Körper aus Licht

Ich stand noch einen Moment länger da, mit dem Rucksack über der Schulter, in der dummen Hoffnung, dass sie mir vielleicht doch die Tür öffnen würde, aber das tat sie nicht, und ich war wieder elf und wartete vor der Hütte Banksia darauf, dass Joyce die Tür aufsperrte. Ich fragte mich, ob ich immer so warten würde, in der Schwebe, und mich danach sehnen würde, hereingelassen zu werden.



Ich habe keine Fotos von mir, begann ich. Das ist es gar nicht unbedingt. Aber es ist, als hätte ich keinen Beweis, dass ich außerhalb von jetzt jemals wirklich existiert habe. Ich kann nie sagen: Weißt du noch, als wir das und das gemacht haben, weil es niemanden gibt, zu dem ich das sagen könnte.




Nachts lag ich im Bett und zählte die Körper, die ich zurückgelassen hatte. Viv, Holly, Tiny, Mr und Mrs Dunne, Jodie, Mr Miller, Jacinta, Alana, Ian, Dinesh. Mum, Dad. Graham. Ich stellte mir vor, wie sie alle auf einem Feld lagen wie menschliche Dominos. Ich hatte keine Möglichkeit, herauszufinden, was aus ihnen geworden war.




Ich in dieser Sommerbrühe, gerade fünfzehn geworden und auf der Suche nach einem Loch, durch das ich fallen konnte. In Schaufenstern und Badezimmerspiegeln beobachtete ich, wie ich mich veränderte. Meine Haare wurden dunkler, die Knochen in meinem Gesicht bekamen eine neue Form. 




eine Kindheit, die sich nicht in Worte fassen lässt, zersplittert über zu viele Kinderzimmer, um sich an alle erinnern zu können.




Ich dachte an die ganzen Stufen, die wir erklommen hatten, wie hoch wir waren. An die Unmengen von Wasser. Wie weit ich sinken könnte, wenn ich vergessen würde, wie man schwimmt. Wie weit unter uns der Boden des Tanks.




Was bedeutet es zu leben, wenn niemand davon weiß?

Gibt es eine Zukunft, wenn niemand von der Vergangenheit weiß? 

Jennifer Down ist Schriftstellerin und Lektorin. Ihr Debütroman Our Magic Hour stand 2014 auf der Shortlist für den Victorian Premier's Literary Award. Bodies of Light, ihr zweiter Roman, wurde 2022 mit dem größten Literaturpreis Australiens ausgezeichnet, dem Miles Franklin Literary Award ausgezeichnet. Sie lebt in Naarm/Melbourne.

Claudia Voit, geboren 1991, studierte Germanistik, Anglistik/Amerikanistik und Literaturübersetzen in Bamberg, Düsseldorf und Kalifornien. Für ihre Arbeit erhielt sie mehrere Stipendien und Auszeichnungen, unter anderem 2022 den Bayerischen Kunstförderpreis in der Sparte Literatur.