Liebe im Spiel
Die Hasty-Schwestern sind jung, hübsch und pleite. Klar, denken sich Rufa, Selena, Nancy und Lydia: sie stürzen sich einfach auf den Heiratsmarkt. Liebe ist sowieso ein überbewertetes Gefühl! Ein Reigen von skurrilen Land-Edelleuten und höchst...
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Die Hasty-Schwestern sind jung, hübsch und pleite. Klar, denken sich Rufa, Selena, Nancy und Lydia: sie stürzen sich einfach auf den Heiratsmarkt. Liebe ist sowieso ein überbewertetes Gefühl! Ein Reigen von skurrilen Land-Edelleuten und höchst ungeeigneten Heiratskandidaten in London sorgt für köstliche Verwirrung. Und dann ist auf einmal Liebe im Spiel.
Liebe imSpiel von Kate Saunders
LESEPROBE
Das sind die Narnia-Bücher, von Roger«, sagte Nancy.»Das sind Barbie und ihr merkwürdiges Riesenpony, das eher wie ein Kutschpferdaussieht - es ist von Mum.« Sie hielt ihrer Schwester die bunten Päckchen vordas benommene, trübsinnige Gesicht. »Und meines kommt später. Es sindmindestens drei Geschenke mehr, als wir dachten.«
»Vier«, sagte Selena aus den Tiefen ihres Buches. IhreLesebesessenheit hielt sie nie davon ab, sich an Unterhaltungen zu beteiligen.»Ich habe ihr etwas Schokoladenkonfekt gemacht und dachte, ich fülle es inmeine lackierte Dose - die hat sie immer schon gemocht. Hat jemand nochGeschenkpapier übrig?«
»Ich habe welches«, murmelte Rufa. »Leg die Dose aufs Bett, dannpacke ich sie mit ein, wenn ich mein Geschenk einpacke.«
Lydia lächelte verschwommen, wie durch die Wolken hervorbrechendeSonne. »Es wird doch gut werden, oder? Ich kann alles ertragen, solange Linnetnur genug Geschenke bekommt. Ihr seid wunderbar - ich weiß nicht, wie ich euchdanken soll.«
»Du könntest sie zum Beispiel davon abhalten, immer schon inder Dämmerung aufzustehen«, schlug Nancy vor. »Es ist so verteufelt kalt hier,dass ich mindestens eine Stunde Vorwarnung brauche, ehe ich mein jungfräulichesLager verlasse.«
Rufa lachte leise. Sie lag ausgestreckt auf dem Sofa, nachzwei Wochen Weihnachtskocherei erschöpft und nach Nussaroma riechend. Ihrlanges kastanienbraunes Haar, das die Farbe von Granatsteinen hatte, ergosssich über die scheußlichen orangefarbenen Tweedkissen. Ihre drei jüngerenSchwestern rekelten sich auf dem Boden, wobei ihr lang wallendes Haar denaschfarbenen Teppich streiften. Jede drückte einen Körperteil ans Kamingittervor dem kleinen Feuer.
»Liddy«, sagte Nancy, »nimm deinen dicken Hintern aus dem Weg.«
»Dicker Hintern - das sagt die Richtige.« Lydias sanfte Stimmeklang leicht vorwurfsvoll. »Ich brauche mehr Wärme als du. Ich bin dünner, undmeine Hautoberfläche ist im Verhältnis zum Volumen größer.« Sie rang mit demKorken einer Flasche billigen Rotweins.
Schließlich hob Selena den Kopf von den Seiten des Buches Dasverlorene Paradies. »Will jemand Kekse?« Sie zog eine Packung Schokoladenkekseaus den ausgebesserten Falten ihrer weiten Jacke.
»Mein Gott«, rief Nancy aus. »Wo, um alles in der Welt, hastdu die her?«
»Brian hat sie mir gegeben. Ich glaube, wir tun ihm Leid.«
Brian war der verschwitzte junge Mann vom Auktionshaus, der gegenwärtigden Wert des uralten Hauses und seines verkommenen Inhalts schätzte.Melismate, seit fast eintausend Jahren der Stammsitz der Hasty-Familie, sollteunter den Hammer kommen.
Selena riss das Päckchen auf, und ihre Schwestern streckten bettelnddie Hände aus. Der erschreckende Geldmangel, mit dem nicht mehr zu spaßen war,ließ Schokoladenkekse mindestens so exotisch scheinen wie Kaviar. Sie hattengerade mehrere Wochen von der kärglichen Lauchsuppe ihrer Mutter gelebt und jedenPenny für das letzte Weihnachten auf Melismate gehortet.
»Das war nett von ihm«, sagte Rufa mit vollem Mund. Siehatte das Gefühl, dass es wichtig war zu erwähnen, wenn Menschen nett waren.»Er ist manchmal ziemlich ekelhaft, aber es ist nicht seine Schuld, dass wirpleite sind.«
»Sag nicht einfach so >pleite«<, murmelte Lydia. Siegoss Wein in vier nicht zueinander passende Teetassen und reichte sie herum. »Immerwenn ich über die Zukunft nachdenke, fühle ich mich einfach schrecklich.«
Es war Heiligabend. Der Mann genoss sein erstes Weihnachten imHimmel. Das Haus, das er hinterlassen hatte, war kalt. Es kam unter den Hammer,und seine Familie wurde zerschlagen. Das Supermarkt-Hähnchen von der Größeeines Kanarienvogels lag fürs morgige Mittagessen fertig im widerhallendenKühlschrank. Rufa hatte ihre letzten Energiereserven darauf verwendet, den BergKartoffeln zu schrubben und zu schälen, die sieben leere Mägen füllen müssten.Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, an dem nichts mehr zu tun blieb. Die Pastetenund Kuchen, die sie in Zeiten relativen Wohlstands beschäftigt hatten, gab esdieses Jahr nicht. Ihre Mutter war mit Lydias kleiner Tochter unten. DieHasty-Mädchen hatten sich in ihrem alten Kinderzimmer versammelt, wie sie es häufigtaten.
Dieses Kinderzimmer bestand aus zwei Mansarden unter der Dachschräge,die durch einen Durchbruch zu einem großen Raum geworden waren. Es war so zugigwie das Deck der Cutty Sark und voll gestopft mit Gerümpel. Brian hatte dasGerümpel auf insgesamt vierzig Pfund geschätzt. Man konnte nicht erwarten,dass er den wahren Wert jenseits des Materiellen erkannte. Das Kinderzimmer warein Inbegriff der Familiengeschichte, wie die Ringe eines Baumes.
Die Bilderwand, mit vergilbten Bildern pausbäckiger Kinder inMatrosenanzügen, war ein Relikt irgendeines viktorianischen Hasty. Der wuchtigeSilver-Cross-Kinderwagen, der jetzt verbeult und ruiniert war, stammte aus derVorkriegskindheit des großen Mannes.
(...)
© S. Fischer Verlag
Übersetzung: Karin König
Kate Saunders ist erfolgreiche Autorin zahlreicher Roman und Kinderbücher, für die sie - auch in Deutschland - ausgezeichnet wurde. Als Journalistin und Rezensentin schreibt sie u.a. für die »Sunday Times« und »Cosmopolitan«, ist als Jurorin tätig und arbeitet für das Radio. Sie ist begeisterte Londonerin.Literaturpreise:'Die genial gefährliche Unsterblichkeitsschokolade': Ulmer Unke 2015
- Autor: Kate Saunders
- 2006, 4. Aufl., 480 Seiten, Maße: 12,5 x 19 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzung: König, Karin
- Übersetzer: Karin König
- Verlag: FISCHER Taschenbuch
- ISBN-10: 3596167574
- ISBN-13: 9783596167579
- Erscheinungsdatum: 01.03.2006
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