Das Verlies / Julia Durant Bd.7
Von einem Tag auf den anderen verschwindet der Autohändler Rolf Lura spurlos. Ein Fall für Julia Durant? Die Frankfurter Kommissarin und ihr Team vermuten ein Verbrechen, vor allem als sich herausstellt, dass Rolfs Frau schon seit längerem...
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Von einem Tag auf den anderen verschwindet der Autohändler Rolf Lura spurlos. Ein Fall für Julia Durant? Die Frankfurter Kommissarin und ihr Team vermuten ein Verbrechen, vor allem als sich herausstellt, dass Rolfs Frau schon seit längerem ein Verhältnis mit seinem besten Freund Werner Becker hatte.
Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren, doch dann verschwindet plötzlich auch Becker.
sich erklären, was mit ihm passiert ist - auch nicht seine Frau. Ein Fall für Julia Durant? Die Frankfurter Kommissarin und ihr Team vermuten ein Verbrechen, vor allem als sich herausstellt, dass Rolfs Frau schon seit längerem ein Verhältnis mit seinem besten Freund Werner Becker hatte. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren, doch dann verschwindet plötzlich auch Becker ...
Das Verlies von Andreas Franz: Spannung pur!
Das Verlies von Andreas Franz
LESEPROBE
Melissa Roth stand etwa zehn Meter neben derBushaltestelle, holte einen kleinen Spiegel und den Lippenstift aus derHandtasche, steckte aber beides wieder zurück, nachdem sie festgestellt hatte,dass ihre Lippen noch keine Auffrischung brauchten. Sie trug einen kurzenhellen Rock, halb hohe Schuhe und eine dünne Jacke. Ihr langes blondes Haarhatte sie zu einem Zopf geflochten, der fast bis zum Po reichte. Sie warhübsch, eine der hübschesten jungen Frauen, die er kannte, eigentlich sogar diehübscheste, wenn er es recht betrachtete. An der Uni drehten alle Männer dieKöpfe nach ihr um, die Schwulen vielleicht ausgenommen, und es gab kaum einenStudenten oder sogar Professor, der nicht gerne etwas mit ihr angefangen hätte.Sie war eine hervorragende Studentin, aber auf eine gewisse Weise auch einkleines Luder. Seit er sie kannte, hatte sie mindestens fünf Kerle gehabt,darunter auch ein Professor. Die längste Liaison dauerte ungefähr zwei Wochen.Er hatte alles akribisch notiert. Sie war in seinem BWL-Kurs, außerdem hattesie noch Anglistik belegt. Vor einigen Tagen aber hatte er zufällig erfahren,dass sie eventuell vorhatte, diesen ganzen trockenen Kram hinzuschmeißen undstattdessen auf Kunst umzusatteln. Einige Male hatten sie sich kurz überBelanglosigkeiten unterhalten, meist beim Verlassen des Hörsaals, mehr aberauch nicht. Sie war für ihn ein weit entfernter Traum, er offensichtlich nichtihr Typ, was sie ihm durch die Blume zu verstehen gegeben hatte, als sie eineEinladung zum Essen ablehnte. Es war die Art, wie sie ablehnte, die ihn wütendgemacht hatte. Er hatte ihr zwar seinen Namen genannt, doch sie hatte ihnbestimmt längst vergessen. Aber das würde sich bald ändern. Seit exaktzweiundfünfzig Tagen beobachtete er Melissa, seit er sie zum ersten Mal gesehenhatte. Er führte genau Buch über ihre Aktivitäten außerhalb der Uni und wusste,mit wem sie heute Abend verabredet war. Sie ließ sich nie von ihrer Wohnungabholen, sondern stets an dieser Bushaltestelle, und sie hatte auch noch nieeine ihrer Bekanntschaften mit zu sich nach oben genommen. Anscheinend zog siees vor, es mit den Kerlen in deren Buden zu treiben, denn nicht selten kam sieerst gegen drei oder vier Uhr morgens zurück. Auch heute lief wieder alles wiegewohnt ab. Aber diesmal kam derjenige nicht. Es verschaffte ihm eine großeGenugtuung, und er musste hämisch grinsen, wenn er sich das Gesicht des Typenvorstellte, als der sich die Bescherung betrachtete. Aber in den letzten zweiWochen zog eine Bande von Reifenstechern durch die westlichen VororteSindlingen und Zeilsheim, weshalb es auch diesmal nur einer von vielenVersicherungsfällen sein würde. Er selbst hatte lange auf diesen Momentgewartet. Der Bus hielt, in ihm nur ein älterer Mann außer dem Fahrer. Melissawinkte ab, die Türen schlossen sich wieder mit einem Zischen. In immer kürzerenAbständen warf sie einen Blick auf die Uhr, drehte sich ab und zu in dieRichtung, aus der ihr derzeitiger Galan kommen musste, doch ihrGesichtsausdruck wurde von Sekunde zu Sekunde ärgerlicher. Für halb neun hattensie sich verabredet, und sie hasste Unpünktlichkeit. Der Himmel war jetzt schonden zweiten Tag zugezogen, immer wieder hatte es kurze Schauer gegeben, derWind war mäßig, die Temperatur beinahe frühlingshaft mild. Für Weihnachten hattendie Meteorologen ebenfalls milde Temperaturen vorausgesagt, aber irgendwannwürde der Winter trotzdem Einzug halten. Nach einer knappen halben Stunde warihre Geduld am Ende. Sie war sehr dünn angezogen und fror trotz der zwölf Gradplus und machte sich auf den Weg zurück zu ihrer Wohnung. In diesem Moment fuhrer mit seinem erst wenige Tage alten BMW 2002 aus der Parklücke, von wo aus ersie immer beobachtete, und um die Ecke und hielt direkt neben ihr. Er kurbeltedas Seitenfenster herunter und lächelte sie an. »Hi. Was machst du denn hier?«,fragte er und tat überrascht, sie zu sehen. Sie blickte ihn wie einwillkommenes Geschenk an, das ihr den Abend versüßen würde, und zuckte mit denSchultern. »Das frag ich mich allerdings auch. Ich bin verabredet, das heißt,eigentlich war ich verabredet, aber dieser Idiot « »Wollen wir was trinkengehen? Oder essen? Ich lad dich ein«, sagte er schnell. Sie zögerte einenMoment, schaute ins Wageninnere und sah den aufmunternden Blick. »Warumeigentlich nicht. Wenn er jetzt noch kommt, hat er eben Pech gehabt. Und wohinwillst du mich entführen?«, fragte sie neckisch lächelnd und setzte sich aufden Beifahrersitz. »Lass dich überraschen«, antwortete er vielsagend und gabGas. Er bog an der Ampel rechts ab, nahm die Straße, die aus Frankfurthinausführte. Nur wenige Autos waren unterwegs, bei diesem Regenwetterverkrochen sich die meisten Leute lieber in ihren Wohnungen. DieScheibenwischer bewegten sich in monotonem Takt, das Radio spielte leise Musik,sie unterhielten sich einmal mehr über unwichtige Dinge wie das Wetter. »Ichdachte, wir fahren in die Innenstadt«, sagte Melissa eher belanglos, nachdemsie merkte, dass sie die Stadtgrenze bereits hinter sich gelassen hatten. »Diebesten Lokale gibt es außerhalb. Mit wem warst du eigentlich verabredet?«,fragte er scheinheilig. »Kennst du nicht«, entgegnete sie und schaute aus demFenster in die Dunkelheit. »Wir wollten essen gehen « »Woher willst du wissen,dass ich ihn nicht kenne?« »Also gut«, antwortete sie und verdrehte die Augen,was er nicht sehen konnte, »er heißt Tobias. Ist in meinem Anglistikkurs. Dukannst ihn also nicht kennen.« Und nach einer Weile: »Aber er istunzuverlässig. Was machst du eigentlich so außerhalb der Uni?« »Was schon«,sagte er, zuckte mit den Schultern und grinste. »Lernen, lernen, lernen. Undnebenbei ein bisschen arbeiten.« »Aber heute Abend nicht«, erwiderte sie mitkokettem Augenaufschlag und sah ihn von der Seite an. »Einmal in der Woche, dashab ich mir vorgenommen, können mir die Bücher gestohlen bleiben. Und dieseseine Mal ist heute.« »Na gut. Jetzt sag schon, wo wir hinfahren.« Melissa holteeine Zigarette aus der Tasche und wollte sie anzünden. »Bitte nicht rauchen.Das kannst du doch nachher im Lokal machen. Ich mag keinen Rauch.« »Bisschenspießig, was?«, fragte sie spöttisch. »Nee, nur gesundheitsbewusst.« »Undverrätst du mir jetzt, wo wir hinfahren?« »Gleich sind wir da«, antwortete erund bog kurz darauf in einen asphaltierten Waldweg ein, an dessen Beginn einSchild stand mit der Aufschrift: Privatweg - Betreten verboten. Sie runzeltedie Stirn, ihr bis dahin gelöster Gesichtsausdruck wurde schlagartig ernst.»He, was soll das? Wo sind wir hier?«, sagte sie mit einem ängstlichen Untertonin der Stimme. »Wart doch mal ab«, antwortete er, während er innerlichangespannt wie selten zuvor war und wieder beschleunigte. »Fahr mich bittesofort nach Hause«, forderte sie. »Piano, piano«, beschwichtigte er sie. »Duhast doch nicht etwa Angst, oder?« Und nach ein paar Sekunden: »Komm, vor mirbrauchst du keine Angst zu haben, ich tu dir nichts, Ehrenwort « »Ich willtrotzdem bitte sofort nach Hause!« »Jetzt mach aber mal halblang, okay!«,herrschte er sie scharf an und trat abrupt auf die Bremse, woraufhin siebeinahe mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe geprallt wäre. »Du bisteingestiegen und mit mir mitgefahren. Und ab sofort machst du genau das, wasich dir sage, kapiert!« »Willst du mich vergewaltigen?«, fragte sie mit einemMal ruhig und sah ihm in die Augen, doch es gelang ihr nicht ganz, ihre Angstzu verbergen. »Du kannst es auch so haben, ich wollte sowieso schon mal « »Waswolltest du sowieso schon mal?«, fragte er misstrauisch. »Meinst du vielleicht,du bist mir bisher nicht aufgefallen? Du siehst gut aus, du Na ja, aber duhast dich nie getraut, mich anzusprechen, außer dieser blöden Essenseinladungzwischen Tür und Angel. Und ich mache grundsätzlich nicht den ersten Schritt.Ich stehe auf die gute alte Schule, wenn du verstehst, was ich meine.« »Istschon okay.« Er stellte den Motor ab. Ringsum herrschte absolute Finsternis,nur die Radiobeleuchtung spendete diffuses Licht. Sie waren allein, und erkannte die Gegend gut genug, um zu wissen, dass sich um diese Zeit und vorallem bei diesem Wetter kein Mensch weit und breit aufhalten würde. Die Leutewaren mit den Vorbereitungen für Weihnachten beschäftigt, überall in der Stadtwaren die Straßen und Geschäfte festlich geschmückt. Er wandte seinen Kopf inihre Richtung und streichelte über ihr Haar. »Du bist schön, ehrlich. Aber ichkann Frauen nicht leiden, die ständig mit andern ins Bett steigen. Warum machstdu das?« »Wieso steig ich ständig mit andern ins Bett?! Spinnst du? Ich habFreunde, na und?! Aber ich bin keine Hure « »Komm, ich hab dich beobachtet,wenn dich die Typen von der Bushaltestelle abholen und dich irgendwann nachtsdort wieder rauslassen. Lässt du dich dafür bezahlen, oder machst du es einfachnur, weil du Spaß daran hast?« »Das geht dich nichts an. Außerdem, wiesobeobachtest du mich? Bist du ein Spanner?« »Nein, aber mich interessieren dieMenschen, die ich gerne mag.« »So, du magst mich also. Okay, dann machen wirseben hier. Oder wir kehren um, und du bringst mich wieder nach Hause. Oder ichlaufe notfalls«, sagte sie mit kehliger Stimme, wobei sie vergeblich versuchteihre Angst zu unterdrücken. »Bitte, machen wirs.« Er griff an ihre Brust. Sietrug keinen BH, sie gehörte zu den Frauen, die so etwas nicht nötig hatten.Kleine feste Brüste. Und während er unter ihre Bluse langte und die rechte Brustmassierte, presste er seine Lippen auf ihre. Sie erwiderte seinen Kuss, fasstezwischen seine Beine und fühlte sein erigiertes Glied. Er legte die Rückenlehnedes Beifahrersitzes um, seine Erregung steigerte sich ins Unermessliche. »Machdie Beine breit«, sagte er mit schwerer Stimme und drang kurz darauf mit einemheftigen Stoß in sie ein. Er ejakulierte schon nach wenigen Sekunden. Sielachte kurz und trocken auf. Er hielt inne, und wollte er eben noch seinen Planverwerfen, so würde er ihn jetzt nach diesem ihn verhöhnenden Auflachenausführen. Ihn lachte man nicht aus, schon gar nicht in einer solchenSituation. Sie sah seinen Blick nicht, nicht das Mahlen seiner Kiefer. »Sorry«,sagte er kühl und tonlos, »ich war wohl etwas schnell.« »Tja«, erwiderte sieleicht spöttisch, »wir könnens ja noch mal probieren, aber dann in aller Ruhe« »Vergiss es, ich glaub, das bringt nichts.« Er zog den Reißverschluss seinerHose hoch. Seine Hände strichen über ihr Gesicht, er streichelte zärtlich dieglatte, feine Haut und sagte: »Weißt du eigentlich, wie ich heiße?« »Nein. Aberwas sind schon Namen?« »Schade, Melissa«, entgegnete er nur, dann wurde derDruck etwas stärker, er glitt tiefer an ihren Hals, und plötzlich umschlossendie eben noch weichen und zärtlichen Hände diesen und drückten zu. Sie schlugum sich, versuchte ihn zu kratzen, doch seine Knie waren auf ihren Oberarmen.Er wusste genau, wo er den Griff anzusetzen hatte, er hatte es sich einmal voneinem Medizinstudenten erklären lassen. Es dauerte keine zwei Minuten, bis dasZungenbein gebrochen war und ihr Kopf schlaff zur Seite fiel. Ein letztesZucken raste wie ein Stromschlag durch ihren Körper. Er schaltete dieInnenbeleuchtung an und registrierte, dass auf ihrem Sitz ein paar Fleckenwaren, die man aber leicht beseitigen konnte. Er würde es gleich morgen frühtun. Außerdem hatte sie bei ihren verzweifelten Versuchen, sich zu wehren, mitihren Schuhen das Handschuhfach ramponiert und ein Loch in den Teppichgerissen. Er zuckte nur mit den Schultern, stieg aus, ging um den Wagen herum,holte den leblosen Körper heraus und legte ihn in den Kofferraum. Mit einemTuch wischte er kurz über den Sitz. Er fuhr weiter geradeaus bis zu einemPlatz, den außer ein paar gelegentlich vorbeikommenden Spaziergängern undeinigen Jägern keiner sonst kannte. Das Grundstück lag eingebettet zwischenriesigen Bäumen und war umschlossen von einem mannshohen Zaun. Über drei Meterhohe, dicht an dicht stehende Koniferen verdeckten den Blick auf das alte, halbverfallene Haus. Er öffnete das Tor und fuhr auf das Grundstück, das von jedem,der hier vorbeikam, wohl für das Refugium eines wunderlichen Einsiedlersgehalten wurde. Er ging ins Haus, schob einen großen Teppich beiseite, öffneteeine flach über der Erde liegende Tür, zündete eine Petroleumlampe an, die eran die Wand hängte, holte den Leichnam aus dem Kofferraum, hievte ihn über dieSchulter und schleppte die Tote die lange Treppe hinunter in den Raum, in demsich ein Feldbett, ein kleiner Tisch, zwei Holzstühle und ein alter Schrankbefanden. Die Wände waren weiß, von der Decke baumelte eine Bastlampe, derenBirne jedoch schon seit langem kaputt war. Links von der Treppe befand sicheine weitere Tür, dahinter ein kleinerer Raum mit einem Regal voller Dosen undFlaschen und einem schmalen, hohen Schrank. Es war kühl hier unten, und früher,als er noch ein Kind war, hatte er den modrigen Geruch wie einen kleinen Schatzempfunden, denn nur ihm war es vorbehalten, diesen Geruch zu atmen. Und seit ersechzehn war, hatte er dieses Refugium angefangen auszubauen, unbemerkt vonallen anderen in seiner Familie. Er hatte die Spuren der Vergangenheitallmählich beseitigt, den Estrich und darüber die Fliesen gelegt, auf denenjetzt Teppiche waren. Er hatte die Wände gereinigt und gestrichen und die altenelektrischen Leitungen wieder angeschlossen. Als er ein Kind war, gerade malacht Jahre alt, und bei einem seiner heimlichen Ausflüge diesen verlassenen Ortentdeckt hatte, war dies seine Zuflucht geworden. Hier hatte er seinen Gedankennachhängen können, hierhin konnte er fliehen, wenn ihm die Gegenwart der andernzuwider war. Dabei waren es von hier nur knapp zwanzig Minuten zu Fuß bis zuseinen Eltern - wenn er rannte -, denen das gesamte Gelände bis zurBundesstraße gehörte, vererbt über Generationen mütterlicherseits hinweg, undirgendwann würde er alles sein Eigen nennen. »Ich komme morgen wieder, Süße.Schade, du wolltest nicht mal meinen Namen wissen«, sagte er leise und miteinem letzten Blick auf die Tote und schloss die Tür hinter sich. Er nahm denWeg zurück zur Straße, nicht ohne sich vorher zu vergewissern, dass ihn niemandbeobachtete. Nach einer guten halben Stunde langte er zu Hause an. Kaum dass erdie Wohnung betreten hatte, klingelte das Telefon. Seine Mutter. Sie wollte nurwissen, wie sein Tag verlaufen war. Bestens, hatte er ihr geantwortet, worübersie sich natürlich freute. Sie war stolz auf ihren Jungen, und er würde allestun, um sie nicht zu enttäuschen. Er ließ sich Badewasser ein, trank ein GlasRotwein und rauchte genüsslich eine Zigarette. Melissa hatte er es verboten,aber er konnte Rauch im Auto nun wirklich nicht ausstehen. Er trocknete sich abund besah sich im Spiegel. Sie hatte ihn doch einmal erwischt, ein etwaslängerer Kratzer auf der linken Wange. Er zuckte mit den Schultern. Im Bett laser ein paar Seiten aus Der Prozeß von Kafka, legte das Buch aber, alsseine Augen immer schwerer wurden, auf den Nachtschrank. Er fühlte sichirgendwie gut.
© DroemerKnaur
Interview mit Andreas Franz
In Ihrem neuen Kriminalroman"Mord auf Raten" ermittelt Peter Brandt in einem Mordfall, bei demauch eine HIV-Infektion eine Rolle spielt. Wie sind Sie zu diesem Thema gekommen?Kennen Sie reale Fälle, die sich ähnlich abgespielt haben?
DiesesThema hat mich schon lange beschäftigt. Als ich jedoch vor knapp anderthalbJahren einen sehr aufwühlenden Bericht über HIV und Aids gesehen habe und darinauch reale Personen vorkamen, die andere bewusst anstecken, erinnerte ich michan einen Fall, als ich mit einem Hauptkommissar eine "Streifentour" durch dasFrankfurter Nachtleben unternahm. Dabei fuhren wir auch durch den Sperrbezirk,wo Straßenprostitution verboten ist. In einer Einbahnstraße wurden wir füreinen Augenblick gezwungen, hinter einem 500er Mercedes zu halten, aus dem einejunge, sehr elegant gekleidete Dame ausstieg, drinnen saß ein älterer Herrzwischen Mitte fünfzig und Anfang sechzig. Der Kommissar erzählte mir, dass erdie Dame kenne und sie eigentlich mit aufs Präsidium nehmen müsse, da sieHIV-positiv sei. Doch im gleichen Atemzug meinte er, das hätte recht wenigZweck, man würde wieder einmal ihre Personalien aufnehmen und sie am nächstenTag laufen lassen. Er sagte mir weiter, dass er etliche solcher Damen kenne undwisse, dass die meisten Freier auf ungeschütztem Geschlechtsverkehr bestünden,natürlich gegen entsprechende Bezahlung. Zuletzt sagte er, auch dagegen könneer nichts tun, es sei die freie Entscheidung eines jeden, mit wem und wie erGeschlechtsverkehr ausübe. Auf meine Bemerkung, dass dies doch unendlich vieleNeuinfizierte nach sich zöge, da ja wohl die meisten der Männer verheiratetseien und viele ihrer Frauen vielleicht auch nicht keusch lebten, zuckte er nurdie Schultern und sagte, ich solle mir ruhig meinen Teil denken, aber die Rateder Neuinfektionen und nicht erkannten Infektionen sei ungleich höher als dieZahlen, die publik gemacht würden. Und so entstand schließlich "Mord auf Raten",ein Roman, in dem es um Gleichgültigkeit, aber auch um Sorglosigkeit im Umgangmit Sex geht.
"Das Verlies" ist deraktuelle Julia-Durant-Krimi. Die Ihren Lesern schon bekannte Kommissarin sollzukünftig abwechselnd mit Peter Brandt die Ermittlungen in Ihren Krimis führen.Hat diese spezielle Art von Job-Rotation besondere Vorteile - für Sie und fürIhre Leser?
Ich denkeschon, dass es Vorteile hat, zwei so unterschiedliche Charaktere wie JuliaDurant und Peter Brandt ermitteln zu lassen. Da ist zum einen die sicherlichcharismatische, aber privat einsame Julia, die immer wieder die härtesten Fällein der Verbrecherhochburg Frankfurt zu knacken hat, und als Gegenpol derruhige, besonnene "Landkommissar" (die Offenbacher mögen mir dies verzeihen,der OFC steigt garantiert auf!) mit einem relativ geordneten Familienleben. Esmacht mir jedenfalls großen Spaß, die beiden ermitteln zu lassen, undvielleicht, nein, ganz bestimmt gibt es einen Fall, in dem Julia und Peterzusammenarbeiten werden. Ach ja, ich werde oft gefragt, ob es Julia Durantwirklich gibt - nein, aber ich würde sie gerne einmal kennen lernen.
"Tod eines Lehrers" warder vorhergehende Peter Brandt-Fall. Ein allseits beliebter Vertrauenslehrerwird ermordet, und die glatte Fassade bekommt immer mehr Risse. Halten Siegenerell Misstrauen gegenüber allzu "perfekten" Menschen fürangebracht?
Ich bin vonNatur aus nicht misstrauisch, lediglich solchen Personen gegenüber, die sichselber als perfekt darstellen, dies auch mit einem jovialen Lächeln rüberbringenund scherzend hinzufügen, dass natürlich jeder einmal Fehler macht (die allzu"perfekten" wissen diese aber sehr gut zu kaschieren). Wenn ich mir jedoch dieallzu "perfekten" Menschen in unserem heutigen Deutschland anschaue, angefangenbei unserer politischen Spitze bis hin zu den Topmanagern - ganz ehrlich, ichfühle mich total elend und unwürdig, wenn ich diese ganze Perfektion sehe undhöre. Was kann schon ein Wirtschaftsminister dafür, dass er aus 8 Mio. langeZeit 4,5 Mio. Arbeitslose machte? Er wollte ganz sicher nur das Beste für dasVolk oder hat falsche Zahlen vorgelegt bekommen, aber innen drin ist ernatürlich durch und durch integer. Wobei dieses Wort im Zusammenhang mitbestimmten Personen bei mir einen äußerst schalen Beigeschmack verursacht. Nun,das ist vielleicht der Zyniker in mir, aber ich beobachte auch, wie es mitdiesem Land, das ich einst sehr liebte, immer steiler bergab geht, dieMächtigen und Reichen sich immer mehr die Taschen voll stopfen, während dieArmut ein Ausmaß angenommen hat, von dem man noch vor wenigen Jahren glaubte,dies könne bei uns nicht möglich sein. Und noch einmal der Zyniker AndreasFranz - seitdem ach so ehrenwerten und perfekten Ex-Kanzler H.K. bin ichPolitikern, Wirtschaftsbossen und Bankiers wie Ackermann gegenüber sogar sehrmisstrauisch. Und auch manchen Lehrern gegenüber. Das rührt aus einer eigenen,ganz persönlichen Erfahrung innerhalb meiner Familie her. Das Buch "Tod einesLehrers" hätte genauso gut "Tod eines Kanzlers" oder "Tod eines Baulöwen" oder"Tod eines Bankiers" heißen können.
In Ihren Krimis geht es häufig umverschiedene Formen des Missbrauchs. Was bedeutet Ihnen dieses Thema?
Missbrauchjedweder Form ist für mich verabscheuungswürdig, weil er nicht nur häufig denKörper verletzt, sondern vor allem die Seele tötet. Und ich gebe zu, es machtmich unendlich wütend, wenn ich wieder einmal von einem besonders gravierendenFall höre. In meinen Büchern spielt Missbrauch eine große Rolle, denn ichmöchte meine Leser auch zum Nachdenken anregen. Kinder können sich nichtwehren, sie schreien ihren Schmerz nach innen und haben nur sehr selten eineChance, ihrem Peiniger zu entkommen. Und ich spreche auch aus eigenerErfahrung, da ich in meiner Kindheit fast vierzehn Jahre miterleben musste, wiemeine Mutter beinahe täglich misshandelt und missbraucht wurde. Deshalb analle Männer: Finger weg von Kindern und Frauen, es gibt andere Möglichkeiten,seine inneren und äußeren Konflikte zu lösen! Über das Vorwort meines erstenRomans "Jung, blond, tot" habe ich geschrieben: Wenn die Seele verbrennt, bleibt nicht einmal Asche. Missbrauchwird jedenfalls immer wieder mal in einem meiner Bücher vorkommen, es wirdallerdings kein Dauerthema sein.
Die Personen in Ihren Romanen sindpsychologisch sehr einfühlsam gezeichnet. Dabei fällt auf, dass insbesonderedas Verhalten der Täter erklärt, ja manchmal geradezu "entschuldigt"wird. Glauben Sie, dass sich jede kriminelle Tat psychologisch erklären lässt?
Dass ich Täterverhalten entschuldige, ist schlichtwegfalsch. Ich versuche lediglich zu ergründen, was einen Menschen zum Beispiel zueinem Mörder hat werden lassen. Und da gibt es unzählige Gründe, doch einer derhäufigsten - gerade bei Serienkillern - ist persönlich erlebter Missbrauch. Wieich oben bereits erwähnte, verletzt Missbrauch nicht nur den Körper, sonderntötet die Seele, vor allem, wenn dieser Missbrauch über einen längeren Zeitraumhinweg geschieht. Da ich selbst im Alter von fünfzehn Jahren mit einemSerienkiller befreundet war und seine Kindheitsgeschichte fast zwanzig Jahrespäter erfuhr (darauf beruht übrigens "Jung, blond, tot"), begann ich michintensiver mit dem Phänomen Serienkiller zu beschäftigen. Ich entschuldigenicht einen einzigen Mord, ich entschuldige aber auch nicht das, was dieseMenschen letztlich dazu getrieben hat, diese schrecklichen Taten zu begehen.Nur in dem Buch "Das achte Opfer" versuche ich, Verständnis für das Verhaltendes Täters zu wecken, denn dieses Buch beruht ebenfalls auf einer wahrenGeschichte, die mir von einem höchst resignierten Hauptkommissar, der seitbeinahe fünfunddreißig Jahren bei der Kripo ist, erzählt wurde. In besagtemBuch lege ich den Finger in eine Wunde und prangere unser Justizsystem an, wasdazu führte, dass ich mehrere wütende Briefe und Mails von Staatsanwälten undRichtern erhalten habe, in denen ich bezichtigt wurde, Selbstjustizgutzuheißen. Diese werten Damen und Herren sollten das Buch einmal nicht ausder juristischen, sondern der menschlichen Warte lesen. Außerdem sehe ich michweniger als Roman-, denn als Berichtautor, da fast alle von mirniedergeschriebenen Fälle auf wahren Begebenheiten beruhen - und ich merke anden Reaktionen meiner LeserInnen, dass genau dies an meinen Büchern geschätztwird. Und nein, ich glaube nicht, dass sich jede kriminelle Tat psychologischerklären lässt, da manche Taten im Affekt oder in einem Zustand geistigerVerwirrung geschehen und somit nicht erklärbar sind, nicht einmal von denTätern. Eigentlich lassen sich die wenigsten Taten, ganz gleich welcher Art,psychologisch erklären, auch wenn manche sogenannte Gutachter und Psychologendas zu können meinen. Der menschliche Geist, die Psyche und die Emotionen sinddazu noch viel zu wenig erforscht.
Es hat lange gedauert, ehe ein Buchvon Ihnen von einem Verlag angenommen wurde und Sie zu einem erfolgreichenKrimiautor wurden. Schreiben Sie gerne, oder ist Schreiben vor allem harteArbeit für Sie? Wie empfinden Sie es, nun ein Bestsellerautor zu sein?
Ichschreibe sogar sehr gerne, aber es ist auch harte Arbeit, verdammt harteArbeit. Doch wie empfinde ich es, nun ein Bestsellerautor zu sein?! Bin ichüberhaupt einer, nur weil ich ein paar tausend Bücher mehr als ein paar andereverkaufe? Ich denke, das Problem ist, dass die meisten glauben, Bestsellerautor müsste gleichbedeutendsein mit Bestverdiener. Das istjedoch ein Riesenirrtum. Es gibt überall, auch hierzulande, Bestsellerautoren,die Millionen verdienen, ich hingegen bin froh, dass ich meine Familieeinigermaßen über die Runden bringen kann. Ein weiteres Problem ist, dass z.B.ein Grisham oder Crichton oder eine Walters oder Cornwell oder George und vieleandere schon Monate vor Erscheinen ihres neuen Werks - ganz gleich wie gut odermiserabel es auch ist - medienwirksam von den Verlagen promotet werden, dazuerhalten sie Vorschüsse, von denen ich und auch andere Autoren jahrelangsorglos leben könnten. Für die oben genannten wird automatisch ein Platz in derBestsellerliste reserviert, doch wenn ich mir zu vielen derer Bücher dieLeserrezensionen anschaue, dann weichen diese doch sehr häufig von der Meinungder Medienrezensenten ab. Seltsam, oder? Meine Leserschaft hat sich im Laufeder Jahre fast ausschließlich durch Mund-zu-Mund Propaganda aufgebaut, unddurch die Empfehlungen von Buchhändlern, denen ich sehr, sehr dankbar bin. Dasheißt aber auch, dass ich noch lange Zeit hart weiterarbeiten muss, bevor ichmir mal einen Burnout oder einen richtig langen Urlaub leisten kann, von einemschicken Haus ganz zu schweigen. Aber schau mer mal, was die Zukunft bringt.Ich lebe nach dem Motto - cogito ergo sum, ich denke, also bin ich. Und ichhoffe, noch lange denken und auch beobachten zu können. Und sollte irgendjemand nach dem Gelesenen meinen, ich wäre nur neidisch auf die Großverdiener -falsch, im Gegenteil, ich schreibe wenigstens noch selbst und bin froh unddankbar, einen Beruf ausüben zu können, von dem ich immer geträumt habe.
Die Fragen stellte Ulrike Künnecke,Literaturtest.
- Autor: Andreas Franz
- 2004, 21. Aufl., 464 Seiten, Maße: 11,4 x 18 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Droemer/Knaur
- ISBN-10: 3426624451
- ISBN-13: 9783426624456
- Erscheinungsdatum: 01.08.2004
5 von 5 Sternen
5 Sterne 15Schreiben Sie einen Kommentar zu "Das Verlies / Julia Durant Bd.7".
Kommentar verfassen