Reine Glückssache / Stephanie Plum Bd.9
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"Schreiend komisch!"
Brigitte
"Evanovichs zahllose Fans werden von diesem neuesten Roman über die niedliche, tollpatschige, unwiderstehliche Stephanie Plum komplett begeistert sein. Hier gibt es mehr zu lachen, mehr erotisches Knistern und mehr turbulente Abenteuer als irgendwo sonst." -- Publishers Weekly
"Irrsinnig komische Kapriolen, die man atemlos verfolgt." -- New York Times Book Review
Reine Glückssache von Janet Evanovich
LESEPROBE
Ichheiße Stephanie Plum. Geboren und aufgewachsen binich in Trenton, New Jersey, Stadtteil Chambersburg,kurz Burg genannt. Männer machen hier vor allem eines: Kuchen undSchweineschwarten in sich hineinstopfen und Rettungsringe aus Hüftspeckansetzen. Die Völlerei mit Kuchen und Schweineschwarten wird mir tagtäglichvorgeführt, die Rettungsringe brauchen ihre Zeit zum Wachsen - zum Glück.
Der erste Mann, den ich leibhaftig und aus allernächster Nähe zu sehen bekam,war Joe Morelli. Morelli setzte meinem Jungfrauendasein ein Ende und führte denmännlichen Körper in Perfektion vor - geschmeidig, muskelbepacktund sexy. Damals hieß lebenslange Bindung bei Morelli zwanzig Minuten. Ich wareine von Unzähligen, die Morellis bestes Stück bewundern durften, wenn er sichdanach seine Hose wieder hochzog und sich aus dem Staub machte.
Seitdem tritt er von Zeit zu Zeit in mein Leben und verschwindet auch wiederdaraus. Im Augenblick ist er wieder angesagt, und mit zunehmendem Alter ist ersogar noch besser geworden, einschließlich Hintern.
Der Anblick eines nackten Hinterns ist daher eigentlich nichts Neues für mich,doch der, den ich jetzt gerade vor Augen hatte, schlug dem Fass den Boden aus. Punky Balog hatte einen Arsch wiePu der Bär, dick und fett und behaart. Leider war damit die Ähnlichkeit auchschon vorbei, denn im Gegensatz zu Pu dem Bären hatte PunkyBalog nichts Liebenswertes oder Knuddeligesan sich.
Ich saß in meinem quittengelben Ford Escape, Punkys marodem Reihenhaus gegenüber, und Punky drückte seinen riesenhaften Pu-Hintern gegen einFenster im ersten Stock. Meine gelegentliche Partnerin Lulasaß als mein Begleitschutz auf dem Beifahrersitz, und Lulaund ich glotzten mit offenen Mäulern entsetzt hoch zu dem Hintern.
Punky rieb seinen Hintern an der Fensterscheibe hinund her, und Lula und ich verzogen angewidert dasGesicht und kreischten im Chor ihh!
»Ich glaube, der weiß genau, dass wir hier draußen sind«, meinte Lula. »Vielleicht will er uns was damit sagen.«
Lula und ich arbeiten für meinen Vetter Vincent Plum, den Kautionsmakler. Vincents Büro ist in der HamiltonAvenue, die großen Vorderfenster gehen nach Burg hinaus. Vincent ist nicht derallerbeste Kautionsmakler, der schlechteste auch nicht. Wenn ich ehrlich seinsoll: Wahrscheinlich wäre er ein besserer Makler, hätte er nicht Lula und mich am Hals. Ich jage für Vinniedie Kautionsflüchtlinge, und ich habe mehr Glück als Talent. Lula ist hauptsächlich für die Büroablage zuständig. Lula verfügt weder über Glück noch Talent. Was Lula auszeichnet, ist die Fähigkeit zur Toleranz, dasheißt, Vinnie zu tolerieren. Lulaist eine schwarze Frau mit Übergröße in einer unterbelichteten weißenMännerwelt, und sie hat viel Übung darin, sich künstlich aufzuspulen.
Punky drehte sich jetzt zu uns um und wedelte mitseinem Schwengel.
»Ein Trauerspiel«, sagte Lula. »Was denken sich dieMänner eigentlich dabei? Würdest du dich mit so einem schrumpligen Wurmfortsatzin die Öffentlichkeit trauen?«
Punky fing an zu tanzen, sprang herum, der Schwengelhüpfte auf und ab, der Sack baumelte hin und her.
»Ach, du liebe Scheiße«, sagte Lula. »Der wird sichnoch was brechen.«
»Langsam wird es ungemütlich.«
»Gut, dass wir das Fernglas nicht mitgebracht haben. So was möchte ich liebernicht von nahem sehen.«
Ich möchte so was nicht mal von ferne sehen.
»Als Nutte habe ich mich vor dem Abkotzen immer dadurch bewahrt, dass ich mirdie Gehänge von den Männern als Muppetfigurenvorgestellt habe«, sagte Lula. »Der Typ sieht aus wieein Muppet-Ameisenbär. Guck mal, das kleineHaarbüschel auf dem Kopf des Ameisenbärs. Und danndieses Ding, mit dem der Ameisenbär die Ameisen aufsaugt nur, dass Punky ziemlich dicht an die Ameisen ran muss, weil seinSaugrüssel nicht groß genug ist. Punky hat nur einPipihähnchen.«
Lula war in ihrem früheren Leben Nutte gewesen. EinesAbends, sie ging gerade ihrem Gewerbe nach, hatte sie ein Nahtod-Erlebnis;danach beschloss sie, alles in ihrem Leben zu ändern, außer ihrer Garderobe.Nicht mal ein Nahtod-Erlebnis konnte sie von Spandexabbringen. Heute hatte sie ein hautenges rosa Minikleid an, dazu ein Top imTigerfellmuster, in dem ihre Titten aussahen wie dicke, runde, prall gefüllteLuftballons. Es war Vormittags, Anfang Juni, noch knallte die Sonne nicht aufNew Jersey herab, und Lula trug einen gelbenAngorapullover über dem Top.
»Na, so was«, sagte Lula. »Ich glaube, seinRüsselchen richtet sich auf.«
Der Anblick rief wieder das vereinte ihh! hervor.
»Soll ich ihn erschießen?«, sagte Lula.
»Nicht schießen!« Es war reines Pflichtgefühl meinerseits, Luladavon abzuhalten, ihre Glock hervorzuholen, aber sehrwahrscheinlich hätte man der Öffentlichkeit einen Gefallen getan, wenn man Punky abgeknallt hätte.
»Wie dringend sind wir denn hinter dem Kerl her?«, wollte Lulawissen.
»Wenn ich ihn nicht dem Gericht zuführe, kriege ich kein Honorar. Wenn ich keinHonorar kriege, kann ich meine Miete nicht bezahlen. Wenn ich meine Miete nichtbezahle, fliege ich aus meiner Wohnung und muss zu meinen Eltern ziehen.«
»Das heißt also, wir sind dringend hinter ihm her.«
»Sehr dringend.«
»Und weswegen wird er gesucht?«
»Schwerer Diebstahl.«
»Wenigstens nicht bewaffneter Raubüberfall. Bleibt mir nur die Hoffnung, dassseine einzige Waffe die ist, die er gerade in der Hand hält. Die sieht mirnämlich nicht sonderlich bedrohlich aus.«
»Dann sollten wir zugreifen.«
»Ich bin dabei, voll Stoff«, sagte Lula. »Punky in den Fettarsch treten, da kommt Freude auf.«
Ich drehte den Zündschlüssel im Anlasser herum. »Ich setze dich drüben an derStraßenecke ab, dann kannst du dich an den Hintereingang ranschleichen.Denk daran, dein Walkie-Talkie einzuschalten, damit ich dir Bescheid gebenkann, wann ich losgehe.«
»Alles klar. Roger.«
»Und nicht schießen. Kein Türeintreten. Und nicht einen auf DirtyHarry machen.«
»Du kannst dich auf mich verlassen.«
Drei Minuten später meldete Lula, sie sei jetzt aufihrem Posten. Ich stellte den Escape zwei Häuserweiter ab, ging zu Punkys Hauseingang und schellte.Keine Reaktion. Ich schellte noch mal. Mit der Faust hämmerte ich gegen die Türund rief: »Kautionsdetektiv! Machen Sie die Tür auf!«
Von der Rückseite des Hauses tönte Geschrei herüber, eine Tür wurde krachendeingetreten und wieder zugeknallt, dann wieder gedämpftes Geschrei. Ich rief Lula auf dem Walkie-Talkie, aber erhielt keine Antwort. Imnächsten Moment öffnete sich die Haustür nebenan, und Lulastapfte heraus.
»Ist ja schon gut, entschuldigen Sie«, keifte sie die Frau hinter sich an.»Hab mich eben in der Tür geirrt. Das kann passieren. Wir stehen unter irremDruck bei diesen gefährlichen Festnahmen.«
Die Frau giftete Lula an, warf die Tür zu undverriegelte sie.
»Ich muss mich bei den Häusern verzählt haben«, sagte Lulazu mir. »Ich bin irgendwie durch die falsche Tür ins Haus gestiegen.«
»Ich habe dir extra gesagt, du sollst überhaupt keine Tür öffnen.«
»Ich weiß, aber ich habe drinnen jemanden rumoren hören. Muss wohl, weil dieNachbarin ja da war, oder? Also? Was gibts? Wieso bist du noch nicht in Punkys Haus?«
»Er hat nicht aufgemacht.«
Lula trat einen Schritt zurück und guckte hoch. »Daskommt, weil er dir immer noch den Blanken zeigt.«
Ich folgte Lulas Blick. Sie hatte Recht. Punky hielt wieder seinen Allerwertesten ins Fenster.
»He!«, brüllte Lula. »Heben Sie Ihren fetten Arschvom Fenster weg und kommen Sie gefälligst runter! Wir sind Kautionsdetektive!«
Aus dem Haus gegenüber, auf der anderen Straßenseite, traten eine alte Frau undein alter Mann, ließen sich auf der Treppenstufe vor der Haustür nieder undschauten zu.
»Wollen Sie ihn erschießen?«, fragte der alte Mann.
»Ich darf so gut wie nie auf Leute schießen«, klärte Lulaihn auf.
»Wirklich schade«, sagte der Mann. »Und die Tür eintreten? Dürfen Siewenigstens das?«
Lula stemmte die Fäuste in die Seiten und bedachteden Mann mit ihrem schamlosen Du-spinnst-wohl-Blick.»Die Tür eintreten? Würden Sie etwa in diesen Schuhen eine Tür eintreten? Dassind Via Spigas. Mit Via Spigasan den Füßen tritt man keine Türen ein. Das sind Spitzenschuhe. Für die habeich einen Haufen Geld hingeblättert, und die ramme ich nicht in die nächstbeste Scheißtür.«
Alle Augen richteten sich auf mich. Ich trug Jeans, ein T-Shirt, darüber eineschwarze Jeansjacke, und CAT-Boots. Mit CAT-Boots lässt sich jede Türeintreten, aber die Boots hätten an andere Füße gehört, denn Türeintreten istein Talent, das mir abgeht.
»Mädchen, Mädchen«, sagte der alte Mann, »ihr solltet mehr fernsehen. Guckteuch nur Charlies Angels an, die schrecken vor nichtszurück. Die treten in allen möglichen Schuhen Türen ein.«
Jetzt meldete sich die alte Frau zu Wort. »Punkys Türbraucht ihr sowieso nicht einzutreten. Bei ihm ist nie abgeschlossen.«
Ich drehte am Türknauf, und tatsächlich, die Tür war nicht verschlossen.
»Verdirbt einem irgendwie den Spaß an der Freude«, beklagte sich Lula und sah durch die Tür ins Hausinnere.
Charlies Angels wären längst in Hockstellunggegangen, hielten die Waffen mit beiden Händen vor sich ausgestreckt und würdenjetzt Jagd auf Punky machen. Bei uns hätte das nichtgeklappt, denn erstens hatte ich meine Waffe zu Hause in der Plätzchendoseliegen lassen, und zweitens wäre Lula bei demVersuch, in den Via Spigas die Hockstellungeinzunehmen, vornübergekippt.
»He, Punky«, rief ich nach oben, »ziehen Sie sich wasan und kommen Sie die Treppe runter. Ich muss mit Ihnen reden.«
»Kommt gar nicht in die Tüte.«
»Wenn Sie nicht freiwillig runterkommen, schicke ich Lulazu Ihnen hoch.«
Lula sah mich mit großen Augen an, und mit den Lippenformte sie die Frage: Ich? Wieso ich?
»Kommen Sie ruhig her und holen Sie mich«, sagte Punky.»Ich habe eine Überraschung für Sie.«
Lula zog ihre Glock aus derHandtasche hervor und reichte sie mir. »Nimm du die lieber, du könntest siebrauchen, weil du nämlich als Erste die Treppe hochgehst. Du weißt, wieverhasst mir Überraschungen sind.«
»Ich will die Pistole nicht. Ich mag keine Waffen.«
»Nimm sie.«
»Ich will die Pistole nicht«, wiederholte ich.
»Jetzt nimm sie schon!«
Buah! »Na gut, dann gib mir eben die blöde Pistole.«
Ich stapfte die Treppe hoch. Auf der obersten Stufe spähte ich um die Ecke, inden Flur hinein.
»Aufgepasst! Da bin ich!«, trällerte Punky. Er spranghinter der Schlafzimmertür hervor und stand, alle viere von sich gestreckt, vormir. »Ta-dah!«
Er war splitterfasernackt und glitschig wie ein fetttriefendes Schwein. Lula und ich schluckten schwer, beide wichen wir ein Stückzurück.
»Womit haben Sie sich denn eingeschmiert?«, fragte ich Punky.
»Mit Vaseline. Von oben bis unten. In den Falten und Spalten extra dickaufgetragen.« Er grinste über beide Ohren. »Wenn Sie mich festnehmen wollen, müssenSie mit mir ringen.«
»Wir könnten Sie auch gleich erschießen«, sagte Lula.
»Das dürfen Sie nicht. Ich bin unbewaffnet.«
»Ich habe eine Idee«, sagte ich zu Lula. »Wir legenihm Handschellen an, stecken ihn in Fußketten, und dann wickeln wir ihn in eineDecke, damit er mir meine Autopolster nicht versaut.«
»Den fasse ich nicht an«, sagte Lula. »Der Scheißkerlist nämlich nicht nur hässlich wie die Nacht, da würde auch noch eine chemischeReinigung fällig. Ich will mir doch mein Top nicht versauen. So ein Top wiedieses kriege ich nicht noch mal. Das ist echtes Tigerimitat. Wer weiß, was derKerl anstellen würde, um zu türmen.«
Ich hielt die Handschellen bereit und fasste nach ihm. »Jetzt geben Sie mirschon Ihre Hand.«
»Versuchen Sies doch«, sagte er, mit dem Po wackelnd. »Na kommen Sie, fangenSie mich doch, Süße.«
Lula sah zu mir herüber. »Willst du wirklich nicht,dass ich ihn erschieße?«
Ich zog mir die Jacke aus und packte ihn am Handgelenk, aber ich bekam ihnnicht zu fassen. Nach drei weiteren Versuchen war mein Arm komplett mitVaseline verschmiert, und Punky hüpfte vor Freude: »na, na, na, du kannst mich mal, du kriegst mich nicht, ich bin derVaselinemann.«
»Erstens sind das keine Promille mehr, die der Kerl im Blut hat, das sind schonProzente«, sagte Lula. »Und ganz dicht in seinerverfetteten Birne ist der auch nicht.«
»Ich bin ein verrückter Hund, ein verrückter Hund bin ich«, sang Punky. »Wenn Sie mich nicht kriegen, können Sie mich nichtfestnehmen. Wenn Sie mich nicht festnehmen, gehe ich auch nicht in den Knast.«
»Wenn ich Sie nicht festnehme, kann ich meine Miete nicht bezahlen, und ichfliege aus meiner Wohnung«, sagte ich zu Punky, warfmich fluchend auf ihn, aber er entglitt mir.
»Oberpeinlich, das Ganze«, stellte Lula fest. »Dass dudir diesen verschissenen Fettsack unbedingt schnappen willst, ich fasse esnicht.«
»Ist schließlich meine Arbeit. Und du könntest mir ruhig helfen! Zieh das blödeTop doch aus, wenn du es dir nicht versauen willst.«
»Ja, genau, zieh das Top aus, Muttchen. Ich habe noch jede Menge Vaseline fürdich übrig«, flötete Punky.
Punky kehrte mir den Rücken zu. Ich trat ihm kräftigin die Kniekehlen, und er sackte zu Boden. Dann warf ich mich auf ihn undschrie Lula an, sie solle ihn fesseln. Es gelang ihrsogar, ihm beide Handschellen anzulegen, doch just in dem Moment piepste meinHandy.
Es war Grandma Mazur. Als Grandpa Mazur die irdischenSpielchips beiseite gelegt und zum Oberzocker in den Himmel aufgestiegen war,war Grandma Mazur zu meinenEltern gezogen.
»Deine Mutter hat sich im Badezimmer eingeschlossen, und sie will nicht wiederrauskommen«, sagte Grandma. »Sie ist seit anderthalbStunden da drin. Ich sags dir, das sind die Wechseljahre. Deine Mutter warimmer sehr vernünftig, bis die Wechseljahre kamen.«
»Bestimmt badet sie nur.«
»Das habe ich zuerst auch gedacht, aber so lange war sie noch nie imBadezimmer. Ich bin gerade eben noch mal hingegangen und habe gerufen und gegendie Tür gehämmert, aber sie antwortet einfach nicht. Sie könnte längst totsein. Vielleicht hatte sie einen Herzinfarkt und ist in der Badewanneertrunken.«
»Schreck, lass nach!«
»Kannst du nicht herkommen und die Tür aufbrechen, so wie das letzte Mal, alsdeine Schwester sich ins Badezimmer eingeschlossen hatte?«
Weihnachten hatte sich meine Schwester Valerie mit einem Schwangerschaftstestins Badezimmer eingeschlossen. Der Test war immer wieder positiv gewesen, undich an Valeries Stelle hätte mich auch für den Rest meines Lebens insBadezimmer eingeschlossen.
»Ich habe damals die Badezimmertür gar nicht aufgebrochen«, klärte ich Grandma auf. »Ich bin über die hintere Veranda aufs Dachgeklettert und dann durchs Fenster eingestiegen.«
»Egal. Wenn du nur herkommst und es noch mal machst. Dein Vater ist irgendwounterwegs, und deine Schwester ist nicht da. Ich würde ja auf das Türschlossschießen, aber das letzte Mal ist die Kugel quergeschlagenund hat eine Tischlampe zerdeppert.«
»Ist das auch ganz bestimmt ein Notfall? Ich bin nämlich gerade sehrbeschäftigt.«
»Schwer zu sagen, was in diesem Haus noch ein Notfall ist oder nicht.«
Meine Eltern wohnten in einem kleinen Reihenhaus - drei Schlafzimmer, einBadezimmer -, das mit meiner Mutter und meinem Vater, meiner Oma, meinerkürzlich geschiedenen, hochschwangeren Schwester und ihren beiden Kindern alsBewohnern aus allen Nähten platzte. Der Notfall war der Normalfall.
»Nicht schlappmachen«, sagte ich zu Grandma. »Ich binin der Nähe. Ich bin in zwei Minuten da.«
Lula sah auf Punky herab.»Und was machen wir mit dem da?«
»Den nehmen wir mit.«
»Von wegen«, sagte Punky. »Mich kriegen keine zehnPferde von hier weg.«
»Ich habe keine Zeit für solche Mätzchen«, sagte ich zu Lula.»Du bleibst hier und spielst den Babysitter. Ich schicke Vinnieher, soll der ihn abholen.«
»Jetzt mach dich auf was gefasst«, sagte Lula zu Punky. »Vinnie steht auf vaselinebeschmierte Fettsäcke. Er soll mal ein Verhältnismit einer Ente gehabt haben. Für Vinnie bist du eingefundenes Fressen.«
Ich hastete die Treppe hinunter, durch die Haustür nach draußen zum Auto. Unterwegszum Haus meiner Eltern rief ich Vinnie an und klärteihn über Punky auf.
»Bist du verrückt geworden?«, brüllte Vinnie mich an.»Ich fahre doch nicht los und hole eingefettete, nackige Männer für dich ab.Ich bin Kautionsbürge. Ich bin kein Abholdienst. Ein für alle Mal: Ich leiheden Leuten das Geld für die Kaution. Damit sie bis zum Prozesstermin auf freiemFuß sind. Mehr nicht. Wenn sie nicht bei Gericht erscheinen, dann ist es deineAufgabe, die Leute festzunehmen und bei der Polizei abzuliefern. Sonst streichtdas Gericht die Kaution ein, und ich sehe von meinem Geld nichts wieder.«
»Na gut. Dann fährst eben du zu meinen Eltern und holst meine Mutter aus demBadezimmer.«
»Ist ja schon gut. Ich hole deinen Klienten ab. Aber es gibt ein trauriges Bildab, wenn ich der einzige Normale in dieser Familie bin.«
Dagegen konnte ich schlecht was sagen.
Grandma Mazur wartetebereits, als ich vor dem Haus meiner Eltern vorfuhr. »Sie ist immer noch drin«,sagte sie. »Sie redet nicht mit mir. Sie redet mit gar keinem.«
Ich rannte die Treppe hoch und probierte die Badezimmertür. Abgeschlossen. Ichklopfte. Keine Antwort. Ich rief meine Mutter durch die Tür. Noch immer keineAntwort. Mist. Ich rannte die Treppe wieder hinunter, nach draußen, und holtedie Trittleiter aus der Garage. Ich stellte die Leiter auf die hintere Verandaund stieg auf das schindelbedeckte Vordach, das ander Rückwand des Hauses klebte und über das man zum Badezimmerfenster gelangte.Ich schaute hinein.
Meine Mutter lag mit Kopfhörern und geschlossenen Augen in der Badewanne, dieKnie ragten wie sanfthügelige rosa Inseln aus dem Wasser. Ich klopfte an dieFensterscheibe, meine Mutter schlug die Augen auf und fing an zu kreischen. Sieschnappte sich das Handtuch und kreischte eine geschlagene Minute langununterbrochen. Schließlich klimperte sie mit den Augen, klappte das Maul zu,zeigte mit ausgestrecktem Finger auf die Badezimmertür und formte mit denLippen das Wort verschwinde!
© Verlagsgruppe RandomHouse
Übersetzung: Thomas Stegers
- Autor: Janet Evanovich
- 2007, 346 Seiten, Maße: 11,9 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Stegers, Thomas
- Übersetzer: Thomas Stegers
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 3442463270
- ISBN-13: 9783442463275
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