Schatten über Avalon
Eine Geschichte voller Mut, Leidenschaft und zeitloser Magie.
Als König Arturs Nachfolger Konstantin in der Schlacht fällt, steht der Thron seiner Witwe Isolde zu. Isolde, die seherische Fähigkeiten hat, erkennt in...
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Produktinformationen zu „Schatten über Avalon “
Eine Geschichte voller Mut, Leidenschaft und zeitloser Magie.
Als König Arturs Nachfolger Konstantin in der Schlacht fällt, steht der Thron seiner Witwe Isolde zu. Isolde, die seherische Fähigkeiten hat, erkennt in einer Vision, dass Konstantin von dem Verräter Marke, dem König von Cornwall, ermordet wurde. Marke will nun Isolde heiraten, um so an Arturs Thron zu gelangen. Doch Isolde versucht zu fliehen. In Markes Gefangenem Tristan findet sie einen Verbündeten. Gemeinsam wollen sie Markes finstere Machenschaften aufdecken. Und schon bald erkennen sie auch ihre Liebe füreinander.
Lese-Probe zu „Schatten über Avalon “
Schatten über Avalon von Anna ElliottKapitel 1
Die Augen des Toten waren mit Gold beschwert. Isolde sah es vom Türgewölbe der Kapelle aus. Im Schein der Kerzen, die oben auf dem Altar brannten, blitzten und funkelten die Münzen. Bezahlung für die heiligen Frauen, die den Verstorbenen mit der Barke zur Gläsernen Insel übersetzen würden. Vielleicht sollten durch die Münzen aber auch nur die blicklosen Augen geschlossen bleiben, schließlich war dies eine Kirche, dem Christ-Gott geweiht. Die alten Sitten und Gebräuche würden hier nicht mehr gelten.
Isolde wartete, bis sich ihre Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten. In Tintagel roch sogar die Kapelle nach dem Meer. Selbst hier ließen die Steine wie Harfensaiten all das nachklingen, was jemals in den Mauern der Festung geschehen war. Wie Uther der Pendragon Herzog Gorlois besiegt und dessen Frau Igraine zu seiner Königin gemacht hatte. Die Geburt von Artus, des Herrn der Schlachten. Artus, der von diesen Mauern aus losgeritten war, um die Sachsen zurückzuwerfen und sie vernichtend zu schlagen und so Britannien Frieden zu bringen — für eine Weile.
Und all das, dachte Isolde, endet hier und heute, mit dem Tod dieses Königs, dem Tod von Constantin, Erbe von Artus.
Sie hatte Kämpfer mit brandigen Speer- oder Schwertwunden gesehen, deren Leben man nur retten konnte, wenn man ihnen den Arm oder das Bein abnahm. Sie hatte den Schnitt selbst durchgeführt und das heiße Messer auf die Wunde gedrückt, um sie auszubrennen und die Blutung zu stillen. Und sie hatte gesehen, wie die Männer, wenn das glühende Metall ihre Haut berührte, für
einen kurzen, gnädigen Moment wie betäubt waren, gefeit gegen den Schmerz, bevor sie in Ohnmacht fielen oder anfingen zu schreien.
Genauso erging es ihr jetzt.
Die herbstliche Abenddämmerung
... mehr
brach herein, und mit ihr kamen die salzgetränkten Nebelschwaden, die vom Meer her an den zerklüfteten Felsen hinaufstiegen. In der Kapelle war es feuchtkalt. Vielleicht ist der Frieden auch schon lange vorher zu Ende gegangen, dachte Isolde, damals, als Artus fiel. Und die letzten sieben Jahre waren nur Teil dieses langen Falls.
Ein Schild, der das blutrote Zeichen des Pendragon trug, bedeckte die Brust des Toten, und seine Waffen lagen neben seinem Sarg: die großen Streitäxte, die Dolche und das vergoldete, mit Juwelen geschmückte Schwert, mit dem er in die Schlacht gezogen war. Auf dem Kopf trug er den Helm mit dem schmalen Goldreif. Isolde zog den Umhang enger um sich. Dann trat sie aus dem Schatten des Türgewölbes.
Auf der Stelle straffte sich der bewaffnete und behelmte Wächter, der zur Linken des Altars stand, und seine Hand fuhr an das Heft seines Schwertes. Der zweite Wächter, stämmiger und größer als der erste, hatte Isolde den Rücken zugekehrt, aber als er ihre Schritte hörte, fuhr er herum. Isolde schaute von einem zum anderen. Sie kannte keinen der beiden Wächter, aber sie erkannte das Wappen des wilden Ebers auf ihren Schilden.
Markes Männer.
Sie schlug die Kapuze ihres Umhangs zurück und bemerkte, dass sich die Wächter entspannten, sobald sie ihr Gesicht sahen. Eine der älteren Dienstmägde hatte ihr einmal voller giftiger Süße zugeraunt, sie sei das Ebenbild ihrer Großmutter.
In den Liedern der Harfner war viel von Morgaines Schönheit die Rede. Von rabenschwarzem Haar, milchweißer Haut und einem Gesicht, das die Seele eines Mannes ins Verderben locken konnte. Aber nicht um dieser Schönheit willen war Isolde bei solchen Gelegenheiten dankbar für ihre Ähnlichkeit mit Morgaine, der Tochter Avalons. Der Großmutter, die jetzt seit sieben Jahren für sie nichts weiter war als ein Name in eben jenen Liedern.
Die Wächter hatten das Haupt grüßend geneigt, aber nun hob der Mann, der neben dem Sarg stand, den Kopf und sprach.
»Ihr seid allein, Herrin?«
Es war der Ältere der beiden, vierzig oder fünfundvierzig, das Gesicht hart und vernarbt nach zahlreichen Schlachten, die Hände groß und stark. »Ihr hättet nicht ohne einen Wächter kommen sollen.«
Isolde spürte ein Prickeln im Nacken, aber sie erwiderte nur: »Ich möchte für eine Weile an seinem Sarg beten. Ich brauche hier keinen Leibwächter.«
Sie sah, wie die beiden Männer einen flüchtigen Blick wechselten, und dann erklärte der erste Sprecher entschieden: »Ihr habt einen Augenblick Zeit, um Eure Gebete zu sprechen. Und dann werden wir Euch in die Frauengemächer zurückgeleiten. Zu Eurer Sicherheit, denn in Zeiten wie diesen lauert überall Gefahr.«
Isolde versteifte sich, hob die Augenbrauen und fuhr auf: »Willst du mir etwa befehlen?« Doch dann fiel ihr Blick wieder auf die reglose Gestalt unter dem Drachenschild. Sie holte tief Luft und verbannte den Zorn aus ihrer Stimme.
»Dürfte ich die Namen derer erfahren, die derart um meine Sicherheit besorgt sind?«
Wieder sah sie, wie die Blicke der beiden Männer seitwärts glitten, sodass sich das Kerzenlicht im Weiß ihrer Augäpfel spiegelte. Dann entgegnete der Ältere: »Ich bin Hunno, Herrin, und das da« — er wies mit dem Kopf auf seinen Gefährten — »ist Erbin.«
»Also gut dann, Hunno und Erbin.« Sie schaute von einem Mann zum anderen. »Ich danke euch beiden für eure Sorge. Aber mein Eheherr und König ist erst seit drei Tagen tot, und ich möchte mit meiner Trauer allein sein. Ihr seid für den Rest des Abends von euren Pflichten entbunden. Ihr dürft gehen.«
»Danke, Herrin.« Hunnos Kiefermuskeln traten hervor, und seine Stimme klang immer noch schroff. »Aber wir erhalten unsere Befehle von König Marke. Wir bleiben.«
Ein kalter Schauer überlief Isolde bei dem Gedanken daran, was es sie gekostet hatte, allein herzukommen, und sei es für noch so kurze Zeit. Und alles umsonst, dachte sie, wenn ich diese Männer nicht dazu bringen kann, die Kapelle zu verlassen.
»Befehle?«, wiederholte sie. »Marke mag König von Cornwall sein, aber Tintagel gehört immer noch zum Territorium des Hochkönigs, und so ist es, seit der Pendragon den Thron bestieg. Nicht Marke erteilt hier die Befehle.«
»Ist dem so, Herrin?« Verschlagenheit glomm in Hunnos Augen. »Wer denn sonst? Wie Ihr schon sagtet«, — ruckartig wies er mit dem Kopf auf den Sarg und die schimmernden Kriegswaffen — »Euer Gemahl, König Constantin, ist tot. Auch die Witwe eines Königs hat wenig Macht, wenn sie auf sich gestellt ist.«
Der zweite Wächter, ein schmaler, dunkelhaariger Jüngling mit gehetzter Miene, wurde bei diesen Worten unruhig und legte Hunno besänftigend die Hand auf den Arm, doch dieser schüttelte sie mit einer ungeduldigen Bewegung ab und trat einen Schritt auf Isolde zu.
»Also, Herrin?«
Isolde zwang sich, ruhig stehen zu bleiben. »Hast du vielleicht vergessen, Hunno«, fragte sie leise, »wer ich bin?«
Hunno hielt mitten im nächsten Schritt inne, ünd in seinem Blick war ein Anflug von Furcht zu erkennen.
Isolde schaute auf die stille Gestalt, deren Hände auf dem purpurroten Stoff ruhten, mit dem der Sarg ausgeschlagen war. Sie atmete tief ein, hob den Blick und sagte: »Geht! Aber vorher gebt den Ring zurück, den ihr meinem Mann von der rechten Hand genommen habt.«
Sie hörte, wie der Jüngere scharf die Luft einsog, doch Hunno rührte sich nicht. Angst schnürte ihr die Kehle zu, und wie im-
mer bei solchen Gelegenheiten dachte sie: Wenn ich nun doch falsch geraten habe ...
Sie zwang sich zu warten, sieben Herzschläge lang, mit ausgestreckter Hand, die Augen fest auf Hunno gerichtet.
Endlich, unter zornigem Murren und mit einem halb mürrischen, halb furchtsamen Blick, zog Hunno etwas aus seinem Gürtel und ließ es in Isoldes Hand fallen.
Einen Moment lang trafen sich ihre Blicke, dann wandte er sich an Erbin. »Also komm.« Seine Stimme klang trotzig. »In der Halle brennt ein Feuer, und dort wird es auch noch eine Weile lang Bier zu trinken geben.«
Hunno drehte sich auf dem Absatz um, aber Erbin folgte ihm nicht gleich, sondern trat auf Isolde zu und stammelte: »Vergebt uns, Herrin. Wir wollten nicht ...«
»Es ist nicht an mir, euch zu vergeben«, schnitt Isolde ihm das Wort ab. »Macht euren Frieden mit dem König und geht.« Sie hielt inne und schaute von einem zum anderen. Dann fügte sie sehr leise hinzu: »Ich werde es wissen, wenn ihr nicht gehorcht.«
Isolde wartete, bis die stampfenden Schritte nicht mehr zu hören waren, und schloss kurz die Augen. Trotz der Kälte war ihr der Schweiß ausgebrochen. Dann wandte sie sich — sehr langsam —wieder dem offenen Sarg zu. Sieben lange Jahre, dachte sie. Sieben Jahre habe ich diesen Kampf gekämpft. Und nun muss ich ihn ganz allein ausfechten.
Sie stieß einen zittrigen Seufzer aus. Die Sterne werden auch morgen noch scheinen, was immer hier mit mir geschieht.
Im Laufe der Jahre hatte sie diese Worte derart oft wiederholt, dass sie so vertraut klangen wie eine der alten Heldengeschichten. Und wie immer, wenn sie diesen Satz dachte oder aussprach, regte sich eine tief vergrabene Erinnerung in ihr. Jemand musste ihn gesagt haben, um ihr Mut zu machen, wie sie es seitdem selbst unzählige Male getan hatte.
Aber das gehörte zu einem Leben — und zu einer Welt, die auf dem Schlachtfeld ein Ende gefunden hatten, als Artus gegen ihren Vater kämpfte, seinen Erben, den Verräter. Das war vor sieben Jahren gewesen. Als sie das zweite Gesicht verloren hatte und jede Erinnerung an das, was vorher gewesen war.
Es war nicht Isoldes Absicht gewesen, doch nun fand sie sich direkt am Sarg wieder. Sie blickte auf den Mann hinab, der darin lag, während die Worte, die sie gesprochen hatte, wie ein Echo in der stillen Kapelle widerzuhallen schienen. Allein mit meiner Trauer, dachte sie. Allein mit meiner Trauer, und dabei habe ich bislang noch nicht einmal um Con weinen können.
Sie hatte den Leichnam selbst für das Begräbnis hergerichtet. Ihm das Blut und den Schmutz des Schlachtfeldes von der Haut gewaschen und ihn mit Ölen gesalbt. Und die blau geränderte, messerdünne Wunde in seiner Seite gesehen, aus der das Herzblut herausgesickert war. Aber jetzt, umgeben von seinen schimmernden Waffen, mit dem ledernen Kriegshelm auf dem Kopf, wirkte er auf einmal beängstigend unwirklich. Eine Gestalt aus der Legende oder einem Heldenlied, so fern wie der große Artus selbst.
Und trotzdem sah sein Gesicht auch jetzt kaum älter aus als das des zwölfjährigen Jungen, der er am Tag ihrer Krönung gewesen war. Die Stirn unter dem glatten, nussbraunen Haar war faltenlos, und nur leichte Bartstoppeln umschatteten das runde Kinn. Fast als schliefe er, dachte Isolde.
Ein Schauder durchlief sie. Sie schloss die Augen und versuchte, eine Erinnerung an den lebenden Constantin herbeizurufen. Aber die Erinnerung, die in ihr emporstieg, stammte aus der Zeit, bevor Con ihr Gemahl gewesen war. Bevor er überhaupt ein Mann war.
Sie waren einander nur ein einziges Mal begegnet, ehe sie verheiratet und gekrönt wurden.
Copyright der Originalausgabe © 2009 by Anna Elliott
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2010 by Verlagsgruppe Weltbild GmbH
Übersetzung: »Anke Grube«
Ein Schild, der das blutrote Zeichen des Pendragon trug, bedeckte die Brust des Toten, und seine Waffen lagen neben seinem Sarg: die großen Streitäxte, die Dolche und das vergoldete, mit Juwelen geschmückte Schwert, mit dem er in die Schlacht gezogen war. Auf dem Kopf trug er den Helm mit dem schmalen Goldreif. Isolde zog den Umhang enger um sich. Dann trat sie aus dem Schatten des Türgewölbes.
Auf der Stelle straffte sich der bewaffnete und behelmte Wächter, der zur Linken des Altars stand, und seine Hand fuhr an das Heft seines Schwertes. Der zweite Wächter, stämmiger und größer als der erste, hatte Isolde den Rücken zugekehrt, aber als er ihre Schritte hörte, fuhr er herum. Isolde schaute von einem zum anderen. Sie kannte keinen der beiden Wächter, aber sie erkannte das Wappen des wilden Ebers auf ihren Schilden.
Markes Männer.
Sie schlug die Kapuze ihres Umhangs zurück und bemerkte, dass sich die Wächter entspannten, sobald sie ihr Gesicht sahen. Eine der älteren Dienstmägde hatte ihr einmal voller giftiger Süße zugeraunt, sie sei das Ebenbild ihrer Großmutter.
In den Liedern der Harfner war viel von Morgaines Schönheit die Rede. Von rabenschwarzem Haar, milchweißer Haut und einem Gesicht, das die Seele eines Mannes ins Verderben locken konnte. Aber nicht um dieser Schönheit willen war Isolde bei solchen Gelegenheiten dankbar für ihre Ähnlichkeit mit Morgaine, der Tochter Avalons. Der Großmutter, die jetzt seit sieben Jahren für sie nichts weiter war als ein Name in eben jenen Liedern.
Die Wächter hatten das Haupt grüßend geneigt, aber nun hob der Mann, der neben dem Sarg stand, den Kopf und sprach.
»Ihr seid allein, Herrin?«
Es war der Ältere der beiden, vierzig oder fünfundvierzig, das Gesicht hart und vernarbt nach zahlreichen Schlachten, die Hände groß und stark. »Ihr hättet nicht ohne einen Wächter kommen sollen.«
Isolde spürte ein Prickeln im Nacken, aber sie erwiderte nur: »Ich möchte für eine Weile an seinem Sarg beten. Ich brauche hier keinen Leibwächter.«
Sie sah, wie die beiden Männer einen flüchtigen Blick wechselten, und dann erklärte der erste Sprecher entschieden: »Ihr habt einen Augenblick Zeit, um Eure Gebete zu sprechen. Und dann werden wir Euch in die Frauengemächer zurückgeleiten. Zu Eurer Sicherheit, denn in Zeiten wie diesen lauert überall Gefahr.«
Isolde versteifte sich, hob die Augenbrauen und fuhr auf: »Willst du mir etwa befehlen?« Doch dann fiel ihr Blick wieder auf die reglose Gestalt unter dem Drachenschild. Sie holte tief Luft und verbannte den Zorn aus ihrer Stimme.
»Dürfte ich die Namen derer erfahren, die derart um meine Sicherheit besorgt sind?«
Wieder sah sie, wie die Blicke der beiden Männer seitwärts glitten, sodass sich das Kerzenlicht im Weiß ihrer Augäpfel spiegelte. Dann entgegnete der Ältere: »Ich bin Hunno, Herrin, und das da« — er wies mit dem Kopf auf seinen Gefährten — »ist Erbin.«
»Also gut dann, Hunno und Erbin.« Sie schaute von einem Mann zum anderen. »Ich danke euch beiden für eure Sorge. Aber mein Eheherr und König ist erst seit drei Tagen tot, und ich möchte mit meiner Trauer allein sein. Ihr seid für den Rest des Abends von euren Pflichten entbunden. Ihr dürft gehen.«
»Danke, Herrin.« Hunnos Kiefermuskeln traten hervor, und seine Stimme klang immer noch schroff. »Aber wir erhalten unsere Befehle von König Marke. Wir bleiben.«
Ein kalter Schauer überlief Isolde bei dem Gedanken daran, was es sie gekostet hatte, allein herzukommen, und sei es für noch so kurze Zeit. Und alles umsonst, dachte sie, wenn ich diese Männer nicht dazu bringen kann, die Kapelle zu verlassen.
»Befehle?«, wiederholte sie. »Marke mag König von Cornwall sein, aber Tintagel gehört immer noch zum Territorium des Hochkönigs, und so ist es, seit der Pendragon den Thron bestieg. Nicht Marke erteilt hier die Befehle.«
»Ist dem so, Herrin?« Verschlagenheit glomm in Hunnos Augen. »Wer denn sonst? Wie Ihr schon sagtet«, — ruckartig wies er mit dem Kopf auf den Sarg und die schimmernden Kriegswaffen — »Euer Gemahl, König Constantin, ist tot. Auch die Witwe eines Königs hat wenig Macht, wenn sie auf sich gestellt ist.«
Der zweite Wächter, ein schmaler, dunkelhaariger Jüngling mit gehetzter Miene, wurde bei diesen Worten unruhig und legte Hunno besänftigend die Hand auf den Arm, doch dieser schüttelte sie mit einer ungeduldigen Bewegung ab und trat einen Schritt auf Isolde zu.
»Also, Herrin?«
Isolde zwang sich, ruhig stehen zu bleiben. »Hast du vielleicht vergessen, Hunno«, fragte sie leise, »wer ich bin?«
Hunno hielt mitten im nächsten Schritt inne, ünd in seinem Blick war ein Anflug von Furcht zu erkennen.
Isolde schaute auf die stille Gestalt, deren Hände auf dem purpurroten Stoff ruhten, mit dem der Sarg ausgeschlagen war. Sie atmete tief ein, hob den Blick und sagte: »Geht! Aber vorher gebt den Ring zurück, den ihr meinem Mann von der rechten Hand genommen habt.«
Sie hörte, wie der Jüngere scharf die Luft einsog, doch Hunno rührte sich nicht. Angst schnürte ihr die Kehle zu, und wie im-
mer bei solchen Gelegenheiten dachte sie: Wenn ich nun doch falsch geraten habe ...
Sie zwang sich zu warten, sieben Herzschläge lang, mit ausgestreckter Hand, die Augen fest auf Hunno gerichtet.
Endlich, unter zornigem Murren und mit einem halb mürrischen, halb furchtsamen Blick, zog Hunno etwas aus seinem Gürtel und ließ es in Isoldes Hand fallen.
Einen Moment lang trafen sich ihre Blicke, dann wandte er sich an Erbin. »Also komm.« Seine Stimme klang trotzig. »In der Halle brennt ein Feuer, und dort wird es auch noch eine Weile lang Bier zu trinken geben.«
Hunno drehte sich auf dem Absatz um, aber Erbin folgte ihm nicht gleich, sondern trat auf Isolde zu und stammelte: »Vergebt uns, Herrin. Wir wollten nicht ...«
»Es ist nicht an mir, euch zu vergeben«, schnitt Isolde ihm das Wort ab. »Macht euren Frieden mit dem König und geht.« Sie hielt inne und schaute von einem zum anderen. Dann fügte sie sehr leise hinzu: »Ich werde es wissen, wenn ihr nicht gehorcht.«
Isolde wartete, bis die stampfenden Schritte nicht mehr zu hören waren, und schloss kurz die Augen. Trotz der Kälte war ihr der Schweiß ausgebrochen. Dann wandte sie sich — sehr langsam —wieder dem offenen Sarg zu. Sieben lange Jahre, dachte sie. Sieben Jahre habe ich diesen Kampf gekämpft. Und nun muss ich ihn ganz allein ausfechten.
Sie stieß einen zittrigen Seufzer aus. Die Sterne werden auch morgen noch scheinen, was immer hier mit mir geschieht.
Im Laufe der Jahre hatte sie diese Worte derart oft wiederholt, dass sie so vertraut klangen wie eine der alten Heldengeschichten. Und wie immer, wenn sie diesen Satz dachte oder aussprach, regte sich eine tief vergrabene Erinnerung in ihr. Jemand musste ihn gesagt haben, um ihr Mut zu machen, wie sie es seitdem selbst unzählige Male getan hatte.
Aber das gehörte zu einem Leben — und zu einer Welt, die auf dem Schlachtfeld ein Ende gefunden hatten, als Artus gegen ihren Vater kämpfte, seinen Erben, den Verräter. Das war vor sieben Jahren gewesen. Als sie das zweite Gesicht verloren hatte und jede Erinnerung an das, was vorher gewesen war.
Es war nicht Isoldes Absicht gewesen, doch nun fand sie sich direkt am Sarg wieder. Sie blickte auf den Mann hinab, der darin lag, während die Worte, die sie gesprochen hatte, wie ein Echo in der stillen Kapelle widerzuhallen schienen. Allein mit meiner Trauer, dachte sie. Allein mit meiner Trauer, und dabei habe ich bislang noch nicht einmal um Con weinen können.
Sie hatte den Leichnam selbst für das Begräbnis hergerichtet. Ihm das Blut und den Schmutz des Schlachtfeldes von der Haut gewaschen und ihn mit Ölen gesalbt. Und die blau geränderte, messerdünne Wunde in seiner Seite gesehen, aus der das Herzblut herausgesickert war. Aber jetzt, umgeben von seinen schimmernden Waffen, mit dem ledernen Kriegshelm auf dem Kopf, wirkte er auf einmal beängstigend unwirklich. Eine Gestalt aus der Legende oder einem Heldenlied, so fern wie der große Artus selbst.
Und trotzdem sah sein Gesicht auch jetzt kaum älter aus als das des zwölfjährigen Jungen, der er am Tag ihrer Krönung gewesen war. Die Stirn unter dem glatten, nussbraunen Haar war faltenlos, und nur leichte Bartstoppeln umschatteten das runde Kinn. Fast als schliefe er, dachte Isolde.
Ein Schauder durchlief sie. Sie schloss die Augen und versuchte, eine Erinnerung an den lebenden Constantin herbeizurufen. Aber die Erinnerung, die in ihr emporstieg, stammte aus der Zeit, bevor Con ihr Gemahl gewesen war. Bevor er überhaupt ein Mann war.
Sie waren einander nur ein einziges Mal begegnet, ehe sie verheiratet und gekrönt wurden.
Copyright der Originalausgabe © 2009 by Anna Elliott
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2010 by Verlagsgruppe Weltbild GmbH
Übersetzung: »Anke Grube«
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Bibliographische Angaben
- Autor: ANNA ELLIOTT
- 2010, 1, 462 Seiten, Maße: 14,5 x 22 cm, Geb. mit Su.
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3868003029
- ISBN-13: 9783868003024
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