Revolverherz
Der Kiez-Krimi
Eine Mordserie mit bizarr entstellten Opfern. Ratlose Ermittler in der großen, bösen Stadt. Und mitten im blutigen Geschehen eine Welt voller Wärme und Herz, die man nicht mehr verlassen möchte ... Es ist Frühjahr in Hamburg. An...
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Produktinformationen zu „Revolverherz “
Eine Mordserie mit bizarr entstellten Opfern. Ratlose Ermittler in der großen, bösen Stadt. Und mitten im blutigen Geschehen eine Welt voller Wärme und Herz, die man nicht mehr verlassen möchte ... Es ist Frühjahr in Hamburg. An einem nebligen Morgen wird im Hafen eine tote junge Frau gefunden. Nackt und mit einer hellblauen Perücke auf dem Kopf. Sie war Tänzerin in einem Stripschuppen auf dem Kiez. Genau wie das nächste Opfer, das man finden wird, und das danach ... Die zuständige Staatsanwältin für den Fall ist Chastity Riley, Tochter einer Sekretärin und eines amerikanischen Offiziers. Eine harte und zugleich zarte Frau, eine verkappte Romantikerin mit Dauerkarte für die Spiele des FC St. Pauli, die zu viel trinkt und sich keine Gefühle zugesteht. Chas taucht ein ins Hamburger Rotlichtmilieu, gemeinsam mit den Kommissaren Faller und Calabretta und dem ehemaligen Einbrecherkönig Klatsche, der ihr längst schon mehr ist als ein Freund. Die vier waten durch einen Sumpf aus Morden, Einsamkeit und gebrochenen Herzen - und am Ende sieht es für einen von ihnen verdammt schlecht aus.
Klappentext zu „Revolverherz “
Eine Mordserie mit bizarr entstellten Opfern. Ratlose Ermittler in der großen, bösen Stadt. Und mitten im blutigen Geschehen eine Welt voller Wärme und Herz, die man nicht mehr verlassen möchte ...Es ist Frühjahr in Hamburg. An einem nebligen Morgen wird im Hafen eine tote junge Frau gefunden. Nackt und mit einer hellblauen Perücke auf dem Kopf. Sie war Tänzerin in einem Stripschuppen auf dem Kiez. Genau wie das nächste Opfer, das man finden wird, und das danach ...
Die zuständige Staatsanwältin für den Fall ist Chastity Riley, Tochter einer Sekretärin und eines amerikanischen Offiziers. Eine harte und zugleich zarte Frau, eine verkappte Romantikerin mit Dauerkarte für die Spiele des FC St. Pauli, die zu viel trinkt und sich keine Gefühle zugesteht. Chas taucht ein ins Hamburger Rotlichtmilieu, gemeinsam mit den Kommissaren Faller und Calabretta und dem ehemaligen Einbrecherkönig Klatsche, der ihr längst schon mehr ist als ein Freund. Die vier waten durch einen Sumpf aus Morden,Einsamkeit und gebrochenen Herzen und am Ende sieht es für einen von ihnen verdammt schlecht aus.
Eine Mordserie mit bizarr entstellten Opfern. Ratlose Ermittler in der großen, bösen Stadt. Und mitten im blutigen Geschehen eine Welt voller Wärme und Herz, die man nicht mehr verlassen möchte ... Es ist Frühjahr in Hamburg. An einem nebligen Morgen wird im Hafen eine tote junge Frau gefunden. Nackt und mit einer hellblauen Perücke auf dem Kopf. Sie war Tänzerin in einem Stripschuppen auf dem Kiez. Genau wie das nächste Opfer, das man finden wird, und das danach ... Die zuständige Staatsanwältin für den Fall ist Chastity Riley, Tochter einer Sekretärin und eines amerikanischen Offiziers. Eine harte und zugleich zarte Frau, eine verkappte Romantikerin mit Dauerkarte für die Spiele des FC St. Pauli, die zu viel trinkt und sich keine Gefühle zugesteht. Chas taucht ein ins Hamburger Rotlichtmilieu, gemeinsam mit den Kommissaren Faller und Calabretta und dem ehemaligen Einbrecherkönig Klatsche, der ihr längst schon mehr ist als ein Freund. Die vier waten durch einen Sumpf aus Morden, Einsamkeit und gebrochenen Herzen - und am Ende sieht es für einen von ihnen verdammt schlecht aus.
Lese-Probe zu „Revolverherz “
Revolverherz von Simone Buchholz LESEPROBE Der Himmel hängt tief, er sieht aus, als müsse er sich sofort hinlegen. Von der Elbe steigt Nebel auf, zäh und gemein wie eine alte Krähe. Ich schlage meinen Mantelkragen hoch, aber es hilft nichts: Die Feuchtigkeit kriecht mir in die Knochen. Mein Kopf tut weh, ich habe zu wenig geschlafen. Es ist Anfang März, es ist erst halb acht, und zu meinen Füßen liegt ein totes Mädchen. Zwei philippinische Matrosen auf Landgang haben sie gefunden. Die armen Kerle. Die Leiche wird ihnen einen ordentlichen Schrecken eingejagt haben. Sie liegt auf einer Treppe, die direkt ins Wasser führt. Sie ist nackt, über ihren Hals zieht sich ein ernstzunehmendes Würgemal. Ihre Brüste sind nicht die elegantesten, die man für Geld kriegen kann, aber sie sind ziemlich beeindruckend. Ich frage mich, warum sie so schön da hingelegt wurde und nicht mit dem Gesicht nach unten in der Elbe schwimmt, so wie alle anderen Toten auch. Sie trägt eine billige hellblaue Kurzhaarperücke.
Ich könnte gut eine Tasse Kaffee vertragen.
... mehr
Die Spurensicherung ist in vollem Gange. Ich finde diese Typen ja ein bisschen schwierig. Wuseln zu jeder Tages- und Nachtzeit durch die Details des Bösen, wach wie nur was. Es ist mir ein Rätsel, wie man sich angesichts einer toten Frau mit Banalitäten wie Haaren, Wollfasern und Zigarettenkippen beschäftigen kann, ohne auf der Stelle verrückt zu werden. Die scheinen lebende Labors zu sein, mit Reagenzgläsern, wo andere ein Herz haben. Heute ist wohl ein Festtag für sie. Sie machen sich in einer Riesengruppe wichtig, sie haben alles absperren lassen, man darf natürlich nirgendwo hintreten, ich habe mir auch schon wieder einen ordentlichen Rüffel abgeholt, weil ich hier rumlatsche, aber das ist mir egal, ich muss die Toten sehen, wenn ich mich um sie kümmern soll.
Klick. Jetzt wird fotografiert. Sie fotografieren immer wie die Bekloppten, und überall stehen aufgeregte Schilder rum wie Zeigefinger, als wäre da was total Entscheidendes. Ich kann nichts erkennen. Nur nasses Kopfsteinpflaster.
Einer von den Jungs, ein hagerer Typ mit Vogelnase, fängt an, sich mit dem Hals der Toten zu beschäftigen. »Wo bleibt die Kripo?«, fragt er.
»Die sind unterwegs«, sage ich.
»Wer hat Mordbereitschaft?«
»Hauptkommissar Faller«, sage ich.
Er verdreht die Augen. »Die alte Schnarchnase.«
»Hey, Schätzchen«, sage ich, »bisschen vorsichtig. Und bis der Faller da ist, bin ich die Kripo, klar?«
»Geht klar, Frau Staatsanwältin.« Das war verächtlich. Arschloch.
Ich finde, dass der Faller sehr in Ordnung ist. Manchmal vielleicht ein bisschen müde, aber ein grundehrlicher Haudegen. Immer da. Wenn ihm eine Laus über die Leber gelaufen ist, erinnert er mich an Robert Mitchum. Um ihn aufzuheitern, sage ich dann: »Meine Fresse, Faller, sind Sie ein cooler Hund. Wäre ich zwanzig Jahre älter, ich würde Sie vom Fleck weg heiraten.« Seine übliche Reaktion darauf ist, auf den Boden zu schauen, sich eine Roth-Händle anzuzünden und zu sagen: »Ich weiß, Kleines, ich weiß.« Ich mag den Faller wirklich.
»Wie ist sie gestorben?«, frage ich den Spurenmann und versuche, am Himmel einzelne Wolken auszumachen. Es gelingt mir nicht. Heute gibt’s da oben nur Suppe. »Stranguliert«, sagt er, »wahrscheinlich mit Kunststoff, einem Kabel oder so was.«»Wann?«
»Kann ich noch nicht genau sagen. Vermutlich nach Mitternacht. Genaueres wird dann der Onkel Doktor wissen.«
»Okay«, sage ich. »Sonst noch was?«
»Oh ja«, sagt er und hebt die Perücke ein kleines Stück an.
Unter der Perücke sind weder Haare noch Haut. Da ist nur verkrustete, blutige Masse. Mir wird auf der Stelle schwindelig. Ich hätte gern jemanden, an dem ich mich eben mal festhalten könnte, aber da ist ja nur die Spurensicherung.
»Sie wurde ...?«
»Genau«, sagt er, und ich glaube, er grinst, »die Lady wurde skalpiert. Ich wusste gar nicht, dass wir hier im Wilden Westen sind.«
Um Himmels willen. Was ist das denn für eine Scheiße? Es gibt Dinge in meinem Job, mit denen ich nicht so gut klarkomme, und verstümmelte Frauen mitten in meinem Viertel gehören definitiv dazu. Ich fasse mir in den Nacken und überprüfe meinen Haaransatz. Alles dran. Ich schüttele mich kurz und unauffällig und ziehe meinen Mantel fest um meine Taille. Wir haben also einen völlig kranken Typen am Start, der diese Frau nicht nur töten, sondern auch noch extrafein kaputtmachen wollte.Na toll.
»Hören Sie«, sage ich, »ich muss los. Und lassen Sie den Faller in Ruhe, wenn er hier auftaucht.«
Dann sehe ich zu, dass ich Land gewinne. Bloß nicht am Tatort umkippen.
Das Kopfsteinpflaster unter meinen Stiefeln ist feucht und unberechenbar. Mal lieber schön langsam gehen. Ich frage mich, warum ich mir das eigentlich immer antue, diese Tatorte. Vielleicht weil ich lieber draußen als drinnen bin, weil ich noch nicht alt genug bin, um nur schlaue Anweisungen zu geben, und vielleicht auch, weil ich mein Büro in der Staatsanwaltschaft nicht wirklich mag. An guten Tagen kommt es mir vor wie ein Rahmen, an schlechten Tagen wie ein Gefängnis. Vielleicht liegt’s auch nur an der Einrichtung. Ich sollte mich da mal drum kümmern. Na ja. Bis sich was geändert hat, gehe ich eben weiter raus. Außerdem bin ich überzeugt davon, dass man das Verbrechen sehen muss, wenn man es bekämpfen will. Man muss wissen, wie das Böse aussieht, damit man es erkennt, wenn es einem über den Weg läuft.
Mein Telefon klingelt. Der Faller ist dran.
»Guten Morgen, alter Mann«, sage ich.
»Scheiß Morgen«, sagt er. »Wo sind Sie, Chas?« »Auf dem Weg zu Carla.«
»Kaffee, hm?«
»Sie wissen, was eine Frau braucht, Faller«, sage ich. »Sind Sie am Tatort?«
»Ja«, sagt er, »gerade angekommen, gemeinsam mit der versammelten Lokalpresse. Die stellen hier alles auf den Kopf.«
»Verdammt«, sage ich, »die sollen sich bloß zurückhalten.«
»Hab ich im Griff«, sagt er. »Was halten Sie von der Perücke?«
»Was halten Sie vom Skalpieren?«, frage ich. »Ekelhaft.«
»Glauben Sie, dass sie eine Professionelle war?«
»Keine Ahnung«, sagt er. »Die sind doch auch nicht mehr das, was sie mal waren.«
»Trommeln Sie eine schlagkräftige Truppe zusammen, ja?«
»Mach ich«, sagt er. »SOKO Skalpmörder läuft in diesem Augenblick an. Bis morgen Nachmittag sollten wir dann erste Ergebnisse von der Spurensicherung und aus der Pathologie haben. Ich würde sagen, wir setzen für vierzehn Uhr ein Treffen an.«
»Bingo«, sage ich. »Und ich werde heute Abend schon mal mit ein paar von den Mädchen am Hans-AlbersPlatz reden«, sage ich.
»Danke«, sagt der Faller. »Ich bin zu alt für so was.« »Schon gut«, sage ich.
Seit einer hässlichen Sache vor ein paar Jahren ist Kollege Faller nicht mehr so gerne auf dem Kiez unterwegs. Ich nehme ihm das nicht übel. Jeder trägt so seinen Scheiß mit sich rum. Ist halt mal blöd gelaufen, war ein Fehler, machen wir das Beste draus.
»Ich kann auch den Calabretta zu den Mädchen schicken«, sagt der Faller.
Der Calabretta ist Halbitaliener und Fallers Liebling aus der Mordkommission, ich glaube, der Faller will, dass der Calabretta mal sein Nachfolger wird. Ich hätte nichts dagegen, der Calabretta ist ein guter Polizist und ein feiner Typ. Aber mit den Damen vom Strich rede ich auch mal selbst. Ich höre mich immer ganz gern im Rotlicht um, ich mag die Kiezleute. Ehrliche Nachbarschaft.
»Nö«, sage ich, »ist schon in Ordnung, ich mach das. Wir sehen uns später in der Pathologie, okay?«
»Okay, Chef.«
»Ach, Faller?«»Ja?«
»Kümmern Sie sich um die beiden Filipinos?« »Naturalmente.«
Wie ich schon sagte: Der Faller hat eine merkwürdige Vorliebe fürs Italienische. Manchmal ist das echt zum Verrücktwerden.»Chastity?«»Ja?«
»Tun Sie mir einen Gefallen«, sagt er. »Nehmen Sie mal eine doppelte Ladung Aspirin. Sie klingen schrecklich.«
Der Faller hat auch eine merkwürdige Vorliebe für mich und macht sich andauernd Sorgen, es könnte mir schlecht gehen. Meistens hat er recht. Ich nicke, aber das kann er natürlich nicht hören. Er legt auf, und ich bin allein mit meinem Kloß im Hals. Es macht mich fertig, wenn sich jemand um mich sorgt.
Der Hafen tut irre geschäftig. Alle Lichter an, überall Geklöter und Geklacker, Kräne hier, Gabelstapler da, große Aufregung. Ich mag es wirklich lieber, wenn die Orte schlafen, und gerade der Hafen ist mir still und bei Nacht irgendwie näher. Wenn der Tag die Lichter nicht mehr verschluckt. Immerhin bricht die Sonne für einen Augenblick durch die Wolken, setzt einen Akzent und blinzelt sympathisch auf die Container runter. Aber dann zieht der Himmel auch direkt wieder zu, die Industrie liegt wieder in grau und ackert vor sich hin. Backbord machen sich zwei vierschrötige Typen an irgendwelchen Kisten auf einer Barkasse zu schaffen. Sie pfeifen mir hinterher, ich habe geahnt, dass sie das tun würden, und zeige ihnen den Stinkefinger.
© Droemer Knaur Verlag
Klick. Jetzt wird fotografiert. Sie fotografieren immer wie die Bekloppten, und überall stehen aufgeregte Schilder rum wie Zeigefinger, als wäre da was total Entscheidendes. Ich kann nichts erkennen. Nur nasses Kopfsteinpflaster.
Einer von den Jungs, ein hagerer Typ mit Vogelnase, fängt an, sich mit dem Hals der Toten zu beschäftigen. »Wo bleibt die Kripo?«, fragt er.
»Die sind unterwegs«, sage ich.
»Wer hat Mordbereitschaft?«
»Hauptkommissar Faller«, sage ich.
Er verdreht die Augen. »Die alte Schnarchnase.«
»Hey, Schätzchen«, sage ich, »bisschen vorsichtig. Und bis der Faller da ist, bin ich die Kripo, klar?«
»Geht klar, Frau Staatsanwältin.« Das war verächtlich. Arschloch.
Ich finde, dass der Faller sehr in Ordnung ist. Manchmal vielleicht ein bisschen müde, aber ein grundehrlicher Haudegen. Immer da. Wenn ihm eine Laus über die Leber gelaufen ist, erinnert er mich an Robert Mitchum. Um ihn aufzuheitern, sage ich dann: »Meine Fresse, Faller, sind Sie ein cooler Hund. Wäre ich zwanzig Jahre älter, ich würde Sie vom Fleck weg heiraten.« Seine übliche Reaktion darauf ist, auf den Boden zu schauen, sich eine Roth-Händle anzuzünden und zu sagen: »Ich weiß, Kleines, ich weiß.« Ich mag den Faller wirklich.
»Wie ist sie gestorben?«, frage ich den Spurenmann und versuche, am Himmel einzelne Wolken auszumachen. Es gelingt mir nicht. Heute gibt’s da oben nur Suppe. »Stranguliert«, sagt er, »wahrscheinlich mit Kunststoff, einem Kabel oder so was.«»Wann?«
»Kann ich noch nicht genau sagen. Vermutlich nach Mitternacht. Genaueres wird dann der Onkel Doktor wissen.«
»Okay«, sage ich. »Sonst noch was?«
»Oh ja«, sagt er und hebt die Perücke ein kleines Stück an.
Unter der Perücke sind weder Haare noch Haut. Da ist nur verkrustete, blutige Masse. Mir wird auf der Stelle schwindelig. Ich hätte gern jemanden, an dem ich mich eben mal festhalten könnte, aber da ist ja nur die Spurensicherung.
»Sie wurde ...?«
»Genau«, sagt er, und ich glaube, er grinst, »die Lady wurde skalpiert. Ich wusste gar nicht, dass wir hier im Wilden Westen sind.«
Um Himmels willen. Was ist das denn für eine Scheiße? Es gibt Dinge in meinem Job, mit denen ich nicht so gut klarkomme, und verstümmelte Frauen mitten in meinem Viertel gehören definitiv dazu. Ich fasse mir in den Nacken und überprüfe meinen Haaransatz. Alles dran. Ich schüttele mich kurz und unauffällig und ziehe meinen Mantel fest um meine Taille. Wir haben also einen völlig kranken Typen am Start, der diese Frau nicht nur töten, sondern auch noch extrafein kaputtmachen wollte.Na toll.
»Hören Sie«, sage ich, »ich muss los. Und lassen Sie den Faller in Ruhe, wenn er hier auftaucht.«
Dann sehe ich zu, dass ich Land gewinne. Bloß nicht am Tatort umkippen.
Das Kopfsteinpflaster unter meinen Stiefeln ist feucht und unberechenbar. Mal lieber schön langsam gehen. Ich frage mich, warum ich mir das eigentlich immer antue, diese Tatorte. Vielleicht weil ich lieber draußen als drinnen bin, weil ich noch nicht alt genug bin, um nur schlaue Anweisungen zu geben, und vielleicht auch, weil ich mein Büro in der Staatsanwaltschaft nicht wirklich mag. An guten Tagen kommt es mir vor wie ein Rahmen, an schlechten Tagen wie ein Gefängnis. Vielleicht liegt’s auch nur an der Einrichtung. Ich sollte mich da mal drum kümmern. Na ja. Bis sich was geändert hat, gehe ich eben weiter raus. Außerdem bin ich überzeugt davon, dass man das Verbrechen sehen muss, wenn man es bekämpfen will. Man muss wissen, wie das Böse aussieht, damit man es erkennt, wenn es einem über den Weg läuft.
Mein Telefon klingelt. Der Faller ist dran.
»Guten Morgen, alter Mann«, sage ich.
»Scheiß Morgen«, sagt er. »Wo sind Sie, Chas?« »Auf dem Weg zu Carla.«
»Kaffee, hm?«
»Sie wissen, was eine Frau braucht, Faller«, sage ich. »Sind Sie am Tatort?«
»Ja«, sagt er, »gerade angekommen, gemeinsam mit der versammelten Lokalpresse. Die stellen hier alles auf den Kopf.«
»Verdammt«, sage ich, »die sollen sich bloß zurückhalten.«
»Hab ich im Griff«, sagt er. »Was halten Sie von der Perücke?«
»Was halten Sie vom Skalpieren?«, frage ich. »Ekelhaft.«
»Glauben Sie, dass sie eine Professionelle war?«
»Keine Ahnung«, sagt er. »Die sind doch auch nicht mehr das, was sie mal waren.«
»Trommeln Sie eine schlagkräftige Truppe zusammen, ja?«
»Mach ich«, sagt er. »SOKO Skalpmörder läuft in diesem Augenblick an. Bis morgen Nachmittag sollten wir dann erste Ergebnisse von der Spurensicherung und aus der Pathologie haben. Ich würde sagen, wir setzen für vierzehn Uhr ein Treffen an.«
»Bingo«, sage ich. »Und ich werde heute Abend schon mal mit ein paar von den Mädchen am Hans-AlbersPlatz reden«, sage ich.
»Danke«, sagt der Faller. »Ich bin zu alt für so was.« »Schon gut«, sage ich.
Seit einer hässlichen Sache vor ein paar Jahren ist Kollege Faller nicht mehr so gerne auf dem Kiez unterwegs. Ich nehme ihm das nicht übel. Jeder trägt so seinen Scheiß mit sich rum. Ist halt mal blöd gelaufen, war ein Fehler, machen wir das Beste draus.
»Ich kann auch den Calabretta zu den Mädchen schicken«, sagt der Faller.
Der Calabretta ist Halbitaliener und Fallers Liebling aus der Mordkommission, ich glaube, der Faller will, dass der Calabretta mal sein Nachfolger wird. Ich hätte nichts dagegen, der Calabretta ist ein guter Polizist und ein feiner Typ. Aber mit den Damen vom Strich rede ich auch mal selbst. Ich höre mich immer ganz gern im Rotlicht um, ich mag die Kiezleute. Ehrliche Nachbarschaft.
»Nö«, sage ich, »ist schon in Ordnung, ich mach das. Wir sehen uns später in der Pathologie, okay?«
»Okay, Chef.«
»Ach, Faller?«»Ja?«
»Kümmern Sie sich um die beiden Filipinos?« »Naturalmente.«
Wie ich schon sagte: Der Faller hat eine merkwürdige Vorliebe fürs Italienische. Manchmal ist das echt zum Verrücktwerden.»Chastity?«»Ja?«
»Tun Sie mir einen Gefallen«, sagt er. »Nehmen Sie mal eine doppelte Ladung Aspirin. Sie klingen schrecklich.«
Der Faller hat auch eine merkwürdige Vorliebe für mich und macht sich andauernd Sorgen, es könnte mir schlecht gehen. Meistens hat er recht. Ich nicke, aber das kann er natürlich nicht hören. Er legt auf, und ich bin allein mit meinem Kloß im Hals. Es macht mich fertig, wenn sich jemand um mich sorgt.
Der Hafen tut irre geschäftig. Alle Lichter an, überall Geklöter und Geklacker, Kräne hier, Gabelstapler da, große Aufregung. Ich mag es wirklich lieber, wenn die Orte schlafen, und gerade der Hafen ist mir still und bei Nacht irgendwie näher. Wenn der Tag die Lichter nicht mehr verschluckt. Immerhin bricht die Sonne für einen Augenblick durch die Wolken, setzt einen Akzent und blinzelt sympathisch auf die Container runter. Aber dann zieht der Himmel auch direkt wieder zu, die Industrie liegt wieder in grau und ackert vor sich hin. Backbord machen sich zwei vierschrötige Typen an irgendwelchen Kisten auf einer Barkasse zu schaffen. Sie pfeifen mir hinterher, ich habe geahnt, dass sie das tun würden, und zeige ihnen den Stinkefinger.
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Autoren-Porträt von Simone Buchholz
Simone Buchholz, geboren 1972, wohnt mit Mann und Sohn im Herzen von Hamburg.
Bibliographische Angaben
- Autor: Simone Buchholz
- 2008, 1, 270 Seiten, Maße: 12,5 x 20,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Droemer/Knaur
- ISBN-10: 3426198134
- ISBN-13: 9783426198131
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