aber er empfand weder Freude noch Triumph.
Er humpelte auf sein Cottage zu, und in sein Keuchen mischten sich Schmerzenslaute. Er wusste, dass er verloren wäre, wenn die Kreatur, die ihm seinen Bruder genommen hatte, jetzt zu ihm käme. Jeder Schatten, jeder Umriss, den die sturmgepeitschten bäume warfen, konnten sein Tod sein. Nein, schlimmer als der Tod. Die Angst davor leckte mit eisigen Zungen über seine Haut, und mit letzter Kraft murmelte er Beschwörungen, die mehr wie Gebete klangen.
Sein Pferd schnaubte und bewegte sich im Stall, als es Witterung von ihm bekam, aber Hoyt ging mit zitternden Knien an ihm vorbei zu dem kleinen Cottage und schleppte sich hinein.
Drinnen war es warm, und die Zaubersprüche, die er zurückgelassen hatte, bevor er zu den Klippen gegangen war, erfüllten noch den Raum. Er verriegelte die Tür, wobei er das Holz mit seinem und Cians Blut beschmierte. Ob dies sie wohl abhalten würde, fragte er sich. Wenn die Überlieferung, die er gelesen hatte, stimmte, konnte sie nicht unaufgefordert eintreten. Er konnte nur darauf vertrauen und hoffen, dass der Schutzzauber, mit dem er sein Haus umgeben hatte, seine Wirkung tat.
Er ließ seinen nassen Umhang achtlos zu Boden gleiten, wobei er kaum der Versuchung widerstehen konnte, sich daneben sinken zu lassen. Er würde sich einen Heil-und stärkungstrank mischen und die Nacht über am Feuer sitzen bleiben. Er würde es schüren und auf das Morgengrauen warten.
Was er tun konnte, hatte er für seine Eltern, seine Schwestern und ihre Familien getan. Jetzt musste er einfach glauben, dass es genug war.
Cian war tot, und was in seiner Gestalt zurückgekommen war, hatte er vernichtet. Er konnte ihnen jetzt nichts mehr antun. Aber die Kreatur, die ihm dies angetan hatte, war dazu in der Lage.
Er würde etwas stärkeres finden, um sie zu beschützen. Und er würde den Dämon erneut jagen. Er wollte sein Leben dessen Vernichtung widmen.
Seine Hände mit den langen Fingern und den breiten Handflächen zitterten, als er seine Flaschen und Tiegel auswählte. Seine sturmblauen Augen waren glasig vor Schmerz - nicht nur sein Körper schmerzte, sondern auch sein Herz. Schuldgefühle lasteten auf ihm wie ein bleierner Umhang.
Er hatte seinen Bruder nicht gerettet. Stattdessen hatte er ihn verdammt und vernichtet, ihn ausgestoßen und weggejagt. Wie hatte er diesen schrecklichen sieg nur erringen können? Cian war körperlich immer der stärkere von ihnen gewesen, und durch den Dämon war er zusätzlich noch gestärkt geworden.
Dann hatte also seine Magie ausgelöscht, was er einmal geliebt hatte. Seine impulsive, fröhliche Hälfte, während er selbst oft langweilig und zu ruhig war. Er war immer schon mehr an seinen Studien und seinen Fähigkeiten interessiert gewesen als am gesellschaftlichen Leben.
Cian hingegen hatte das Spiel und die Kneipen, die Mädchen und Wettkampf geliebt.
»Seine Liebe zum Leben«, murmelte Hoyt, während er arbeitete, »Seine Liebe zum Leben hat ihn umgebracht. Ich habe nur das getötet, was ihn in dem Monster gefangen gehalten hat.«
Er musste es einfach glauben.
Als er seinen Umhang auszog, schmerzte sein gesamter Oberkörper. Seine Haut war mit Prellungen und blauen Flecken übersät, so wie sein Herz mit Trauer und Schuldgefühl. Er trug Salbe auf und begann dann heftig fluchend seine Rippen zu bandagieren. Zwei waren gebrochen, das spürte er ganz deutlich.
Der ritt nach Hause am kommenden Morgen würde alles andere als ein Zuckerschlecken werden.
Er schluckte den trank und humpelte zum Feuer, auf das er Torf gab, sodass die Flammen rot aufleuchteten. Er kochte Tee und wickelte sich in eine Decke. So saß er am Herd, trank von Zeit zu Zeit einen Schluck und grübelte.
Er war von Geburt an mit einer Gabe gesegnet und hatte schon als Kind danach gestrebt, sich ihrer würdig zu erweisen. Oft hatte er sich von allen zurückgezogen und für sich allein studiert und geübt.
Cians Macht war nicht so ausgeprägt, aber Hoyt erinnerte sich auch daran, dass er nie so eifrig gelernt und geübt hatte. Letztendlich hatte Cian mit der Magie nur gespielt und sich und andere damit erheitert.
Und manchmal hatte er Hoyt sogar überredet, mit ihm gemeinsam irgendetwas albernes anzustellen. einmal hatten sie den Jungen, der ihre kleine Schwester in den Schlamm geschubst hatte, in einen langohrigen, iahenden Esel verwandelt.
Wie Cian gelacht hatte. Anschließend hatte Hoyt drei Tage lang panisch daran gearbeitet, den Zauber zurückzunehmen, während sich Cian keinen Deut darum geschert hatte.
Er war doch der geborene Esel. Wir haben ihm nur seine wahre Gestalt gegeben.
Mit zwölf Jahren war Cian wesentlich mehr an Schwertern als an Zaubersprüchen interessiert. Und das war für ihn auch das Beste, dachte Hoyt, als er seinen bitteren Tee trank. Die Zauberei hatte er verantwortungslos betrieben, mit dem Schwert hingegen war er ein wahrer Zauberer gewesen. Letztendlich jedoch hatte ihn weder das Schwert noch die Magie gerettet.
Er lehnte sich zurück. Trotz des warmen Feuers war er völlig durchgefroren. Der Sturm hatte nachgelassen, rüttelte aber immer noch an dem Dach seines Cottages und heulte durch den Wald, in dem es stand.
Aber sonst hörte er nichts bedrohliches. Ungestört konnte er seinen Gedanken und Erinnerungen nachhängen.
Er hätte an jenem Abend mit Cian ins Dorf gehen sollen. Aber er hatte gearbeitet, und ihm war nicht der Sinn nach Ale, nach den Gerüchen und Geräuschen in einer Taverne oder nach Menschen gewesen.
Er hatte keine Frau gewollt, Cian jedoch immer.
Aber wenn er mitgegangen wäre, wenn er einen einzigen verdammten Abend lang seine Arbeit hätte ruhen lassen, dann wäre Cian noch am Leben. Sie beide gemeinsam hätte der Dämon nicht überwältigen können. Dank seiner Gabe hätte er bestimmt gespürt, was sie für ein Geschöpf war, trotz ihrer Schönheit und ihres Auftretens.
Wenn sein Bruder bei ihm gewesen wäre, wäre Cian niemals mit ihr gegangen. Und ihre Mutter bräuchte jetzt nicht zu trauern. Das Grab wäre nie gegraben worden, und - bei den Göttern - die Kreatur, die sie begraben hatten, wäre nie wieder aufgetaucht.
Hätte er die Zeit zurückdrehen können, würde er all seine Fähigkeiten aufgeben, ihnen abschwören, um noch einmal den Moment zu erleben, in dem er seine Arbeit hätte liegen lassen, um seinen Bruder zu begleiten.
»Was nützen mir alle meine Fähigkeiten denn schon? Wozu sind sie gut? Warum verfügt man über magische Kräfte, wenn man noch nicht einmal das Wichtigste im Leben retten kann? Verflucht seien sie.« Er warf seinen Becher durch den kleinen Raum. »Verflucht sollen sie sein, die Götter und Feen. Er war unser Licht, und ihr habt ihn in die Dunkelheit gestoßen.«
Sein ganzes Leben lang hatte Hoyt getan, was von ihm erwartet wurde. Er hatte sich Hunderte kleiner Freuden versagt, um sich ganz seiner Kunst zu widmen. Und jetzt hatten die, die ihm diese Gabe, diese Macht verliehen hatten, sich abgewendet, als ihm sein Bruder genommen wurde?
Und nicht etwa in der Schlacht, noch nicht einmal durch Magie, sondern durch etwas unvorstellbar böses. War das der Lohn für alles, was er getan hatte?
Er schwenkte die Hand vor dem Feuer, und die Flammen züngelten empor. Er warf die Arme hoch, und der Sturm nahm an Gewalt zu, sodass der Wind heulte und kreischte wie eine gefolterte Frau. Das Haus erbebte unter seiner Macht, und die Häute vor den Fenstern waren straff gespannt. Ein kalter Windstoß drang in den Raum, warf Flaschen um und blätterte die Seiten seiner Bücher um. Und er hörte das kehlige Kichern der schwarzen Magie darin.
© 1. Auflage Taschenbuchausgabe Juni 2014 bei Blanvalet Verlag, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
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Autoren-Porträt von Nora Roberts
Nora Roberts wurde 1950 in Maryland geboren. Ihren ersten Roman veröffentlichte sie 1981. Inzwischen zählt sie zu den meistgelesenen Autorinnen der Welt: Ihre Bücher haben eine weltweite Gesamtauflage von über 500 Millionen Exemplaren. Auch in Deutschland erobern ihre Bücher und Hörbücher regelmäßig die Bestsellerlisten. Nora Roberts hat zwei erwachsene Söhne und lebt mit ihrem Ehemann in Maryland.Unter dem Namen J. D. Robb veröffentlicht Nora Roberts seit Jahren ebenso erfolgreich Kriminalromane.
Bibliographische Angaben
- Autor: Nora Roberts
- 2014, Neuveröffentlichung, 416 Seiten, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Margarethe van Pée
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3442383552
- ISBN-13: 9783442383559
- Erscheinungsdatum: 15.05.2014
Kommentar zu "Grün wie die Hoffnung / Ring Trilogie Bd.1"