Schicksalswege
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Schicksalswege von JamesBarclay
LESEPROBE
Der Unbekannte Kriegerzügelte sein Pferd auf einer Anhöhe,
von der aus er deneinst so friedlichen Hafen Arlen
überblicken konnte. Inder aufkommenden Dämmerung
und im herankriechenden Nebel tobte eine Schlacht in
den Straßen der Stadtam See. Überall im Ort waren
Brände ausgebrochen,dicker Rauch stieg auf und verstärkte
den Dunstschleier. DasDonnern und Krachen
der Sprüche hallte vonden Bergen im Norden wider,
dunkelblau auf derSeite von Xetesk und grell orangefarben
bei den Magiern aus Dordover. Die Rufe der Männer
und das vom Nebelgedämpfte Waffenklirren drangen bis
auf den Hügel.
In den letzten beidenJahreszeiten hatte es reichlich
Belege dafür gegeben,dass die Beziehungen zwischen
den Kollegien sichzusehends verschlechterten, doch dies
hier war unendlichschlimmer. Es war ein regelrechter
Krieg. Er hattegehofft, seine Familie in Sicherheit bringen
zu können, ehe eslosging. Er hatte sogar gedacht,
sein Plan könneFrieden stiften. Nun sah er den Beweis
für seine Narrheit vorsich.
»Müssen wir wirklichdurch diesen Tumult zum Hafen
reiten?« Diera war neben ihm, ihr Pferdstupste seines
mit den Nüstern an.
Er drehte sich zu ihrum, dann blickte er auf Jonas
hinab, seinen kleinenSohn, den er in seinem großen Arm
wiegte. »Ich will euchbeide in Sicherheit wissen, und
deshalb müsst ihr Balaia verlassen.«
»Tomas war andererMeinung«, wandte Diera ein. Einige
Strähnen ihres blondenHaars drängten sich aus der
Kapuze ihres Mantels.
»Tomas ist der stursteMann, den ich kenne«, entgegnete
der Unbekanntelächelnd. Er hatte sich redlich bemüht,
auch Tomas zu bewegen,mit seiner Familie zu fliehen
und den Krähenhorst zuverlassen. Der Gasthof, den
sie zusammen geführthatten, war von einem Wirbelsturm
zerstört worden.»Abgesehen von einem einzigen
anderen. Tomas hat Korina nie verlassen, er verschließt
die Augen vor denSeuchen, den Ratten und der Hungersnot.
Er hofft, es würdebesser, sobald der Frühling
beginnt. Ich glaube esnicht. Ich habe mehr von Balaia
gesehen und glaube,dass es schlimmer wird und nicht
besser. Ich will dichnicht hier lassen. Ich kann nicht.«
Diera schauderte, und alsspüre er ihr Unbehagen, obwohl
er geborgen im Armseines Vaters lag, begann Jonas
zu wimmern.
»Sch-sch«,machte der Unbekannte sanft und wiegte
das Kind. »Alles istgut.«
»Es ist nicht allesgut«, widersprach Diera. »Schau nur
dort hinunter. Dabringen sie sich gegenseitig um, und du
willst, dass wirmitten hindurchreiten.«
»Das ist erst derAnfang, glaube mir.« Er sah ihr tief
in die Augen. »Bitte, Diera. Der Krieg ist ausgebrochen.
Jetzt ist es in Balaia nirgends mehr sicher.«
Sie nickte. »Wiekommen wir zum Hafen?«
»Wir müssen beide aufeinem Pferd reiten, also musst
du bei mir mitaufsteigen. Setze dich vor mich und halte
Jonas. Ich passe auf,dass du nicht herunterfällst. Hab keine
Angst.«
»Sag das nicht«,erwiderte sie. »Ich habe schreckliche
Angst. Du bist an denLärm und an das Blut gewöhnt.«
»Ich werde nicht zulassen,dass dir irgendjemand etwas
antut.«
»Das will ich dochhoffen.« Beinahe lächelte sie.
»Vergiss nur nicht zutun, was ich dir sage. Es wird da
unten schwieriger, unddort haben wir keine Zeit mehr
für Diskussionen. Dumusst mir vertrauen.«
»Immer.«
Sie stieg ab, und erhalf ihr, vor ihm aufzusteigen und
ihren kleinen Sohn zunehmen. Dann ließ er seinen großen
Hengst im leichtenTrab bergab nach Arlen laufen.
Als sie sich vonNordosten auf einem schmalen, wenig
benutzten Weg derStadt näherten, konnte der Unbekannte
ein paar Meilenentfernt im Osten ein Lagerfeuer
sehen. Eine dordovanische Truppe marschierte im Fackelschein
auf der Hauptstraßezur Hafenstadt. Xetesk
hatte Arlen insgeheim kontrolliert, als er vor zwei Jahren
im Hafen eingetroffenwar, und er sah keinen Grund zu
der Annahme, dass sichseitdem etwas geändert hatte, abgesehen
von der Tatsache, dassDordover jetzt die offene
Konfrontation suchte.
Während sie näherkamen, sahen sie brennende und
einstürzende Gebäude.Sprüche krachten in Häuser und
trafen Soldaten. DerLärm des Nahkampfes war ohrenbetäubend.
Jonas weinte, und Diera saß stocksteif im
Sattel.
»Es wird alles gut«,beruhigte sie der Unbekannte.
»Bring uns nur hierheraus, Sol«, sagte sie und versuchte,
das plärrende Kind zuberuhigen.
Durch eineSeitenstraße voller Schatten erreichten sie
die Stadt. DerUnbekannte ließ die Zügel schnalzen.
»Halt dich fest«,sagte er. »Jetzt wird es schwierig.«
Er gab seinem Pferdeinen Tritt mit den Hacken, und
das nervöse Tierrannte los. Das Klirren von Stahl und die
Rufe der Kämpferergaben in seinen Ohren zusammen
mit dem Jammern seinesSohnes eine unangenehme Mischung.
Er bemühte sich, dasPferd mitten auf der Straße
zu halten, undgaloppierte geradewegs zum Hafen. Er
wollte am Ostrand derStadt am Märtyrerpark vorbei und
durchs Salzviertel reiten, um am Ende der Hafenanlagen
herauszukommen, woKapitän Jevin die Calaianische
Sonne festgemacht hatte.
Er konnte jetzt schonsehen, dass es schwierig, wenn
nicht gar unmöglichwar, den ringsum tobenden Kämpfen
völlig zu entgehen.Rechts brannten mehrere Feuerkugeln
den Nebel weg. Siekamen in hohem Bogen geflogen
und schlugen in Häuserein oder landeten auf der Straße.
Auf das scharfeKnacken und das orangerote Glühen eines
zusammenbrechenden Manaschildes folgten sofort
die Schreiederjenigen, die auf einmal ohne Schutz dastanden.
Rauch wallte auf, alsdas Manafeuer das Holz
und Fleischverschlang, auf eine Seitenstraße übergriff
und sich über Dächerergoss, bis es ihnen auf allen Seiten
den Weg zu versperrendrohte.
Vor ihnen ranntenMenschen ungeordnet und panisch
umher. Es waren dieEinwohner der Stadt, die vor den
Klingen und denSprüchen der Kollegien zu fliehen suchten.
Einige DutzendMenschen wurden von drei verunsicherten
Kämpfern derStadtmiliz angeführt. Sie blickten
mehr hinter sich alsnach vorn, und alle trugen Habselig-
keiten oder Kinder undkonnten sich nur schwerfällig bewegen.
Der Unbekanntefluchte, das Pferd tänzelte nervös
unter ihm und wurdeunwillkürlich langsamer.
»Halte dich fest.«
Die Einwohner eiltenweiter, keiner achtete auf das
einzelne Pferd, alssie aus der Stadt flohen. Die schmutzigen,
mit Ruß verschmiertenGesichter waren von
Angst verzerrt.
»Ihr müsst umkehren,da gibt es kein Durchkommen«,
rief einer derMilizionäre, als sie nahe genug waren.
»Wir wollen zumHafen«, rief der Unbekannte. »Welches
ist der beste Weg?«
»Es gibt keinen Weg«,antwortete der Soldat. »Genau
dort kämpfen dieBastarde. Lauft weg, das ist eure einzige
Chance.« Damit war erverschwunden.
Der Unbekannte rittweiter, Jonas quiekte und hustete
abwechselnd, als derRauch dichter wurde, je näher sie
dem Kampfgeschehenkamen. Dieras Gesicht war bleich
und hart.
()
© Wilhelm Heyne Verlag
Übersetzung: JürgenLangowski
- Autor: James Barclay
- 2006, 384 Seiten, Maße: 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Dt. Übers. v. Jürgen Langowski
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453532384
- ISBN-13: 9783453532380
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