Kindsmord
Authentische Kriminalfälle aus der DDR
Mord in der DDR: 1965 findet man in einer Klärgrube die Leiche eines Babys. Die Kripo macht die Eltern ausfindig. Kann sie auch die Mörder überführen? Erleben Sie diesen und zwei weitere authentische Fälle.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Kindsmord “
Mord in der DDR: 1965 findet man in einer Klärgrube die Leiche eines Babys. Die Kripo macht die Eltern ausfindig. Kann sie auch die Mörder überführen? Erleben Sie diesen und zwei weitere authentische Fälle.
Klappentext zu „Kindsmord “
Mord in der DDR: 1965 findet man in einer Klärgrube die Leiche eines Neugeborenen. Die Kriminalpolizei macht die Eltern ausfindig. Kann sie auch die Mörder überführen? Mit ungewöhnlichen Untersuchungsmethoden trägt die Polizei Indizien zusammen, die alles erhellen. Diesen und zwei weitere Fälle von Kindsmord in ihrer Region rekonstruiert die Autorin auf der Basis von polizeilichen Ermittlungs- und Gerichtsakten.
Wenn Mütter morden ... Packende Recherche, interessante Dokumente, berührende Schicksale
Lese-Probe zu „Kindsmord “
Kindsmord von Eveline Schulze... Franz Hensel verdient sein Brot im Städtischen Klärwerk. Nicht viel. Aber zum Leben reicht’s. Er macht die Arbeit, weil sie gemacht werden muss. Eine andere hatte er nach Krieg und Gefangenschaft nicht gefunden. Also war er froh, sie bekommen zu haben. Inzwischen gehört er hier zu den Alten. Alljährlich, zum 1. Mai oder am 7. Oktober, wenn sich dieses Land feiert, gibt es eine Prämie für die Treue. Und natürlich für die Arbeit. Mal reicht der Betriebsleiter dazu Blech, wie man den »Aktivisten« oder anderes schmückendes Geschmeide nennt. Was, denkt Hensel bei solchen Anlässen, schon wieder ein Jahr vorüber? Und wieder nichts passiert.
Was sollte auch groß passieren zwischen all diesem menschlichen Abfall, den sie hier sammeln? Tag für Tag, Woche für Woche, Monat um Monat. Die Abwässer wurden nicht anders, nur weil auf der Suppe jetzt ein paar Fettaugen mehr schwammen.
So philosophiert Franz vor sich hin, als er seinem Tagwerk nachgeht. Er schaute auf die Uhr. Bald Mittag und Feierabend. 13 Uhr ist Schichtschluss. Klara wartet mit dem Mittagessen daheim.
Das Klärwerk ist so alt wie er, wenn nicht gar älter. Die Kanalisation fließt seit Jahrzehnten. Bevor die städtische Jauche auf den Rieselfeldern versickert, muss sie durchs sogenannte Rechenhaus. An den Gittern bleibt Grobes hängen, was nicht hinaus in die freie Natur entlassen werden soll. Mechanisch, also maschinell, wird der Müll entfernt.
Da man nicht weiß, was des Nachts alles so anschwemmt, und zudem wenig Vertrauen in die altersschwache Technik hat, schaltet man diese vorsichtshalber aus, wenn der Mond über Görlitz hängt. In dieser Zeit öffnet man einen Umlaufkanal. So nimmt denn nachts das Abwasser seinen Weg nicht durch die Gitter in der Halle. Das »Dicke« wird auch nicht
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automatisch entsorgt. Wer dann am nächsten Tag dies per Hand am Umlaufkanal besorgen muss, hat in des Wortes eigentlicher Bedeutung einen Scheißjob. Auch wenn Hensel ihn ausübt, kennt er den Begriff nicht: Der soll erst später in Mode kommen. Und nahezu jeder reklamiert wird dann für sich reklamieren, einen solchen zu haben. Selbst Arbeitslose.
Als ihm heute morgen diese Tätigkeit zugewiesen wurde, rümpfte Hensel gewohnheitsmäßig die Nase. Das macht jeder, wenn ihn die Kugel in Gestalt eines Wortes traf. Das letzte spricht stets der Chef. »Franz, Außenrunde«, sagte er. »Du weißt, wir sind noch urlaubsgeschwächt – da muss auch mal der Kanalmeister ran.« Na schön, dachte Hensel und kräuselte pflichtschuldig die Nase. Aber nur, wenn 13 Uhr Schluss sei. Der Meister winkte ab. Na was denn sonst. Um eins ist Pumpe, Franz. Und keine Minute drüber.
Hensel hat also den Säuberungsrechen im Kanal von Lumpen, Papier, toten Ratten und anderem stinkenden Unrat befreit, der sich dort staute. Er hat ihn in eine Kipplore geworfen und diese dort entleert, wo und wie sie es seit Jahren tun. Der Zahn der Zeit, Wind und Wetter besorgten den Rest. Hensel ekelt die Verrichtung nicht. Er hat sich daran gewöhnt. Gut, es gibt auch für einen Kanalmeister angenehmere Dinge, als in der Scheiße Zehntausender Menschen zu rühren. Aber wenn er zum Alltag wird, verliert selbst der Ekel seine Widerlichkeit. Er wird normal.
Nach dem Kontrollgang über die Außenanlagen war Hensel wieder in sein Büro zurückgekehrt, jenem Kabuff, das hinsichtlich Aussehen und Geruch durchaus stimmig in die Landschaft passt. Er hatte in die Kladden die entsprechenden Eintragungen vorgenommen. Alles i. O., nichts Besonderes.
Nun also die letzte Runde. Franz Hensel zählt die Minuten und Schritte. Er lenkt sie hinüber zur Halle, um beim Kollegen Paul noch einmal nach dem Rechten zu schauen. Die schwere Metalltür quietscht unangenehm, als sie aufschwingt. Müsste mal geölt werden, denkt Hensel. Das denkt er jedesmal, wenn er sie öffnet, doch sobald sie ins Schloss wummert, hat er diesen Gedanken auch schon vergessen.
In der Halle riecht es streng. Und es ist ziemlich ruhig. Im Wesentlichen besteht das Gebäude aus zwei Klärbecken, die durch ein Gitter getrennt sind. Hier sinkt zu Boden, was dann regelmäßig außerhalb entsorgt wird. Oberhalb ist eine Bühne, den sie »Befehlsstand« nennen. Zu kommandieren gibt es nichts, aber man hat die Übersicht. Dort müsste Paul stehen. Doch Paul ist nicht zu sehen.
Zwei Loren sind mit Unrat gefüllt, die der Maschinenrechen aus der Brühe geschöpft und auf die Rutsche gekippt hat. Die Feldbahnloren hätte Paul längst nach draußen schieben und entleeren müssen. Hensel folgt dem Gleis und tritt wieder ins Freie.
Das Gleis endet auf einer Halde. Die Loren werden dort abgekippt. Es ist schon erstaunlich, was die Görlitzer alles durch ihr Klos entsorgen, denkt Hensel. Als gäbe es keine Mülltonnen. Gut, einiges fällt auch durch die Gullys. Manche Katze findet unfreiwillig ihr Grab in der Kanalisation. Aber vieles endet hier, weil man zu faul war, es in die runden Blechtonnen zu stopfen, die sich auf dem Hof jedes Mietshauses finden. Die Menschen sind halt bequem.
Hensels prüfender Blick gleitet über den Müllhang. Er bleibt an einem größeren Klumpen hängen, der sich deutlich von Schlick und Dreck abhebt. Er nimmt die Forke, die er stets beim Rundgang mit sich führt, und angelt danach. Langsam, ganz langsam zieht er den Klumpen zu sich heran. Könnte eine fette Katze oder ein toter Hund sein, denkt Hensel. Doch als der schmierige Klumpen zu seinen Füßen liegt, muss er sich korrigieren. Er hat schon Absonderliches hier gefunden, so etwas aber noch nicht. Ihm wird, was sonst nie geschieht, übel. Brechreiz steigt in ihm auf, der Magen scheint sich umzustülpen und den Inhalt ins Freie zu katapultieren. Zu seinen Füßen liegt – ein totes Kind.
© Verlag Eulenspiegel
Als ihm heute morgen diese Tätigkeit zugewiesen wurde, rümpfte Hensel gewohnheitsmäßig die Nase. Das macht jeder, wenn ihn die Kugel in Gestalt eines Wortes traf. Das letzte spricht stets der Chef. »Franz, Außenrunde«, sagte er. »Du weißt, wir sind noch urlaubsgeschwächt – da muss auch mal der Kanalmeister ran.« Na schön, dachte Hensel und kräuselte pflichtschuldig die Nase. Aber nur, wenn 13 Uhr Schluss sei. Der Meister winkte ab. Na was denn sonst. Um eins ist Pumpe, Franz. Und keine Minute drüber.
Hensel hat also den Säuberungsrechen im Kanal von Lumpen, Papier, toten Ratten und anderem stinkenden Unrat befreit, der sich dort staute. Er hat ihn in eine Kipplore geworfen und diese dort entleert, wo und wie sie es seit Jahren tun. Der Zahn der Zeit, Wind und Wetter besorgten den Rest. Hensel ekelt die Verrichtung nicht. Er hat sich daran gewöhnt. Gut, es gibt auch für einen Kanalmeister angenehmere Dinge, als in der Scheiße Zehntausender Menschen zu rühren. Aber wenn er zum Alltag wird, verliert selbst der Ekel seine Widerlichkeit. Er wird normal.
Nach dem Kontrollgang über die Außenanlagen war Hensel wieder in sein Büro zurückgekehrt, jenem Kabuff, das hinsichtlich Aussehen und Geruch durchaus stimmig in die Landschaft passt. Er hatte in die Kladden die entsprechenden Eintragungen vorgenommen. Alles i. O., nichts Besonderes.
Nun also die letzte Runde. Franz Hensel zählt die Minuten und Schritte. Er lenkt sie hinüber zur Halle, um beim Kollegen Paul noch einmal nach dem Rechten zu schauen. Die schwere Metalltür quietscht unangenehm, als sie aufschwingt. Müsste mal geölt werden, denkt Hensel. Das denkt er jedesmal, wenn er sie öffnet, doch sobald sie ins Schloss wummert, hat er diesen Gedanken auch schon vergessen.
In der Halle riecht es streng. Und es ist ziemlich ruhig. Im Wesentlichen besteht das Gebäude aus zwei Klärbecken, die durch ein Gitter getrennt sind. Hier sinkt zu Boden, was dann regelmäßig außerhalb entsorgt wird. Oberhalb ist eine Bühne, den sie »Befehlsstand« nennen. Zu kommandieren gibt es nichts, aber man hat die Übersicht. Dort müsste Paul stehen. Doch Paul ist nicht zu sehen.
Zwei Loren sind mit Unrat gefüllt, die der Maschinenrechen aus der Brühe geschöpft und auf die Rutsche gekippt hat. Die Feldbahnloren hätte Paul längst nach draußen schieben und entleeren müssen. Hensel folgt dem Gleis und tritt wieder ins Freie.
Das Gleis endet auf einer Halde. Die Loren werden dort abgekippt. Es ist schon erstaunlich, was die Görlitzer alles durch ihr Klos entsorgen, denkt Hensel. Als gäbe es keine Mülltonnen. Gut, einiges fällt auch durch die Gullys. Manche Katze findet unfreiwillig ihr Grab in der Kanalisation. Aber vieles endet hier, weil man zu faul war, es in die runden Blechtonnen zu stopfen, die sich auf dem Hof jedes Mietshauses finden. Die Menschen sind halt bequem.
Hensels prüfender Blick gleitet über den Müllhang. Er bleibt an einem größeren Klumpen hängen, der sich deutlich von Schlick und Dreck abhebt. Er nimmt die Forke, die er stets beim Rundgang mit sich führt, und angelt danach. Langsam, ganz langsam zieht er den Klumpen zu sich heran. Könnte eine fette Katze oder ein toter Hund sein, denkt Hensel. Doch als der schmierige Klumpen zu seinen Füßen liegt, muss er sich korrigieren. Er hat schon Absonderliches hier gefunden, so etwas aber noch nicht. Ihm wird, was sonst nie geschieht, übel. Brechreiz steigt in ihm auf, der Magen scheint sich umzustülpen und den Inhalt ins Freie zu katapultieren. Zu seinen Füßen liegt – ein totes Kind.
© Verlag Eulenspiegel
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Autoren-Porträt von Eveline Schulze
Eveline Schulze, Journalistin, wurde 1950 geboren und war in den 80er Jahren bei der Kriminalpolizei in Görlitz tätig. Sie legte bereits mehrere erfolgreiche Sammlungen authentischer Kriminalfälle aus der DDR vor.
Bibliographische Angaben
- Autor: Eveline Schulze
- 2009, 224 Seiten, mit Schwarz-Weiß-Abbildungen, mit Abbildungen, Maße: 12,5 x 21 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Das Neue Berlin
- ISBN-10: 3360019768
- ISBN-13: 9783360019769
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