Mörderhitze
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Unter der kroatischen Sonne auf einer Luxus-Yacht an der Küste Dalmatiens entlang zu schippern und dafür auch noch Geld bekommen - Elena Martells neuester Auftrag als Reiseleiterin in „Mörderhitze" scheint der Traumjob schlechthin zu sein.
Doch der Törn, der so traumhaft klingt, wird rasch zum wahren Albtraum: Nahe ihrem Ankerplatz auf Korcula wird eine nackte Leiche im Becken einer Thunfischfarm entdeckt. Hat vielleicht jemand von Elenas Mitreisenden die Hände im Spiel? Die kroatische Polizei lässt den Mailänder Unternehmer samt Familie und Freunden zwar ihre Reise fortsetzen, aber Hobbydetektivin Elena macht sich keine Illusionen - irgendjemand an Bord führt Böses im Schilde. Und obendrein kriselt es gewaltig zwischen ihr und ihrem Liebsten Commissario Giorgio Valentino...
Pflichtlektüre für jeden Krimifan - und nicht nur im Reisegepäck! Blauer Himmel, kristallklares Meer, idyllische Buchten - und trotzdem Gänsehaut! Eva Gründel ist die Meisterin schlechthin, wenn es darum geht die Landschaften anderer Länder nachzuzeichnen und mit düsterer Spannung zu erfüllen. Sympathische Figuren, lebendige Beschreibungen und eine fesselnde Handlung machen ihre Krimis zur idealen Lektüre - zuhause ebenso wie unterwegs im Urlaub!
Mit Elena Martell ist man gerne auf Reisen - die resolute Wienerin ist immer für eine Überraschung gut! Eva Gründels Krimis sind wunderbar spannende Urlaubsreisen im Kopf. Aufregend bis zum Schluss und bis ins Detail hervorragend recherchiert!
Andere Reisekrimis mit Elena Martell: Mörderwetter. Ein England-Krimi
Eine Luxus-Yacht und ein Toter im Thunfischbecken Mord inklusive: Unter der kroatischen Sonne auf einer Luxus-Yacht die Küste Dalmatiens von Dubrovnik bis Rovinj entlangzuschippern und dafür auch noch bezahlt zu werden - Elena Martells neuer Auftrag als Reiseleiterin scheint der Traumjob schlechthin. Doch rasch wird der Törn für sie zum Albtraum: Unweit von ihrem Ankerplatz auf Korcula wird eine nackte Leiche im Becken einer Thunfischfarm entdeckt. Hat jemand von Elenas Mitreisenden die Hände im Spiel? Die Polizei lässt den Mailänder Unternehmer samt Familie und Freunden zwar weiterziehen, aber Elena macht sich keine Illusionen - irgendwer an Bord führt Böses im Schilde. Noch dazu kriselt es gewaltig zwischen ihr und ihrem Lebenspartner Commissario Giorgio Valentino ...
Pflichtlektüre für Krimifans - nicht nur im Reisegepäck! Blauer Himmel, klares Meer, idyllische Buchten - und trotzdem Gänsehaut! Eva Gründel versteht es wie keine andere, die Landschaften anderer Länder nachzuzeichnen und mit düsterer Krimispannung zu erfüllen. Sympathische Figuren, lebendige Beschreibungen und eine spannende Handlung machen ihre Krimis zur idealen Lektüre - im Urlaub ebenso wie zuhause, in Kroatien genau wie anderswo!
10. Kapitel
Die Seacloud glitt nahezu lautlos dahin. Außer dem leisen Knarren der Balken und dem metallischen Klicken eines Karabiners, der gegen einen Masten schlug, war nichts zu hören. Als Drago und Mirko die Segel setzten, stand der Morgenstern als letzter Bote der Nacht am Himmel noch, während am Firmament ein Wechselspiel der Farben begann. Zartes Rosa und Seidenblau verwandelten sich in lichtes Grün und Orange – die Nuancen änderten sich von Sekunde zu Sekunde. Bis die Bühne endlich bereit war für den Augenblick, in dem die Welt neu geboren wurde. Umgeben von einer goldschimmernden Korona tauchte die Sonne aus dem Meer auf, ein glutroter Feuerball, der rasch höher und höher stieg und Myriaden glitzernder Diamanten auf die gekräuselte Oberfläche des Wassers zauberte.
Es waren Momente wie dieser, für die Elena ihr bequemes Bett in der Kabine gegen eine Schaumstoffmatte an Deck eintauschte. Dieses magische Schauspiel – es währte nur kurz, doch sie genoss jede Sekunde der Vorstellung. In immer helleren Strahlen brach sich das Licht auf dem glänzenden Spiegel des Meeres, und erst als es in ihren Augen schmerzte, wandte sie sich ab.
Mit der Hand an der Stirn versuchte sie, sich zu orientieren. Wie sie schemenhaft erkennen konnte, segelten sie eben an der tief eingeschnittenen Bucht Vela Luka vorbei. Jetzt mussten sie nur noch die zerklüftete Halbinsel Privala passieren, ein militärisches Sperrgebiet an der Westspitze der Insel, dann lag Korula endgültig hinter ihnen. Hochzufrieden, dass sie ausnahmsweise einmal genau wusste, wo sie war, strampelte sich Elena aus dem Schlafsack. Ihr Orientierungssinn war katastrophal, was für eine Reiseleiterin ein ziemliches Handicap darstellte, aber zumindest mit den Himmelsrichtungen stand sie nicht auf Kriegsfuß. Da die Sonne rechts von ihr aufging, nahmen sie also
Sie liefen die Insel Hvar an, soviel hatte sie gestern Abend noch mitbekommen, bevor sie sich ausnahmsweise einmal früher als alle anderen zurückgezogen hatte. Wozu also die Eile?, fragte sie sich, als sie außer Drago, der ihr vom Führerstand aus zuwinkte, nach wie vor keine Menschenseele erblickte. Selbst bei einer leichten Brise war das ein Törn von wenigen Stunden.
„Windstärke vier, meine ich“, rief sie dem Skipper zu.
„Gut geschätzt“, lobte Drago. „Noch halten wir bei drei bis vier und machen etwa fünf Knoten. Aber schau einmal auf die weißen Schaumkronen. Es ist eine Bora in Anzug.“
Na bravo, der gefürchtete Fallwind, der im Extremfall mit Böen von 250 Stundenkilometern daherkam, hatte Elena gerade noch gefehlt.
„Bleib ganz ruhig, noch gibt es keine Sturmwarnung und ich rechne auch nicht mit einer“, fuhr er fort. „Es wird nur bald etwas turbulenter zugehen, das ist alles. Aber in zwei Stunden sind wir ohnedies vor Šedro. Dort finden wir jede Menge geschützter Buchten. Und gute Ankerplätze. Genau das bedeutet nämlich der kroatische Inselname, der sich vom altslawischen Wort stedri ableitet. Sag ich dir nur, damit du gleich etwas zu erzählen hast, falls deine Schäfchen sich fürchten. Und jetzt überlasse ich das Steuerruder Mirko. Mir ist nach einem Kaffee. Dann können wir die Segel immer noch einholen.“
Während die Seacloud leicht zu schlingern begann, strebte Drago in aller Ruhe der Espressomaschine zu.
„Deswegen sind wir also noch vor Sonnenaufgang aufgebrochen“, stellte Elena fest. „Und was ist mit der Penelope? Ich kann sie weit und breit nicht sehen.“
„Die waren noch schneller weg als wir.“ Drago verzog den Mund zu einem breiten Grinsen. „Filippo muss mit einem Ohr auf dem Radio geschlafen haben, um den aktuellen Seebericht nicht zu versäumen. Um vier Uhr früh hat er das Wort Bora gehört und mich sofort aufgeweckt. Bevor ich bis drei zählen konnte, war er schon unterwegs.“
„Und wieso Šedro und nicht Hvar? Oder gleich Bra? Von dort ist es nur ein Katzensprung bis Split, wo wir morgen diesen Vukovic und seine Frau an Bord nehmen sollen. Aber vielleicht macht uns ja die Bora einen Strich durch die Rechnung ...“, meinte Elena hoffnungsvoll.
„Du meinst, dass uns der Sturm festnagelt, bis es ihm zu blöd wird, auf uns zu warten? Möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich. Wenn’s nach dir ginge, sollte Vukovic am besten gar nicht kommen, stimmt’s? Weil du fürchtest, dass er sich verplappert. Und Filippo dann mehr über die kroatischen Geschäfte seines Herrn Papa erfährt, als ihm guttut ...“ Drago lachte auf, bevor er sich den letzten Bissen seines Croissants in den Mund stopfte.
„Ich weiß nicht, was daran komisch sein soll“, fauchte Elena.
„Dass du dir unnötig Sorgen machst. Vukovic hat abgesagt. Das hat mir Signor Mancuso gestern mitgeteilt. Bei unserer Routenbesprechung ...“
„Und du hast es nicht nötig gefunden, mich dazuzuholen! Oder mich zu informieren, wenn ein Gast seine Pläne ändert. Und zwar auf der Stelle.“ Mit einem Klirren ließ Elena ihre Mokkaschale auf die Untertasse fallen.
„Wozu? Ich sag’s dir eben jetzt, und das ist immer noch früh genug. Aber um auf Šedro zurückzukommen: Das war meine Idee. Ich finde, dieses Inselchen ist ein letztes Stück altes Dalmatien, wenn du verstehst, was ich meine. Winzige Weingärten, ein paar Feigen- und Olivenbäume, dazu drei Dutzend Schafe und Hühner für zwei Dutzend Fischer und Bauern – so war es früher fast überall auf den Inseln, und so ist es auf Šedro noch heute.“
„Du meinst, dort leben keine dreißig Einwohner? Bist du sicher? Aber es wäre auch kein Wunder. Wer will heute noch so leben?“
„Im Winter weniger als zehn. Kaum noch jemand will das ganze Jahr über hier ausharren. Es gibt nur noch verwaiste Dörfer, die Ruinen eines Klosters und eine verlassene Gipsmine. Die ganze Insel ist ja nur etwa acht Quadratkilometer groß, grob geschätzt. In einer Stunde hast du sie jedenfalls der Länge nach durchquert und in einer halben an der breitesten Stelle.“
„Schön und gut. Und was machen wir dann? Auf Hvar könnte ich eine Führung ...“
„Vergiss es, Elena. Lass die Leute endlich einmal ihren Urlaub genießen! Weißt du, was sie wollen? Baden, in der Sonne liegen und gut essen. Das können sie hier besser als sonst irgendwo.“
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Die goldenen Tage von Šedro – sie wurden zu einer zeitlosen Zeit, in der sich alle Sehnsüchte nach Sommer und Meer erfüllten. Von der Bora war in der weißen Bucht, in der bei ihrer Ankunft bereits die Penelope ankerte, bald nichts mehr zu merken. Ebenso rasch, wie der Sturm aufgekommen war, hatte er sich wieder gelegt und die Sonne schien wieder von einem wolkenlosen Himmel. Sie sprangen in das glasklare Wasser, das sich in sanften Wellen an menschenleeren Stränden brach, und ließen sich auf dem Rücken treiben, um einer einsamen Möwe zuzusehen, die heiser schreiend ihre Kreise zog.
Als sie Hunger bekamen, segelten sie weiter bis zu einer kleinen konoba, in der sie die einzigen Gäste waren. Ohne erst lange zu fragen, stellte der Wirt einen Krug mit selbstgekeltertem Wein auf den Tisch und dazu einen Korb mit noch ofenwarmem Brot. Wenig später brutzelten Fische, die sich noch wenige Stunden zuvor im Meer getummelt hatten, auf dem Grill.
Am Abend kamen sie wieder und auch am nächsten Tag. Nach und nach lernten sie alle Mitglieder der Familie kennen, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs das ganze Jahr über auf Šedro lebte. Mittlerweile waren es drei Generationen, die auf den von Steinmauern geschützten Feldern gleich hinter ihrem Haus Gemüse anbauten und die bescheidenen Wein- und Olivengärten bewirtschafteten. Ein kleines Zubrot brachten die Gaststätte und das Vermieten von ein paar Zimmern, doch die Saison dauerte nur kurz.
Die perfekte Idylle, wenn man nicht an die langen Herbst- und Wintermonate dachte, wenn die Bora über die Insel hinwegfegte und sich das Meer brüllend an den Klippen brach. Ein Paradies vor dem Sündenfall – aber das konnte nur eine Illusion sein. Elena spürte als Erste die Schatten, die sich unmerklich näherten. Es war Zeit, die Segel zu setzen, aber mit welcher Begründung? Wie sollte sie Leonardo dazu überreden, wenn sie es sich nicht einmal selbst erklären konnte, weshalb es sie mit einem Mal zum Aufbruch drängte?
Von Drago konnte sie sich keine Unterstützung erwarten. Unwillig hatte er den Blick von dem dicken Wälzer gehoben, in dem er schmökerte, und sie über den Rand der Brille gemustert. Ganz der gestrenge Herr Professor, der er ja war.
„Vergiss dein Programm und sei ein bisschen flexibler. Warum genießt du nicht einfach? Für mich kommt der Aufenthalt wie gerufen. Wenn ein Lehrer die Schule schwänzt, muss er danach wenigstens gut vorbereitet zum Unterricht erscheinen“, erklärte er ihr. „Ich sollte seit Anfang September in der Klasse stehen, aber auf diesen Törn wollte ich einfach nicht verzichten ...“
„Ist mir klar, aber ich möchte von Šedro weg. Am liebsten gleich morgen Früh. Weil man immer dann aufhören sollte, wenn’s am Schönsten ist ...“
„Sagt wer?“
Elena zuckte nur mit den Schultern. Sie war mit diesem Spruch aufgewachsen. Und auch wenn sie sich selbst nur selten daran gehalten hatte, etwas Wahres war dran.
„Jetzt sei nicht gleich beleidigt. Aber ich verstehe dich nicht. Fällt dir nicht auf, wie gut sich alle auf einmal verstehen? Unsere Pärchen – die wahren Turteltauben. Vor allem der alte Mancuso und die vollbusige Milena. Hätte nie gedacht, dass die sein Typ ist. Er steht doch sonst eher auf junge, flachbrüstige Modells ...“
Da schau her, dachte Elena. Der Herr Professor unterrichtet nicht nur Italienisch, er studiert offenbar auch italienische Klatschmagazine.
„Wenn du schon so gut informiert bist, was weißt du eigentlich über Filippo?“, fragte sie mit einem süffisanten Lächeln.
„Filippo Mancuso, der millionenschwere Umweltaktivist und Vizepräsident von Blue Sea, hat sich von seiner langjährigen Begleiterin getrennt. So stand es kürzlich in einem Artikel über die Mailänder Society. Falls du dich jetzt über meine Freizeitlektüre lustig machen willst, das kannst du dir sparen. Ja, ich lese gerne hochgeistige Presseerzeugnisse wie Gente oder Chi. Foto war keines dabei, also kann ich dir leider nichts über Filippos Geschmack sagen. Warum interessiert dich das eigentlich auf einmal?“ Diesmal war es Drago, der vielsagend grinste.
„Sicher nicht aus dem Grund, den du mir unterstellen willst“, schnappte Elena. „Viel mehr als Filippo interessiert mich dieser Yannis. Und bevor du wieder eine dumme Anspielung machst: Der Mann ist mir nicht ganz geheuer. Ist dir nicht aufgefallen, dass er wie eine Katze herumschleicht und gleichzeitig überall und nirgends ist?“
„Seine Passdaten kennst du genauso gut wie ich. Er ist derselbe Jahrgang wie du, liebe Elena. Maltesischer Staatsbürger, wohnhaft in Brüssel. Das ist auch schon alles. Aber ich gebe dir recht, irgendetwas stört an ihm. Zu mir ist er immer ausgesucht höflich, aber er kann auch anders. Erst gestern hat er sich mit Signorina Francesca gestritten. Sie ist heulend davongestürzt, daraufhin ist Titus wie ein wilder Stier angestürmt gekommen. Ich hab schon geglaubt, die beiden prügeln sich.“ Als wollte er die Szene nachstellen, ballte Drago unbewusst die Fäuste.
„Und was ist dann passiert? Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen ...“
„Dann ist plötzlich der alte Mancuso aufgetaucht. Ahnungslos, was da vor sich geht. Ich glaube nicht, dass er etwas mitbekommen hat. Yannis und Titus sind sofort verstummt und haben getan, als wäre nichts, aber wenn Blicke töten könnten ...“
„Mal den Teufel nicht an die Wand, mir genügt eine Leiche. Apropos, hast du etwas Neues aus Korula gehört?“
„Nur dass der Obduktionsbefund aus Dubrovnik seit heute vorliegt und die Polizei ein großes Geheimnis darum macht. Identifiziert ist der Tote jedenfalls noch immer nicht. Heute ist doch Mittwoch?“
„Ja. Und unser zweiter Tag auf Šedro. Ich wiederhole mich, aber meinst du nicht, dass das lange genug ist? Wenn die Leute nichts zu tun haben, kommen sie nur auf dumme Gedanken. Oder fangen an zu streiten.“
„Also, was soll ich Signor Mancuso vorschlagen? Darauf willst du doch hinaus.“
„Dass wir Hvar links liegen lassen und uns erst einmal Split ansehen. Danach sehen wir weiter. Und dann schwärmst du ihm von Trogir vor ...“
„Und wenn er Kultur Kultur sein lassen und statt Champagner nur noch naturbelassenen Inselwein trinken will?“
„Dann locken wir ihn mit den Kornaten. Ich wette, dass du dort auch ein paar Paradiese kennst.“
„Wette gewonnen. Ich rede mit Mancuso. Und werde den Malteser im Auge behalten. Zufrieden?“
Bevor Drago begriff, wie ihm geschah, fiel Elena ihm strahlend um den Hals. Auf die Idee, dass jemand sie dabei beobachten konnte, kam sie nicht. Und selbst wenn, was war schon dabei? Eine Umarmung und ein harmloser Kuss auf die Wange, das konnte niemand missverstehen.
Auf den Fotos, die nun auf einem Handy gespeichert waren, sah die Szene freilich ganz anders aus.
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Bequemer ging es nicht. Elena war ganz in ihrem Element, als die bestellten Wasser-Taxis in der Marina von Split auf sie warteten. Von der Anlegestelle waren es nur ein paar Schritte bis zur Uferpromenade vor der Altstadt.
„Fragen Sie mich jetzt nicht, wie weit es von hier bis zum Kaiserpalast ist. Wir gehen durch das Bronzetor gleich gegenüber und sind bereits mittendrin.“ Über mangelnde Aufmerksamkeit konnte sich Elena, der ihre Truppe eher widerwillig von Bord gefolgt war, nicht mehr beklagen. „Diokletian, der einzige römische Kaiser, der jemals freiwillig aus dem Amt geschieden ist, hat seinen Ruhestand strategisch geplant“, setzte sie fort. „Zehn Jahre haben die Bauarbeiten gedauert, dann konnte er den Alterssitz unweit seines Geburtsortes beziehen. Einen Palast von 35.000 Quadratmetern, verkleidet mit edelstem Marmor und geschmückt mit Gold und Edelsteinen.“
„Kluger Mann. Hat seinen Hut genommen und ist gegangen, statt sich in Rom umbringen zu lassen. Wie viele Jahre waren dem pensionierten Kaiser dann noch vergönnt?“, wollte Leonardo wissen.
„Sieben“, antwortete Elena, ohne einen Blick in ihre Unterlagen zu werfen. Die Zeit auf Šedro hatte sie genützt, um sich gründlich vorzubereiten. Wenn sie gewollt hätte, hätte sie jetzt eine Stunde ohne Punkt und Komma referieren können, aber das hätte ihre Zuhörer gelangweilt. Statt Jahreszahlen und Daten herunterzubeten ging sie schnurstracks voraus und machte erst vor einem von Säulenreihen umgebenen Platz halt.
„Nach der Römerzeit wurde der Diokletianpalast in eine bewohnte Festung umgewandelt. Nichts anderes ist bis heute die Innenstadt von Split. Der Palast eines Kaisers. Sehen Sie da drüben das Café Luxor? Hier standen einst drei kleine Tempel. Und dort drüben befanden sich die Eingänge zu den kaiserlichen Gemächern.“
Francesca drehte sich um die eigene Achse und deutete auf die Kathedrale, die Säulen und das Winkelwerk der umliegenden Gassen. „Wenn ich Sie richtig verstehe, war das alles hier ein einziger Palastkomplex? Errichtet für nur einen Mann und sein Gefolge? Unglaublich!“
„Und wenn schon! Dafür brutzelt er jetzt in der Hölle. Der mit den letzten ganz schlimmen Christenverfolgungen, das war doch Diokletian, oder?“ Ausnahmsweise äußerte sich Titus nicht auf Latein.
„Das klärst du am besten mit Elena, wenn wir weg sind“, unterbrach Leonardo und hakte sich bei Milena unter. „Ich möchte, dass sie uns noch die Kathedrale zeigt, und dann macht jeder, was er will. Rudel-Fütterung gibt es erst am Abend wieder. Vergesst nicht, um 15 Uhr warten die Wasser-Taxis.“
Ein Teil der Gruppe stand noch immer unschlüssig herum, als er bereits vor den steinernen Löwen am Kirchenportal für ein Foto posierte. Dass sich Milena mit der Kamera alles andere als geschickt anstellte, störte ihn offenbar nicht.
Diese Frau hat der Himmel geschickt, dachte Elena, als sie den beiden am Ende ihrer Stadtführung nachblickte. Irgendwie war Milena das Wunder gelungen, eine launenhafte Wildkatze in einen schmuseweichen Kater zu verwandeln. In ihren Händen brüllte der Löwe Leonardo nicht, er schnurrte.
Schneller als vermutet hatte sich die kleine Schar in alle Windrichtungen zerstreut. Elena sah sich damit bestätigt. Zwei Tage splendid isolation auf Šedro, das war mehr als genug! Wie gut, dass sich nun alle wieder für ein paar Stunden aus dem Weg gehen konnten. Was sich allerdings als nicht ganz einfach erwies. Selbst im weitläufigsten Palast begegnet man sich früher oder später, und so dauerte es keine zehn Minuten, bis Elena Filippos attraktiven Glatzkopf neben Jons Stoppelfrisur erkannte. Der dritte im Bunde konnte nur Carlo sein, der ihr mit seinen mausbraunen Haaren ohne seine Begleiter nicht aufgefallen wäre.
Bevor die drei sie entdeckten, huschte Elena in den erstbesten Laden, was weiter kein Problem war. Jedes zweite Geschäft verkaufte Souvenirs und anderen Krimskrams. Sie erstand ein paar Ansichtskarten. Als sie wieder auf die Straße trat, war das Trio verschwunden.
Vor der nächsten Begegnung rettete sie eine Taube. Ihr Abscheu vor den fliegenden Ratten hatte sie nicht selten in unangenehme Situationen gebracht, doch diesmal bewahrte sie ihre Flucht davor, in Yannis Zammit hineinzulaufen. Hinter einer Gruppe asiatischer Touristen, die ihr den Weg freimachten, erblickte sie den Malteser gerade noch rechtzeitig.
Was will der hier?, fragte sie sich, als er hinter dem Eingangstor eines anmutigen Renaissancepalais verschwand. Unauffällig wechselte sie die Straßenseite und postierte sich im Schatten einer Hauseinfahrt genau gegenüber. Ihr Warten wurde belohnt. Wenige Minuten später tauchte der Malteser wieder auf, begleitet von einem Mann, der ihr seltsam bekannt vorkam. Die beiden schüttelten einander die Hände, danach verstaute Yannis ein Kuvert in seiner Jackentasche und ging davon, während ihm der Unbekannte noch eine Weile nachblickte.
Kaum war auch er nicht mehr zu sehen, pirschte sich Elena an das Tor heran, doch zu ihrer Enttäuschung gab es nicht den geringsten Hinweis, wer oder was sich hinter der offenbar erst vor Kurzem renovierten Fassade verbarg. So leicht gab sie sich nicht geschlagen. Was auch immer Yannis hier gewollt hatte, sie würde es herausfinden. Nach einigem Herumkramen in ihrer Tasche fand sie ihr Handy.
Drago meldete sich bereits nach dem dritten Freizeichen.
„Wie sieht Vukovic aus?“, platzte Elena heraus. „Ich meine, salve, ich bin es. Alles bestens, auch bei dir? Sag, du kannst mir den Mann doch sicher beschreiben?“
„Wer könnte das nicht? Mediengeil wie er ist. Aber was ist los? Warum willst du das wissen?“
„Erklär ich dir später. Ich hab’s eilig, also mach’s bitte kurz.“
„Wie Berlusconi vor der Haartransplantation. Könnte sein jüngerer Bruder sein. Oder auch sein Sohn. Vukovic ist um die fünfzig. Sieht aber fast so alt aus wie euer Cavaliere. Hat sich noch nicht liften lassen und wird schon mit sechzig keine Haare mehr haben. Aber sonst, der gleiche schmierige Typ, klein, untersetzt, quirlig. Die schauen sich wirklich ähnlich.“
Deswegen war er ihr also so bekannt vorgekommen. Und mit ihrer plötzlichen Eingebung lag sie ebenfalls goldrichtig. Yannis hat Vukovic getroffen, und davon soll niemand etwas wissen, weil irgendeine krumme Sache am Laufen war. Darauf würde sie ihre Seele verwetten.
„Ciao, amore.“ Bevor Drago protestieren konnte, unterbrach sie die Verbindung. Vielleicht besorgte Yannis nur etwas und kam noch einmal zurück. In jedem Fall war es klüger, sich schleunigst von hier zu entfernen. Unauffällig mischte sie sich unter die nächsten Touristen und ließ sich mit der Gruppe zum Goldenen Tor treiben. Nebenbei bekam sie die Ausführungen einer gestressten Stadtführerin mit, die sich mit der Erklärung der überlebensgroßen Statue des Grgur Ninski abplagte.
An ihrer Stelle hätte sie die übereifrigen Chinesen, die Elenas bedauernswerte Kollegin schnatternd umringten, den Namen des einstigen Kanzlers des kroatischen Königreichs nachsprechen lassen. Dann wäre rasch Ruhe, dachte Elena mit einem boshaften Lächeln. Glgul, so ähnlich müsste das klingen, und wer dann noch immer eine unnötige Frage stellte, dem würde sie die deutsche Version – Gregor – als nächsten Zungenbrecher verordnen.
Ein Eiskaffee und dazu etwas Süßes zum Knabbern, genau danach stand ihr der Sinn. Von Drago war ihr die Slastiarnica Tradicija empfohlen worden, ein Familienbetrieb, wo man die köstlichsten hausgemachten Torten, Plätzchen und Strudel bekam. Ein Tipp für Naschkatzen, den sie bereitwillig weitergegeben hatte. Leider, wie sie allzu bald feststellen musste. Als wären sie verabredet, traf sie ihre Schar nahezu vollzählig in der kleinen Konditorei unweit vom Eisernen Tor. Alle bis auf Leonardo und Milena tröpfelten nach und nach ein. Auch Yannis, der sich mit bestem Appetit über eine kremsnite hermachte und vor Begeisterung gleich eine zweite bestellte, was Elena ein mildes Lächeln entlockte. Für einen Malteser mochte eine simple Cremeschnitte ein exotisches Dessert sein, aber für eine Wienerin?
Yannis war beschäftigt, und so wagte es Elena, unauffällig an seiner Jacke zu streifen, die über der Sessellehne hing. Wenn sie nicht alles täuschte, steckte das Kuvert noch immer in der linken Seitentasche, aber wie um alles in der Welt konnte sie einen Blick darauf werfen? Zu riskant, entschied sie, als ihr zum zweiten Mal an diesem Tag der Zufall zu Hilfe kam. Ein Klacks Vanillecreme landete auf Yannis’ Hose, an einer Stelle, an der ein Fleck äußerst peinlich war. Herumreiben konnte er dort auch schlecht, also blieb ihm gar nichts anderes übrig, als die Toilette aufzusuchen.
Prompt vergaß er auf sein Sakko, was Elena sich sofort zunutze machte. Das Kuvert hervorzuziehen wagte sie nicht, also begnügte sie sich mit einem Griff in die Tasche. Das Päckchen war ziemlich steif und um einiges dicker, als sie vermutet hatte, viel mehr konnte sie in der Eile nicht ertasten. Zusammengefaltete Papiere oder Fotoabzüge, irgend so etwas musste es sein. Keinesfalls ein Bündel Banknoten, aber das wäre auch zu schön gewesen!
Vielleicht sah sie Gespenster. Yannis könnte diesen Vukovic durchaus im Auftrag von Leonardo getroffen haben, doch das glaubte sie nicht. Nein, die Körpersprache des Maltesers hatte etwas ganz anderes erzählt. Sogar jetzt haftete ihm etwas Verschwörerisches an, wenn er sich mit dem einen oder anderen aus der Gruppe absonderte.
Diesmal war es Jon, den Yannis nach dem gemeinsamen Aufbruch aus der Konditorei unterhakte und in ein Gespräch verwickelte. In kein angenehmes, wie die grimmige Miene des Amerikaners unschwer erkennen ließ. Worüber konnten sich ein Lobbyist aus Brüssel und ein Restaurator aus Arizona in die Haare geraten?
Darüber rätselte Elena noch immer, als alle längst wieder zurück an Bord waren und Kurs auf Zadar nahmen.
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Erst später, sehr viel später, als das Unheil längst geschehen war, fügten sich viele kleine Szenen wie die Teile eines Puzzles zu einem Bild zusammen. Ein Gespräch, das abrupt abbrach, sobald sich ein Dritter näherte, eine verstohlene Geste, die nur für eine Person bestimmt war, ein Lachen, zu grell, um echt zu sein – im Augenblick des Geschehens waren das nur Momentaufnahmen gewesen, die nichts besagten. Im Rückblick bekamen alltägliche Episoden eine neue Bedeutung.
11. Kapitel
Niemand beachtete den Mann mit dem Allerweltsgesicht, der auf der Insel Ugljan als einer der Letzten von Bord der Fähre aus Zadar ging. Nicht aufzufallen war Yannis Zammit zur zweiten Natur geworden und er beherrschte die Kunst, sich nahezu unsichtbar zu machen, perfekt. Viel brauchte es dazu freilich nicht, wenn man aussah wie er: Weder jung noch alt, weder groß noch klein, weder dick noch dünn, nicht attraktiv, aber auch nicht hässlich –ein Durchschnittstyp in jeder Hinsicht, auf den kaum jemand einen zweiten Blick verschwendete. Nicht einmal die Taxifahrer, die am Hafen von Preko nach Kunden Ausschau hielten.
Yannis legte seine Hand bereits an den Türgriff des ersten Wagens, als ihn der Chauffeur endlich bemerkte. Mit einem zufriedenen Seufzer ließ er sich auf den Rücksitz des funkelnagelneuen Mercedes fallen. Als der Wagen nahezu geräuschlos anfuhr, dachte er an die klapprigen Rostschüsseln auf seiner Heimatinsel Malta.
Von den Kroaten konnten sich seine Landsleute einiges abschneiden, stellte er nicht zum ersten Mal fest, und die Italiener sowieso. Unglaublich, was man in Dalmatien noch zu Preisen bekam, von denen man auf der anderen Seite der Adria nur träumen konnte. Genauso wie von gepflegten Stränden und einem glasklaren Meer, sofern nicht Urlauber aus Italien sich benahmen wie daheim und ihren Mist überall fallen ließen, wo sie lagen, saßen oder standen.
Selbst Ugljan, das sich mit Wochenendhäuschen, Apartments und Campingplätzen zu einer Art Vorgarten für Zadar entwickelt hatte, bewältigte den Bauboom souverän. Geschickt verbargen sich die Siedlungen, die bis zu den kleinen Kies- und Felsbuchten hinunterkletterten und eine atemberaubende Aussicht hinüber zum Festland boten, im Grün der Eichen und Zypressen. In der rasch fortschreitenden Dämmerung konnte Yannis im Inselinneren gerade noch die karstige Hügelkette erkennen, die mit ihren scharfen Zacken wie der Rücken eines auf der Lauer liegenden Drachens aussah.
Während das Taxi auf der einzigen Straße dahinschnurrte, die von einem Ende der lang gestreckten Insel zum anderen führte, stimmte er sich auf die bevorstehende Konfrontation ein. Seit gestern wusste Yannis nicht nur, was es mit dem Toten auf Korula auf sich hatte, er konnte es nun auch Schwarz auf Weiß beweisen.
Es war nicht schwer gewesen, im einstmals italienischen Zara einen Dolmetscher zu finden. Automatisch tastete er nach dem Kuvert, in dem sich die Übersetzung des auf Kroatisch verfassten Berichtes befand, den Vukovic ihm in Split übergeben hatte. Eine unglaubliche Geschichte, raffiniert geplant und einfach durchzuführen. Von einem Mastermind mit einer Menge an krimineller Energie ersonnen, die sich mit seiner eigenen durchaus messen konnte.
Über die Identität des wahren Schuldigen tappte die Polizei weiterhin im Dunkeln, Yannis hingegen brauchte nur zwei und zwei zusammenzählen. Was dabei herauskam, war eine Rechnung, die er noch heute präsentieren wollte. Eine flüchtig hingeworfene Bemerkung beim Abendessen, die nur dem Betroffenen etwas sagte, als Ouvertüre und dann, nach weiteren Anspielungen, um die Spannung zu erhöhen, eine ins Ohr geflüsterte Verabredung. Für morgen oder übermorgen, denn für heute hatte er bereits eine getroffen. Ein zynisches Lächeln umspielte seinen Mund, als er an die bevorstehende Begegnung dachte. In finsterer Nacht am dunklen Ende der Mole – passender könnten Ort und Zeitpunkt nicht sein!
Ein gnadenloser Bösewicht zu sein, vor dem alle erzitterten, in keiner Rolle gefiel sich Yannis besser, das war schon immer so gewesen. Bereits als Kind hatte ihn das Unglück anderer magisch angezogen. Stellte es sich nicht von selbst ein, dann half er eben ein wenig nach, und seine Methoden wurden von Mal zu Mal ausgefeimter. Bis auf seinen Großvater, den er als Einzigen nicht hinters Licht führen konnte, ahnte niemand etwas von seinem wahren Charakter – seine Großmutter und seine Eltern schon gar nicht, aber auch nicht seine Lehrer und Förderer. Keiner traute dem netten Buben, der nach dem Selbstmord seines besten Freundes weinend am Grab stand, irgendeine Gemeinheit zu.
Dabei hatte Yannis bereits im Kindergartenalter erkannt, dass er alle anderen austricksen konnte, wenn er nur schlau genug vorging. Bei einem Intelligenzquotient von 132 war es für ihn kein Problem, jeden Konkurrenten mit den schmutzigsten Tricks auszuschalten, ohne dass der Verdacht auf ihn fiel. Mit untrüglichem Instinkt spürte er die Schwächen der anderen auf, um zum richtigen Zeitpunkt zuzuschlagen. Selbstdisziplin, darauf kam es an, wenn man mit einer sorgfältig eingefädelten Intrige erfolgreich sein wollte, und nicht selten musste er sich lange in Geduld fassen. Doch er konnte warten, damals wie heute.
Gut und Böse, für ihn existierten diese Gegensätze in umgekehrter Wertigkeit. Irgendwann war ihm klar geworden, dass er anders war als die anderen. Vorbilder, Idealisten, Weltverbesserer, Gutmenschen – damit konnte und wollte er nichts anfangen. Ihn sollte man nicht lieben, sondern fürchten. Daraus strickte er sich sehr früh seine eigene Moral, über das dazu passende Zitat stolperte er erst Jahre später. Kein geringerer als Plato hatte die Lebensphilosophie eines Yannis Zammit auf den Punkt gebracht: „Der Tugendhafte begnügt sich damit, von dem zu träumen, was der Böse im Leben verwirklicht.“ Goldene Worte für einen Mann, dem ein Schurke mehr galt als zehn Heilige.
Vom Klosterschüler in La Valetta bis zu einem der erfolgreichsten Lobbyisten in Brüssel war es ein weiter Weg gewesen. Stufe für Stufe hatte er die Karriereleiter erklettert und war höher hinauf gekommen, als er es sich je hatte träumen lassen. Aber was nun? Mit nicht einmal fünfzig langweilte es ihn, noch mehr Geld und Besitz anzuhäufen, als er ohnedies bereits besaß. Im Vergleich zur Oberliga der Reichen waren es zwar nur Peanuts, aber ihm genügten ein Wohnsitz in Brüssel, ein Apartment in Manhattan und ein gut gefülltes Konto auf den Cayman Islands vollauf.
Er hatte keine Frau, keine Kinder, keine Freunde, was er keineswegs bedauerte. Das, was man Liebe nannte, existierte seiner Ansicht nach nicht, also wozu Zeit und Energie an eine Illusion verschwenden? Das einzig Reale auf dieser Welt war Macht, und nur danach gelüstete es ihn. Immer, überall und jederzeit, auch auf diesem Törn.
Sorgsam hatte er zusammengetragen, was es über jeden Einzelnen zu wissen gab. Das Netz seiner Informanten war eng geflochten, ein paar Anrufe bei den Detekteien, die für ihn arbeiteten – und schon wusste er genug für seine Zwecke. Unbewusst tastete er erneut nach den Papieren in seiner Sakkotasche, die er in Kürze zu den anderen Unterlagen in den Safe seiner Kabine legen wollte.
Die blaue Stunde war eben angebrochen, als er im Hafen von Plako aus dem Taxi stieg. Vom Kai waren es nur ein paar Schritte bis zu den beiden Yachten, die nebeneinander an der Mole lagen, fest vertäut und mit ausgeklappten Verbindungsstegen. Diesmal musste man für einen Landgang nicht erst ins Beiboot klettern oder über die Reling balancieren. Eine Chance, die Milena und Sanja genützt hatten, um ihre obligaten Jeans und Flip-Flops gegen bunte Sommerfummel und hohe Absätze einzutauschen. Lachend kamen sie Yannis entgegen, gefolgt Jon und Carlo, herausgeputzt in pastellfarbenen Hosen und darauf abgestimmten Blazern. Er blickte hinüber zu der kleinen Pizzeria, der die vier zustrebten. Dafür hätten sie sich nicht fein machen müssen, wunderte er sich. Dann aber erinnerte er sich dunkel, dass nach dem Essen ein Disco-Besuch geplant war.
Egal, sein Programm für den späteren Abend sah anders aus. Jetzt aber sollte er sich besser beeilen. Leonardo, der stets die Rechnung für alle beglich, legte Wert auf pünktliches Erscheinen. Yannis warf sein verdrücktes Sakko aufs Bett und riss die Schranktüre auf. Er überlegte nicht lange und griff nach der dunkelgrauen Leinenjacke, die er noch nie getragen hatte. Dazu ein weißes Hemd und anthrazitfarbene Jeans – perfekt! Am liebsten hätte er sich noch rasch rasiert, doch während er unter der Dusche stand, riefen die Kirchenglocken bereits zur Acht-Uhr-Messe. Prüfend fuhr er sich übers Kinn. Nur ein paar Stoppeln, die kaum zu sehen waren – die konnten warten bis morgen Früh.
Ein Morgen sollte es für Yannis Zammit allerdings nicht mehr geben. Als der letzte Glockenschlag verklungen war, hatte er exakt noch fünf Stunden und vier Minuten zu leben.
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Elena blieb noch etwas Zeit. Beim Aperitif brauchte sie nicht unbedingt dabei zu sein, also konnte sie genauso gut an Bord auf Giorgios Anruf warten. Irgendwann musste er doch die secretaria telefonica seines cellulare abhören. Seit ihrer Ankunft auf Ugljan am frühen Nachmittag hatte sie x-mal versucht, ihn zu erreichen und jedes Mal um Rückruf gebeten. Weil sie endlich einmal in Ruhe mit ihm reden wollte. Ein ausführliches Gespräch war längst überfällig, was einzig und allein an ihr lag, wie sie sich ehrlicherweise eingestand.
In den letzten Tagen hatte er sie allerdings immer zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt erwischt. Entweder sie war tropfnass aus dem Bad gekommen und musste gleich weg, oder sie steckte mitten in einer Führung oder in Preisverhandlungen mit einem Taxichauffeur – kurzum, sie war jedes Mal zu beschäftigt gewesen, um mit Giorgio mehr als nur ein paar Worte zu wechseln. Zugegeben, es hatte auch die vielen müßigen Stunden an Bord gegeben, aber da lag ihr Handy zumeist vergessen in ihrer Kabine. Aber er kannte sie doch, deshalb konnte er wohl nicht böse auf sie sein?
Offenbar schon. Oder er verlor allmählich die Lust, mit einer anonymen Tonbandstimme zu kommunizieren. Früher hatte Giorgio ganze Liebeserklärungen auf Band gesprochen, neuerdings hinterließ er bestenfalls eine kurze Nachricht. Gestern Früh hatte sie zuletzt mit ihm telefoniert. Unmittelbar vor ihrer Ankunft in der Marina von Split. Seither gab es von ihm kein Lebenszeichen. Totale Funkstille, das war noch nie vorgekommen. Plötzlich sehnte sie sich danach, dass zwischen ihnen alles wieder so wie früher war. Ohne die ungute Spannung, ohne die unausgesprochenen Vorwürfe, die seit Monaten ihren Alltag vergifteten.
Wo steckte er bloß? Nicht in Taormina oder zumindest nicht zuhause, denn auf dem Festnetzanschluss meldete sich genauso wie auf seinem Handy der Anrufbeantworter. Vielleicht war er nun doch zu seinen Eltern nach Trapani gefahren? Sollte sie versuchen, ihn dort zu erreichen? Besser nicht! Wozu die beiden in unnötige Aufregung versetzen, falls er nicht bei ihnen war, sondern sich weiß Gott wo herumtrieb.
Mit jeder Minute, die sie auf ihr stummes Handy starrte, verwandelte sich ihre versöhnliche Stimmung mehr und mehr in Trotz. Wie spät war es eigentlich? Gleich acht! Kein Wunder, dass ihr Magen knurrte. Eine Viertelstunde gestand sie Giorgio noch zu! Das gemeinsame Abendessen konnte sie nicht schwänzen, es war schließlich ihr Job, die Gäste zu betreuen. Auch wenn Leonardo sie sicherlich entschuldigt hätte, denn in der Pizzeria gleich gegenüber kam man auch ohne sie zurecht. Aber sie war hungrig, und so konnte sie genauso gut mit von der Partie sein.
Auf die Yachten aufpassen musste man in dem Fischerdorf nicht, also hatten Drago und Mirko für heute Abend frei bekommen. Sich ihnen anzuschließen, wäre auch eine Möglichkeit gewesen, aber ihr Skipper und Freund hatte nur den Kopf geschüttelt und ihr unmissverständlich klar gemacht, dass Frauen bei der geplanten Pokerpartie nicht erwünscht waren.
Diese Männer! Wenn man sie ließe, dann würde sie es den kroatischen Machos schon zeigen! Ob mit Würfeln oder Karten, seit jeher spielte Elena leidenschaftlich gern, und pokern konnte sie wie ein Profi. Zuletzt hatte sie Giorgio und zwei seiner Kollegen ein erkleckliches Sümmchen abgenommen, erinnerte sie sich vergnügt. Drei Polizisten beim illegalen Glückspiel wie Weihnachtsgänse auszunehmen – das sollte ihr Drago erst einmal nachmachen. Ein Lächeln umspielte noch immer ihren Mund, als das Handy in ihrer Hand vibrierte.
„Giorgio, endlich! In der Sekunde habe ich an dich gedacht! Nein, ehrlich, es ist wahr, ich schwindle nicht.“ In welchem Zusammenhang kann er zum Glück nicht erraten, dachte sie. „Wie geht’s dir? Was hast du heute gemacht? Ist alles in Ordnung?“
„Halt, carissima, halt. Du sprudelst wie ein Wasserfall, tesoro, aber das liebe ich an dir. Erst einmal un bacio, es ist schön, deine Stimme zu hören. Und um gleich deine erste Frage zu beantworten. Es geht mir natürlich schlecht. Weil du nicht bei mir bist, amore mio.“
Ein Timbre zum Steinerweichen und ein Dialog wie aus einer Seifenoper. Giorgio sollte sich als Synchronsprecher bewerben, stellte sie mit einem Anflug von Humor fest, bevor sie erst einmal schluckte. Wenn Männer aus heiterem Himmel anfingen, Süßholz zu raspeln, schrillten bei Elena die Alarmglocken. So wie bei einem Blumenstrauß ohne Anlass. Oder einem viel zu teuren Schmuckstück zu Weihnachten. Giorgio hatte eindeutig ein schlechtes Gewissen, aber weshalb? War vielleicht ihrem Hund etwas zugestoßen?
„Ercole ist doch nichts passiert?“, platzte sie heraus.
Auf die Frage nach Elenas heißgeliebtem Jagdhundmischling, den in ihrer Abwesenheit Freunde in Taormina versorgten, war Giorgio nicht vorbereitet. „Alles bestens“, sagte er nach einer Schrecksekunde. „Uns geht es gut.“ Wenn es um ihren Vierbeiner ging, kannte Elena kein Pardon –sie verließ sich darauf, dass er sich um den Hund kümmerte. Ercole fehlte es garantiert an nichts, aber zur Sicherheit würde er sich noch heute davon überzeugen.
Zu Giorgios Glück begannen in diesem Moment die Kirchenglocken von Plako mit ihrem Gebimmel, sodass Elena sein kurzes Zögern nicht bemerkte. Eigentlich wollte er ihr ja endlich gestehen, dass er seine freien Tage nicht daheim in Sizilien, sondern gemeinsam mit Frank Ligety verbrachte. Warum musste sie ihm auch zuvorkommen und nach Ercole fragen? Dieser vermaledeite Köter! Ein Eingeständnis seiner Notlüge würde alles nur verschlimmern. Zu dumm, dass er geschwindelt hatte, aber im Nachhinein war man immer klüger. Im Moment konnte er nur versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. Wie gut, dass das Geläute im Hintergrund noch immer anhielt.
„Soll ich später anrufen? Das ist ja nicht auszuhalten. Wo bist du denn?“
„Reg dich nicht auf, das dauert nicht mehr lang. Und bleib bitte dran, ich muss in fünf Minuten weg. Hörst du? Ist schon vorbei. Ich bin auf Ugljan, das ist die Insel gegenüber von Zadar. In Plako, einem winzigen Ort mit einer ebenso winzigen Kirche.“
Das durfte doch nicht wahr sein! Vor Überraschung hielt Giorgio die Luft an und erstickte fast am Rauch seiner Zigarette. Ausnahmsweise verkniff sich Elena eine Bemerkung und wartete geduldig ab, bis sein Hustenanfall vorbei war.
„Der Pfarrer hat das elektronische Glockenwerk offenbar auf volle Lautstärke geschaltet“, setzte sie munter fort. „Ich kann nur hoffen, dass er kein Frühaufsteher ist, denn heute wird es spät werden. Hier gibt es die einzige Disco weit und breit und außerdem ist Freitag. Also wird einiges los sein, und mein Jungvolk will mitmachen. Jetzt aber zu dir. Was treibst du den ganzen Tag?“
„Nichts besonderes, cara. Lesen, faulenzen ...“, log er. Es war ja kaum zu glauben, schon morgen könnte er ihr beim Telefonieren zuwinken, denn dann waren sie lediglich durch einen schmalen Meeresarm voneinander getrennt. Die Spur der Schmuggler führte in die Kornaten, deshalb planten Frank und er, ihr Quartier in Zadar aufzuschlagen, um Näheres in Erfahrung zu bringen.
„Spürst du es nicht? Ich bin dir sehr, sehr nahe“, versuchte sich Giorgio vorzutasten. Rovinj war schließlich auch nicht allzu weit entfernt. Er wünschte sich mehr denn je, Elena reinen Wein einzuschenken, doch ihre Reaktion belehrte ihn eines Besseren.
„Nein. Für mich bist du ganz weit weg. Du kannst ja die Luftlinie zwischen Taormina und Zadar googeln. Aber glaub mir, ich wäre mehr als glücklich, dich bei mir zu haben.“ Kaum war ihr der letzte Satz herausgerutscht, hätte sie ihn am liebsten zurückgenommen. Irgendetwas stimmte nicht, war sich Elena nach wie vor sicher. Aber was konnte er ihr schon groß verschweigen? Ercole war okay, andernfalls hätte er es ihr gesagt. Eine andere Frau? Möglich, aber darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken. In jedem Fall verbarg Giorgio etwas vor ihr – und früher oder später würde sie dahinterkommen.
Bis auf Weiteres würde sie ihm jedenfalls nichts von dem mysteriösen Mordfall auf Korula erzählen, beschloss Elena trotzig. Um ihn nicht zu beunruhigen, hatte sie bisher kein Wort über den unbekannten Toten verloren, und jetzt würde sie erst recht nicht darüber reden. Wahrscheinlich war es ohnedies besser so. Wie sollte sie ihm auch am Telefon das Unbehagen erklären, das sie nicht losließ und ihr wie eine Vorahnung von etwas Bösem erschien?
„In einer Woche bin ich wieder bei euch“, sagte sie in jenem seichten Plauderton, in den man sich flüchtete, wenn einem nichts Besseres als ein Allgemeinplatz einfiel. „Du weißt ja, der Teufel schläft nicht, also pass gut auf Ercole und dich auf“, plapperte sie weiter. Doch dann stellte sich Elena sein Gesicht vor – und musste lachen. „Fehlt nur noch, dass wir über das Wetter plaudern, meinst du nicht? Im Small Talk bringen wir es bald zur Meisterschaft. Sag mir lieber, dass du heilfroh bist, das Bett einmal für dich allein zu haben. Und wie sehr du es genießt, dass keiner neben dir schnarcht. Dann weiß ich, dass du mich wirklich vermisst.“
Giorgio seufzte erleichtert auf. Das klang endlich wieder nach der Frau, die er liebte. Er war knapp davor, ihr die Wahrheit zu sagen, aber sie jetzt damit zu überfahren, erschien ihm alles andere als klug. Nicht nach all seiner Schwindelei. Abgesehen davon, allein schon der Verdacht, er könnte ihr nur nachreisen, um sie zu kontrollieren, würde Elena auf die Barrikaden treiben.
Er durfte sich keinen Illusionen hingeben. Auch wenn sie im Moment liebevoll miteinander umgingen, ihre Beziehungskrise war längst nicht ausgestanden. Non svegliare il can che dorme – schlafende Hunde sollte man besser nicht wecken. Nicht nur, wenn sie Ercole hießen. Giorgio verstand genug von Frauen, um zu wissen, dass auch seine Elena eine Schulter zum Ausweinen im Moment durchaus zu schätzen wusste. Und für seinen Geschmack hatte ihr Frank bereits in London allzu gut gefallen!
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So fühlt man sich also, wenn man zum alten Eisen gehört! Gedankenverloren ließ Elena die Eiswürfel in ihrem Gin Tonic kreisen. Ihr zweiter schmeckte ihr ebenso wenig wie der erste. Mit ein paar Drinks ließ sich die bittere Erkenntnis, dass sie für den Besuch einer Diskothek nicht mehr jung genug war, nicht hinunterspülen. Kritisch betrachtete sie ihr Abbild hinter den Gläsern und Flaschen in der verspiegelten Bar.
Keine Frage, schummrige Beleuchtung stand ihr besser zu Gesicht als die grellen Disco-Lichtblitze, die für Sekundenbruchteile unbarmherzig jeden Schönheitsfehler offenbarten. Pickel sind auch nicht schöner als Falten, tröstete sie sich, und die Zeitspanne, in der man weder unter dem einen noch dem anderen leidet, währt nur kurz. Aber das glaubte man erst, wenn die Jahre zu galoppieren anfingen.
Noch immer spürte sie die erstaunten Blicke der jungen Leute vor dem Eingang des Lokals. Kein Zweifel, auf der falschen Seite der dreißig zählte man für das Jungvolk bereits zu den Gruftis – oder wie auch immer das in der Jugendsprache derzeit heißen mochte. Was man ihr auf Kroatisch zugerufen hatte, konnte Elena zum Glück nicht verstehen, es genügte ihr, dass Sanja und Nikola verlegen zu Boden blickten. Auch die Mienen von Filippo, Francesca, Titus, Carlo und Jon sprachen Bände. Ihr wurde klar, dass nur ein sofortiger Rückzug die Situation retten konnte.
„Viel Spaß“, hatte sie den drei Paaren zugerufen und auf dem Absatz kehrtgemacht, um Leonardo und Milena einzuholen. Die beiden „Senioren“ waren auf dem Weg zu dem einzigen 5-Sterne-Hotel auf Ugljan, das im oberen Ortsteil von Plako unweit der Kirche thronte und eine grandiose Aussicht über die hufeisenförmige Hafenbucht bot. Eine beeindruckende Kulisse mit dem dunklen Pinienhain, in dem sich die Disco verbarg, zu Füßen und den funkelnden Lichtern von Zadar im Hintergrund.
Als der Pianospieler die letzten Takte eines Frank-Sinatra-Songs ausklingen ließ, wanderte Elenas Blick hinüber zur Tanzfläche. Selbstvergessen hielten Leonardo und Milena einander umschlungen. Dass die Musik verstummt war, schienen sie nicht zu bemerken.
„Was halten Sie von unserem Märchenprinzen und seinem Aschenputtel?“, raunte ihr eine wohlbekannte Stimme zu. Die ist auch das Beste an ihm, dachte Elena, bevor sie sich zu einem Lächeln zwang. Dass Yannis, der nach dem gemeinsamen Essen verschwunden war, jetzt hier auftauchte, hatte ihr gerade noch gefehlt.
„Dann glauben Sie, dass Milena vor Mitternacht verschwindet? Sieht mir nicht danach aus“, erwiderte sie geistesgegenwärtig. „So steht es zumindest bei den Brüdern Grimm.“
„Wir waren doch längst schon beim Du, schöne Elena. Vergessen? Oder möchtest du, dass wir den Bruderschaftskuss wiederholen?“
Wie peinlich, denn mit dem Du-Wort hatte Yannis natürlich recht. Aber weil sie ihn nicht mochte, war sie automatisch auf Distanz gegangen. Jetzt fehlte nur noch, dass er sie zum Tanzen aufforderte. Elena überlegte fieberhaft, wie sie den befürchteten Avancen ohne weiteren Affront entgehen könnte.
„Du musst verzeihen, aber ich bin schon ziemlich müde“, antwortete sie. Das klang ziemlich lahm, aber etwas Besseres fiel ihr nicht ein.
„Schade. Dabei bin ich nur deinetwegen hierhergekommen. Plüschige Piano-Bars sind nämlich nicht ganz mein Fall.“
„Doch wohl eher als eine Disco.“ Elena nützte die Chance, Yannis daran zu erinnern, dass auch er nicht mehr der Jüngste war. Außer Filippo waren sie beide die einzigen Singles, die noch dazu altersmäßig zusammenpassten. Wenn sie den Malteser nicht ein für alle Mal abwimmelte, hatte sie ihn für den Rest der Reise am Hals.
„Ich meine, in unserem Alter ...“
„... kann ein kleines Abenteuer sehr schön sein, wie du am Beispiel unseres Chefs siehst.“ Spöttisch verzog Yannis die Mundwinkel. „Das solltest du doch am besten wissen.“ Was meinte er bloß damit? „Gelegenheit macht Liebe, oder etwa nicht?“, setzte er mit anzüglichem Grinsen fort.
Plötzlich fiel es Elena wie Schuppen von den Augen. Der einzige Mann, den sie auf dieser Reise umarmt hatte, war Drago. Eine völlig harmlose Sache, aber ein Außenstehender wie Yannis, der sie dabei beobachtet haben musste, sah das offenbar anders. Entrüstet fuhr sie auf, doch im letzten Moment überlegte sie es sich. Etwas Besseres konnte ihr nicht passieren. Statt zu dementieren würde sie den Malteser weiterhin im Glauben lassen, dass sie mit dem feschen Skipper etwas hatte.
„Also doch“, konstatierte Yannis, als Elena nicht antwortete. Demonstrativ blickte er auf seine Uhr. „Bald schlägt es zwölf. Pass auf den Märchenprinzen gut auf, falls ihm sein Aschenputtel vor Mitternacht davonläuft. Ich habe da so eine Ahnung, dass das demnächst passieren könnte.“ Mit einer arroganten Geste schnippte Yannis nach dem Barkeeper, um seine Rechnung zu begleichen. „Nur damit die nicht doppelt kassieren, deine Drinks sind bezahlt. Auch der nächste Gin Tonic, den du gleich bekommen wirst. Und über die andere Sache, du weißt schon, reden wir ein andermal weiter.“
Was bildete sich dieser Kerl eigentlich ein! Elena, die nur selten eine Antwort schuldig blieb, hatte es buchstäblich die Rede verschlagen. Als ihr endlich eine passende Grobheit einfiel, war der Malteser in die Dunkelheit des Hotelparks eingetaucht. Sie sprang auf und lief ihm nach, doch mehr als den Schemen eines Mannes, der sich von der hellen Steintreppe abhob, konnte sie nicht ausmachen.
Danach wurde Yannis in dieser Nacht von niemandem mehr gesehen.
© Haymon Verlag
- Autor: Eva Gründel
- 2015, 344 Seiten, Maße: 11,6 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Haymon Verlag
- ISBN-10: 370997822X
- ISBN-13: 9783709978221
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