Heute und für immer
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"Nora Roberts ist stets unterhaltsam, oft klug und manchmal schockierend." -- USA Today
Heute undfür immer von Nora Roberts
LESEPROBE
Die Dämmerung war hereingebrochen, jenes seltsame, beinahemystische Zwischenspiel des Tages, wenn es für kurze Zeit hell und dunkelzugleich ist. In wenigen Augenblicken würde die untergehende Sonne den nochazurblauen Himmel in eine glühende Feuersbrunst verwandeln. Dann würden dieSchatten länger werden, und die Vögel allmählich verstummen.
Kasey stand am Fuße der breiten Steintreppe, die zum Taylor Mansionemporführte. Beeindruckt ließ sie ihren Blick an den massiven weißen Säulen,den rostroten Backsteinen und den glitzernden Fensterfronten entlangwandern. Esgab drei Stockwerke. Da und dort drang gedämpftes Licht durch geschlosseneVorhänge nach draußen. Das Gebäude strahlte wohlhabende Würde aus. Altes Geldund den damit verbundenen Stolz.
Beängstigend, dachte sie, während sie den Blick noch einmal über diealtehrwürdige Fassade schweifen ließ.
Kasey ließ den Messingtürklopfer gegen das schwere Eichenportal fallen. DasEcho des dumpfen Schlags hallte gespenstisch durch die Dämmerung. Tapfer gegendie beklemmende Stimmung anlächelnd, drehte Kasey sich um und blickte in denHimmel hinauf, um noch einmal das Farbenspiel zu bewundern. Hinter ihr wurdeein Türflügel geöffnet. Kasey fuhr herum und sah sich einer kleinen,dunkelhäutigen jungen Frau in schwarzer Dienstbotenuniform mit blütenweißer,gestärkter Schürze gegenüber.
Wie im Film, schoss es ihr durch den Kopf, und sie musste erneut lächeln. DieGeschichte ließ sich recht abenteuerlich an.
»Hallo.«
»Guten Abend, Maam«, grüßte das Mädchen höflich, blieb aber wie einPalastwächter in der Tür stehen.
»Guten Abend«, grüßte Kasey leicht amüsiert zurück. »Ich glaube, Mr. Taylorerwartet mich.«
»Miss Wyatt?« Das Mädchen musterte sie misstrauisch und machte keine Anstalten,den Weg freizugeben. »So viel ich weiß, rechnet Mr. Taylor erst morgen mitIhrer Ankunft.«
»Ja, das ist richtig, aber nun bin ich schon früher gekommen.« Immer nochlächelnd, trat sie an dem Dienstmädchen vorbei in die Halle. »Vielleicht wärenSie so freundlich, Mr. Taylor Bescheid zu geben«, schlug sie vor. Eindreiarmiger Kerzenleuchter warf tanzende Lichtkreise auf den kostbarenPerserteppich.
Mit einem besorgten Blick in Kaseys Richtung schloss das Mädchen die Tür. »WennSie bitte hier warten wollen«, sagte es und deutete auf einen zierlichenLouis-Seize-Sessel. »Ich werde Mr. Taylor Ihre Ankunft melden.«
»Danke, sehr freundlich«, erwiderte Kasey abwesend. Sie hatte an dergegenüberliegenden Wand ein Selbstporträt von Rembrandt entdeckt. DieHausangestellte huschte lautlos davon. Kasey studierte das Bild und wandte sichdann dem nächsten Gemälde zu. Ein Renoir. Das Haus ist ein wahres Museum,dachte sie und schlenderte durch die Halle wie durch eine Galerie. IhrerAnsicht nach sollten solche Kunstschätze der Öffentlichkeit zugänglich sein,damit möglichst viele Menschen sie ansehen und sich an ihnen erfreuen konnten.Ob in diesen Gemäuern überhaupt jemand wohnt?, fragte sie sich unwillkürlichund strich mit dem Zeigefinger ehrfürchtig über einen der dicken Goldrahmen.
Vom Klang gedämpfter Stimmen aus ihren Betrachtungen gerissen, drehte sie sichum und lauschte unvermittelt den gemurmelten Worten. »Sie ist eine derführenden Experten auf dem Gebiet der Indianischen Kultur, Jordan. Ihre jüngsteVeröffentlichung fand in der Fachwelt großes Interesse. Dabei ist sie mit ihrenfünfundzwanzig Jahren noch ein Baby in der sozusagen altehrwürdigen Riege derAnthropologen.«
»Das ist mir bewusst, Harry, sonst hätte ich deinen Vorschlag, sie alsBeraterin für mein Buch hinzuzuziehen, wohl kaum angenommen.« Jordan Taylornippte an seinem Aperitif, den er sich stets vor dem Dinner genehmigte. Ertrank ihn langsam und mit Genuss. Der Martini war trocken und mit dem kleinenSchuss Wermut genau nach seinem Geschmack gemixt. »Dennoch frage ich michernsthaft, wie sich die nächsten Monate gestalten werden. Gelehrte Damen dieserFachgebiete machen mir immer ein wenig Angst und ich zähle sie eigentlich nichtzu meiner bevorzugten Gesellschaft.«
»Du suchst ja auch keine Gesellschafterin, Jordan«, parierte seinGesprächspartner trocken und angelte eine Olive aus seinem Martiniglas. »Was dusuchst, ist ein Experte für Indianische Kultur. Und genau den beziehungsweisedie Expertin hast du gefunden«, setzte er hinzu und schluckte die Olivehinunter. »Außerdem kann ein kluges Gegenüber durchaus für Unterhaltungsorgen.«
Jordan Taylor stellte sein Glas ab. Eine gewisse Unruhe hatte ihn erfasst, dieer sich nicht erklären konnte. »Ich glaube kaum, dass ich deine Miss Wyatt alsunterhaltend empfinden werde.« Er versenkte die Hände in den Taschen seinermaßgeschneiderten Flanellhose und beobachtete, wie sein Freund sein Glas miteinem Schluck leerte. »Weißt du, ich sehe die gelehrte Dame schon bildlich vormir: aschblondes Haar, streng aus dem hageren Gesicht gekämmt, auf der langen,spitzen Nase eine altmodische Hornbrille mit dicken Eulengläsern. Das Ganze ineinem formlosen grauen Kostüm verpackt, um die fehlenden Kurven zu kaschieren,dazu solide Halbschuhe aus dem Fachgeschäft für orthopädische Schuhe, Größezweiundvierzig.«
»Achtunddreißig.«
Die beiden Männer fuhren in einer synchronen Bewegung herum und erstarrten.
»Hallo, Mr. Taylor«, sagte Kasey fröhlich. Sie ging auf die beiden zu undstreckte Jordan eine Hand entgegen. »Und Sie müssen Dr. Rhodes sein. Wir habenin den vergangenen Wochen eifrig miteinander korrespondiert, nicht wahr? Ichfreue mich, Sie kennen zu lernen.«
»Ja, nun - ich « Harry warf ihr einen verlegenen Blick zu.
»Ich bin Kathleen Wyatt.« Sie schenkte ihm ein hinreißendes Lächeln, ehe siesich wieder Jordan zuwandte. »Wie Sie sehen, trage ich mein Haar nicht strengzurückgekämmt. Es würde sich auch jedem Versuch widersetzen, es in dieser Artzu bändigen«, fügte sie hinzu und zupfte an einer der Korkenzieherlocken, dieihr frech in die Stirn fielen.
»Zu meiner Haarfarbe möchte ich bemerken, dass diese in Friseurfachkreisen alsGoldblond bezeichnet wird.« Ihre Stimme klang ganz sanft. »Und hager würde ichmein Gesicht auch nicht nennen, obwohl ich recht ausgeprägte Wangenknochenbesitze, die ich persönlich sehr hübsch finde. Hätte vielleicht einer derHerren Feuer für mich?«
Kasey kramte in ihrer Handtasche nach den Zigaretten und warf Harry Rhodesdabei einen erwartungsvollen Blick zu. Er zog hastig ein Feuerzeug aus seinerSakkotasche. »Vielen Dank. Wo war ich stehen geblieben? Ach, ja«, setzte Kaseyihren Monolog fort, noch ehe einer der beiden Männer den Mund aufmachen konnte.»Zum Thema Brille möchte ich bemerken, dass ich tatsächlich mitunter einetrage, allerdings nur zum Lesen und vorausgesetzt, ich finde sie. Aber ichglaube nicht, dass Sie das gemeint hatten. Hm, was könnte ich Ihnen denn sonstnoch von mir erzählen Darf ich mich setzen? Meine Schuhe bringen mich um.«Ohne eine Antwort abzuwarten, ließ sie sich auf einem Brokatsessel nieder undschnippte die Asche ihrer Zigarette in einen kristallenen Aschenbecher. »MeineSchuhgröße ist Ihnen ja bereits bekannt.« Damit lehnte sie sich zurück undfixierte Jordan Taylor aus tiefgrünen Augen. (...)
© Heyne Verlag
Übersetzung: ChristineRoth-Drabussenig
- Autor: Nora Roberts
- 2005, 240 Seiten, Maße: 12 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Dtsch. v. Christine Roth
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 345349024X
- ISBN-13: 9783453490246
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