Mankell über Mankell
Kurt Wallander und der Zustand der Welt
An die verschiedensten Orte der Welt ist Kirsten Jacobsen Henning Mankell gefolgt. Und sie hat den eher verschlossenen Schriftsteller dazu gebracht, von sich zu erzählen: wie er ohne Mutter aufwuchs, mit sechzehn Jahren die Schule verließ, einen Job beim...
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Produktinformationen zu „Mankell über Mankell “
Klappentext zu „Mankell über Mankell “
An die verschiedensten Orte der Welt ist Kirsten Jacobsen Henning Mankell gefolgt. Und sie hat den eher verschlossenen Schriftsteller dazu gebracht, von sich zu erzählen: wie er ohne Mutter aufwuchs, mit sechzehn Jahren die Schule verließ, einen Job beim Theater fand und mit dem Schreiben anfing. Der Schöpfer der berühmten Wallander-Romane berichtet über seine erste Reise nach Afrika, sein Theater in Maputo und die Beweggründe, die Menschen morden lassen. Zusammen mit Beiträgen von Desmond Tutu, Kenneth Branagh, Horst Köhler u. a. ist so eine sehr persönliche Biografie Mankells entstanden, dessen Leben zwischen Schweden und Afrika so ungewöhnlich ist wie sein Werk.
Lese-Probe zu „Mankell über Mankell “
Ein Jahr nach Henning Mankells erstem Wallander-Buch, Mörder ohne Gesicht, veröffentlicht der kanadische Schriftsteller Michael Ondaatje, geboren 1943 in Colombo auf Ceylon (heute Sri Lanka), den Roman Der englische Patient und erhält dafür den Booker-Preis. Das Buch wird von Anthony Minghella in Starbesetzung verfilmt, unter anderem mit Ralph Fiennes, Juliette Binoche, Willem Dafoe und Kristin Scott Thomas. Der Film wird ein Welterfolg und gewinnt 1997 neun Oscars. Nun treffen die beiden Schriftsteller, Henning Mankell und Michael Ondaatje, an der Universität in Tulsa, Oklahoma, aufeinander. Mankell ist auf einer Promotion in den USA, da sein letztes Wallander- Buch, Der Feind im Schatten, gerade in den Staaten unter dem Titel The Troubled Man herausgekommen ist. In Grossbritannien steht es schon seit langem auf den Bestsellerlisten. Hier landet es – wie auch in Kanada – ebenfalls sofort auf den Bestsellerlisten. Für die Tour sind unzählige Pressekonferenzen und Signierstunden eingeplant. Der Verlag wollte natürlich zehn bis zwölf Städte in den Tourenplan aufnehmen, aber auf Mankells ausdrücklichen Wunsch hin ist er auf New York, Washington, Seattle und San Francisco beschränkt worden. Und dann noch dieser Abstecher nach Tulsa zum Gespräch mit dem Mankell-Fan Michael Ondaatje. "Mankell’s work is really amazing. It’s wonderfully plotted and structured and remarkably deep in how it explores the charakters", sagt Michael Ondaatje vor dem Treffen. Es ist 19.30 Uhr, und der grosse Saal der Universität ist bis zur letzten Stuhlreihe gefüllt. Nach kurzer Begrüssung und Vorstellung der beiden Gäste und der Aufzählung ihrer schriftstellerischen Meriten betreten die Autoren das mit Farnen und weissen Blumenarrangements geschmückte Podium. Sie werden mit Applaus empfangen. Ein seitlich vom Podium angebrachter Grossbildschirm ermöglicht allen im
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Saal, das Gespräch aus der Nähe zu verfolgen. Die Schriftsteller setzen sich in hohe Lehnstühle, die mit hellbraunem Leder bezogen sind. Beide sind lässig gekleidet, und es ist vom ersten Augenblick an zu spüren, dass sie sich gut verstehen. Es ist auch das einzige verabredete Treffen mit Lesern auf dieser Reise durch die USA, auf das Mankell eingegangen ist. Michael Ondaatje: "Es kommt mir so vor, als sässen wir auf einer Theaterbühne, nicht wahr?" Henning Mankell lächelt amüsiert: "Ja … am Ende der Vorstellung und am Anfang der Vorstellung!" Michael Ondaatje lacht und spricht das Publikum an: "Ich möchte euch nur kurz erzählen, dass Henning und ich uns vor ungefähr sieben Jahren zum ersten Mal begegnet sind. Ich hatte um ein Treffen gebeten, weil ich ein grosser Fan von ihm war – und immer noch bin … Henning hat viele Romane, Kinderbücher, Krimis und Bühnenstücke geschrieben, und er arbeitet auch als Regisseur. Er unternimmt viel, um das Verständnis für Afrika zu fördern und um The Memory Book Project bekannt zu machen – das sind Erinnerungsbücher für die Kinder an Aids erkrankter Eltern. Doch seine bekanntesten Bücher sind ohne Zweifel die Kriminalromane. Henning Mankells Wallander-Krimis sind weit mehr als nur Krimis. Sie suchen ihresgleichen. Sie sind Thriller und Reisser, und man liest sie, weil sie spannend sind, aber noch mehr, weil man gern in das Universum der Figuren eintaucht und gern bei ihnen ist. Sie
Darüber hinaus, und das will ich doppelt unterstreichen, gibt es einen moralischen Leitfaden in den Büchern; denn Kurt Wallander und sein Polizistenteam werden jedes Mal mit gesellschaftlichen und moralischen Unzulänglichkeiten konfrontiert. Im letzten Buch, Der Feind im Schatten, heisst es etwa: ›Er suchte nach einer Berliner Mauer in seinem Inneren, konnte jedoch keine finden.‹ Also Henning: Wo soll man bei dir nach der Berliner Mauer suchen?"
Mankell: "Das ist deine Frage?" Ondaatje: "Ja, und du kannst sie beantworten, wie du willst …" Henning Mankell: "… Es ist eine gute und verzwickte Frage. Und du erwartest sicherlich, dass ich eine intelligente Antwort darauf finde. Gibt es eine Berliner Mauer in mir? Okay! Ich glaube, ich habe immer stark auf Mauern reagiert. Wie bei der Begrüssung schon gesagt wurde, habe ich lange Zeit in Afrika verbracht, in Mosambik. Und wie ihr alle wisst, ist Mosambik der Nachbar von Südafrika. Das bedeutet, ich habe viele, viele Jahre in unmittelbarer Nähe des fürchterlichen Gesellschaftssystems, das sich Apartheid nennt, gelebt. Ich kann euch versichern: Das ist ein zerstörerisches System. Das war so eine Mauer. Eine ganz konkrete Mauer. Heute ist diese Mauer verschwunden, glücklicherweise, und wir wissen also, dass es möglich ist, Mauern einzureißen! Aber wir müssen gleichzeitig aufpassen, dass nicht neue Mauern errichtet werden. Ich will die Gelegenheit nutzen und euch von einer ganz neuen Mauer erzählen, die schrecklicherweise in Europa errichtet wird, und ich will mir dabei selbst die Frage stellen: Wo liegt heutzutage Europas Zentrum? Viele werden vielleicht Paris sagen, wegen der Kunst. Oder London, wegen der Wirtschaft. Aber ich sage: Nein, nein! Europas Zentrum ist heutzutage eine kleine Insel, südlich von Sizilien gelegen, ihr Name ist Lampedusa. Hier werden an jedem Morgen Tote angespült. Menschen, die, um ihr Leben zu retten, vom afrikanischen Kontinent kommen oder die aus dem Nahen Osten geflüchtet sind. Und ich frage mich: Ist das nicht eine Mauer, die wir da errichten, um alle diese Menschen, die versuchen, einen friedlichen Ort in Europa zu finden, von uns fernzuhalten? Aus meiner Sicht hängt die Zukunft Europas jetzt von den Geschehnissen auf dieser kleinen Insel Lampedusa ab. Wir werden immer gegen unterschiedliche Arten von Mauern zu kämpfen haben. Und ich finde, dass die schlimmste Mauer die ist, die Menschen in sich selbst errichten, die Indifferenz: Wenn sie meinen, gegen die Übermacht sei nichts auszurichten. Das ist die schlimmste Mauer, und es muss die erste sein, die niedergerissen wird. Denn es ist immer möglich, die Welt in eine bessere Richtung zu lenken! Diese Mauer der Indifferenz müssen wir alle in uns niederreißen. Siehst du, Michael, ich habe eine Antwort auf deine Frage gefunden …"
Darüber hinaus, und das will ich doppelt unterstreichen, gibt es einen moralischen Leitfaden in den Büchern; denn Kurt Wallander und sein Polizistenteam werden jedes Mal mit gesellschaftlichen und moralischen Unzulänglichkeiten konfrontiert. Im letzten Buch, Der Feind im Schatten, heisst es etwa: ›Er suchte nach einer Berliner Mauer in seinem Inneren, konnte jedoch keine finden.‹ Also Henning: Wo soll man bei dir nach der Berliner Mauer suchen?"
Mankell: "Das ist deine Frage?" Ondaatje: "Ja, und du kannst sie beantworten, wie du willst …" Henning Mankell: "… Es ist eine gute und verzwickte Frage. Und du erwartest sicherlich, dass ich eine intelligente Antwort darauf finde. Gibt es eine Berliner Mauer in mir? Okay! Ich glaube, ich habe immer stark auf Mauern reagiert. Wie bei der Begrüssung schon gesagt wurde, habe ich lange Zeit in Afrika verbracht, in Mosambik. Und wie ihr alle wisst, ist Mosambik der Nachbar von Südafrika. Das bedeutet, ich habe viele, viele Jahre in unmittelbarer Nähe des fürchterlichen Gesellschaftssystems, das sich Apartheid nennt, gelebt. Ich kann euch versichern: Das ist ein zerstörerisches System. Das war so eine Mauer. Eine ganz konkrete Mauer. Heute ist diese Mauer verschwunden, glücklicherweise, und wir wissen also, dass es möglich ist, Mauern einzureißen! Aber wir müssen gleichzeitig aufpassen, dass nicht neue Mauern errichtet werden. Ich will die Gelegenheit nutzen und euch von einer ganz neuen Mauer erzählen, die schrecklicherweise in Europa errichtet wird, und ich will mir dabei selbst die Frage stellen: Wo liegt heutzutage Europas Zentrum? Viele werden vielleicht Paris sagen, wegen der Kunst. Oder London, wegen der Wirtschaft. Aber ich sage: Nein, nein! Europas Zentrum ist heutzutage eine kleine Insel, südlich von Sizilien gelegen, ihr Name ist Lampedusa. Hier werden an jedem Morgen Tote angespült. Menschen, die, um ihr Leben zu retten, vom afrikanischen Kontinent kommen oder die aus dem Nahen Osten geflüchtet sind. Und ich frage mich: Ist das nicht eine Mauer, die wir da errichten, um alle diese Menschen, die versuchen, einen friedlichen Ort in Europa zu finden, von uns fernzuhalten? Aus meiner Sicht hängt die Zukunft Europas jetzt von den Geschehnissen auf dieser kleinen Insel Lampedusa ab. Wir werden immer gegen unterschiedliche Arten von Mauern zu kämpfen haben. Und ich finde, dass die schlimmste Mauer die ist, die Menschen in sich selbst errichten, die Indifferenz: Wenn sie meinen, gegen die Übermacht sei nichts auszurichten. Das ist die schlimmste Mauer, und es muss die erste sein, die niedergerissen wird. Denn es ist immer möglich, die Welt in eine bessere Richtung zu lenken! Diese Mauer der Indifferenz müssen wir alle in uns niederreißen. Siehst du, Michael, ich habe eine Antwort auf deine Frage gefunden …"
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Autoren-Porträt von Kirsten Jacobsen
Kirsten Jacobsen, 1942 geboren, ist eine dänische Journalistin und Publizistin. Sie ist Autorin mehrerer vielbeachteter Biografien, u.a. über Lars von Trier. Gemeinsam mit Lutz Volke entstand 2012 der Band Das Leben des Anderen. DDR und Dänemark.
Bibliographische Angaben
- Autor: Kirsten Jacobsen
- 2013, 336 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 14 x 21,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzer: Lutz Volke
- Verlag: Paul Zsolnay Verlag
- ISBN-10: 3552056408
- ISBN-13: 9783552056404
- Erscheinungsdatum: 31.10.2013
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