Rot, Sonderausgabe
Zu seinem...
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Zu seinem Geburtstag erscheint der Roman als Sonderausgabe, der ihn als Chronisten einer Generation und als einen der besten deutschen Erzähler zeigt: "Rot". Die Geschichte vom Jazzkritiker und Beerdigungsredner Thomas Linde, von seiner Liebesaffäre mit der zwanzig Jahre jüngeren Lichtdesignerin Iris, von Aschenberger, der tot ist und die Siegessäule sprengen wollte - die Geschichte eines unvollendeten Lebens.
Uwe Timm wird 65. Zu seinem Geburtstag erscheint der Roman als Sonderausgabe, der ihn als Chronisten einer Generation und als einen der besten deutschen Erzähler zeigt: Rot.
Die Geschichte vom Jazzkritiker und Beerdigungsredner Thomas Linde, von seiner Liebesaffäre mit der zwanzig Jahre jüngeren Lichtdesignerin Iris, von Aschenberger, der tot ist und die Siegessäule sprengen wollte - die Geschichte eines unvollendeten Lebens.
»Rot besitzt Eigenschaften, die schwer zu beschreiben sind. Würde beispielsweise und eine wohltuende Angemessenheit. Sympathisch macht ihn seine menschliche Klugheit, bewundernswert das Verhältnis von Ambition und Ergebnis.« Ursula März, Frankfurter Rundschau
»Uwe Timm erzählt leicht und hat einen genauen Blick für Gesten und Bewegungen, verbindet mühelos Gedanken und Aktion. Die ins Erzählen eingreifende Reflexion macht dieses Buch so klug wie unterhaltsam.« Manuela Reichart, Süddeutsche Zeitung
»Uwe Timms bester Roman. Ebenso verblüffend wie überzeugend in seiner Form, reich in Anschauung und Reflexion.« Ulrich Greiner, Die Zeit
Rot von Uwe Timm
LESEPROBE
Ich schwebe. Von hier oben habe ich einen gutenÜberblick, kann die ganze Kreuzung sehen, die Straße, die Bürgersteige. Untenliege ich. Der Verkehr steht. Die meisten Autofahrer sind ausgestiegen.Neugierige haben sich versammelt, einige stehen um mich herum, jemand hältmeinen Kopf, sehr behutsam, eine Frau, sie kniet neben mir. Ein Auto ist in dieFensterscheibe eines Uhrengeschäfts gefahren, die Marke kann ich von hier obennicht erkennen, bin aber in Automarken auch nicht sonderlich bewandert. Einegroße Schaufensterscheibe, die wie eine glitzernde Wolke aufflog und jetzt amBoden liegt, bruchstückhaft spiegeln sich Häuser, Bäume, Wolken, Menschen,Himmel, von hier oben ein großes Puzzle, aber alles in Schwarzweiß.Seltsamerweise gibt es keine Farbe, seltsam auch das, der da unten spürt keinenSchmerz. Er hält die Augen offen.
Ich höre Stimmen, die nach einem Krankenwagen rufen,Neugierige, die nach dem Hergang fragen, jemand sagt: Er ist bei Rot über dieStraße gelaufen. Ein anderer sagt: Der Fahrer wollte noch ausweichen.
Der Fahrer sitzt auf dem Kantstein, er hält den Kopf in beidenHänden, er zittert, zittert am ganzen Leib, während ich daliege, ruhig, keinSchmerz, sonderbar, aber die Gedanken flitzen hin und her, und alles, was ich denke,spricht eine innere Stimme deutlich aus. Das ist gut, denn das Reden gehört zumeinem Beruf. Meine Tasche liegt drei, vier Meter entfernt von mir auf der Straße,und natürlich ist sie aufgesprungen, eine alte Ledertasche. Das kleine Päckchenmit dem Sprengstoff ist herausgeflogen, auch die Zettel, Karteikarten, die Blättermit den Notizen, niemand kümmert sich darum, sie wehen über die Fahrbahn. Undich denke, hoffentlich sind sie vorsichtig. Will auch sagen: Vorsicht, das istSprengstoff. Aber es gelingt mir nicht. Das Sprechen macht mir Mühe, großeMühe, gerade dieses Wort, sonderbar, da ich es leicht denken und hören kann.Also nichts sagen. Schweigen. In Ihrem Leben ist der Teufel los. Was einem soalles durch den Kopf geht. Wir bringen Ihr Unternehmen auf Vordermann durchprivates Coaching. Wenn man jetzt die Augen schließen könnte, denke ich, es wäreder Frieden. Und noch etwas, ich höre Charlie Parker spielen, sehr deutlich,den Einsatz seines Solos in Confirmation.
Ich kam von ihr und war, vielleicht ist das später wichtigfür die Versicherung, auf dem Weg zu meinem Klienten. Sie hatte mich im Caféangerufen. Die Sonne stand knapp über den Hausdächern, und die Tische lagennoch im Schatten der Bäume. Es war schon warm, ja heiß. Über Nacht hatte eskaum abgekühlt. Ich rauchte, trank Kaffee und wollte wenigstens einen Anfangfinden für die Rede, die ich morgen halten muß. Noch nie habe ich eine Rede solange hinausgeschoben. Die Zeit drängt. Oft ist es ein Satz, der alle anderennach sich zieht, ein Anfang, der alles trägt. Ich hatte mir ein paar Stichwortenotiert. Der Engel der Geschichte. Das Rot als Einsprengsel im Weiß der Blütenist eine Ankündigung der Frucht. Der Namenswechsel. Jonas im Wal. DieSiegessäule. Bekennerschreiben.
Dann kam der Anruf. Das Handy fiepte.
Ihre Stimme war durch das elektronische Knistern hindurch nurschwer zu hören: Du mußt kommen.
Ich sitz an der Rede. Du weißt.
Ja. Aber du mußt kommen, bitte.
Wohin?
Zu mir. Gleich.
Ich rauchte die Zigarette zu Ende, zahlte, packte die Blätterund Karteikarten mit berühmten letzten Worten in die Tasche und ging zurBushaltestelle. Was wollte sie? Warum diese Eile? Meine Befürchtung, ja Angstwar: Ben könne alles erfahren haben. Vielleicht war ihr aber auch nur dieseGeheimnistuerei, dieses Verstecken, Verschweigen, Verbergen, einfachunerträglich geworden. Oft sind es ja ganz belanglose Anlässe, die Geständnissemit unabsehbaren Folgen auslösen. Lügen ist, sagt sie, widerlich - und in denletzten Wochen mußte sie viel lügen. Vielleicht ist Ben aber auch etwasgesteckt worden, vielleicht hat uns einer seiner Bekannten, der kleine Kinderhat, im Zoo gesehen, ja, im Zoo, da haben wir uns oft getroffen. Oder aber Benist nachträglich ein Verdacht gekommen wegen unseres Zusammentreffens in derWohnung.
(...)
© 2001, 2005 by Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln
- Autor: Uwe Timm
- 2005, 1. Auflage, 427 Seiten, Maße: 13,6 x 21,1 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Kiepenheuer & Witsch
- ISBN-10: 3462034642
- ISBN-13: 9783462034646
- Erscheinungsdatum: 18.02.2005
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Rot, Sonderausgabe".
Kommentar verfassen