Kritik der Souveränität
Hrsg.: Institut für Sozialforschung. Dissertationsschrift
Die Studie stellt das für die Ideengeschichte und die politische Praxis zentrale Konzept der Souveränität infrage. Denn dieses Konzept wird durch die "Ironie der Geschichte" im Grunde obsolet: Das staatliche Gewaltmonopol, so zeigt Daniel Loick anhand der...
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Produktinformationen zu „Kritik der Souveränität “
Die Studie stellt das für die Ideengeschichte und die politische Praxis zentrale Konzept der Souveränität infrage. Denn dieses Konzept wird durch die "Ironie der Geschichte" im Grunde obsolet: Das staatliche Gewaltmonopol, so zeigt Daniel Loick anhand der Entwicklung des modernen Souveränitätsbegriffs, schließt immer auch ein Element nicht zu rechtfertigender Gewalt ein. Das gilt selbst für Formen demokratisch oder deliberativ legitimierter Souveränität. Vor dem Hintergrund der realen Umbrüche innerhalb der internationalen politischen Institutionen fragt er nach Möglichkeiten, das Konzept der Souveränität zu überwinden: Wie lässt sich der gesellschaftliche Zusammenhalt auf andere Art sichern als mit Mitteln der Gewalt?
Klappentext zu „Kritik der Souveränität “
Die Studie stellt das für die Ideengeschichte und die politische Praxis zentrale Konzept der Souveränität infrage. Denn dieses Konzept wird durch die »Ironie der Geschichte« im Grunde obsolet: Das staatliche Gewaltmonopol, so zeigt Daniel Loick anhand der Entwicklung des modernen Souveränitätsbegriffs, schließt immer auch ein Element nicht zu rechtfertigender Gewalt ein. Das gilt selbst für Formen demokratisch oder deliberativ legitimierter Souveränität. Vor dem Hintergrund der realen Umbrüche innerhalb der internationalen politischen Institutionen fragt er nach Möglichkeiten, das Konzept der Souveränität zu überwinden: Wie lässt sich der gesellschaftliche Zusammenhalt auf andere Art sichern als mit Mitteln der Gewalt?
Die Studie stellt das für die Ideengeschichte und die politische Praxis zentrale Konzept der Souveränität infrage. Denn dieses Konzept wird durch die "Ironie der Geschichte" im Grunde obsolet: Das staatliche Gewaltmonopol, so zeigt Daniel Loick anhand der Entwicklung des modernen Souveränitätsbegriffs, schließt immer auch ein Element nicht zu rechtfertigender Gewalt ein. Das gilt selbst für Formen demokratisch oder deliberativ legitimierter Souveränität. Vor dem Hintergrund der realen Umbrüche innerhalb der internationalen politischen Institutionen fragt er nach Möglichkeiten, das Konzept der Souveränität zu überwinden: Wie lässt sich der gesellschaftliche Zusammenhalt auf andere Art sichern als mit Mitteln der Gewalt?
Lese-Probe zu „Kritik der Souveränität “
EinleitungIn einer Nacht des Jahres 1876 bekommt Seth Bullock, der Sheriff von Lewis and Clark County, Montana, Besuch von einem Mob aufgebrachter Bürger. Sie fordern die Auslieferung des Pferdediebs Clell Watson, der sich in Bullocks Gewahrsam befindet und im Gefängnis auf seine Hinrichtung wartet. Es entwickelt sich ein Streit darum, wer den Delinquenten exekutieren darf: Während es der Mob auf Lynchjustiz und die schnelle Vollstreckung der Hinrichtung abgesehen hat, verteidigt Bullock die Zuständigkeit des Staates. Von einer Übermacht zorniger Männer umzingelt, vollstreckt Bullock die Strafe kurzerhand an Ort und Stelle, auf der Veranda des Sheriffbüros: Er legt dem Kriminellen eine Schlinge um den Hals und lässt ihn auf einen Schemel steigen, den er selbst wegtritt. Es gelingt ihm nur, seine eigene Haut zu retten, indem er die wütende Menge mit einem Gewehr in Schach hält - die Autorität des Rechtsstaats hat er jedoch erfolgreich verteidigt.
Für die Gemeinde in Montana ist diese Szene eine Gründungsszene der Souveränität (in einigen Gegenden der USA waren noch bis in die 1880er Jahre nicht überall staatliche Strukturen etabliert), sie ist aber auch emblematisch für die Funktionsweise des modernen Staates insgesamt. Es gibt hier zwei Formen von Gewalt: eine illegitime, unautorisierte, unberechtigte, nicht-sinnvolle Gewalt - die des Pferdediebes und die des Lynchmobs - und eine legitime, autorisierte, berechtigte, sinnvolle Gewalt - die des Sheriffs. Die nackte, vorrechtliche, anarchische Gewalt wird von einer Gegen-Gewalt ersetzt, verhindert und im Zaum gehalten. Diese zweite Gewalt nennt sich auch selbst, nun mit einer aufschlussreichen Polysemie oder Ambiguität, eine Gewalt: eine Staats- oder Rechtsgewalt. Diese legitime Gewalt muss sich in ihrem Ergebnis von der illegitimen weder quantitativ noch qualitativ unterscheiden. Dass Watson ein Recht hat, vom Sheriff und nicht vom Lynchmob gehängt zu werden, wird ihm in der konkreten Situation von
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nachrangiger Bedeutung erschienen sein. Das Strafmaß, das ein ordentliches Gericht über Watson verhängt hatte, war genauso hoch wie dasjenige, das der Lynchmob vorsah, und es ist auf dieselbe Weise vollstreckt worden (oft imitieren und wiederholen die Agent_innen des Rechts die Verhaltensweise der Verbrecher_innen, oft übertreffen die juridischen Prozeduren und Strafrituale sie an grausamer Kreativität). Der Unterschied, der über die Legitimität oder Illegitimität einer Gewalt entscheidet, ist zunächst ein symbolischer: wer den Sheriffstern trägt. Der Besitzer des Sheriffsterns verfügt über Zugang zu einer höheren Autorisierungsquelle, die ihn im Namen Gottes, des Naturrechts, der Vernunft oder des Volkes zur Ausübung von Gewalt lizensiert.
Der status civilis wird also weiterhin von Verkehrsformen bestimmt, die auch schon den status naturalis geprägt haben. Man kann dies ein Gesetz der Ironie nennen: Indem sich die Gesellschaft von den rohen, wilden Interaktionsweisen der Natur freizumachen glaubt, handelt sie sich unbewusst genau die gleichen Interaktionsweisen wieder ein. Als ironisch haben Horkheimer und Adorno den Prozess der Aufklärung verstanden: Ausgerechnet die Mittel, welche die Menschen aus dem übermächtigen und bedrohlichen Naturzustand herausführen sollten, haben ihn nur verlängert; und wo immer sie sich aufgeklärt und vernünftig wähnen, verstricken sie sich weiter in den Mythos. "Die Absurdität des Zustandes", schreiben Horkheimer und Adorno in ihrem gemeinsamen Hauptwerk, "in dem die Gewalt des Systems über die Menschen mit jedem Schritt wächst, der sie aus der Gewalt der Natur herausführt, denunziert die Vernunft der vernünftigen Gesellschaft als obsolet." (Horkheimer und Adorno 1997 [1944]: 38) Was die Verfasser der Dialektik der Aufklärung für die Geschichte der instrumentellen Rationalität gezeigt haben (und was Marx zuvor für die Geschichte der Ökonomie demonstrierte), gilt auch für die Geschichte des Politischen. Der zivilisatorische Fortschritt, den
Der status civilis wird also weiterhin von Verkehrsformen bestimmt, die auch schon den status naturalis geprägt haben. Man kann dies ein Gesetz der Ironie nennen: Indem sich die Gesellschaft von den rohen, wilden Interaktionsweisen der Natur freizumachen glaubt, handelt sie sich unbewusst genau die gleichen Interaktionsweisen wieder ein. Als ironisch haben Horkheimer und Adorno den Prozess der Aufklärung verstanden: Ausgerechnet die Mittel, welche die Menschen aus dem übermächtigen und bedrohlichen Naturzustand herausführen sollten, haben ihn nur verlängert; und wo immer sie sich aufgeklärt und vernünftig wähnen, verstricken sie sich weiter in den Mythos. "Die Absurdität des Zustandes", schreiben Horkheimer und Adorno in ihrem gemeinsamen Hauptwerk, "in dem die Gewalt des Systems über die Menschen mit jedem Schritt wächst, der sie aus der Gewalt der Natur herausführt, denunziert die Vernunft der vernünftigen Gesellschaft als obsolet." (Horkheimer und Adorno 1997 [1944]: 38) Was die Verfasser der Dialektik der Aufklärung für die Geschichte der instrumentellen Rationalität gezeigt haben (und was Marx zuvor für die Geschichte der Ökonomie demonstrierte), gilt auch für die Geschichte des Politischen. Der zivilisatorische Fortschritt, den
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Inhaltsverzeichnis zu „Kritik der Souveränität “
InhaltVorwort von Axel Honneth9Einleitung 19I. Traditionelle Theorien der Souveränität 291. Orten und Ordnen: die ursprüngliche Usurpation (Jean Bodin)331.1 Was ist Souveränität?351.2 Kompetenz-Kompetenz und Schranken-Schranken 451.3 Frieden durch Gewalt532. Binden und Blenden: Rhetoriken der Obligation (Thomas Hobbes) 552.1 Might is Right572.2 Der Staat und seine Grenzen 722.3 Ironie der Gewaltrechtfertigung 813. Spalten und Walten: Autonomie als Heteronomie (Jean-Jacques Rousseau)873.1 Das problème fondamentale und seine Lösung883.2 Was ist Volkssouveränität? 963.3 Der Zwang zur Freiheit 1084. Internalisieren und Internationalisieren: Subordinante Souveränität (Immanuel Kant) 1124.1 Das Menschenrecht auf Staat 1134.2 Die Herrschaft der Vernunft 1234.3 Der Zwang und das Ende der Vernunft 1375. Zwischenfazit: Ironien des Politischen 142II. Kritische Theorien der Souveränität 1451. Zur Kritik der rechtsetzenden Gewalt (Karl Marx und Hannah Arendt) 1541.1 Der Auftakt der kritischen Souveränitätstheorie: Karl Marx 1541.1.1 Der Staat als abstrakte Allgemeinheit 1561.1.2 Marx' Kritik der Menschenrechte 1601.1.3 Einklammerung der Politik 1651.2 Souveränität als Politikverlust: Hannah Arendt 1671.2.1 Die griechische pólis als authentische Politik 1681.2.2 Souveränität und Totalitarismus 1721.2.3 Deliberative Auflösung von Souveränität 1751.3 Marx und Arendt: eine neue Virtuosität des Politischen 1782. Zur Kritik der rechtserhaltenden Gewalt (Walter Benjamin und Michel Foucault) 1812.1 Die kritische Theorie der Polizei: Walter Benjamin 1812.1.1 Polizeiliche Zwangsbefugnis und die Zweck-Mittel-Relation 1822.1.2 Gesetzeskraft und Gesetzeskraft 1842.1.3 Gesetzeskraft 1882.2 Recht der Souveränität, Mechanik der Disziplin: Michel Foucault 1982.2.1 Foucaults Kritik der traditionellen Theorie der Souveränität 1992.2.2 Das Wie der Macht: Disziplin, Sicherheit, Biopolitik, Gouvernementalität 2022.2.3 Foucaults Machtanalytik als kritische Theorie der Souveränität 2092.3 Benjamin und
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Foucault: Politik jenseits des Staates 2123. Zur Kritik der rechtsvorenthaltenden Gewalt (Giorgio Agamben) 2143.1 Ausnahme und Ausschluss 2153.2 Ausnahme und Außennahme 2233.3 Souveränität und Latenz 2294. Zur Kritik der rechtsinterpretierenden Gewalt (Robert Cover und Jacques Derrida)2324.1 Die Nicht-Opposition von Recht und Gewalt bei Robert Cover 2344.2 Aporien der Entscheidung bei Jacques Derrida 2404.3 Die (Un-)Möglichkeit des non liquet 2455. Zur Kritik der rechtsspaltenden Gewalt (feministische Souveränitätskritik)2525.1 Die vier Dimensionen des Maskulinismus des Staates2535.2 Feministische Kritik der Souveränität: Abtreibung, Biopolitik und Omnikompetenz 2585.3 Postmaskulinistische Politik, diesseits der Souveränität263Exkurs: Rechtsersetzende Gewalt (Probleme der Passage)266III. Kritische Theorie ohne Souveränität 2791. Recht ohne Zwang (Hermann Cohen)2862. Gebot ohne Staat (Franz Rosenzweig)2973. Partizipation und Dissidenz. Konsequenzen einer kritischen Theorie der/ohne Souveränität 310Siglen 323Literatur 327
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Autoren-Porträt von Daniel Loick
Daniel Loick, Dr. phil., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Universität Frankfurt.
Bibliographische Angaben
- Autor: Daniel Loick
- 2012, 346 Seiten, Maße: 14,2 x 21 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: CAMPUS VERLAG
- ISBN-10: 3593395142
- ISBN-13: 9783593395142
- Erscheinungsdatum: 16.02.2012
Pressezitat
Ein Lob des Gewaltmonopols"Eine vorzügliche philosophische Studie." (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 24.06.2012)
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