Rachedurst
Thriller. Deutsche Erstausgabe
Der Reporter Nick wird Zeuge des Mordes an einem Mafia-Anwalt. Durch einen scheinbaren Zufall gerät er in Besitz eines wichtigen Beweisstückes. Und während Nick noch die Story seines Lebens wittert, wird er bereits von allen Seiten bedroht. Wem kann er noch trauen?
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Rachedurst “
Der Reporter Nick wird Zeuge des Mordes an einem Mafia-Anwalt. Durch einen scheinbaren Zufall gerät er in Besitz eines wichtigen Beweisstückes. Und während Nick noch die Story seines Lebens wittert, wird er bereits von allen Seiten bedroht. Wem kann er noch trauen?
Klappentext zu „Rachedurst “
Lombardo's Steak House in New York ist berühmt für das Essen, für die Kundschaft - und seit neuestem auch berüchtigt für den grausamen Mord an einem Mafiaanwalt. Wichtigster Zeuge ist Reporter Nick Daniels, der am Nebentisch ein Interview führte. Ein scheinbarer Zufall, durch den er in Besitz eines wichtigen Beweisstücks gerät. Er beginnt, Nachforschungen anzustellen, um die Story seines Lebens zu schreiben - doch derweil wird eben dieses Leben von allen Seiten bedroht, und bald weiß Nick nicht mehr, wem er noch vertrauen kann ...
Lese-Probe zu „Rachedurst “
Rachedurst von James Patterson... mehr
Lombardo's Steakhouse auf der schicken Upper East Side von Manhattan konnte sich mit Recht zweier Dinge rühmen. Das erste war die Spezialität des Hauses, das doppelt dicke, Arterien verstopfende, fast eineinhalb Kilo schwere Porterhouse-Steak, bei dessen bloßem Anblick ein Veganer einen Schlaganfall bekommen könnte.
Und zweitens war das Lombardo's berühmt für seine Gäste. Einfach ausgedrückt, war Lombardo's Steakhouse das Paradies der Paparazzi. Von angesagten Schauspielern bis zu den Publikumsmagneten unter den Profisportlern, vom Wirtschaftsboss zum Supermodel, vom Rapstar bis zum preisgekrönten Dichter - jeder, der jemand war, ob er gerade ein Geschäft abschloss oder einfach nur göttlich aussah, tauchte irgendwann im Lombardo's auf.
Der Zagat, die allgegenwärtige rote Bibel der Restaurantbesucher, wusste nur Gutes zu berichten: »Sehen und gesehen werden - in dieser vertrauten Atmosphäre kommt jeder auf seine Kosten.«
Sofern man nicht Bruno Torenzi hieß.
Er war der Mann, der Lombardo's Steakhouse für etwas ganz anderes berühmt machen sollte. Für etwas Furchtbares, etwas unglaublich Schreckliches.
Und niemand schien ihn zu bemerken ... bis es zu spät und die Tat fast vollbracht war.
Natürlich war das die Idee dahinter. In seinem schwarzen Ermenegildo-Zegna-Anzug und mit der dunklen Sonnenbril
le wäre Bruno Torenzi für jemand x-Beliebigen durchgegangen. Für einen Niemand.
Zudem war Mittagszeit. Es war taghell.
Man hätte doch erwartet, dass diese grausige Geschichte irgendwann nachts passiert wäre. Ach, und warum nicht gleich bei Vollmond, begleitet von in der Ferne heulenden Wölfen?
»Kann ich Ihnen helfen, Sir?«, fragte Tiffany, die Empfangsdame, die Torenzi nur wahrnahm, weil es zu ihren Aufgaben gehörte. Sie war jung und betörend blond und stammte aus dem Mittleren Westen. Ihre Haut, die so glatt war wie Porzellan, sorgte dafür, dass sich die Leute reihenweise nach ihr umdrehten.
Doch Torenzi benahm sich, als wäre sie Luft. Er blieb weder stehen, noch würdigte er sie eines Blickes, als sie ihn ansprach, sondern schritt einfach an ihr vorbei.
Scheiß drauf, dachte die beschäftigte Empfangsdame und ließ ihn ziehen. Das Restaurant war voll wie immer, und der Kerl sah aus, als gehörte er hierher. Weitere Gäste trafen ein und bedrängten sie, wie es nur New Yorker draufhatten. Mit Sicherheit traf dieser Kerl hier einen Gast, der bereits Platz genommen hatte.
Damit hatte sie wohl recht.
Geschnatter an den Tischen, klapperndes Besteck, kultiger Jazz, der aus den in die Decke eingelassenen Lautsprechern rieselte - all das verband sich in dem mit Mahagoni vertäfelten Speisesaal des Lombardo's zu einem durchaus angenehmen Rauschen.
Doch all das hörte Torenzi nicht.
Er war wegen seiner Disziplin, wegen seiner unerschütterlichen Konzentrationsfähigkeit engagiert worden. Seine Gedanken waren nur auf eine Person in dem belebten Restaurant gerichtet. Nur auf eine.
Noch zehn Meter ...
Torenzi hatte den Tisch in der Ecke rechts hinten entdeckt. Ohne Zweifel ein spezieller Tisch. Für einen sehr speziellen Gast.
Sieben Meter ...
Die Absätze seiner schwarzen Schuhe klapperten auf dem glänzenden Holzboden wie ein Metronom im Dreivierteltakt, als er zwischen den Tischen hindurch seinem Ziel zustrebte.
Drei Meter ...
Torenzi richtete seinen Blick auf den kahlköpfigen, übergewichtigen Mann, der, mit dem Rücken zur Wand, allein am Tisch saß. Das Foto, das er erhalten hatte, konnte er getrost in seiner Tasche stecken lassen. Er brauchte es nicht mehr mit dem Mann abzugleichen.
Weil dieser Mann eindeutig derjenige war, den er suchte. Vincent Marcozza.
Der Mann, der nur noch weniger als eine Minute leben würde.
2
Vincent Marcozza - Kampfgewicht von mindestens hundert-fünfzig Kilo - blickte von den Resten seines englisch gebratenen Porterhouse-Steaks mit gefüllten Ofenkartoffeln und einer riesigen Menge Zwiebelringe auf. Selbst im Sitzen wirkte der Kerl bedauernswert kurzatmig und einem Herzinfarkt erschreckend nahe.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte Marcozza nur scheinbar höflich. Sein Tonfall, der an den eines Straßenjungen aus Brooklyn erinnerte, hätte eher zu einem »He, Alter, was glotzt'n so? Siehste nich, dass ich am Futtern bin?« gepasst.
Torenzi blieb regungslos stehen und ließ sich gebührend Zeit mit der Antwort, während er den wichtigen Mann vor sich musterte. »Ich habe eine Nachricht von Eddie«, verkündete er schließlich mit starkem italienischem Akzent.
Diese Worte amüsierten Marcozza aus irgendeinem Grund. Sein käsiges Gesicht wurde rot, als er lachte, sein Fett am Hals schwabbelte wie Wackelpudding. »Eine Nachricht von Eddie? Mann, das hätte ich mir denken können. Du siehst auch aus wie einer von Eddies Jungs.«
Er nahm die Serviette von seinem Schoß und wischte sich die fettige Rindersoße aus den Mundwinkeln. »Also, was ist los, Kleiner? Spuck's schon aus.«
Torenzi blickte nach rechts und links, als wollte er darauf hinweisen, wie nah die Nachbartische standen. Zu nahe. Capisce?
Marcozza nickte und winkte den uneingeladenen Gast näher zu sich heran. »Etwas, das nur für meine Ohren bestimmt ist?«, fragte er, bevor er wieder in ein schwabbelndes Kichern ausbrach. »Das muss aber was Lustiges sein. Etwa ein Witz? Lass hören.«
An der gegenüberliegenden Wand stand ein Kellner auf Zehenspitzen auf einem Stuhl und wischte den chilenischen Seebarsch von der Kreidetafel. Ein Hilfskellner huschte mit einem grauen Eimer und den Resten eines Vierertisches an ihm vorbei. An der Bar stellte eine Kellnerin ein Glas Pinot noir, einen Wodka Tonic und zwei trockene Martini mit mandelgefüllten Oliven auf ihr Tablett.
Langsam trat Torenzi neben Marcozza, stützte seine linke Hand auf den Tisch und öffnete seine rechte Faust, die er geschickt hinter seinem Rücken verbarg. Im selben Moment rutschte der kalte Stahlgriff eines Skalpells ziemlich elegant aus seinem Ärmel.
Torenzi beugte sich vor und flüsterte drei Worte. Nur drei. »Justitia ist blind.«
Marcozza kniff die Augen zusammen, runzelte die Stirn und wollte fragen, was die Worte bedeuteten.
Doch dazu bekam er keine Gelegenheit.
3
Schneller, als das Auge wahrnahm, holte Bruno Torenzi mit dem Arm aus und versenkte das Skalpell tief in die aufgedunsene Falte über Marcozzas linkem Auge. Mit der Präzision und Geschwindigkeit eines Fleischers durchschnitt er im Uhrzeigersinn die Augenhöhle. Die Klinge bewegte sich so schnell, dass das Blut keine Zeit hatte zu fließen.
»Argh!« war eine ziemlich gute Annäherung an das Geräusch, das Marcozza machte.
Alle Gäste wandten sich ihm zu, als er in Todesangst schrie. Jetzt erst bemerkten sie Bruno Torenzi. Er war derjenige, der das Auge aus dem Gesicht des fetten Mannes wie aus einem Kürbis schnitt.
»Argh! «
Torenzi war mehr als fünfzig Kilo leichter als sein Gegner, was aber keine Rolle spielte. Er stand mit beiden Beinen fest auf dem Boden und hielt Marcozzas Kopf im Schwitzkasten, während Marcozza heftig zuckte und um sich schlug. Vorsätzlicher Mord war hier gleichbedeutend mit gezielter Hebelwirkung.
Platsch!
Wie eine Melonenkugel fiel Marcozzas Auge auf die weiße Leinentischdecke und rollte weiter, bis es liegen blieb.
Dann das andere Auge. Ritsch, ratsch ... erstklassige Handarbeit.
Doch das rechte Auge fiel nicht wie das linke heraus, sondern blieb an einem widerspenstigen roten Sehnerv hängen.
Torenzi lächelte und vollführte eine Drehung mit dem Handgelenk. Er war fast fertig mit seiner Vorstellung. Also haltet euch mit dem Applaus noch etwas zurück.
Schnipp!
Marcozzas rechtes Auge rutschte mit einem schmierigen Schwanz aus Fleisch und Venen vom Brotteller auf den Boden.
Schließlich hatte auch das Blut seinen Auftritt und quoll aus den leeren Augenhöhlen. Medizinisch ausgedrückt, war die Augenarterie von der inneren Carotisarterie, der unter Hochdruck laufenden Halsschlagader zum Hirn, abgetrennt worden. Laienhaft ausgedrückt, war dies hier eine gottlose, schreckliche, widerliche Sauerei.
Ein paar Tische weiter fiel eine in Chanel gekleidete Frau in Ohnmacht, während sich eine andere auf ihr Tiramisu übergab.
Und Torenzi? Der steckte sein Skalpell einfach in die Brusttasche seines Zegna-Anzugs, bevor er sich zur Küche wandte, um den Hinterausgang zu benutzen - zurück ins helle Tageslicht.
Doch bevor er dies tat, beugte er sich erneut vor, um Marcozza, der, über dem Tisch hängend, einen qualvollen, schäbigen Tod starb, seine Botschaft ins fleischige Ohr zu wiederholen.
»Justitia ist blind.«
Übersetzung: Helmut Splinter
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2011 by Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Lombardo's Steakhouse auf der schicken Upper East Side von Manhattan konnte sich mit Recht zweier Dinge rühmen. Das erste war die Spezialität des Hauses, das doppelt dicke, Arterien verstopfende, fast eineinhalb Kilo schwere Porterhouse-Steak, bei dessen bloßem Anblick ein Veganer einen Schlaganfall bekommen könnte.
Und zweitens war das Lombardo's berühmt für seine Gäste. Einfach ausgedrückt, war Lombardo's Steakhouse das Paradies der Paparazzi. Von angesagten Schauspielern bis zu den Publikumsmagneten unter den Profisportlern, vom Wirtschaftsboss zum Supermodel, vom Rapstar bis zum preisgekrönten Dichter - jeder, der jemand war, ob er gerade ein Geschäft abschloss oder einfach nur göttlich aussah, tauchte irgendwann im Lombardo's auf.
Der Zagat, die allgegenwärtige rote Bibel der Restaurantbesucher, wusste nur Gutes zu berichten: »Sehen und gesehen werden - in dieser vertrauten Atmosphäre kommt jeder auf seine Kosten.«
Sofern man nicht Bruno Torenzi hieß.
Er war der Mann, der Lombardo's Steakhouse für etwas ganz anderes berühmt machen sollte. Für etwas Furchtbares, etwas unglaublich Schreckliches.
Und niemand schien ihn zu bemerken ... bis es zu spät und die Tat fast vollbracht war.
Natürlich war das die Idee dahinter. In seinem schwarzen Ermenegildo-Zegna-Anzug und mit der dunklen Sonnenbril
le wäre Bruno Torenzi für jemand x-Beliebigen durchgegangen. Für einen Niemand.
Zudem war Mittagszeit. Es war taghell.
Man hätte doch erwartet, dass diese grausige Geschichte irgendwann nachts passiert wäre. Ach, und warum nicht gleich bei Vollmond, begleitet von in der Ferne heulenden Wölfen?
»Kann ich Ihnen helfen, Sir?«, fragte Tiffany, die Empfangsdame, die Torenzi nur wahrnahm, weil es zu ihren Aufgaben gehörte. Sie war jung und betörend blond und stammte aus dem Mittleren Westen. Ihre Haut, die so glatt war wie Porzellan, sorgte dafür, dass sich die Leute reihenweise nach ihr umdrehten.
Doch Torenzi benahm sich, als wäre sie Luft. Er blieb weder stehen, noch würdigte er sie eines Blickes, als sie ihn ansprach, sondern schritt einfach an ihr vorbei.
Scheiß drauf, dachte die beschäftigte Empfangsdame und ließ ihn ziehen. Das Restaurant war voll wie immer, und der Kerl sah aus, als gehörte er hierher. Weitere Gäste trafen ein und bedrängten sie, wie es nur New Yorker draufhatten. Mit Sicherheit traf dieser Kerl hier einen Gast, der bereits Platz genommen hatte.
Damit hatte sie wohl recht.
Geschnatter an den Tischen, klapperndes Besteck, kultiger Jazz, der aus den in die Decke eingelassenen Lautsprechern rieselte - all das verband sich in dem mit Mahagoni vertäfelten Speisesaal des Lombardo's zu einem durchaus angenehmen Rauschen.
Doch all das hörte Torenzi nicht.
Er war wegen seiner Disziplin, wegen seiner unerschütterlichen Konzentrationsfähigkeit engagiert worden. Seine Gedanken waren nur auf eine Person in dem belebten Restaurant gerichtet. Nur auf eine.
Noch zehn Meter ...
Torenzi hatte den Tisch in der Ecke rechts hinten entdeckt. Ohne Zweifel ein spezieller Tisch. Für einen sehr speziellen Gast.
Sieben Meter ...
Die Absätze seiner schwarzen Schuhe klapperten auf dem glänzenden Holzboden wie ein Metronom im Dreivierteltakt, als er zwischen den Tischen hindurch seinem Ziel zustrebte.
Drei Meter ...
Torenzi richtete seinen Blick auf den kahlköpfigen, übergewichtigen Mann, der, mit dem Rücken zur Wand, allein am Tisch saß. Das Foto, das er erhalten hatte, konnte er getrost in seiner Tasche stecken lassen. Er brauchte es nicht mehr mit dem Mann abzugleichen.
Weil dieser Mann eindeutig derjenige war, den er suchte. Vincent Marcozza.
Der Mann, der nur noch weniger als eine Minute leben würde.
2
Vincent Marcozza - Kampfgewicht von mindestens hundert-fünfzig Kilo - blickte von den Resten seines englisch gebratenen Porterhouse-Steaks mit gefüllten Ofenkartoffeln und einer riesigen Menge Zwiebelringe auf. Selbst im Sitzen wirkte der Kerl bedauernswert kurzatmig und einem Herzinfarkt erschreckend nahe.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte Marcozza nur scheinbar höflich. Sein Tonfall, der an den eines Straßenjungen aus Brooklyn erinnerte, hätte eher zu einem »He, Alter, was glotzt'n so? Siehste nich, dass ich am Futtern bin?« gepasst.
Torenzi blieb regungslos stehen und ließ sich gebührend Zeit mit der Antwort, während er den wichtigen Mann vor sich musterte. »Ich habe eine Nachricht von Eddie«, verkündete er schließlich mit starkem italienischem Akzent.
Diese Worte amüsierten Marcozza aus irgendeinem Grund. Sein käsiges Gesicht wurde rot, als er lachte, sein Fett am Hals schwabbelte wie Wackelpudding. »Eine Nachricht von Eddie? Mann, das hätte ich mir denken können. Du siehst auch aus wie einer von Eddies Jungs.«
Er nahm die Serviette von seinem Schoß und wischte sich die fettige Rindersoße aus den Mundwinkeln. »Also, was ist los, Kleiner? Spuck's schon aus.«
Torenzi blickte nach rechts und links, als wollte er darauf hinweisen, wie nah die Nachbartische standen. Zu nahe. Capisce?
Marcozza nickte und winkte den uneingeladenen Gast näher zu sich heran. »Etwas, das nur für meine Ohren bestimmt ist?«, fragte er, bevor er wieder in ein schwabbelndes Kichern ausbrach. »Das muss aber was Lustiges sein. Etwa ein Witz? Lass hören.«
An der gegenüberliegenden Wand stand ein Kellner auf Zehenspitzen auf einem Stuhl und wischte den chilenischen Seebarsch von der Kreidetafel. Ein Hilfskellner huschte mit einem grauen Eimer und den Resten eines Vierertisches an ihm vorbei. An der Bar stellte eine Kellnerin ein Glas Pinot noir, einen Wodka Tonic und zwei trockene Martini mit mandelgefüllten Oliven auf ihr Tablett.
Langsam trat Torenzi neben Marcozza, stützte seine linke Hand auf den Tisch und öffnete seine rechte Faust, die er geschickt hinter seinem Rücken verbarg. Im selben Moment rutschte der kalte Stahlgriff eines Skalpells ziemlich elegant aus seinem Ärmel.
Torenzi beugte sich vor und flüsterte drei Worte. Nur drei. »Justitia ist blind.«
Marcozza kniff die Augen zusammen, runzelte die Stirn und wollte fragen, was die Worte bedeuteten.
Doch dazu bekam er keine Gelegenheit.
3
Schneller, als das Auge wahrnahm, holte Bruno Torenzi mit dem Arm aus und versenkte das Skalpell tief in die aufgedunsene Falte über Marcozzas linkem Auge. Mit der Präzision und Geschwindigkeit eines Fleischers durchschnitt er im Uhrzeigersinn die Augenhöhle. Die Klinge bewegte sich so schnell, dass das Blut keine Zeit hatte zu fließen.
»Argh!« war eine ziemlich gute Annäherung an das Geräusch, das Marcozza machte.
Alle Gäste wandten sich ihm zu, als er in Todesangst schrie. Jetzt erst bemerkten sie Bruno Torenzi. Er war derjenige, der das Auge aus dem Gesicht des fetten Mannes wie aus einem Kürbis schnitt.
»Argh! «
Torenzi war mehr als fünfzig Kilo leichter als sein Gegner, was aber keine Rolle spielte. Er stand mit beiden Beinen fest auf dem Boden und hielt Marcozzas Kopf im Schwitzkasten, während Marcozza heftig zuckte und um sich schlug. Vorsätzlicher Mord war hier gleichbedeutend mit gezielter Hebelwirkung.
Platsch!
Wie eine Melonenkugel fiel Marcozzas Auge auf die weiße Leinentischdecke und rollte weiter, bis es liegen blieb.
Dann das andere Auge. Ritsch, ratsch ... erstklassige Handarbeit.
Doch das rechte Auge fiel nicht wie das linke heraus, sondern blieb an einem widerspenstigen roten Sehnerv hängen.
Torenzi lächelte und vollführte eine Drehung mit dem Handgelenk. Er war fast fertig mit seiner Vorstellung. Also haltet euch mit dem Applaus noch etwas zurück.
Schnipp!
Marcozzas rechtes Auge rutschte mit einem schmierigen Schwanz aus Fleisch und Venen vom Brotteller auf den Boden.
Schließlich hatte auch das Blut seinen Auftritt und quoll aus den leeren Augenhöhlen. Medizinisch ausgedrückt, war die Augenarterie von der inneren Carotisarterie, der unter Hochdruck laufenden Halsschlagader zum Hirn, abgetrennt worden. Laienhaft ausgedrückt, war dies hier eine gottlose, schreckliche, widerliche Sauerei.
Ein paar Tische weiter fiel eine in Chanel gekleidete Frau in Ohnmacht, während sich eine andere auf ihr Tiramisu übergab.
Und Torenzi? Der steckte sein Skalpell einfach in die Brusttasche seines Zegna-Anzugs, bevor er sich zur Küche wandte, um den Hinterausgang zu benutzen - zurück ins helle Tageslicht.
Doch bevor er dies tat, beugte er sich erneut vor, um Marcozza, der, über dem Tisch hängend, einen qualvollen, schäbigen Tod starb, seine Botschaft ins fleischige Ohr zu wiederholen.
»Justitia ist blind.«
Übersetzung: Helmut Splinter
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2011 by Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
... weniger
Autoren-Porträt von James Patterson, Howard Roughan
James Patterson wuchs in Newburgh, New York, auf, studierte englische Literatur am Manhattan College und an der Vanderbilt University. Während seines Studiums, das er mit Auszeichnung abschloss, jobbte er in einer psychiatrischen Klinik. Danach war Patterson lange Zeit Chef einer großen New Yorker Werbeagentur. Nebenher begann er mit dem Schreiben von Kriminalromanen und das mit großem Erfolg. Denn bereits für seinen Debütroman erhielt er den begehrten Edgar Allan Poe Award, Amerikas wichtigsten Krimipreis. Mittlerweile gilt James Patterson als der Mann, der nur Bestseller schreibt: In den letzten Jahren standen 63 seiner Bücher auf der New York Times Hardcover-Bestsellerliste. Seine Romane wurden bisher in 38 Sprachen übersetzt und erreichten weltweit eine Gesamtauflage von über 260 Millionen Exemplaren. James Patterson lebt heute mit seiner Familie in Palm Beach, Florida.
Bibliographische Angaben
- Autoren: James Patterson , Howard Roughan
- 2011, 349 Seiten, Maße: 11,8 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Splinter, Helmut
- Übersetzer: Helmut Splinter
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 3442473489
- ISBN-13: 9783442473489
Rezension zu „Rachedurst “
"108 kurze, aber Hochspannung erzeugende Kapitel. Das soll Patterson erst mal einer nachmachen."
Kommentare zu "Rachedurst"
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