Kuss der Nacht / Cat & Bones Bd.2
Roman
Cat jagt Untote - das ist ihr Job. Ihren gefährlichen Exfreund Bones hat sie schon lange nicht mehr gesehen schließlich ist Bones ein Vampir und damit ihr Zielobjekt. Doch als ein Unbekannter ein Kopfgeld auf Cat aussetzt, ist Bones ihre...
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Produktinformationen zu „Kuss der Nacht / Cat & Bones Bd.2 “
Cat jagt Untote - das ist ihr Job. Ihren gefährlichen Exfreund Bones hat sie schon lange nicht mehr gesehen schließlich ist Bones ein Vampir und damit ihr Zielobjekt. Doch als ein Unbekannter ein Kopfgeld auf Cat aussetzt, ist Bones ihre einzige Chance, lebend aus dieser Sache herauszukommen.
Klappentext zu „Kuss der Nacht / Cat & Bones Bd.2 “
Düster, gefährlich, erotisch!Cat jagt im Auftrag der Regierung Untote. Ihren ebenso verführerischen wie gefährlichen Exfreund Bones hat sie schon lange nicht mehr gesehen - schließlich ist Bones ein Vampir und damit eigentlich ihre Beute. Doch als ein Unbekannter ein Kopfgeld auf Cat aussetzt, ist Bones ihre einzige Chance, lebend aus der Sache herauszukommen. Aber kaum steht sie ihm gegenüber, lodert das Verlangen wieder in ihr auf - und so wird Cat beinahe zu spät klar, dass Bones ganz eigene Pläne für sie hat ...
Ein fesselnder Vampir-Roman mit einem unwiderstehlichen Liebespaar!
Der neue Shooting Star der Dark Fantasy aus den USA!
Lese-Probe zu „Kuss der Nacht / Cat & Bones Bd.2 “
Kuss der Nacht von Jeaniene Frost1
Ich wartete vor Liam Flannerys großem vierstöckigen Anwesen in Manhasset. Unser Treffen sollte kein Kaffeekränzchen werden, das sah man schon an meiner Aufmachung. Meinen Mantel trug ich offen, sodass meine Pistole und das Schulterholster deutlich sichtbar waren, ebenso wie mein FBI-Abzeichen. Hose und Bluse waren weit geschnitten, damit ich das zwanzig Pfund schwere Arsenal an Silberwaffen darunter verstecken konnte, das ich an Armen und Beinen trug.
Auf mein Klopfen hin öffnete ein älterer Herr im Anzug die Tür. »Special Agent Catrina Arthur«, stellte ich mich vor. »Ich möchte Mr. Flannery sprechen.«
Catrina war nicht mein wirklicher Name, er stand nur auf meinem getürkten FBI-Abzeichen. Der Portier schenkte mir ein gekünsteltes Lächeln.
»Ich sehe nach, ob Mr. Flannery im Hause ist. Warten Sie hier.«
Liam Flannery war im Hause, das wusste ich bereits. Auch, dass er kein Mensch war, und der Portier ebenso wenig. Ich war es ja auch nicht, obwohl ich von uns dreien die Einzige war, deren Herz noch schlug. Kurze Zeit später ging die Tür wieder auf. »Mr. Flannery ist bereit, Sie zu empfangen.«
Fehler Nummer eins. Ginge es nach mir, würde es sein letzter sein.
Als ich Liam Flannerys Haus betrat, dachte ich nur: Wow. Die Wandvertäfelung war handgeschnitzt, der Fußboden aus Marmor und bestimmt ziemlich teuer gewesen, und an allen Ecken und Enden waren antike Stücke geschmackvoll in Szene gesetzt.
Auch bei den Toten war anscheinend Klotzen statt Kleckern angesagt. Meine Nackenhaare sträubten sich, als der Raum sich mit Energie auflud. Flannery wusste nicht, dass ich sie spüren konnte. Ich sah vielleicht aus wie das nette Mädchen von nebenan, doch ich hatte noch einige Tricks auf Lager. Und haufenweise Messer natürlich auch.
»Agent
... mehr
Arthur«, begrüßte mich Flannery. »Gewiss geht es um meine beiden Angestellten. Die Polizei hat mich in dieser Angelegenheit allerdings schon vernommen.«
Er hatte einen britischen Akzent, der nicht zu seinem irischen Namen passte. Wenn ich ihn nur hörte, bekam ich schon eine Gänsehaut. Er weckte Erinnerungen in mir. Ich drehte mich um. Flannery sah sogar noch besser aus als auf dem Foto in seiner FBI-Akte. Seine bleiche Alabasterhaut hob sich fast leuchtend gegen sein beigefarbenes Hemd ab. Vampire hatten einen makellosen Teint, das musste man ihnen lassen. Liams Augen waren strahlend türkisblau, und sein kastanienbraunes Haar reichte ihm bis über den Hemdkragen.
Ja, er war ein gut aussehender Typ. Mit der Nahrungsbeschaffung hatte er bestimmt keine Probleme. Das Beeindruckendste an ihm aber war seine Aura. Wie prickelnde Wellen aus Energie umgab sie ihn. Er war ganz offensichtlich ein Meistervampir.
»Ja, es geht um Thomas Stillwell und Jerome Hawthorn. Wir möchten Sie um Ihre Unterstützung bitten.«
Das höfliche Geplänkel sollte mir Zeit verschaffen, damit ich abschätzen konnte, wie viele Personen noch im Haus waren. Ich lauschte angestrengt, konnte aber nur Flannery, den Ghul-Portier und mich selbst wahrnehmen.
»Gerne doch. Wenn es Recht und Ordnung dient«, antwortete er mit leichtem Spott.
»Ist es Ihnen recht, wenn wir uns hier unterhalten?«, fragte ich, weil ich mich gerne noch weiter umgesehen hätte. »Oder möchten Sie lieber irgendwo unter vier Augen mit mir sprechen?«
Er schlenderte auf mich zu. »Agent Arthur, wenn Sie sich privat mit mir unterhalten möchten, nennen Sie mich Liam. Und ich hoffe doch sehr, Sie wollen etwas anderes bereden als diese leidige Angelegenheit mit Jerome und Thomas.«
Oh, wären wir erst allein, würde es kaum bei einer Plauderei bleiben. Er war in den Mord an seinen Angestellten verwickelt, und ich musste mich dringend um ihn kümmern, festnehmen wollte ich ihn allerdings nicht. Der Durchschnittsbürger glaubte weder an Vampire noch an Ghule. Gerichtlich konnte man gegen mordende Untote also nicht vorgehen. Nein, eine geheime Abteilung des Heimatschutzministeriums war dafür zuständig, und mein Boss Don betraute dann mich mit der Angelegenheit. Seit ich den Job machte, kursierten unter den Untoten natürlich wilde Gerüchte über meine Person, doch nur ein einziger Vampir kannte meine wahre Identität. Und den hatte ich seit über vier Jahren nicht gesehen.
»Liam, Sie wollen doch wohl nicht mit einer FBI-Agentin flirten, die Sie wegen eines Doppelmordes vernimmt, oder?«
»Catrina, wer nichts zu verbergen hat, braucht sich keine Sorgen zu machen, wenn er die Mühlen des Gesetzes in der Ferne klappern hört. Schließlich habe ich ja beim FBI ausdrücklich darum ersucht, Sie zum Gespräch zu mir zu schicken, hübsch wie Sie sind. Irgendwie habe ich das Gefühl, Sie zu kennen, aber ich würde mich gewiss erinnern, wenn ich schon einmal das Vergnügen gehabt hätte.«
»Hatten Sie nicht«, bemerkte ich sofort. »Ich würde mich ebenfalls erinnern, glauben Sie mir.«
Das war kein Kompliment gewesen, doch auf meine Feststellung hin gluckste er viel zu anzüglich für meinen Geschmack.
»Gewiss doch.«
Du selbstgefälliges Arschloch. Dein Grinsen wird dir gleich vergehen.
»Zurück zum Thema, Liam. Reden wir hier oder unter vier Augen?«
Er seufzte ergeben. »Wenn es denn unbedingt sein muss, können wir es uns in der Bibliothek bequem machen. Folgen Sie mir.«
Durch eine Reihe ebenso pompös ausgestatteter wie menschenleerer Räume gingen wir in die Bibliothek. Sie war umwerfend und beherbergte Hunderte von neuen und antiquarischen Werken. Sogar Schriftrollen waren in einem gläsernen Schaukasten ausgestellt, doch ein riesiges Kunstwerk an der Wand fesselte meinen Blick.
»Es wirkt geradezu … primitiv«, bemerkte ich.
Dem ersten Eindruck nach schien es aus Holz oder Elfenbein zu bestehen, doch bei näherer Betrachtung war es wohl eher aus Knochen. Menschlichen Knochen.
»Es stammt von den Aborigines, ist fast dreihundert Jahre alt. Ein australischer Freund hat es mir geschenkt.« Liam kam näher, seine türkisblauen Augen begannen smaragdgrün zu funkeln. Ich wusste, was das zu bedeuten hatte. Sexuelle Erregung und Blutgier zeigten sich bei Vampiren auf die gleiche Weise. Beides ließ die Augen grün leuchten und die Fangzähne sichtbar werden. Liam war also entweder hungrig oder scharf auf mich. Wie auch immer, ich würde ihm in beiden Fällen nicht dienen können.
Mein Handy klingelte. »Hallo«, meldete ich mich. »Agent Arthur, sind Sie noch mit der Vernehmung von Mr. Flannery beschäftigt?«, erkundigte sich mein Stellvertreter Tate.
»Ja. In einer halben Stunde sind wir durch.«
Sollte heißen: Melde ich mich bis dahin nicht, muss das Team einschreiten.
Tate legte kommentarlos auf. Er hasste es, wenn ich einen Fall allein in die Hand nahm. Pech für ihn. In Flannerys Haus herrschte passenderweise Grabesstille, und ich hatte schon lange mit keinem Meistervampir mehr gekämpft.
»Die Polizei hat Sie sicher davon in Kenntnis gesetzt, dass die Leichen von Thomas Stillwell und Jerome Hawthorn fast blutleer waren. Sie wiesen jedoch keinerlei sichtbare Verletzungen
auf, die dazu geführt haben könnten«, begann ich ohne Umschweife.
Liam zuckte mit den Schultern. »Hat das FBI eine Theorie?«
Oh ja, und ob wir eine hatten. Zweifellos hatte Liam die verräterischen Bisswunden an den Hälsen von Thomas und Jerome mit einem Tropfen seines eigenen Blutes schlicht zum Verschwinden gebracht, bevor sie gestorben waren. Schwupps, zwei ausgeblutete Leichen und nichts, was auf einen Vampir hindeuten und die Anwohner aufwiegeln könnte … es sei denn, man wusste, wonach man suchen musste. Ich drehte den Spieß einfach um. »Sie haben eine Theorie, nicht wahr?«
»Wollen Sie sie hören, Catrina? Meine Theorie lautet, dass Sie so umwerfend schmecken, wie Sie aussehen. Seit Sie durch meine Tür gekommen sind, kann ich an nichts anderes mehr denken.«
Ich wehrte mich nicht, als Liam näher kam und mein Kinn hob. Auf diese Weise musste ich mir wenigstens keine eigenen Ablenkungsmanöver einfallen lassen.
Seine Lippen fühlten sich auf meinen kühl an und vibrierten vor Energie, was ein angenehmes Kribbeln auslöste. Er küsste wirklich gut, wusste, wann er leidenschaftlicher und wann er noch leidenschaftlicher werden musste. Einen Augenblick lang gestattete ich mir, den Kuss einfach nur zu genießen – Gott, vier enthaltsame Jahre blieben offensichtlich nicht ohne Folgen! –, und dann machte ich Ernst.
Ich hatte die Arme um ihn gelegt, sodass er nicht mitbekam, wie ich einen Dolch aus dem Ärmel zog. In diesem Augenblick wanderten seine Hände zu meinen Hüften und ertasteten die harten Konturen unter meiner Hose.
»Was zum Teufel …?«, murmelte er und wich zurück. Ich lächelte. »Überraschung!« Dann stieß ich zu. Der Stoß hätte tödlich sein können, aber Liam war schneller, als ich erwartet hatte. Ich hatte schon ausgeholt, da zog er mir die Füße weg, sodass die Silberklinge sein Herz um ein paar Zentimeter verfehlte. Ich versuchte gar nicht erst, mich auf den Beinen zu halten, ließ mich einfach fallen und rollte mich zur Seite, als er nach meinem Kopf trat. Er wollte erneut losschlagen, zuckte aber zurück, als drei meiner Wurfmesser in seiner Brust landeten. Verdammt, ich hatte schon wieder sein Herz
verfehlt.
»Verfluchte Scheiße!«, brüllte Liam. Er hatte aufgehört, sich als Mensch zu geben, ließ es zu, dass seine Augen einen smaragdgrünen Glanz annahmen und seine Fangzähne sichtbar wurden. »Du musst die legendäre Gevatterin Tod sein. Was führt den Schrecken aller Vampire in mein Haus?«
Er wirkte fasziniert, aber nicht eingeschüchtert. Allerdings war er jetzt vorsichtiger und umkreiste mich, als ich aufsprang und meinen Mantel abstreifte, um leichter an meine Waffen heranzukommen.
»Das Übliche«, antwortete ich. »Du hast Sterbliche auf dem Gewissen. Ich räche sie.«
Liam verdrehte doch tatsächlich die Augen. »Glaub mir, Kleines, Jerome und Thomas hatten es nicht besser verdient. Das dreckige Diebesgesindel hat mich bestohlen. Heutzutage ist es ja so schwer, gutes Personal zu finden.«
»Sprich ruhig weiter, Hübscher. Nur zu.«
Ich ließ den Kopf auf den Schultern kreisen und griff mir noch ein paar Messer. Vollkommen reglos warteten wir darauf, dass der andere den Anfang machen würde. Mir war klar, dass Liams Helfer schon unterwegs war, ich konnte hören, wie der Ghul leise näher schlich und dabei kaum ein Geräusch machte. Liam ahnte allerdings nicht, dass ich das mitbekam. Sein Geplapper war reine Verzögerungstaktik.
Er schüttelte den Kopf, als sei er über sich selbst enttäuscht. »Ich hätte es gleich merken müssen. Die berüchtigte Gevatterin Tod hat blutrote Haare und rauchgraue Augen, und deine Haut … mmm, das hätte mir wirklich zu denken geben sollen. Noch nie habe ich einen Menschen mit einem so makellosen Teint gesehen. Herrgott, Mädchen, ich wollte dich noch nicht einmal beißen. Jedenfalls nicht so, wie du denkst.«
»Ich bin ja so geschmeichelt, dass du mich erst ficken und dann umbringen wolltest. Wirklich, Liam, wie reizend von dir.«
Er grinste. »Valentinstag war ja gerade erst letzten Monat.«
Er drängte mich in Richtung Tür, und ich ließ es zu. Ganz langsam zog ich mein längstes Messer, praktisch ein kleines Schwert, aus dem Hosenbein hervor und nahm es statt der Wurfmesser in die rechte Hand.
Bei seinem Anblick wurde Liams Grinsen noch breiter. »Beeindruckend, aber du hast meine Lanze noch nicht gesehen. Schmeiß den ganzen Plunder weg, und ich zeige sie dir. Du kannst sogar mit deinen Messern spielen, wenn du willst. Gibt der Sache Pep.«
Er machte einen schnellen Schritt auf mich zu, aber ich ließ mich nicht an der Nase herumführen. Mit den Messern in meiner Linken zielte ich auf ihn. Dann wirbelte ich herum, um dem Ghul auszuweichen, der hinter meinem Rücken zum Schlag auf mich ausgeholt hatte. Mit einem einzigen Hieb, den ich im ganzen Arm spüren konnte, schlug ich meinem Angreifer den Kopf ab. Er rotierte einen Augenblick lang auf dem Stumpf und starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an, dann fiel er zu Boden. Einen Ghul konnte man nur auf eine Art töten, und zwar auf diese.
Liam riss sich die Silbermesser aus dem Leib, als wären sie Zahnstocher. »Du kleines Miststück, jetzt kriegst du es mit mir zu tun! Magnus und ich waren über vierzig Jahre lang befreundet!«
Das Vorgeplänkel hatten wir also hinter uns. Blitzschnell stürzte Liam sich auf mich. Sein Körper und seine Zähne waren seine einzigen Waffen, die aber waren nicht zu verachten. Liams Faust traf mich mit Wucht, und ich schlug genauso verbissen zurück. Einige Minuten lang droschen wir so aufeinander ein. Lampen und Tische, die uns in den Weg gerieten, wurden einfach niedergewalzt. Am Ende schleuderte Liam mich quer durch den Raum, und ich landete direkt neben dem ausgefallenen Kunstwerk, das ich eben noch bewundert hatte. Liam wollte mich schnappen, aber ich trat zu, sodass er rücklings in den Schaukasten mit den Schriftrollen krachte. Ich riss die Skulptur von der Wand und zielte auf seinen Kopf.
Liam duckte sich fluchend, als das gute Stück hinter ihm in die Brüche ging.
»Hast du überhaupt keinen Respekt vor antiken Kunstschätzen? Das Ding war älter als ich! Und warum zum Teufel hast du auf einmal solche Augen?«
Ich wusste genau, was er meinte. Gerade waren meine Augen noch grau gewesen, aber jetzt leuchteten sie offensichtlich genauso grün wie die von Liam. Kämpfte ich, konnte ich nicht verbergen, dass mein unbekannter Vater ein Vampir gewesen war.
»Dieses Knochenpuzzle war älter als du, hm? Dann bist du also erst zweihundert Jahre alt? Zweihundertfünfzig? Dafür bist du ziemlich stark. Ich habe schon siebenhundertjährige Vampire aufgespießt, die weniger hart zuschlagen konnten. Dich umzulegen wird Spaß machen.«
Gott steh mir bei, aber das war kein Scherz. Einen Vampir bequem abzustechen und meinem Team den Rest zu überlassen war einfach keine Herausforderung.
Liam grinste mich an. »Zweihundertzwanzig, Kleines. In pulslosen Jahren, versteht sich. Die übrigen bestanden nur aus Armut und Elend. London war ein einziges Dreckloch damals. Heute ist dort alles viel besser.«
»Zu schade, dass du nicht mehr hinkommen wirst.«
»Das bezweifle ich, Kleines. Du glaubst, es wird dir Spaß machen, mich umzubringen? Dich flachzulegen wird mir einen Heidenspaß machen, jede Wette.«
»Dann zeig mal, was du drauf hast«, spottete ich. Ich konnte ihm nicht mehr ausweichen, so schnell war er bei mir und hatte mir einen brutalen Schlag gegen den Schädel verpasst. Ich sah Fünkchen stieben, für jeden Normalsterblichen wäre jetzt der Deckel zugegangen. Normal war ich allerdings nie gewesen, und so kämpfte ich gegen die Übelkeit an und reagierte prompt.
Ich ließ meinen Körper schlaff werden, den Mund offen stehen und sank mit verdrehten Augen zu Boden, den Hals verführerisch dargeboten. Meine schlaffe Hand lag direkt neben einem der Wurfmesser, das er aus seiner Brust entfernt hatte. Würde Liam weitermachen, wenn ich am Boden lag, oder nachsehen, wie schwer es mich erwischt hatte?
Mein riskantes Spiel zahlte sich aus. »Schon besser«, murmelte Liam und kniete sich neben mich. Er fuhr mir mit den Händen über den Körper und schnaubte dann amüsiert.
»Das ist mal eine Ein-Mann-Armee. Die Gute hat ja ein ganzes Waffenarsenal am Leib.«
Zuerst öffnete er den Reißverschluss meiner Hose. Vermutlich wollte er mir die Messer abnehmen; wäre naheliegend gewesen.
Als er mir die Hose jedoch über die Hüften gezogen hatte, hielt er inne. Seine Finger fuhren über die Tätowierung, die ich mir vor Jahren hatte stechen lassen, kurz nachdem ich mein altes Leben in Ohio hinter mir gelassen und mein jetziges begonnen hatte.
Ich packte die Gelegenheit beim Schopf, schloss die Hand um den neben mir liegenden Dolch und stieß Liam die Klinge ins Herz. Er sah mich schockiert an und erstarrte.
»Und da habe ich immer geglaubt, wenn die Alexander mich nicht umbringt, könnte mir nichts mehr etwas anhaben …«
Ich wollte das Messer gerade in der Wunde herumdrehen, um die Sache zu Ende zu bringen, da fügte sich plötzlich das letzte Teilchen ins Puzzle. Ein Schiff namens Alexander. Liam stammte aus London und war vor zweihundertzwanzig Jahren gestorben.
Er besaß ein Kunstwerk der Aborigines, das ihm ein australischer Freund geschenkt hatte …
»Welcher von ihnen bist du?«, fragte ich ihn, das Messer fest gepackt. Bei der geringsten Bewegung würde es ihm das Herz zerfetzen. Hielt er still, würde er nicht sterben. Noch nicht.
»Was?«
»Im Jahr 1788 wurden vier Strafgefangene auf einem Schiff namens Alexander nach Neusüdwales überführt. Einer entkam bald nach der Ankunft. Ein Jahr später kehrte er ins Straflager zurück und erschlug alle Wärter und Häftlinge bis auf seine drei Freunde. Einer von ihnen wurde freiwillig zum Vampir, die beiden anderen zwang man dazu. Ich weiß, welcher von ihnen du nicht sein kannst, also sag mir, welcher du bist.«
Falls das überhaupt möglich war, wirkte Liam jetzt sogar noch erstaunter als in dem Augenblick, als ich ihm die Klinge ins Herz gestoßen hatte. »Nur wenige kennen diese Geschichte.«
Drohend versetzte ich dem Messer einen Stoß, sodass es sich ein kleines bisschen tiefer bohrte. Er hatte schon verstanden. »Ian. Ich bin Ian.«
Verfluchte Scheiße! Auf mir lag der Mann, der vor fast zweihundertzwanzig Jahren die Liebe meines Lebens in einen Vampir verwandelt hatte. Welche Ironie!
Liam, oder Ian, war laut eigener Aussage ein Mörder. Zugegeben, seine Angestellten hatten ihn vielleicht bestohlen; die Welt war eben voller Idioten. Wenn es um ihr Eigentum ging, spielten Vampire nach besonderen Regeln. Sie hatten ein geradezu absurdes Besitzdenken. Hatten Thomas und Jerome gewusst, wer ihr Arbeitgeber war, und ihn dennoch bestohlen, mussten ihnen die Konsequenzen bewusst gewesen sein. Doch das war es nicht, was mich zögern ließ. Letztendlich lief alles auf eine einfache Tatsache hinaus: Ich hatte Bones zwar verlassen, sah mich aber außerstande, denjenigen umzubringen, der dafür gesorgt hatte, dass er überhaupt in mein Leben hatte treten können.
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe by Blanvalet in der Verlagsgruppe
Random House GmbH, München
Übersetzung: Sandra Müller
Er hatte einen britischen Akzent, der nicht zu seinem irischen Namen passte. Wenn ich ihn nur hörte, bekam ich schon eine Gänsehaut. Er weckte Erinnerungen in mir. Ich drehte mich um. Flannery sah sogar noch besser aus als auf dem Foto in seiner FBI-Akte. Seine bleiche Alabasterhaut hob sich fast leuchtend gegen sein beigefarbenes Hemd ab. Vampire hatten einen makellosen Teint, das musste man ihnen lassen. Liams Augen waren strahlend türkisblau, und sein kastanienbraunes Haar reichte ihm bis über den Hemdkragen.
Ja, er war ein gut aussehender Typ. Mit der Nahrungsbeschaffung hatte er bestimmt keine Probleme. Das Beeindruckendste an ihm aber war seine Aura. Wie prickelnde Wellen aus Energie umgab sie ihn. Er war ganz offensichtlich ein Meistervampir.
»Ja, es geht um Thomas Stillwell und Jerome Hawthorn. Wir möchten Sie um Ihre Unterstützung bitten.«
Das höfliche Geplänkel sollte mir Zeit verschaffen, damit ich abschätzen konnte, wie viele Personen noch im Haus waren. Ich lauschte angestrengt, konnte aber nur Flannery, den Ghul-Portier und mich selbst wahrnehmen.
»Gerne doch. Wenn es Recht und Ordnung dient«, antwortete er mit leichtem Spott.
»Ist es Ihnen recht, wenn wir uns hier unterhalten?«, fragte ich, weil ich mich gerne noch weiter umgesehen hätte. »Oder möchten Sie lieber irgendwo unter vier Augen mit mir sprechen?«
Er schlenderte auf mich zu. »Agent Arthur, wenn Sie sich privat mit mir unterhalten möchten, nennen Sie mich Liam. Und ich hoffe doch sehr, Sie wollen etwas anderes bereden als diese leidige Angelegenheit mit Jerome und Thomas.«
Oh, wären wir erst allein, würde es kaum bei einer Plauderei bleiben. Er war in den Mord an seinen Angestellten verwickelt, und ich musste mich dringend um ihn kümmern, festnehmen wollte ich ihn allerdings nicht. Der Durchschnittsbürger glaubte weder an Vampire noch an Ghule. Gerichtlich konnte man gegen mordende Untote also nicht vorgehen. Nein, eine geheime Abteilung des Heimatschutzministeriums war dafür zuständig, und mein Boss Don betraute dann mich mit der Angelegenheit. Seit ich den Job machte, kursierten unter den Untoten natürlich wilde Gerüchte über meine Person, doch nur ein einziger Vampir kannte meine wahre Identität. Und den hatte ich seit über vier Jahren nicht gesehen.
»Liam, Sie wollen doch wohl nicht mit einer FBI-Agentin flirten, die Sie wegen eines Doppelmordes vernimmt, oder?«
»Catrina, wer nichts zu verbergen hat, braucht sich keine Sorgen zu machen, wenn er die Mühlen des Gesetzes in der Ferne klappern hört. Schließlich habe ich ja beim FBI ausdrücklich darum ersucht, Sie zum Gespräch zu mir zu schicken, hübsch wie Sie sind. Irgendwie habe ich das Gefühl, Sie zu kennen, aber ich würde mich gewiss erinnern, wenn ich schon einmal das Vergnügen gehabt hätte.«
»Hatten Sie nicht«, bemerkte ich sofort. »Ich würde mich ebenfalls erinnern, glauben Sie mir.«
Das war kein Kompliment gewesen, doch auf meine Feststellung hin gluckste er viel zu anzüglich für meinen Geschmack.
»Gewiss doch.«
Du selbstgefälliges Arschloch. Dein Grinsen wird dir gleich vergehen.
»Zurück zum Thema, Liam. Reden wir hier oder unter vier Augen?«
Er seufzte ergeben. »Wenn es denn unbedingt sein muss, können wir es uns in der Bibliothek bequem machen. Folgen Sie mir.«
Durch eine Reihe ebenso pompös ausgestatteter wie menschenleerer Räume gingen wir in die Bibliothek. Sie war umwerfend und beherbergte Hunderte von neuen und antiquarischen Werken. Sogar Schriftrollen waren in einem gläsernen Schaukasten ausgestellt, doch ein riesiges Kunstwerk an der Wand fesselte meinen Blick.
»Es wirkt geradezu … primitiv«, bemerkte ich.
Dem ersten Eindruck nach schien es aus Holz oder Elfenbein zu bestehen, doch bei näherer Betrachtung war es wohl eher aus Knochen. Menschlichen Knochen.
»Es stammt von den Aborigines, ist fast dreihundert Jahre alt. Ein australischer Freund hat es mir geschenkt.« Liam kam näher, seine türkisblauen Augen begannen smaragdgrün zu funkeln. Ich wusste, was das zu bedeuten hatte. Sexuelle Erregung und Blutgier zeigten sich bei Vampiren auf die gleiche Weise. Beides ließ die Augen grün leuchten und die Fangzähne sichtbar werden. Liam war also entweder hungrig oder scharf auf mich. Wie auch immer, ich würde ihm in beiden Fällen nicht dienen können.
Mein Handy klingelte. »Hallo«, meldete ich mich. »Agent Arthur, sind Sie noch mit der Vernehmung von Mr. Flannery beschäftigt?«, erkundigte sich mein Stellvertreter Tate.
»Ja. In einer halben Stunde sind wir durch.«
Sollte heißen: Melde ich mich bis dahin nicht, muss das Team einschreiten.
Tate legte kommentarlos auf. Er hasste es, wenn ich einen Fall allein in die Hand nahm. Pech für ihn. In Flannerys Haus herrschte passenderweise Grabesstille, und ich hatte schon lange mit keinem Meistervampir mehr gekämpft.
»Die Polizei hat Sie sicher davon in Kenntnis gesetzt, dass die Leichen von Thomas Stillwell und Jerome Hawthorn fast blutleer waren. Sie wiesen jedoch keinerlei sichtbare Verletzungen
auf, die dazu geführt haben könnten«, begann ich ohne Umschweife.
Liam zuckte mit den Schultern. »Hat das FBI eine Theorie?«
Oh ja, und ob wir eine hatten. Zweifellos hatte Liam die verräterischen Bisswunden an den Hälsen von Thomas und Jerome mit einem Tropfen seines eigenen Blutes schlicht zum Verschwinden gebracht, bevor sie gestorben waren. Schwupps, zwei ausgeblutete Leichen und nichts, was auf einen Vampir hindeuten und die Anwohner aufwiegeln könnte … es sei denn, man wusste, wonach man suchen musste. Ich drehte den Spieß einfach um. »Sie haben eine Theorie, nicht wahr?«
»Wollen Sie sie hören, Catrina? Meine Theorie lautet, dass Sie so umwerfend schmecken, wie Sie aussehen. Seit Sie durch meine Tür gekommen sind, kann ich an nichts anderes mehr denken.«
Ich wehrte mich nicht, als Liam näher kam und mein Kinn hob. Auf diese Weise musste ich mir wenigstens keine eigenen Ablenkungsmanöver einfallen lassen.
Seine Lippen fühlten sich auf meinen kühl an und vibrierten vor Energie, was ein angenehmes Kribbeln auslöste. Er küsste wirklich gut, wusste, wann er leidenschaftlicher und wann er noch leidenschaftlicher werden musste. Einen Augenblick lang gestattete ich mir, den Kuss einfach nur zu genießen – Gott, vier enthaltsame Jahre blieben offensichtlich nicht ohne Folgen! –, und dann machte ich Ernst.
Ich hatte die Arme um ihn gelegt, sodass er nicht mitbekam, wie ich einen Dolch aus dem Ärmel zog. In diesem Augenblick wanderten seine Hände zu meinen Hüften und ertasteten die harten Konturen unter meiner Hose.
»Was zum Teufel …?«, murmelte er und wich zurück. Ich lächelte. »Überraschung!« Dann stieß ich zu. Der Stoß hätte tödlich sein können, aber Liam war schneller, als ich erwartet hatte. Ich hatte schon ausgeholt, da zog er mir die Füße weg, sodass die Silberklinge sein Herz um ein paar Zentimeter verfehlte. Ich versuchte gar nicht erst, mich auf den Beinen zu halten, ließ mich einfach fallen und rollte mich zur Seite, als er nach meinem Kopf trat. Er wollte erneut losschlagen, zuckte aber zurück, als drei meiner Wurfmesser in seiner Brust landeten. Verdammt, ich hatte schon wieder sein Herz
verfehlt.
»Verfluchte Scheiße!«, brüllte Liam. Er hatte aufgehört, sich als Mensch zu geben, ließ es zu, dass seine Augen einen smaragdgrünen Glanz annahmen und seine Fangzähne sichtbar wurden. »Du musst die legendäre Gevatterin Tod sein. Was führt den Schrecken aller Vampire in mein Haus?«
Er wirkte fasziniert, aber nicht eingeschüchtert. Allerdings war er jetzt vorsichtiger und umkreiste mich, als ich aufsprang und meinen Mantel abstreifte, um leichter an meine Waffen heranzukommen.
»Das Übliche«, antwortete ich. »Du hast Sterbliche auf dem Gewissen. Ich räche sie.«
Liam verdrehte doch tatsächlich die Augen. »Glaub mir, Kleines, Jerome und Thomas hatten es nicht besser verdient. Das dreckige Diebesgesindel hat mich bestohlen. Heutzutage ist es ja so schwer, gutes Personal zu finden.«
»Sprich ruhig weiter, Hübscher. Nur zu.«
Ich ließ den Kopf auf den Schultern kreisen und griff mir noch ein paar Messer. Vollkommen reglos warteten wir darauf, dass der andere den Anfang machen würde. Mir war klar, dass Liams Helfer schon unterwegs war, ich konnte hören, wie der Ghul leise näher schlich und dabei kaum ein Geräusch machte. Liam ahnte allerdings nicht, dass ich das mitbekam. Sein Geplapper war reine Verzögerungstaktik.
Er schüttelte den Kopf, als sei er über sich selbst enttäuscht. »Ich hätte es gleich merken müssen. Die berüchtigte Gevatterin Tod hat blutrote Haare und rauchgraue Augen, und deine Haut … mmm, das hätte mir wirklich zu denken geben sollen. Noch nie habe ich einen Menschen mit einem so makellosen Teint gesehen. Herrgott, Mädchen, ich wollte dich noch nicht einmal beißen. Jedenfalls nicht so, wie du denkst.«
»Ich bin ja so geschmeichelt, dass du mich erst ficken und dann umbringen wolltest. Wirklich, Liam, wie reizend von dir.«
Er grinste. »Valentinstag war ja gerade erst letzten Monat.«
Er drängte mich in Richtung Tür, und ich ließ es zu. Ganz langsam zog ich mein längstes Messer, praktisch ein kleines Schwert, aus dem Hosenbein hervor und nahm es statt der Wurfmesser in die rechte Hand.
Bei seinem Anblick wurde Liams Grinsen noch breiter. »Beeindruckend, aber du hast meine Lanze noch nicht gesehen. Schmeiß den ganzen Plunder weg, und ich zeige sie dir. Du kannst sogar mit deinen Messern spielen, wenn du willst. Gibt der Sache Pep.«
Er machte einen schnellen Schritt auf mich zu, aber ich ließ mich nicht an der Nase herumführen. Mit den Messern in meiner Linken zielte ich auf ihn. Dann wirbelte ich herum, um dem Ghul auszuweichen, der hinter meinem Rücken zum Schlag auf mich ausgeholt hatte. Mit einem einzigen Hieb, den ich im ganzen Arm spüren konnte, schlug ich meinem Angreifer den Kopf ab. Er rotierte einen Augenblick lang auf dem Stumpf und starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an, dann fiel er zu Boden. Einen Ghul konnte man nur auf eine Art töten, und zwar auf diese.
Liam riss sich die Silbermesser aus dem Leib, als wären sie Zahnstocher. »Du kleines Miststück, jetzt kriegst du es mit mir zu tun! Magnus und ich waren über vierzig Jahre lang befreundet!«
Das Vorgeplänkel hatten wir also hinter uns. Blitzschnell stürzte Liam sich auf mich. Sein Körper und seine Zähne waren seine einzigen Waffen, die aber waren nicht zu verachten. Liams Faust traf mich mit Wucht, und ich schlug genauso verbissen zurück. Einige Minuten lang droschen wir so aufeinander ein. Lampen und Tische, die uns in den Weg gerieten, wurden einfach niedergewalzt. Am Ende schleuderte Liam mich quer durch den Raum, und ich landete direkt neben dem ausgefallenen Kunstwerk, das ich eben noch bewundert hatte. Liam wollte mich schnappen, aber ich trat zu, sodass er rücklings in den Schaukasten mit den Schriftrollen krachte. Ich riss die Skulptur von der Wand und zielte auf seinen Kopf.
Liam duckte sich fluchend, als das gute Stück hinter ihm in die Brüche ging.
»Hast du überhaupt keinen Respekt vor antiken Kunstschätzen? Das Ding war älter als ich! Und warum zum Teufel hast du auf einmal solche Augen?«
Ich wusste genau, was er meinte. Gerade waren meine Augen noch grau gewesen, aber jetzt leuchteten sie offensichtlich genauso grün wie die von Liam. Kämpfte ich, konnte ich nicht verbergen, dass mein unbekannter Vater ein Vampir gewesen war.
»Dieses Knochenpuzzle war älter als du, hm? Dann bist du also erst zweihundert Jahre alt? Zweihundertfünfzig? Dafür bist du ziemlich stark. Ich habe schon siebenhundertjährige Vampire aufgespießt, die weniger hart zuschlagen konnten. Dich umzulegen wird Spaß machen.«
Gott steh mir bei, aber das war kein Scherz. Einen Vampir bequem abzustechen und meinem Team den Rest zu überlassen war einfach keine Herausforderung.
Liam grinste mich an. »Zweihundertzwanzig, Kleines. In pulslosen Jahren, versteht sich. Die übrigen bestanden nur aus Armut und Elend. London war ein einziges Dreckloch damals. Heute ist dort alles viel besser.«
»Zu schade, dass du nicht mehr hinkommen wirst.«
»Das bezweifle ich, Kleines. Du glaubst, es wird dir Spaß machen, mich umzubringen? Dich flachzulegen wird mir einen Heidenspaß machen, jede Wette.«
»Dann zeig mal, was du drauf hast«, spottete ich. Ich konnte ihm nicht mehr ausweichen, so schnell war er bei mir und hatte mir einen brutalen Schlag gegen den Schädel verpasst. Ich sah Fünkchen stieben, für jeden Normalsterblichen wäre jetzt der Deckel zugegangen. Normal war ich allerdings nie gewesen, und so kämpfte ich gegen die Übelkeit an und reagierte prompt.
Ich ließ meinen Körper schlaff werden, den Mund offen stehen und sank mit verdrehten Augen zu Boden, den Hals verführerisch dargeboten. Meine schlaffe Hand lag direkt neben einem der Wurfmesser, das er aus seiner Brust entfernt hatte. Würde Liam weitermachen, wenn ich am Boden lag, oder nachsehen, wie schwer es mich erwischt hatte?
Mein riskantes Spiel zahlte sich aus. »Schon besser«, murmelte Liam und kniete sich neben mich. Er fuhr mir mit den Händen über den Körper und schnaubte dann amüsiert.
»Das ist mal eine Ein-Mann-Armee. Die Gute hat ja ein ganzes Waffenarsenal am Leib.«
Zuerst öffnete er den Reißverschluss meiner Hose. Vermutlich wollte er mir die Messer abnehmen; wäre naheliegend gewesen.
Als er mir die Hose jedoch über die Hüften gezogen hatte, hielt er inne. Seine Finger fuhren über die Tätowierung, die ich mir vor Jahren hatte stechen lassen, kurz nachdem ich mein altes Leben in Ohio hinter mir gelassen und mein jetziges begonnen hatte.
Ich packte die Gelegenheit beim Schopf, schloss die Hand um den neben mir liegenden Dolch und stieß Liam die Klinge ins Herz. Er sah mich schockiert an und erstarrte.
»Und da habe ich immer geglaubt, wenn die Alexander mich nicht umbringt, könnte mir nichts mehr etwas anhaben …«
Ich wollte das Messer gerade in der Wunde herumdrehen, um die Sache zu Ende zu bringen, da fügte sich plötzlich das letzte Teilchen ins Puzzle. Ein Schiff namens Alexander. Liam stammte aus London und war vor zweihundertzwanzig Jahren gestorben.
Er besaß ein Kunstwerk der Aborigines, das ihm ein australischer Freund geschenkt hatte …
»Welcher von ihnen bist du?«, fragte ich ihn, das Messer fest gepackt. Bei der geringsten Bewegung würde es ihm das Herz zerfetzen. Hielt er still, würde er nicht sterben. Noch nicht.
»Was?«
»Im Jahr 1788 wurden vier Strafgefangene auf einem Schiff namens Alexander nach Neusüdwales überführt. Einer entkam bald nach der Ankunft. Ein Jahr später kehrte er ins Straflager zurück und erschlug alle Wärter und Häftlinge bis auf seine drei Freunde. Einer von ihnen wurde freiwillig zum Vampir, die beiden anderen zwang man dazu. Ich weiß, welcher von ihnen du nicht sein kannst, also sag mir, welcher du bist.«
Falls das überhaupt möglich war, wirkte Liam jetzt sogar noch erstaunter als in dem Augenblick, als ich ihm die Klinge ins Herz gestoßen hatte. »Nur wenige kennen diese Geschichte.«
Drohend versetzte ich dem Messer einen Stoß, sodass es sich ein kleines bisschen tiefer bohrte. Er hatte schon verstanden. »Ian. Ich bin Ian.«
Verfluchte Scheiße! Auf mir lag der Mann, der vor fast zweihundertzwanzig Jahren die Liebe meines Lebens in einen Vampir verwandelt hatte. Welche Ironie!
Liam, oder Ian, war laut eigener Aussage ein Mörder. Zugegeben, seine Angestellten hatten ihn vielleicht bestohlen; die Welt war eben voller Idioten. Wenn es um ihr Eigentum ging, spielten Vampire nach besonderen Regeln. Sie hatten ein geradezu absurdes Besitzdenken. Hatten Thomas und Jerome gewusst, wer ihr Arbeitgeber war, und ihn dennoch bestohlen, mussten ihnen die Konsequenzen bewusst gewesen sein. Doch das war es nicht, was mich zögern ließ. Letztendlich lief alles auf eine einfache Tatsache hinaus: Ich hatte Bones zwar verlassen, sah mich aber außerstande, denjenigen umzubringen, der dafür gesorgt hatte, dass er überhaupt in mein Leben hatte treten können.
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe by Blanvalet in der Verlagsgruppe
Random House GmbH, München
Übersetzung: Sandra Müller
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Autoren-Porträt von Jeaniene Frost
Jeaniene Frost lebt mit ihrem Mann und ihrem Hund in Florida. Obwohl sie selbst kein Vampir ist, legt sie wert auf einen blassen Teint, trägt häufig schwarze Kleidung und geht sehr spät zu Bett. Und obwohl sie keine Geister sehen kann, mag sie es, auf alten Friedhöfen spazieren zu gehen. Jeaniene liebt außerdem Poesie und Tiere, aber sie hasst es zu kochen. Zurzeit arbeitet sie an ihrem nächsten Roman.
Bibliographische Angaben
- Autor: Jeaniene Frost
- 2009, 368 Seiten, Maße: 12,4 x 18,1 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Sandra Müller
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3442266238
- ISBN-13: 9783442266234
- Erscheinungsdatum: 13.07.2009
Rezension zu „Kuss der Nacht / Cat & Bones Bd.2 “
"düster und erotisch!"
Kommentare zu "Kuss der Nacht / Cat & Bones Bd.2"
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