Resturlaub
Seine Eltern wollen endlich Enkel. Seine Kumpels drängen ihn zum Kauf eines Eigenheims. Mit seinem Chef streitet er seit Jahren über einen Apostroph im Firmennamen. Der jährliche Mallorca-Urlaub steht bald wieder an. Als dann auch noch...
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Seine Eltern wollen endlich Enkel. Seine Kumpels drängen ihn zum Kauf eines Eigenheims. Mit seinem Chef streitet er seit Jahren über einen Apostroph im Firmennamen. Der jährliche Mallorca-Urlaub steht bald wieder an. Als dann auch noch seine Freundin Sabine auf einer Hochzeit Kinderwünsche äußert, will Brauerei-Manager Peter nur noch eines: Weg, weit weg! Er macht sich auf, um ausgerechnet am Ende der Welt zu suchen, was er zu Hause längst hat.
''Tommy Jaud hat mit den Bestsellern "Vollidiot" und "Resturlaub" ein brachliegendes Genre neu belebt - den deutschen Männerroman."
Der Spiegel
Seine Freundin will endlich ein Kind.
Und seine Freunde wollen zum elften Mal nach Mallorca.
Doch Pitschi Greulich hat einen ganz anderen Plan.
Eine ziemlich komische Geschichte über einen 37-jährigen Brauerei-Manager, der ausgerechnet am Ende der Welt das sucht, was er zu Hause längst hatte.
»Tommy Jaud hat ein brachliegendes Genre neu belebt - den deutschen Männerroman. Es geht in 'Resturlaub' um alle großen Themen unserer Zeit. Ein Hammer von Gegenwartsroman also.«
DER SPIEGEL
»Natürlich schreibt das Leben die besten Geschichten. Aber Tommy Jaud reicht das nicht, weil er weiß, dass seine Figuren in diesem Leben erst einmal zurechtkommen müssen!«
Bastian Pastewka
Resturlaubvon Tommy Jaud
LESEPROBE
Leberkäs mit Hut
Spätestens wenn einer deiner besten Freunde dir einen Strafzettel hinterden Scheibenwischer klemmt, ist es Zeit, über ein paar grundsätzliche Dingenachzudenken. Doch so weit war ich damals noch nicht. »Damals«, das ist jetztgenau vier Tage her. Wutschnaubend kämpfte ich mich an diesem Nachmittag durchdie flirrende Sommerhitze der touristenverseuchten Bamberger Altstadt, vorbei anGroßgruppen von schnatternden Japanern und Busladungen steifer Senioren. Ich wollteden Mann stellen, der mir den Strafzettel verpasst hatte: Checko. Undnatürlich erwischte ich ihn dort, wo man ihn immer erwischt zur Mittagszeit: aneinem der blankgescheuerten Holztische im Schlenkerla, einer über 300 Jahre alten Gaststätte.Das Schlenkerla ist eine Institution in Bamberg und es schenktausschließlich Bier aus, das so schmeckt, als sei gerade ein Schinken und eineTüte Barbecue-Chips hineingefallen: das Aecht Schlenkerla Rauchbier.
Ich sahCheckos Uniform schon durchs Fenster, doch erst der Bierkrug in der linken Handund die Leberkässemmel in der rechten ließen eine eindeutige Identifizierungzu: Uniform plus Leberkäs plus Bierkrug gleich Checko. Und da Checko sich schonvor langer Zeit aus seiner dunkelblauen Dienstkleidung herausgefuttert hatte,sah er inzwischen selbst ein wenig aus wie ein Leberkäs oder, genauer, wegender offiziellen Mütze, wie ein Leberkäs mit Hut. Durch die offene Tür betratich den dunklen Gastraum mit seiner niedrigen braunen Holzdecke und wurde vonBabsi, der Bedienung, sofort mit einem herzlichen »Der Greulich!« begrüßt.Energisch zog ich mir einen der hellen Holzstühle mit dem Herz in der Lehneheran und hielt dem erschrockenen Checko mein frisch gezapftes Knöllchen vorsGesicht.
»Mensch Bidschi! Da gricht mer ja an Herzkaschber!«, stöhnteer in breitestem Mittagspausenfränkisch.
Ich setzte mich. Checko blickte zunächst auf meinenStrafzettel, dann auf mich und stellte erst dann seinen Bierkrug ab.
»Wenn du Touristen aufschreiben würdest statt Freunde, würdedich auch keiner erschrecken!«
Ich muss wohl ziemlich energisch geklungen haben, denn nichtnur Checko, sondern auch die dralle Babsi am Ausschank warf mir einenmissbilligenden Blick zu. Checko wischte sich einen Senfrest aus dem Bart,kaute zu Ende und deutete auf mein Knöllchen.
»Der blaue Golf vor der Reinichung?«
»Der blaue Golf vor der Reinichung, genau!«
»Der wo im eingeschränkten Haldeverbot g'standen war für mehrals wie fünf Minuden?«
Ich konnte es nicht fassen. Da geht man zusammen zur Schule,fährt neun Mal zusammen nach Mallorca und trinkt eine Million Bier miteinanderund dann so was! Ich atmete tief durch, dann legte ich die Hand auf CheckosSchulter. Irgendwas Grundsätzliches schien da zwischen uns gerade schief zulaufen.
»Checko, du weißt, dass das MEIN Golf ist! Der Golf, den ichseit drei Jahren habe. Der Golf, mit dem wir beide ab und zu nach Nürnbergfahren oder ins Freibad?«
Checko nickte.
»Klar, dein Golf. Ich kenn doch deinen )Bittekein Bit<-Aufkleber hinten draufl«
»Und warum zum Teufel schreibst du mich dann auf?«, schnaubteich und hielt das Knöllchen mit Zeigefinger und Daumen über Checkos Rauchbier.Ungerührt schob er den gesamten Rest seines Brötchens in sich hinein. Offenbarhatte Checko Angst, wegen einer überraschenden Sturmflut oder einesfränkisch-bayerischen Bürgerkrieges wochenlang nichts mehr zu essen zu bekommen.Die dralle Bedienung mit der gezimmerten CSU-Frisur nickte fränkisch vomAusschank zu mir herüber. Richtig - unser fränkischer Akzent manifestiert sichnicht nur in der Sprache selbst, sondern auch in Gestik und Mimik. Sobeinhaltet der soeben von Babsi dargebotene, typisch fränkische Nicker meistzugleich Angriffslust, Übellaunigkeit, aber auch eine gewisse Durchsetzungsfähigkeit.
»Was grichste denn?«
»Nix!«
»Des geht net!«
»Dann halt ... a kleines Bier!«
»Hammer net!«
»Mein Gott, dann halt auch a Rauchbier!«
»Na also!«
Checko hatte seine Leberkässemmel in der Zwischenzeit vollständigvernichtet. »Warum ich dich aufschreib?«, wiederholte er und schnappte sich denStrafzettel, noch bevor ich ihn in seinen Krug fallen lassen konnte. »Dasteht's doch: Du warst in der Kasernstraße länger als wie fünf Minuden imeingeschränkten Haldeverbot g'standen!«
»Checko! Biene und ich wohnen da! Ich muss irgendwo parken!«
»Des habt ihr doch gewusst, bevor ihr da hingezoochen seid!«
Ich warf den Strafzettel in Checkos Krug.
»Männo! Lass des!«
Ich schaute mich in der rustikalen Stube nach Hilfe um. Esbot sich keine an. Kein Jack Baut von der CTU und auch kein Bruce Willis. Nichtmal Johannes B. Kerner, der Checko mit einem betroffenen Blick und einem »Unddas ist mir jetzt persönlich wichtig« hätte einschläfern können. Stattdessenblickte ich in die verständnislosen Augen der drallen Babsi, die einem älterenTouristen mit einer Radkarte gerade eine Spezi gebracht hatte.
Mein Seidla Rauchbier kam und ich nahm einen großen, ersten Schluck.Wie immer schmeckte es scheußlich am Anfang, Rauchbier wird nämlich erst abdem dritten Krug genießbar.
»Ja, wenn Sie falsch g'standen sind, dann sind Sie falschg'standen!«, kommentierte Babsi achselzuckend und stapfte in Richtung Ausschank.Checko hatte inzwischen die in Rauchbier getränkte Bedrohung unsererFreundschaft zum Trocknen über zwei Bierdeckelhäuschen gelegt.
»Des tut mir jetzt echt Leid, Bidschi, aber ich kann da keiAusnahme machen.«
»Aber wir sind doch Freunde!«, protestierte ich.
»Ja glar sinn mir Freunde, aber trotzdem kann ich riet deseine Audo aufschreim und des andere niet, bloß weil ich jetzt jemanden kenn.«
»Jemanden!?!«
»Na, dich halt!«
Ich zog den Strafzettel von den Bierdeckelhäuschen ab und warfihn wieder in Checkos Krug.
»Männo!«, sagte Checko und klang dabei wie einsiebenjähriger Rotzlöffel, dem man im Freibad sein Wassereis wegnimmt.
»Schreib doch die Schwaben auf, die sich mit ihrerKlorollen-CKlasse quer vors Rathaus stellen oder die ganzen Fischköpfe, fremdeKennzeichen halt!«
»Nanana!«, schimpfte Babsi. »Mir müssen scho a wengdollerand sei!«
»Des find ich a!«, ergänzte der Radtourist vom Nachbartischungefragt.
»Du nimmst ihn also nicht zurück?«, fragte ich Checko, wobeiich den Strafzettel genüsslich in den übrig gebliebenen LeberkäsSenf drückte.
»Des kann ich riet machen, weil ...«
»Weil ...?«
»Des geht echt riet! Die Daden sind längst in die Zendrale g'funkt.«
Am liebsten hätte ich auch Checko mitsamt seiner »Daden« in diebescheuerte Zentrale gefunkt. Checko, der sich seinen Spitznamen bereits inder Grundschule verdient hatte, weil er immer der Letzte war, der irgendwasbegriff. Checko, der sich inzwischen munter über die 100-Kilogrenze gefutterthat und als einziger meiner Freunde einen Vollbart trägt. Checko, der mitseinen zarten 36 Jahren immer noch bei seinen Eltern wohnt und lieberPlaystation spielt als mit Frauen auszugehen.
»Ordnung muss halt amal sein, Greulich«, tröstete mich die dralleBabsi.
»Genau!«, bestätigte der Radtourist.
Ich trank frustriert mein Bier leer und verabschiedete michvon Checko.
»Okay. Dann bis heute Abend?«
»Bis heut Abend!«
Ich war schon an der Tür, da drehte ich mich noch einmal zu Checkoum. Er tat mir plötzlich Leid, wie er so gefangen war in seiner kleinen Weltdes geordneten, ruhenden Verkehrs. Auch er schaute noch einmal zu mir rüber,wie ein Kind, das gemerkt hat, dass es etwas falsch gemacht hat, aber nochnicht so ganz weiß, was.
»Ich geh dir nächste Woch ä Bier aus auf Malle, okay?«,lautete sein Angebot der Wiedergutmachung.
»Ach Gott, ja. Malle ...« , seufzte ich. Unseren gemeinsamenUrlaub hatte ich schon wieder verdrängt. Wahrscheinlich, weil ich mich nichtgerade übermäßig freute auf den mittlerweile zehnten Trip nach El Arenal. Unddann stand da auch noch eine klitzekleine Kleinigkeit zwischen mir und diesemUrlaub: die Hochzeit meines besten Freundes. (...)
© Scherz Verlag
Interview mit Tommy Jaud
Der ProtagonistIhres Romans "Resturlaub", Pitschi Greulich, ist unzufrieden mitseinem heimeligen Provinzleben und denkt an Flucht. Was macht denn seineBamberger Idylle so schwer erträglich für ihn?
Alle machen es ihm schwer: seine Freunde gehen seit Jahren in diebeiden selben Gasthäuser und fahren zum zehnten Mal nach El Arenal. Im Jobgewinnt er gegen seinen ebenso sturen wie steinalten Chef"Seppelpeter" keinen Millimeter. Schlimm für Pitschi ist auch dieHeirat seines letzten besten Freundes Arne, der ausgerechnet die pummeligeBiggy heiraten wird. Oder sie ihn, wie Pitschi findet, denn was Biggy mitseinem besten Freund vor hat, ist klar: vor den Altar zerren, Kinder machen undschließlich wegschließen in einem Einfamilienhaus mit Kiesauffahrt, dasmindestens eine Viertelstunde von ihm selbst und der nächsten Kneipe entferntist. Und dann verstehen natürlich weder seine Freunde noch seine Eltern, warumer nicht endlich selbst mal heiratet, schließlich sei seine Freundin "Biene"doch "'ne Süße." Im Gegensatz zu Pitschi weiß die auch, was sie will:ein Baby. Und das möglichst schnell. Das ist der Punkt, an dem bei Pitschi diePanik ausbricht.
Will PitschiGreulich einfach nicht erwachsen werden? Oder geht es da um etwas anderes?
Wenn "erwachsen werden" bedeutet, das zu machen, wasalle anderen machen, dann will Pitschi das bestimmt nicht. Man ist ja keinschlechterer Mensch, wenn man kein Einfamilienhaus bauen will und keinen 5erBMW kauft. Pitschi will Abwechslung, es ist ihm langweilig, er fühlt sich nichtmehr wohl. Er scheint allerdings der Einzige zu sein, denn um ihn herum sindalle ganz zufrieden mit sich und mit ihrem Leben.
Wie kamen Sie aufdie Idee, die Geschichte des krisengeschüttelten Brauereimanagers aufzuschreiben?Gab es da einen speziellen Anstoß?
Nun, ich hab ein paar Jahre in Bamberg studiert und fand eswirklich klasse da. Wäre ich geblieben, wäre ich sicher ein Pitschi geworden,aber ich bin nach Köln gegangen, weil ich dort schon in den 90ern die Dinge tunkonnte, die ich in Bamberg nicht hätte tun können, z.B. fürs Fernsehenarbeiten. Aber auch in Köln kann einem die Decke auf den Kopf fallen. In einemakuten Anfall von Fernweh hab ich dann vor drei Jahren eine Sprachreise nachBuenos Aires gemacht und mich überhaupt nicht wohlgefühlt. Ich hatte mich unddie Ferne überschätzt und bin schließlich sogar früher nach Hause geflogen. DenTeil der Reise teile ich auch mit meinem Helden. Vor einem Jahr war ich dannnoch einmal kurz in Buenos Aires zur Recherche und hab mich bizarrerweisesauwohl gefühlt.
Wollte man dieMoral der Geschichte zusammenfassen, so könnte man sagen: "Warum in dieFerne schweifen, wenn das Gute liegt so nah...". Oder sollte Pitschi nochetwas anderes gelernt haben?
Mit der Moral von der Geschichte ist das ja immer so eine Sache.Letztendlich ist auch "Resturlaub" eher ein Comedy-Roman, eineverkappte Liebeserklärung an die Heimat und einfach eine spannende Geschichte.Wollte man eine Prämisse oder Moral aus dem fränkischen Filzhut zaubern, dannist es wohl die, dass auch eine fantastische Stadt in der Fremde nie so vielleisten kann, als dass sie die Wärme und Geborgenheit der Heimat und derFreunde ersetzen könnte.
Pitschi GreulichsAbenteuer lesen sich so, dass man die Szenen praktisch schon als Film vor sichsieht. Ihr erster Roman "Der Vollidiot" wird im Sommer verfilmt, mitOliver Pocher in der Hauptrolle. Ist da auch beim "Resturlaub"bereits etwas in Planung?
Bisher gibt es nichts Konkretes, was einen"Resturlaub"-Film angeht. Ich lass mich einfach mal überraschen, obder Stoff die Filmmenschen interessiert. Und Zeit genug gibt es ja auch: Dennnoch gab es ja bei "Der Vollidiot" ja nicht mal den ersten Drehtag.
Apropos Provinz:Sie selbst kommen aus dem fränkischen Schweinfurt. Können Sie sich vorstellen,in Ihre Heimat zurückzukehren?
Wenn ich siebzig oder achtzig bin, würde ich mit meinen damaligenStudienkollegen gerne eine Alten-WG in Bamberg aufmachen. Wir könnten uns dannvon unseren Zivis stundenlang durch die schönen Parks und Wälder schiebenlassen und am Abend leckeres Bier in uns hineinlaufen lassen. Wahrscheinlichaber werden uns das unsere Frauen nicht erlauben.
Die Fragenstellte Ulrike Künnecke, Literaturtest.
- Autor: Tommy Jaud
- 2007, 17. Aufl., 256 Seiten, Maße: 12,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: FISCHER Taschenbuch
- ISBN-10: 3596168422
- ISBN-13: 9783596168422
- Erscheinungsdatum: 14.03.2007