Mein Amerika - Dein Amerika
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- Warum Freundlichkeit Pflicht ist - u.v.m. Eine »intelligente, amüsante und aufschlussreiche Lektüre«. (SZ)
Mein Amerika - Dein Amerika von ^Tom Buhrow und Sabine Stamer
LESEPROBE
Der Wilde Westen
Lebt es sich in Amerika gefährlicherals in Europa?
Eines Nachts im Sommer 2004 schlägtunser Hund an. Das Übliche, vermuten wir: Der Nachbar kommt spät nach Hause,oder ein paar Rehe grasen im Vorgarten, oder ein Waschbär drückt sich an derMauer entlang. Das Bellen hört nicht auf. Sabine quält sich aus dem Bett undlugt durch die Gardinen. Vor unserem Haus parkt ein fremder Geländewagen,direkt hinter unserem Minivan. Das fällt auf, dennwir wohnen in einer sehr ruhigen Straße, in die sich nur selten Unbekannteverirren, schon gar nicht nachts um ein Uhr. Na, das sind wohl die College-Kids aus der Nachbarschaft, die während der Ferienihre Eltern besuchen, denkt Sabine. Doch da sieht sie plötzlich einen jungenMann im weißen T-Shirt aus dem Geländewagen heraus- und direkt in unser Autohineinspringen. Im nächsten Augenblick setzen sich beide Fahrzeuge inBewegung. « Tom! Unser Auto wird gerade geklaut!»
Wir wählen sofort den Notruf 9141.Nur fünf Minuten später steht ein massiger Polizist vor unserer Tür, eingreller Scheinwerfer bestrahlt unsere Haustür. OfficerAndre sieht aus, als könne sich allein wegen seiner Statur kein Einbrecheran ihm vorbeidrücken. Während seine Kollegin im Wagen wartet, zückt er Blockund Stift, um unsere Personalien aufzunehmen. Wir rollen innerlich mit denAugen. Denn das hatten Freunde von uns auch schon erlebt: Während sie nacheinem Diebstahl gewissenhaft ihre Geburtsdaten diktierten, verschwand der Diebmit der Beute. Doch es dauert nur wenige Minuten, und wir merken, dass wir der Polizeiin diesem Fall unrecht tun.
«We got 'em, wegot 'em, right here an Military Road!», tönt es aus dem Walkie-Talkie, dasauf dem vorgewölbten Bauch des Polizisten baumelt.Während wir unser Fahrzeug beschreiben und uniere Namen buchstabieren, werden wirOhrenzeugen der Verfolgungsjagd. «uiuuh, uiuuh, uiuuh», heulen die Sirenenim Funkgerät. Die Verfolger sprechen in für uns unverständlichen Codes, derbeleibte Officer übersetzt. DerGeländewagen konnte entkommen, aber an unserem Minivansind sie noch dicht dran. «Oh!», hören wir plötzlich, «jetzt sind sie gegeneine Mauer gefahren.» Und weiter geht die Jagd. Dann lassen die Täter unser Autooffensichtlich irgendwo stehen. Die Verfolgungsjagd geht zu Fuß weiter. DerFahrer unseres Wagens wird schließlich von der Polizei geschnappt, der Typ imweißen T-Shirt entkommt.
Andre und seine Kollegin bittenSabine mitzukommen, um das Auto zu identifizieren. In weniger als zehn Minutenerreicht der Streifenwagen den Fundort. Der Minivanbefindet sich in recht ungewöhnlicher Position schräg in einer Seitenstraße -mit offener Tür und einem Reifen auf dem Bürgersteig. Sabine identifiziertunsere Familienkutsche im Vorbeifahren. Ganz unbeschadet scheint der Wagen dasAbenteuer nicht überstanden zu haben, aber Näheres ist im Dunkeln nicht zuerkennen. Ein freundlicher Detective inleicht zerknittertem Anzug und mit nicht weniger zerknittertem Gesicht stecktseinen Kopf durchs Fenster des Streifenwagens und fragt nach einigen Detailsdes Tathergangs.
Dann geht's zur Polizeistation ander Idaho Avenue. Nach zehn Versuchen findet DetectiveKeith den richtigen Zahlencode, um die Tür zu öffnen. Er führt Sabine inein ebenso unordentliches wie schmutziges Großraumbüro. Dort lässt er sich aufeinen Drehstuhl fallen, dem eine Armlehne fehlt, und füttert den Computer imEinfingersystem mit Informationen. Hinter dem Computer liegt ein rosa Teddybär.Unter dem Schreibtisch stehen ein paar sandverkrustete Sandalen, daneben einPaar gefütterte Winterhausschuhe. Offensichtlich ist man hier für jede Wetterlagegerüstet. Keith starrt auf seinen Bildschirm, liest Berichte, telefoniert undfunkt ein bisschen herum. Zwischendurch versichert er, sie würden versuchen,Sabine nicht allzu lange aufzuhalten. Erst mal soll sie ganz genauaufschreiben, was sie gesehen hat.
Als sie fertig ist, ist es drei Uhr,und nichts deutet darauf hin, dass sie bald gehen darf. Keith erklärt, dass erin diesem Fall besonders sorgfältig ermittelt, weil er daran arbeite, eineSerie von Banküberfällen aus den letzten Monaten aufzuklären. Die Bankräuberbenutzten vorzugsweise gestohlene Minivans zur Fluchtund steckten sie anschließend in Brand, um Spuren zu verwischen. Die meisten Minivan-Marken seien nur sehr unzureichend gegen Diebstahlgesichert, und es sei deshalb ein Kinderspiel, sie zu klauen, erklärt der Detective. Deshalb also ist die Polizei sofortso dynamisch in Aktion getreten: Sie glaubten, gewalttätigen Verbrechern aufder Spur zu sein.
Die Überfallserie hatte im Januarbegonnen. Zunächst überfielen die Bankräuber eine Filiale der Bank of Americaim Nordwesten Washingtons, wo sie die schwangere Sicherheitsbeamtin überwältigtenund 144 000 Dollar erbeuteten. Das Geld war schnell verprasst, und so holtensich die Männer mehr. Bis sie gefasst wurden, hatten sie sechs Bankenüberfallen und dabei über 360 000 Dollar geraubt. Sie waren bewaffnet bis andie Zähne. Einmal feuerten sie eine Maschinengewehrsalve auf einen Polizisten ab.Nach der Festnahme brauchten die Beamten mehrere Tage, um all die Pistolen,Gewehre und Munition zu dokumentieren.
An jenem Sommerabend allerdings, alsder Detective den Diebstahl unseres Minivans zu Protokoll nimmt, weiß er noch nicht, dass esein paar Wochen später zur Festnahme der Bankräuber kommen wird. Also hält erSabine fest, für den Fall, dass noch irgendwelche Fragen auftauchen. EinKollege schaut vorbei, hat Mitleid und bietet ihr einen komfortableren Raum an.Der Weg dorthin führt vorbei an dem Zimmer, wo der Festgenommene verhört wird.Die Tür hat ein Sichtfenster. Sabine muss sich im Vorbeigehen tief bücken,damit der Täter sie nicht sieht. So wollen es die polizeilichen Spielregeln.Der Mitleidige bringt Sabine zum Aufenthaltsraum: « Feelyourself at home! Make yourself comfortable!»Ein schmutziger Tisch mit Kaffeetassen vom letzten Frühstück, ein paarwackelige Stühle, eine kunstlederne orange-braune Couch und ein Fernseher mitmiserablem AntennenEmpfang wirken weder gemütlichnoch einladend.
Bevor Sabine auf dem speckigen Sofaeinschläft, erscheinen zwei junge Polizeibeamte und melden, das Auto sei da. Obsie einen Schraubenzieher habe, wollen sie wissen. Warum? Weil das Auto nurnoch mit so einem Werkzeug zu starten und auszustellen sei, erklärt einer vonihnen gelassen. Beide waren an der Verfolgungsjagd direkt beteiligt. Jetztfachsimpeln sie darüber, ob man das gestohlene Auto in die richtige Richtunggejagt habe oder ob es nicht taktisch günstiger gewesen wäre, die Täter in einenahe gelegene Sackgasse zu treiben. Im Hinausgehen stellt sich heraus, dassSabine das Protokoll, auf das sie die ganze Zeit gewartet hat, nicht mitnehmendarf, weil es noch von höherer Stelle abgezeichnet werden muss.
Derweil qualmt das Auto auf demPolizei-Parkplatz röchelnd vor sich hin, eine erbärmliche Kreatur, der Motorläuft, es ist total überhitzt. Die Fahrertür ist eingedellt, die Beifahrertürund die hintere Schiebetür ebenfalls. Ein Scheinwerfer ist kaputt, aus demArmaturenbrett hängen lose Kabel. Einer der beiden Verfolger, ein kleinerDrahtiger mit Brille, setzt sich hinters Steuer, Sabine fährt im Streifenwagenhinterher. Die Beamtin am Steuer schüttelt fassungslos den Kopf, als sieversucht, dem zerbeulten Minivan zu folgen. Derenergiegeladene Kollege befindet sich offensichtlich noch im Verfolgungsrausch mithohem Adrenalinausstoß. Mit über 70 Sachen heizt er durch die nächtlich verlassenenWohngebiete. Endlich holt der Streifenwagen ihn ein. Der Drahtige hat dasFenster heruntergekurbelt und pafft eine Zigarette. Ein rasender, rauchender Cop in unserem schrottreifen Auto! Vor derHaustür angekommen, wirft er die Kippe aus dem Fenster, werkelt mit demSchraubenzieher dort herum, wo einmal das Zündschloss war, verschließt denWagen sorgfältig und verabschiedet sich: «Es tut mir Leid, dass Sie all dieseUnbequemlichkeiten hatten und den Schaden. Gute Nacht!»
In den folgenden Tagen stellt sichheraus, dass der Minivan einen Totalschaden hat. DieVersicherung zahlt, und unser Hund bekommt einen großen Knochen. Wir erfahren,dass die Autoknacker nicht zur Bankräuberbande gehören. Deren Kopf, der neunundzwanzigjährigeMiquel Morrow, wird noch während unserer letztenMonate in Washington verurteilt - zu lebenslanger Haft plus 95 Jahre. Diejungen Leute, die unseren Minivan klauten, standenmit diesen Gewaltverbrechern offenbar nicht in Verbindung; sie waren nichtvorbestraft und hatten angeblich nur Lust auf eine Spritztour.
Autodiebstahl wird in denGroßstädten der Vereinigten Staaten sozusagen als Hobby betrieben. Häufig habenes die Diebe gar nicht darauf angelegt, ihre Beute zu verkaufen. Sie fahren diegeklauten Wagen einfach so lange, bis der Tank leer ist oder bis es ihnenlangweilig wird. Selten erhalten die Eigentümer ihren Besitz unbeschädigtzurück.
Die Nachbarn wundern sich, dass soetwas in unserer friedlichen Straße vorkommt. Manche schließen nicht einmaldie Tür ab, wenn sie ihr Haus verlassen, die wenigsten haben regelmäßig Alarmanlagenan. Wir haben unsere entschärft, weil wir uns noch zu gut an die häufigeunnütze Aufregung in unserem früheren Haus in Georgetown erinnern. Auf Anratenunserer Nachbarn dort war die Alarmanlage fast rund um die Uhr aktiv. In den erstenMonaten setzten wir dort ständig eine ohrenbetäubende Sirene in Gang, weil wirein Fenster oder eine Tür öffneten, ohne den Alarm vorher abzuschalten.Fünfzehn Minuten später klingelte es dann: «Everythingok, Ma'am?» Vor der Tür einSheriff, wie aus einem Hollywood-Film: breitbeinig, Kaugummi kauend, Hand aufder Hüfte, griffbereit am Colt. Durch seine spiegelnde Sonnenbrille warf ereinen misstrauischen Blick über Sabines Schulter in den Flur. «Alles inOrdnung», versicherte Sabine, beruhigt, dass die Überwachung so phantastischfunktionierte. Eigentlich sollte der Wachdienst anrufen, bevor er die Polizei alarmiert.Wenn man dann seinen Code nennt, geht er davon aus, dass wirklich alles inOrdnung ist.
Später kommen wir zu derÜberzeugung, dass die dauernde Alarmbereitschaft etwas übertrieben ist, undnutzen die Anlage nur noch, wenn wir das Haus verlassen. Allerdings, Georgetownist ein lebhaftes Viertel, das nicht nur freundlich gesinnte Besucher anzieht.Es wirkt friedlicher, als es ist. Während unserer Zeit dort werden mehrereBekannte und Nachbarn Opfer von Raubüberfällen. Niemand wird verletzt, aberfast jedes Mal sind Schusswaffen im Spiel. Und das ist der Unterschied zueuropäischen Großstädten: Mit Kinnhaken, Schlagringen oder Messern hält sichhier kaum einer auf. Viele Kleinkriminelle verfügen über eine Schusswaffe, wennnicht gleich über ein ganzes Waffenarsenal. Und sie zögern nicht, die Waffeeinzusetzen, und sei es auch nur für ein Portemonnaie mit Wechselgeld. DieTötungshemmung ist weitgehend außer Kraft gesetzt. ()
©Rowohlt Verlag
„In Tom Buhrows weicher Schale steckt ein harter Kern“, schrieb „Welt Online“ über den Moderator der „Tagesthemen“. Seine Zielstrebigkeit und die steile Karriere des Journalisten scheinen diese Charakterisierung zu bestätigen.
Geboren wurde Tom Buhrow 1958 in Siegburg-Troisdorf. Bereits in der Gymnasialzeit entstand sein besonderes Interesse für die USA – folgerichtig, dass er als Austauschschüler zwei Jahre eine Schule in Wisconsin besuchte. Nach dem Abitur studierte er in Bonn Geschichte und Politologie.
Die ersten journalistischen Erfahrungen machte Buhrow beim „Bonner Generalanzeiger“ in der Lokalredaktion Siegburg. Nach dem Studium begann er 1985 als Volontär beim WDR, wurde Redakteur und Reporter beim WDR-Fernsehen, schließlich Chef vom Dienst für die „Aktuelle Stunde“. Nach einem Jahr in der Tagesschau-Redaktion ging er 1993 als Fernsehkorrespondent für die ARD in die USA, Studio Washington. Zwischenzeitlich arbeitete er auch im ARD-Studio Paris, kehrte dann aber nach Washington zurück, um Claus Kleber als Leiter des ARD-Studios abzulösen. Wieder in Deutschland, wurde Tom Buhrow 2006 als Nachfolger von Ulrich Wickert erster Moderator bei den Tagesthemen.
Als Privatmensch liebt der Journalist Musik – von Klassik bis Rock. Er spielt Klavier und Gitarre und ist Fan von Bob Dylan und den Rolling Stones. Mit Joggen hält er sich fit und läuft auch regelmäßig Marathons. Verheiratet ist Buhrow mit der Journalistin und Autorin Sabine Stamer, das Paar hat zwei Töchter. Die Jahre in den USA haben die beiden nachhaltig beeindruckt und zu ihrem gemeinsamen Buch inspiriert „Mein Amerika – Dein Amerika“. Die Autoren erzählen von ihren ganz persönlichen Erfahrungen und Begegnungen mit
Buhrows Buch „Tim fragt Tom“ entstand aus der Sendereihe im SWR „Kinder sind Zukunft“. In einem Frage-Antwort-Spiel verlangt der neugierige Tim vom Nachrichtenmann Tom Erklärungen zu Begriffen wie „Tageszins“, „Embargo“ oder „OECD-Länder“. Buhrow beweist hier eine Menge Verständnis und didaktisches Geschick im Umgang mit Kindern und beschert auch manchem Erwachsenen ein „Aha - Erlebnis“.
Sabine Stamer, geboren 1956, zunächst freie Journalistin u.a. in Hamburg und Rom tätig, dann mehrere Jahre WDR-Redakteurin ( Monitor und Tagesschau ), seit 1994 als Autorin in den USA; zahlreiche Buchpublikationen. 1986 erhielt sie den internationalen Journalistenpreis der Stadt Rom, 1995 den CIVIS.
- Autoren: Tom Buhrow , Sabine Stamer
- 2006, 3, 288 Seiten, mit farbigen Abbildungen, Maße: 14,8 x 22,2 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Rowohlt
- ISBN-10: 3498006495
- ISBN-13: 9783498006495
Nun gehört es aber nicht nur zum Job eines Korrespondenten, über die hohe Politik, strategische Entscheidungen oder Wahlkämpfe zu berichten. Die Reportage, wie man sie etwa aus dem 'Weltspiegel' kennt, ist das eigentliche Herzstück seiner Tätigkeit. Das Format also, in dem sich gesellschaftliche Aussagekraft, politisch Aufgeladenes und manchmal Kurioses treffen - ein Format, das uns hilft, den Rest der Welt ein bisschen besser zu verstehen.
Dabei kann oft das Alltägliche besonders Charmantes und beeindruckend Aufschlussreiches erzählen. Und so präsentieren Tom Buhrow und Sabine Stamer im Reportagestil Eigenheiten, Liebenswertes, Abgründiges und oft auch nachhaltig Unbegreifliches über ein Land, dem wir uns - ob nun aus Sympathie oder Ablehnung - nicht entziehen können. Wir erfahren von der fast religiösen Bedeutung des Autos, der manchmal beängstigenden Freundlichkeit der Menschen, von fettfreien Kartoffelchips, Condoleezza Rices Dauerwelle oder skurrilen Immobilienmaklern... Die Geschichten werden dabei nicht kontextlos erzählt, sondern, im besten journalistischen Stil, mit Hintergründen, Details, Zahlen und sehr Persönlichem ergänzt.
Den Leser erwartet ein wunderbar unterhaltsam zu lesendes Porträt einer durch und durch widersprüchlichen Nation, der die beiden Autoren mit großer Sympathie, aber nicht unkritisch gegenüber treten. Auch wenn die beeindruckenden Fotos der Bände von Gerd Ruge oder Klaus Bednarz fehlen - auch dieser Band hinterlässt intensive Bilder.
5 von 5 Sternen
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