Schatzsuche
Roman
Teddy Kis hat es geschafft: die pummelige Schuhverkäuferin mit Problemmutter und Hang zum Fettnäpfchen hat den Mann ihrer Träume erobert. Jetzt könnte es ja endlich losgehen mit Liebe, Sex und Zärtlichkeit, doch erst mal passiert gar nichts - und dann ganz...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Schatzsuche “
Klappentext zu „Schatzsuche “
Teddy Kis hat es geschafft: die pummelige Schuhverkäuferin mit Problemmutter und Hang zum Fettnäpfchen hat den Mann ihrer Träume erobert. Jetzt könnte es ja endlich losgehen mit Liebe, Sex und Zärtlichkeit, doch erst mal passiert gar nichts - und dann ganz viel: Aber kein Kissengeflüster, sondern eine Doppelhochzeit, und mittendrin Teddy! Klingt nach Mädchentraum, doch zwischen Hochzeitskleidern aus der Horroshow, härtester Brautkonkurrenz, einer liebestollen Hochzeitsplanerin und einem absurd schüchternen Bräutigam überkommt Teddy eher Mordlust als Romantik. Wird die Liebe dennoch siegen?
Lese-Probe zu „Schatzsuche “
Schatzsuche von Nora Miedler1
Drei Sekunden.
Ein Zeitraum von drei Sekunden genügt für die Entstehung jeder Menge guter Dinge. Einen genialen Blitzgedanken zum Beispiel. Das »Ja« nach dem Heiratsantrag. Liebe auf den ersten Blick. Das Ankreuzen der richtigen Lottozahlen. Das unabsichtliche Zerschlitzen des Wasserbetts vom Traummann, während man verführerisch in Pose geworfen auf sein Heimkommen wartet.
Von all diesen Dingen - und dabei gab es so viele gute zur Auswahl - passierte mir ausgerechnet das letzte.
... mehr
Ein paar Stunden zuvor hatte mir der Pirat das erste Mal seinen Schlüssel ausgehändigt. Damit ich ihn abends in Empfang nehmen konnte, wenn er von der Arbeit nach Hause kam. Vielleicht hatte er sich vor gestellt, dass ich ihn ganz romantisch mit einem Candlelight-Dinner erwartete. Oder sinnlich verrucht in einem roten Négligé. Womöglich auch hausfraulich kompetent mit einer Rüschenschürze um die Hüften und einem schmackhaften Braten im Rohr. Am wahrscheinlichsten war allerdings, dass er gar keinen Gedanken daran verschwendete, beziehungsweise damit rechnete, mich in einem meiner üblichen Schlabberkleider vorzufinden. Doch egal, ob und was er sich diesbezüglich über legen würde, ich hatte seine Erwartungen natürlich übertreffen wollen und mir deswegen als Allererstes im Internet essbare Unterwäsche bestellt. Auf www.vergenusszwergerln.at kann man für vierundzwanzig Euro neunzig inklusive Porto BH und Höschen aus Zucker mit Schokoladeelementen bestellen. (Die Schokolade ist geschmacklich allerdings zu vergessen, so was krieg nicht mal ich runter.) Das Problem an Unterwäsche ist ja, dass sie zwar brav die pikanten Stellen verhüllt, die ganz pikanten aber freilässt. Also Bauch, Bein, Po. Deshalb hatte ich mich zusätzlich unter ein Meer von Rosenblättern drapiert wie Mena Suvari in American Beauty. Nur leider hatte mir das auch noch nicht gereicht, denn was wäre, wenn ich nach vollzogenem Akt in die Verlegenheit käme, aufstehen zu müssen? Nietenstiefel mussten also her, fast bis zum Bauchnabel, womit zumindest die Oberschenkeldellen kaschiert wären.
Doch wer hatte ahnen können, dass diese Nieten scharf waren wie Krallen? Und vor allem, wer hatte ahnen können, dass der Pirat ein Wasserbett hatte? Und ich im ungünstigsten Moment niesen musste?
Es war eine Tortur gewesen, im Liegen die Rosenblätter auf meinem Körper anzuordnen. Nach fünf Minuten Herumschichterei tat mir schon der Nacken weh, meine Arme waren bleischwer und vor Anstrengung zitterte mein Bauch dermaßen arg, als hätte er mehr Angst vor dem bevorstehenden Großereignis als ich.
Zweihundert frische Rosen hatte ich zerpflückt, um genügend Blütenblätter zu bekommen. Den ganzen Tag schon juckte mir die Nase von dem Geruch und als ich endlich sämtliche Blätter dort hatte, wo ich sie haben wollte, bahnte sich das Niesen an. Sanft, Teddy, sagte ich mir, sonst fällt die ganze Kreation in sich zusammen.
Das Interessante am Niesen ist ja, dass es nie so rauskommt, wie man es sich vornimmt. Denkt man, alle in Deckung, ich lass eine Bombe platzen, kommt oft nur ein kleines, verkrüppeltes Tsihui zum Vorschein. Versucht man jedoch, das Niesen mit Tricks, wie zum Beispiel Finger unter die Nase halten, zu unterdrücken - weil man in der vollgedrängten U-Bahn steht, auf Nasenhöhe mit einer Reihe rausgeputzter Büromenschen und trotz verzweifelter Suche in Handtasche und Jacke kein Taschentuch findet -, dann bahnt sich die Natur mit einem Urschrei ihren Weg nach draußen. Haaawummhascha.
Ähnlich erging es mir jetzt. Haaawummhascha und vor allem ratsch. Und dann passierte alles ganz schnell. Im selben Moment, in dem ich kapierte, was das Ratsch zu bedeuten hatte, drang ein weiteres, vollkommen anderes Geräusch an mein Ohr. Das Aufschließen der Wohnungstür.
Nässe breitete sich unter mir aus. Nie gut. Ich musste schleunigst sehen, was ich angerichtet hatte, musste den Schaden beheben, noch bevor der Pirat im Schlafzimmer war. Hektisch strampelte ich mich in die Senkrechte. Und wieder. Ratsch. Ratsch ritsch ratsch. Verdammte Scheiße, die Nietenstiefel! An meinem Körper begann es zu knistern. Meine Unterwäsche schmolz.
»Teddy?«, hörte ich den Piraten rufen.
»Hilfehilfehilfe«, fiepste ich vor mich hin, stöckelte panisch durch den Raum, fuchtelte mit den Armen, um das Gleichgewicht zu halten und schlitterte trotzdem mit Karacho in einer Wasserpfütze aus.
»Teddy, bist du im Schlafzimmer?«
»Nein!«, gelang es mir gerade noch zu brüllen, da sah ich auch schon, wie die Klinke runtergedrückt wurde. Ich riss den Kleiderschrank auf und hechtete in letzter Sekunde zwischen hängende Hemden und Winterjacken.
»Teddy, wo - du meine Gü- Teddy? Was - wo bist du?«
Ich kniff die Augen zusammen und überdachte meine Möglichkeiten.
Haha. Möglichkeiten!
»Ich bin hier«, meldete ich mich kläglich.
»Wo?«
»Hier.«
»Wo?«
»Du musst versprechen, nicht den Schrank aufzumachen. «
Auf der Stelle war er an der Schranktür und versuchte sie zu öffnen. Ich umklammerte von innen das Scharnier und zog in meine Richtung. »Nicht aufmachen!«
»Teddy, um Gottes willen! Mach endlich den Schrank auf! Hat dir jemand was getan?«
War das eine Idee? Ein Wüstling, der in die Wohnung eingedrungen war, in wilder Lustmolcherei das Bett zerfetzt hatte und mich in den Schrank gesperrt, nachdem er mich zuvor in Nietenstiefel gesteckt und mit Rosenblättern und zuckersüßem Glibber dekoriert hatte?
»Ich - ich kann dir alles erklären«, sagte ich kleinlaut aus dem Schrank heraus. »Kannst du mir nur bitte meine Hose und meinen Pulli aus dem Wohnzimmer bringen?«
Zwei Stunden später saß ich zu Hause auf meinem Sofa und starrte auf den Fernsehschirm, ohne das Geringste mitzubekommen. Links von mir lag Batman, den Kopf auf meinen Schoß gebettet und schnarchte wie ein Sägewerk. Zu langes Gaumenzäpfchen, hatte der Tierarzt gesagt und gemeint, das ließe sich zwar operativ regeln, aber Batman selbst würde das lange Zäpfchen nicht beeinträchtigen. Also ersparte ich ihm die Operation und stöpselte mir fürs Schlafen eben die Ohren zu. Rechts von mir lag eine kiloschwere Bonbonniere, deren Inhalt ich mir mechanisch in den Mund schob. Konnte eine einzelne Frau an einem einzelnen Abend wirklich derart viel vermasseln?
Aus dem Schrank heraus hatte ich dem Piraten versprochen, ihm ein neues Wasserbett zu kaufen. Von welchem Geld auch immer, denn für die zweihundert Rosen, die nötig gewesen waren, um die ganz pikanten Stellen meines Körpers unter ihren Blütenblättern zu verstecken, war ich schon wieder um fünfhundert tiefer ins Minus gerutscht. Noch mal um hundertfünfzig tiefer wegen der Nietenstiefel. Der Pirat rief durch die Schranktür, es ginge ihm weniger um das Bett als vielmehr um eine vernünftige Erklärung. Vernünftige Erklärung. Ich war eine verliebte Frau! Er musste sich doch selbst einen Reim drauf machen können, oder? Schlussendlich war ich fl uchtartig aus seiner Wohnung gestürmt, in der erstbesten Klamotte, die ich erwischt hatte, weil er sich weigerte, mir meine eigenen zu bringen. »Erst verrätst du mir, was das Ganze soll«, lautete seine Bedingung.
Sonst noch was?
Ich hatte mir weder die Mühe gemacht, im Hinausrennen meine Jeansjacke vom Garderobenhaken zu reißen, noch das Kleidungsstück, das ich mir hastig über den Kopf gezogen hatte, einer genaueren Musterung zu unterziehen. Das Teil bedeckte Oberkörper und Unterkörper zugleich, das war alles, was ich wissen musste.
Ein fassungsloses »Teddy« aus dem Mund meines Traummannes war das Letzte, was ich hörte, bevor ich die Wohnungstür hinter mir zuschmiss und mit wehendem Rock - oh ja, es war ein Kleid, das ich trug - die Treppen hinunterspurtete, so schnell wie mein Schuhwerk es zuließ. Höllisch, diese Stiefel. Nicht mal die Knie konnte ich beugen darin, was zur Folge hatte, dass ich mit stocksteifen Beinen, um Balance bemüht, die Straße entlangstöckelte, das vermaledeite überlange Kleid hochgerafft, um nur ja schnell aus der Sichtweite des Piraten zu kommen, der mir sicher ungläubig aus dem Fenster nachstarrte und sich fragte, wie er sich jemals so eine Freundin hatte einfangen können.
Eines weiß ich jetzt jedenfalls. Wenn man als Frau so richtig Aufmerksamkeit erregen möchte, dann reicht es, wenn man Mitte September in Nietenstiefeln und goldenem Prinzessinnenkleid eine Hauptstraße entlangrennt, am besten noch wie ich eine Wasserpfützenspur hinterlassend. So viele hatten sich noch nie den Kopf nach mir verrenkt. Männer und Frauen!
Abwesend tätschelte ich Batmans Rücken. Musste ich mir Sorgen darüber machen, dass mein neuer Freund ein Pailettenrüschenkleid in seiner Größe im Schrank hängen hatte? Oder dass mein Hund soeben fast alle seine Haare auf dem guten Stück verteilte? Oder doch eher darum, dass ich nicht fähig war, meine Angelegenheiten anzugehen wie andere Frauen auch. Ordentlich, sauber, klug, normal. Wenn ich bloß selber wüsste, warum ich immer noch eins draufsetzen musste! Wenn ich bloß wüsste, warum zum Henker, Geier, Teufel, Kuckuck ich so fürchterlich anders war als alle anderen! Ich war so wütend auf mich selbst, dass ich es keine Sekunde länger auf dem Sofa aushielt - leider musste ich trotzdem sitzen bleiben, weil ich es nicht übers Herz brachte, Batman aufzuwecken. Verzweifelt schob ich mir zwei weitere Pralinen in den Mund. Was, wenn ich heute Abend alles zwischen dem Piraten und mir zerstört hatte?
Und das, wo ich so lange auf ihn gewartet hatte. Vier Monate lang hatte ich mich nicht getraut, den Piraten anzusprechen, hatte nur Tag für Tag ein neues Buch in seinem Laden gekauft und das Wechselgeld, das er mir gegeben hat, in einem Schuhkarton gesammelt. Doch seit drei Wochen waren wir ein Paar. Die drei glücklichsten Wochen meines Lebens. Nur konnte ich nicht verstehen, wieso die Sache zwischen uns gar so langsam vor sich gehen sollte. An mir lag es sicher nicht.
Als ich ihn vor knapp fünf Monaten das erste Mal sah, hab ich noch am selben Abend unsere Hochzeit geplant und meine neue Unterschrift geübt. Thaddäa Nemeth, Thaddäa Nemeth-Kis, Teddy Kis-Nemeth (ich überlege immer wieder, mir meinen Spitznamen als Vornamen eintragen zu lassen, weiß aber nicht, ob als Änderungsgrund genügt, seelisches Leid aufgrund der Anrede »Thaddäa« anzuführen), Teddy Nemeth-Kis. Oder Siegfried (am liebsten würde ich seinen Vornamen gleich mitändern lassen, egal in was) Kis. Siegried Kis-Nemeth. Sigi und Teddy Kis- Nemeth. Wer ist denn alles eingeladen? Auf jeden Fall die Kis-Nemeths. Ach, die Kis-Nemeths! Ein wahres Traum- paar, die beiden, nicht wahr? Kommen ihre drei Kinder auch mit? Für besagte drei Kinder hatte ich auch schon Namen ausgesucht, schöne Namen.
Leider war ich meilenweit davon entfernt, schwanger zu sein. Weiter ging es fast gar nicht. Ich war nämlich die einzige Frau auf der Welt, die mit einem prüden Freund gesegnet war. Überall sonst konnten sich Frauen kaum erwehren gegen die Avancen ihrer Männer, nur bei mir musste es wieder mal umgekehrt sein. Der Pirat war die Tussi. Und ich der geile Bock. Als ich beispielsweise meine Hand verführerisch auf seinen Oberschenkel legte, sagte er: »Oh, die ist ja ganz kalt, das spüre ich sogar durch die Hose durch.« Dann nahm er meine Hand mit einem total lieben Lächeln von seinem Schenkel und wärmte sie zwischen seinen beiden Händen.
Und als ich mir lasziv lächelnd über die halbgeöffneten Lippen leckte (stundenlang hatte ich das vorm Spiegel geübt!), sagte er: »Ich hab auch oft ganz trockene Lippen, aber man sollte sie anders befeuchten«, und gab mir doch glatt seinen Labello. Vor einem Monat noch hätte ich mein ganzes Hab und Gut dafür gegeben, seinen Labello benutzen zu dürfen. Und die Vorstellung, dass unsere Lippen dieselbe Substanz berührten, war natürlich immer noch romantisch.
Doch dasselbe passierte ja auch beim Kuss. Und küssen immerhin, das taten wir. Der Ablauf war immer gleich. Der Pirat schwärmte mir begeistert von dem neuesten Buch vor, das er gerade gelesen hatte (in seinen Laden verirrten sich leider nicht viele Käufer, da blieb jede Menge Zeit fürs Lesen), sein Gesicht strahlte dabei, seine Augen leuchteten und nach etwa zehn Minuten war ich nicht mehr fähig mich zurückzuhalten und küsste ihn. Und er küsste mich. Stundenlang. Aber die Hände und die Beine blieben sittsam, wo sie waren, die Blusen und Hosen brav zugeknöpft, die Oberkörper manierlich auf Respektabstand. Es war zum Aus-der-Haut-Fahren. Würde es mir denn nie passieren?
Vor kurzem war ich dreiunddreißig geworden und immer noch keine ganze Frau. Keine ganz junge Frau mehr, dafür immer noch ganze Jungfrau, hervorragend! Niemanden sonst kannte ich, der mit dreiunddreißig noch Jungfrau war. Bis auf die sechsjährige Nichte des Piraten kannte ich vermutlich gar keine Jungfrau! Rührte mich der Pirat deswegen nicht an? Aber er wusste ja nichts von meiner bisherigen unfreiwilligen Keuschheit und riechen konnte er sie auch nicht. Ja, so lästig die Jungfräulichkeit mittlerweile auch war, zum Himmel stinken konnte sie wenigstens nicht. Fand er mich schlicht und einfach unerotisch? Und würde mir irgendwann sagen, dass er lieber auf die platonische Ebene wechseln würde, so dass wir sogar das Küssen ließen? Aber Freunde bleiben konnten wir ja trotzdem? Oh Gott!
Nein, Teddy, hör sofort auf mit dem Schwachsinn! Ich schüttelte vehement den Kopf, versuchte mich zu beruhigen, mich auf das Positive zu konzentrieren. Immerhin hatte er mir schon ein paar Komplimente gemacht. Eine Woche zuvor, beim Besuch eines griechischen Restaurants, als ich verzweifelt versucht hatte, ein Stück Lammfleisch, das zwischen meinen Zähnen hängengeblieben war, klammheimlich herauszufischen, und er mich dabei ertappte, da sagte er, dass ich schöne kleine Zähne hätte und dass er kleine Zähne mochte. (Ich nicht, ich wollte immer große quadratische haben, die hinter einem auffälligen Schmollmund hervorblitzen, aber egal.) Und an dem Abend, an dem er meine kalte Hand gehalten und gewärmt hatte, da stellte er fest, dass die Halbmonde unter meinen Nägeln wunderschön ausgeprägt waren. Genau so lautete sein Urteil. Wunderschön. »Das zeugt von einem gesunden Herzen, Teddy«, hatte er mir ernsthaft erklärt. Und mein gesundes Herz hatte lautstark gejubelt. Himmelschimmel, niemals im Leben würde ich es aushalten, ihn zu verlieren.
Ein paar Stunden zuvor hatte mir der Pirat das erste Mal seinen Schlüssel ausgehändigt. Damit ich ihn abends in Empfang nehmen konnte, wenn er von der Arbeit nach Hause kam. Vielleicht hatte er sich vor gestellt, dass ich ihn ganz romantisch mit einem Candlelight-Dinner erwartete. Oder sinnlich verrucht in einem roten Négligé. Womöglich auch hausfraulich kompetent mit einer Rüschenschürze um die Hüften und einem schmackhaften Braten im Rohr. Am wahrscheinlichsten war allerdings, dass er gar keinen Gedanken daran verschwendete, beziehungsweise damit rechnete, mich in einem meiner üblichen Schlabberkleider vorzufinden. Doch egal, ob und was er sich diesbezüglich über legen würde, ich hatte seine Erwartungen natürlich übertreffen wollen und mir deswegen als Allererstes im Internet essbare Unterwäsche bestellt. Auf www.vergenusszwergerln.at kann man für vierundzwanzig Euro neunzig inklusive Porto BH und Höschen aus Zucker mit Schokoladeelementen bestellen. (Die Schokolade ist geschmacklich allerdings zu vergessen, so was krieg nicht mal ich runter.) Das Problem an Unterwäsche ist ja, dass sie zwar brav die pikanten Stellen verhüllt, die ganz pikanten aber freilässt. Also Bauch, Bein, Po. Deshalb hatte ich mich zusätzlich unter ein Meer von Rosenblättern drapiert wie Mena Suvari in American Beauty. Nur leider hatte mir das auch noch nicht gereicht, denn was wäre, wenn ich nach vollzogenem Akt in die Verlegenheit käme, aufstehen zu müssen? Nietenstiefel mussten also her, fast bis zum Bauchnabel, womit zumindest die Oberschenkeldellen kaschiert wären.
Doch wer hatte ahnen können, dass diese Nieten scharf waren wie Krallen? Und vor allem, wer hatte ahnen können, dass der Pirat ein Wasserbett hatte? Und ich im ungünstigsten Moment niesen musste?
Es war eine Tortur gewesen, im Liegen die Rosenblätter auf meinem Körper anzuordnen. Nach fünf Minuten Herumschichterei tat mir schon der Nacken weh, meine Arme waren bleischwer und vor Anstrengung zitterte mein Bauch dermaßen arg, als hätte er mehr Angst vor dem bevorstehenden Großereignis als ich.
Zweihundert frische Rosen hatte ich zerpflückt, um genügend Blütenblätter zu bekommen. Den ganzen Tag schon juckte mir die Nase von dem Geruch und als ich endlich sämtliche Blätter dort hatte, wo ich sie haben wollte, bahnte sich das Niesen an. Sanft, Teddy, sagte ich mir, sonst fällt die ganze Kreation in sich zusammen.
Das Interessante am Niesen ist ja, dass es nie so rauskommt, wie man es sich vornimmt. Denkt man, alle in Deckung, ich lass eine Bombe platzen, kommt oft nur ein kleines, verkrüppeltes Tsihui zum Vorschein. Versucht man jedoch, das Niesen mit Tricks, wie zum Beispiel Finger unter die Nase halten, zu unterdrücken - weil man in der vollgedrängten U-Bahn steht, auf Nasenhöhe mit einer Reihe rausgeputzter Büromenschen und trotz verzweifelter Suche in Handtasche und Jacke kein Taschentuch findet -, dann bahnt sich die Natur mit einem Urschrei ihren Weg nach draußen. Haaawummhascha.
Ähnlich erging es mir jetzt. Haaawummhascha und vor allem ratsch. Und dann passierte alles ganz schnell. Im selben Moment, in dem ich kapierte, was das Ratsch zu bedeuten hatte, drang ein weiteres, vollkommen anderes Geräusch an mein Ohr. Das Aufschließen der Wohnungstür.
Nässe breitete sich unter mir aus. Nie gut. Ich musste schleunigst sehen, was ich angerichtet hatte, musste den Schaden beheben, noch bevor der Pirat im Schlafzimmer war. Hektisch strampelte ich mich in die Senkrechte. Und wieder. Ratsch. Ratsch ritsch ratsch. Verdammte Scheiße, die Nietenstiefel! An meinem Körper begann es zu knistern. Meine Unterwäsche schmolz.
»Teddy?«, hörte ich den Piraten rufen.
»Hilfehilfehilfe«, fiepste ich vor mich hin, stöckelte panisch durch den Raum, fuchtelte mit den Armen, um das Gleichgewicht zu halten und schlitterte trotzdem mit Karacho in einer Wasserpfütze aus.
»Teddy, bist du im Schlafzimmer?«
»Nein!«, gelang es mir gerade noch zu brüllen, da sah ich auch schon, wie die Klinke runtergedrückt wurde. Ich riss den Kleiderschrank auf und hechtete in letzter Sekunde zwischen hängende Hemden und Winterjacken.
»Teddy, wo - du meine Gü- Teddy? Was - wo bist du?«
Ich kniff die Augen zusammen und überdachte meine Möglichkeiten.
Haha. Möglichkeiten!
»Ich bin hier«, meldete ich mich kläglich.
»Wo?«
»Hier.«
»Wo?«
»Du musst versprechen, nicht den Schrank aufzumachen. «
Auf der Stelle war er an der Schranktür und versuchte sie zu öffnen. Ich umklammerte von innen das Scharnier und zog in meine Richtung. »Nicht aufmachen!«
»Teddy, um Gottes willen! Mach endlich den Schrank auf! Hat dir jemand was getan?«
War das eine Idee? Ein Wüstling, der in die Wohnung eingedrungen war, in wilder Lustmolcherei das Bett zerfetzt hatte und mich in den Schrank gesperrt, nachdem er mich zuvor in Nietenstiefel gesteckt und mit Rosenblättern und zuckersüßem Glibber dekoriert hatte?
»Ich - ich kann dir alles erklären«, sagte ich kleinlaut aus dem Schrank heraus. »Kannst du mir nur bitte meine Hose und meinen Pulli aus dem Wohnzimmer bringen?«
Zwei Stunden später saß ich zu Hause auf meinem Sofa und starrte auf den Fernsehschirm, ohne das Geringste mitzubekommen. Links von mir lag Batman, den Kopf auf meinen Schoß gebettet und schnarchte wie ein Sägewerk. Zu langes Gaumenzäpfchen, hatte der Tierarzt gesagt und gemeint, das ließe sich zwar operativ regeln, aber Batman selbst würde das lange Zäpfchen nicht beeinträchtigen. Also ersparte ich ihm die Operation und stöpselte mir fürs Schlafen eben die Ohren zu. Rechts von mir lag eine kiloschwere Bonbonniere, deren Inhalt ich mir mechanisch in den Mund schob. Konnte eine einzelne Frau an einem einzelnen Abend wirklich derart viel vermasseln?
Aus dem Schrank heraus hatte ich dem Piraten versprochen, ihm ein neues Wasserbett zu kaufen. Von welchem Geld auch immer, denn für die zweihundert Rosen, die nötig gewesen waren, um die ganz pikanten Stellen meines Körpers unter ihren Blütenblättern zu verstecken, war ich schon wieder um fünfhundert tiefer ins Minus gerutscht. Noch mal um hundertfünfzig tiefer wegen der Nietenstiefel. Der Pirat rief durch die Schranktür, es ginge ihm weniger um das Bett als vielmehr um eine vernünftige Erklärung. Vernünftige Erklärung. Ich war eine verliebte Frau! Er musste sich doch selbst einen Reim drauf machen können, oder? Schlussendlich war ich fl uchtartig aus seiner Wohnung gestürmt, in der erstbesten Klamotte, die ich erwischt hatte, weil er sich weigerte, mir meine eigenen zu bringen. »Erst verrätst du mir, was das Ganze soll«, lautete seine Bedingung.
Sonst noch was?
Ich hatte mir weder die Mühe gemacht, im Hinausrennen meine Jeansjacke vom Garderobenhaken zu reißen, noch das Kleidungsstück, das ich mir hastig über den Kopf gezogen hatte, einer genaueren Musterung zu unterziehen. Das Teil bedeckte Oberkörper und Unterkörper zugleich, das war alles, was ich wissen musste.
Ein fassungsloses »Teddy« aus dem Mund meines Traummannes war das Letzte, was ich hörte, bevor ich die Wohnungstür hinter mir zuschmiss und mit wehendem Rock - oh ja, es war ein Kleid, das ich trug - die Treppen hinunterspurtete, so schnell wie mein Schuhwerk es zuließ. Höllisch, diese Stiefel. Nicht mal die Knie konnte ich beugen darin, was zur Folge hatte, dass ich mit stocksteifen Beinen, um Balance bemüht, die Straße entlangstöckelte, das vermaledeite überlange Kleid hochgerafft, um nur ja schnell aus der Sichtweite des Piraten zu kommen, der mir sicher ungläubig aus dem Fenster nachstarrte und sich fragte, wie er sich jemals so eine Freundin hatte einfangen können.
Eines weiß ich jetzt jedenfalls. Wenn man als Frau so richtig Aufmerksamkeit erregen möchte, dann reicht es, wenn man Mitte September in Nietenstiefeln und goldenem Prinzessinnenkleid eine Hauptstraße entlangrennt, am besten noch wie ich eine Wasserpfützenspur hinterlassend. So viele hatten sich noch nie den Kopf nach mir verrenkt. Männer und Frauen!
Abwesend tätschelte ich Batmans Rücken. Musste ich mir Sorgen darüber machen, dass mein neuer Freund ein Pailettenrüschenkleid in seiner Größe im Schrank hängen hatte? Oder dass mein Hund soeben fast alle seine Haare auf dem guten Stück verteilte? Oder doch eher darum, dass ich nicht fähig war, meine Angelegenheiten anzugehen wie andere Frauen auch. Ordentlich, sauber, klug, normal. Wenn ich bloß selber wüsste, warum ich immer noch eins draufsetzen musste! Wenn ich bloß wüsste, warum zum Henker, Geier, Teufel, Kuckuck ich so fürchterlich anders war als alle anderen! Ich war so wütend auf mich selbst, dass ich es keine Sekunde länger auf dem Sofa aushielt - leider musste ich trotzdem sitzen bleiben, weil ich es nicht übers Herz brachte, Batman aufzuwecken. Verzweifelt schob ich mir zwei weitere Pralinen in den Mund. Was, wenn ich heute Abend alles zwischen dem Piraten und mir zerstört hatte?
Und das, wo ich so lange auf ihn gewartet hatte. Vier Monate lang hatte ich mich nicht getraut, den Piraten anzusprechen, hatte nur Tag für Tag ein neues Buch in seinem Laden gekauft und das Wechselgeld, das er mir gegeben hat, in einem Schuhkarton gesammelt. Doch seit drei Wochen waren wir ein Paar. Die drei glücklichsten Wochen meines Lebens. Nur konnte ich nicht verstehen, wieso die Sache zwischen uns gar so langsam vor sich gehen sollte. An mir lag es sicher nicht.
Als ich ihn vor knapp fünf Monaten das erste Mal sah, hab ich noch am selben Abend unsere Hochzeit geplant und meine neue Unterschrift geübt. Thaddäa Nemeth, Thaddäa Nemeth-Kis, Teddy Kis-Nemeth (ich überlege immer wieder, mir meinen Spitznamen als Vornamen eintragen zu lassen, weiß aber nicht, ob als Änderungsgrund genügt, seelisches Leid aufgrund der Anrede »Thaddäa« anzuführen), Teddy Nemeth-Kis. Oder Siegfried (am liebsten würde ich seinen Vornamen gleich mitändern lassen, egal in was) Kis. Siegried Kis-Nemeth. Sigi und Teddy Kis- Nemeth. Wer ist denn alles eingeladen? Auf jeden Fall die Kis-Nemeths. Ach, die Kis-Nemeths! Ein wahres Traum- paar, die beiden, nicht wahr? Kommen ihre drei Kinder auch mit? Für besagte drei Kinder hatte ich auch schon Namen ausgesucht, schöne Namen.
Leider war ich meilenweit davon entfernt, schwanger zu sein. Weiter ging es fast gar nicht. Ich war nämlich die einzige Frau auf der Welt, die mit einem prüden Freund gesegnet war. Überall sonst konnten sich Frauen kaum erwehren gegen die Avancen ihrer Männer, nur bei mir musste es wieder mal umgekehrt sein. Der Pirat war die Tussi. Und ich der geile Bock. Als ich beispielsweise meine Hand verführerisch auf seinen Oberschenkel legte, sagte er: »Oh, die ist ja ganz kalt, das spüre ich sogar durch die Hose durch.« Dann nahm er meine Hand mit einem total lieben Lächeln von seinem Schenkel und wärmte sie zwischen seinen beiden Händen.
Und als ich mir lasziv lächelnd über die halbgeöffneten Lippen leckte (stundenlang hatte ich das vorm Spiegel geübt!), sagte er: »Ich hab auch oft ganz trockene Lippen, aber man sollte sie anders befeuchten«, und gab mir doch glatt seinen Labello. Vor einem Monat noch hätte ich mein ganzes Hab und Gut dafür gegeben, seinen Labello benutzen zu dürfen. Und die Vorstellung, dass unsere Lippen dieselbe Substanz berührten, war natürlich immer noch romantisch.
Doch dasselbe passierte ja auch beim Kuss. Und küssen immerhin, das taten wir. Der Ablauf war immer gleich. Der Pirat schwärmte mir begeistert von dem neuesten Buch vor, das er gerade gelesen hatte (in seinen Laden verirrten sich leider nicht viele Käufer, da blieb jede Menge Zeit fürs Lesen), sein Gesicht strahlte dabei, seine Augen leuchteten und nach etwa zehn Minuten war ich nicht mehr fähig mich zurückzuhalten und küsste ihn. Und er küsste mich. Stundenlang. Aber die Hände und die Beine blieben sittsam, wo sie waren, die Blusen und Hosen brav zugeknöpft, die Oberkörper manierlich auf Respektabstand. Es war zum Aus-der-Haut-Fahren. Würde es mir denn nie passieren?
Vor kurzem war ich dreiunddreißig geworden und immer noch keine ganze Frau. Keine ganz junge Frau mehr, dafür immer noch ganze Jungfrau, hervorragend! Niemanden sonst kannte ich, der mit dreiunddreißig noch Jungfrau war. Bis auf die sechsjährige Nichte des Piraten kannte ich vermutlich gar keine Jungfrau! Rührte mich der Pirat deswegen nicht an? Aber er wusste ja nichts von meiner bisherigen unfreiwilligen Keuschheit und riechen konnte er sie auch nicht. Ja, so lästig die Jungfräulichkeit mittlerweile auch war, zum Himmel stinken konnte sie wenigstens nicht. Fand er mich schlicht und einfach unerotisch? Und würde mir irgendwann sagen, dass er lieber auf die platonische Ebene wechseln würde, so dass wir sogar das Küssen ließen? Aber Freunde bleiben konnten wir ja trotzdem? Oh Gott!
Nein, Teddy, hör sofort auf mit dem Schwachsinn! Ich schüttelte vehement den Kopf, versuchte mich zu beruhigen, mich auf das Positive zu konzentrieren. Immerhin hatte er mir schon ein paar Komplimente gemacht. Eine Woche zuvor, beim Besuch eines griechischen Restaurants, als ich verzweifelt versucht hatte, ein Stück Lammfleisch, das zwischen meinen Zähnen hängengeblieben war, klammheimlich herauszufischen, und er mich dabei ertappte, da sagte er, dass ich schöne kleine Zähne hätte und dass er kleine Zähne mochte. (Ich nicht, ich wollte immer große quadratische haben, die hinter einem auffälligen Schmollmund hervorblitzen, aber egal.) Und an dem Abend, an dem er meine kalte Hand gehalten und gewärmt hatte, da stellte er fest, dass die Halbmonde unter meinen Nägeln wunderschön ausgeprägt waren. Genau so lautete sein Urteil. Wunderschön. »Das zeugt von einem gesunden Herzen, Teddy«, hatte er mir ernsthaft erklärt. Und mein gesundes Herz hatte lautstark gejubelt. Himmelschimmel, niemals im Leben würde ich es aushalten, ihn zu verlieren.
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Autoren-Porträt von Nora Miedler
Nora Miedler, geboren 1977 in Wien, studierte Schauspiel am Konservatorium Wien und war bis zur Geburt ihrer Tochter als Schauspielerin tätig. Neben einer Episodenrolle in "Kommissar Rex" hatte sie Engagements an etlichen Theatern in Österreich und der Schweiz (u.a. Bernharttheater Zürich, Theater Winterthur, Seefestspiele Mörbisch, Stadttheater Mödling, Theater Rabenhof, Burg Liechtenstein), sie spielte Shakespeare und Moliere, Sartre, Neil Simon, Nestroy und Franz Lehar (Operette).
Bibliographische Angaben
- Autor: Nora Miedler
- 2013, 266 Seiten, Maße: 12 x 19 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: List TB.
- ISBN-10: 3548611486
- ISBN-13: 9783548611488
- Erscheinungsdatum: 10.06.2013
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