Seegrund / Kommissar Kluftinger Bd.3
Am Alatsee bei Füssen macht der Allgäuer Kommissar Kluftinger eine schreckliche Entdeckung - am Ufer liegt ein Taucher in einer riesigen roten Lache. Was zunächst aussieht wie Blut, entpuppt sich als eine seltene organische Substanz aus dem...
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Am Alatsee bei Füssen macht der Allgäuer Kommissar Kluftinger eine schreckliche Entdeckung - am Ufer liegt ein Taucher in einer riesigen roten Lache. Was zunächst aussieht wie Blut, entpuppt sich als eine seltene organische Substanz aus dem Bergsee. Kluftinger, der diesmal bei den Ermittlungen sehr zu seinem Missfallen weibliche Unterstützung erhält, tappt lange im Dunklen. Der Schlüssel zur Lösung des Falles muss tief auf dem Grund des sagenumwobenen Sees liegen.
Volker Klüpfel und Michael Kobr: Das junge dynamische Autoren-Duo schrieb seinen ersten Erfolg ''Milchgeld'' quasi ''zum Spaß''. Denn eigentlich ist Herr Klüpfel Redakteur bei einer Zeitung und Herr Kobr Lehrer. Die beiden hatten immer schon eine Leidenschaft für Krimis und jetzt veröffentlichen sie selbst Bestseller - mit dem gewissen ''Allgäuer Charme''.
SPIEGEL Bestseller!
"Kommissar Kluftinger hat in seinen Kniebundhosen das Zeug zum Columbo von Altusried!"DIE WELT
Kommissar Kluftinger hätte nichts gegen das Abtauchen, wenn es nicht wörtlich gemeint wäre. In seinem dritten Auftritt grummelt sich der Allgäuer Ermittler durch einen besonders außergewöhnlichen Fall.
Als Kommissar Kluftinger am Ufer des Alatsees einen Taucher in einer roten Lache findet, muss er schnell erkennen, dass es kein Blut ist, sondern etwas völlig anderes, das aus dem See stammt. Ob er will oder nicht, Klufti muss der Sache auf den Grund gehen. Und kriegt zu allem Überdruss auch noch eine Frau an die Seite gestellt.
Kluftinger ist alles andere als ein Menschenfreund, Sympath oder Vorwärtsdenker. Genau dafür lieben ihn seine Fans. Mit »Seegrund« schickt das Autorenduo Volker Klüpfel und Michael Kobr seinen Grummelkönig aus dem Allgäu erneut in eine Ermittlung, die mit großer Spannung, reichlich Tempo und einer Wagenladung Humor gewürzt ist.
»Kluftinger ist ein Volltreffer!« - Süddeutsche Zeitung
Zwischen Bergen und Tälern, Märchenschlössern, Waldseen und Postkartenidylle bietet das Allgäu reichlich Abgründe, die Klüpfel und Kobr mit Augenzwinkern und immer neuen Einfällen ausloten. Zwischen Cosy Crime und klassischer Detektivgeschichte - die Heimatkrimis um Kluftinger laden zum Schmökern ein.
»Klüpfel & Kobr erzählen mit komödiantischem Überschwang, Intelligenz und Vitalität.« - SPIEGEL Online
Bereits zwölf Fälle um Kommissar Kluftinger haben die SPIEGEL-Bestsellerliste und ihren festen Platz in den Bücherregalen erobert. Kein Wunder, schließlich ist ein lustiger Polizeikrimi mit Tiefgang genauso lecker wie eine große Portion Kässpatzen.
Seegrund von Volker Klüpfel und Michael Kobr
LESEPROBE
»Oh dear, how marvellous, just like in Disneyland!«
KluftingersEnglisch war nicht besonders gut, aber den von der kamerabehängten älterenFrau mit Baseballkappe und riesiger Sonnenbrille ausgerufenen Satzhatte er verstanden. »Hast du das gehört? Wie in Disneyland. Priml! ErstBusladungen voller grinsender und knipsender Japaner und jetzt das.Komm, Erika, wir gehen!«
Es warelf Uhr dreißig. Kluftinger stand mit seiner Frau am Ticketcenter derKönigsschlösser Hohenschwangau und Neuschwanstein bei Füssen und waralles andere als gut gelaunt. Nicht nur, weil er fürs bayerische Zuckerbäckerschlossnicht viel übrig hatte. Auch seine Sympathie für die Besucherhorden ausaller Welt, die sich als nicht enden wollender, wuselnder, schnatternderStrom über das Allgäu ergossen, hielt sich in Grenzen. Aber schließlichhatte er doch eingewilligt, ihren Sohn Markus und dessen neue Freundinhier in Füssen abzuholen. Die beiden hatten auf ihrem Weg in die Weihnachtsferienbei Freunden Station gemacht und angekündigt, Heiligabend mit Kluftingersverbringen zu wollen, was Erika in helle Aufregung versetzt hatte.Anscheinend war es Markus ernst mit seiner neuen Liebe, sonst hätte er sieseinen Eltern niemals bereits nach drei Monaten vorgestellt. Die meistender zahlreichen Vorgängerinnen hatten sie gar nicht erst kennengelernt.
»Jetztmecker halt nicht dauernd rum! Heut ist so ein strahlender Wintertag. Wodoch dein Sohn endlich mal wieder heimkommt. Und auf die Miki bin ich schonso gespannt «
»Aufwen?«
»Aufdie Miki, die neue Freundin vom Markus!«
»Wieheißt die? Micky? Micky Maus? Passt ja wunderbar nach Disneyland! Und wieheißt sie richtig?«
»DerMarkus erzählt immer nur von der Miki. Vielleicht Michaela Alles, was ichweiß, ist, dass sie auch in Erlangen studiert und zweiundzwanzig Jahre altist. Und eine Überraschung gibt es noch, die er mir am Telefon nicht verratenwollte.«
»Achso? Bringt sie ihren Hund Pluto mit, oder was?«
»Jetzthör bloß auf! Sonst fährt sie gleich mit dem nächsten Zug zurück.«
»Wieso?Gibts denn einen Direktzug Füssen - Entenhausen?«
Erikaignorierte die weiteren Sticheleien ihres Mannes. Sie wusste, dass diesdas beste Rezept war, um zu verhindern, dass er einen einmal für gut befundenenWitz den ganzen Tag über in Varianten wiederholte. Da seine Spitzen nunungehört verhallten, beschloss er, still vor sich hin zu schmollen.
»So,hammers dann?« Kluftinger drehte sich um. Ein Mann schaute missmutig voneinem Kutschbock auf ihn herab und gab ihm mit einer Geste zu verstehen,dass er ihm und seiner von zwei glockenbehängten Ponys gezogenen Kutscheim Weg stand. Kluftinger trat einen Schritt zur Seite und winkte die Kutschemit einer übertrieben freundlichen Geste vorbei. Dieses spöttische Winkenhielt die japanische Reisegruppe auf den Sitzen offenbar für einen AusdruckAllgäuer Gastfreundschaft und winkte ekstatisch zurück.
Kluftingerfragte sich, wie viel eine solche Fahrt wohl kostete. Zehn oder gar zwanzigEuro? Der Kommissar der Kemptener Kriminalpolizei überlegte, ob diesschon den Tatbestand des Wuchers erfüllte, wurde aber vom Anblick eines Pferdesabgelenkt, das seine Äpfel genau vor einem Souvenirladen fallen ließ.Auch wenn er sonst nichts mit Pferden anfangen konnte, fühlte er sich demVierbeiner in diesem Moment eigentümlich seelenverwandt.
Fassungsloswurde er schließlich Zeuge, wie sich Dutzende Japaner gegenseitig voreinem ordinären Schild fotografierten, auf dem lediglich ein Symbol fürNeuschwanstein und ein Hinweis auf den halbstündigen Fußmarsch zumSchloss zu sehen waren. Ihm würde dieses Volk ein ewiges Rätsel bleiben.
Einpaar Meter neben dem Schild nahm Kluftinger eine junge Japanerin wahr, diekeinen Fotoapparat in der Hand hatte und auch keiner Gruppe anzugehörenschien. Die Frau teilte den um sie herumfließenden Touristenstrom wie einStein das Wasser eines Baches. Sie ließ sich mit geschlossenen Augen von derVormittagssonne bescheinen und wirkte auf den Kommissar recht attraktiv- für eine Asiatin jedenfalls. Als sie anfing, in ihrem kleinen Lederrucksackzu kramen, fiel ihr die Sonnenbrille aus dem pechschwarzen Haar. Sieschien den Verlust nicht bemerkt zu haben. Er zögerte. Was ging es ihn an?Andererseits: Dafür, dass die junge Frau sich so touristenuntypisch verhielt,konnte man schon einmal Kavalier spielen. Er gab sich also einen Ruck undging auf sie zu, bückte sich und hielt ihr schließlich verlegen lächelnd dieBrille hin.
»Hier, bitte. Verloren. Your sunbrill, Miss. Please!«
Nochbevor die Frau antworten konnte, ertönte hinter Kluftinger eine vertrauteStimme.
»JaVatter, habt ihr euch schon bekannt gemacht!«
Erdrehte sich um. Fragend blickte er in das Gesicht seines Sohnes. Er war soperplex, dass er vergaß, ihn zu begrüßen.
»Woist denn Mama?«, fragte Markus mit breitem Grinsen.
Verwirrtdeutete Kluftinger auf Erika.
»Wiejetzt bekannt gemacht?«, fragte er verdutzt, doch sein Sohn wurde schon heftigvon seiner Mutter geherzt. Während Kluftinger noch über Markus Worte sinnierte,hörte er hinter sich eine glockenhelle Stimme.
»Ja,das ist ja ein Zufall, nicht wahr? Dann darf ich mich mal vorstellen: Ich binalso die Yumiko. Und vielen Dank für die Sonnenbrille, Herr Kluftinger.Ich hatte gar nicht bemerkt, dass sie mir aus dem Haar gerutscht ist.« Miteinem strahlenden Lächeln blickte die hübsche Asiatin von eben den Kommissaran und wartete auf eine Antwort.
Erstnach und nach sickerte die Erkenntnis durch, dass vor ihm Markus neue Freundinstand. Ihr Deutsch ist absolut akzentfrei, schoss es Kluftinger durch denKopf. Yumiko Miki: Dafür stand also die Abkürzung. Warum hatte Markus ihnenaber auch nichts verraten? Dann wäre er jetzt nicht dagestanden wie einbegossener Pudel.
Diejunge Frau wurde etwas unsicher und Kluftinger war klar, dass er nun etwassagen musste. »Ich, schön, ja, gut bin also der Vater Fräulein«,krächzte er verlegen. Seine Wangen glühten. Ihm war bewusst, dass dieAktion von vorhin für ewig in den Bestand jener Geschichten aufgenommenwerden würde, die bei Familienfeiern immer dann erzählt wurden, wenn dieGespräche ins Stocken gerieten und man zur Auflockerung einen Idioten brauchte,über den man lachen konnte.
»SagenSie doch bitte Miki zu mir, das tun alle.« Ihr tadelloses Deutsch klang nachseiner tölpelhaften Ansprache in seinen Ohren wie Hohn. Weil er immernoch wie erstarrt dastand, schob sich Erika an ihm vorbei und umarmte diejunge Frau, als wäre sie ihre beste Freundin. Seine Frau war viel offener undaufgeschlossener als er, und die meisten Leute hätten wohl gesagt, auchherzlicher. Sie schien nicht im Geringsten verunsichert, weil Miki eine Asiatinwar, und wenn, ließ sie es sich nicht anmerken. Oder hatte sie davon gewusstund es ihrem Mann verschwiegen? Er hatte ja nichts gegen Ausländer. Um Gotteswillen, nein. Auch wenn er fremden Kulturen gegenüber immer etwas zurückhaltendwar, fand er andere Lebensweisen durchaus interessant und respektiertesie auch. Er schaute sogar ab und zu das Auslandsjournal im Fernsehen an.
Aberdieses Interesse beschränkte sich auf die Rolle des Beobachters. Sobald er -meist von seiner Frau - genötigt wurde, an diesen fremden Kulturen aktivteilzuhaben, wuchs im Kommissar der Argwohn. Immer wenn Erika versuchte,fremdländische Ideen in Form von ausländischem Essen, exotischen Früchtenoder Sprachlern-Kassetten zu Hause einzuschleusen, streikte er.
»Kommjetzt, wir gehen!«, riss ihn Erika aus seinen Gedanken und zupfte ihn amÄrmel. Er stand noch immer wie angewurzelt da, was ihm schlagartig bewusstwurde und noch einmal einen Hitzeschub verursachte.
»Wohin?«,wollte er wissen. Seine Stimme klang belegt. Er nahm sich vor, sich von nun anso normal wie nur irgend möglich zu verhalten und sich nichts mehr anmerkenzu lassen.
»Na,aufs Schloss!«, lachte Erika.
»Also«,Kluftinger blickte in Richtung der Menschenmassen, die sich mittlerweiledurch die langen Absperrungsreihen vor den Kassen schlängelten, »ichglaub, wir lassen das heut. Schaut mal, wies da zugeht. Da sind wieder dieganzen Japaner umeinander!«
Wieein kleines Kind, das nach einem Sturz einige Augenblicke braucht, um denSchmerz zu realisieren, benötigte auch Kluftingers Gehirn ein paar Sekunden,um die Worte zu verarbeiten. Dann brach die Scham über das eben Gesagte wieeine heiße Woge über ihn herein. Erika starrte ihn entsetzt an, Markus musterteihn mit zusammengekniffen Augen - nur Yumiko begann plötzlich schallendzu lachen.
»Ichweiß«, gluckste sie. »Manchmal hab ich das Gefühl, meine Landsleute habenAngst, dass man ihnen die Sehenswürdigkeiten wegnimmt, wenn sie nichtschnell genug hinrennen. Und diese vielen Fotos, die sie machen! Ich fragemich immer, wer wohl all die schrecklichen Bilder zu Hause ansehen muss.«
KluftingersPulsschlag verlangsamte sich wieder. Das schien ja ein ganz patentes Mädlezu sein. Und was sie da über ihre Landsleute gesagt hatte, das war von einerbewundernswerten Selbsterkenntnis. Genauso dachte er doch auch! Er wollteihr eifrig beipflichten, als ihm sein Sohn zuvorkam: »Na ja, im Auslandsind die Deutschen auch nicht viel besser. Besetzen morgens um sechs schonihre Liegestühle, von wo aus sie dann ihre bleichen Bäuche in die Sonnestrecken. Ob sie in Italien, Spanien oder der Türkei sind, ist ihnen dabeiegal, vielleicht wissen sie es manchmal gar nicht. In den Anlagen sieht esja auch immer gleich aus. Und unter landestypischer Küche verstehen siedie landestypisch deutsche. Also Bratwurst, Jägermeister, Warsteinerund paniertes Schnitzel!«
Erika,deren Harmonie-Radar einen aufkeimenden Vater-Sohn-Konflikt ortete, diesich ihren vorweihnachtlichen Familienfrieden aber nicht von einem Generationenstreitzunichte machen lassen wollte, mischte sich mit den Worten »Schwarze Schafegibts halt überall!« ein. Während sie dies sagte, fixierte sie ihren Mannmit stechendem Blick. Jeder Versuch, das Thema weiter zu vertiefen, hättedie wohlbekannte Mutter-Sohn-Allianz wieder hergestellt, das wussteKluftinger. Yumiko schien die Einzige zu sein, die ihm seinen Ausspruchvon eben nicht übel nahm.
Deswegenlenkte er ein und sagte: »Ich mein nur, da müssen wir ja so lang anstehen undvergeuden unseren ganzen Tag. Aber wenn ihr, also wenn die Miki «
»Schonrecht, Vatter. Die Miki hat eh schon gesagt, dass sie nicht unbedingt aufsSchloss will. Sie steht nämlich nicht auf plakative Alpenromantik. Stelldir vor: Obwohl sie Japanerin ist!«
»Vielleichtfahren wir zum Forggensee«, schlug Kluftinger vor, nun ehrlich bemüht,die Situation zu retten und sich als vollendeter Fremdenführer zu präsentieren.
Zu seinergroßen Überraschung wurde seine Idee sofort positiv aufgenommen.
ZehnMinuten später saßen alle in Kluftingers altem Passat und fuhren in RichtungFüssen. Dass Kluftinger auf dem Weg zum Auto unaufgefordert YumikosGepäck getragen hatte, hatte er für einen großen Akt weltmännischer Höflichkeitgehalten, der ihm bestimmt auch Pluspunkte bei seiner Frau einbringenwürde. Die hatte es aber einfach nur als selbstverständlich angesehen.
»Hastdu das gewusst?«
»Hm?«
»Hastdu das gewusst, mit der Japanerin?« Kluftinger drehte das Radio lauter undbeugte sich zu seiner Frau.
»Ichversteh dich nicht. Ob ich was gewusst habe?«, erwiderte Erika laut.
Markusund Yumiko blickten auf.
»Ob äh ihr gewusst habt, dass es auf dem Forggensee ein Schiff gibt, wollt ichwissen.«
Markusund Erika runzelten die Stirn. Natürlich wussten sie das.
»Ja,Yumiko, einer der tollsten Seen überhaupt ist das, der Forggensee«, tönteder Kommissar stolz. »Und seit einigen Jahren gibt es da ein Musical-Theater.Da spielt man nur ein einziges Stück, das Ludwig-Musical. Das Haus hat manextra dafür gebaut. Toll, gell?«
Yumikohörte aufmerksam zu.
»Bayernhat früher nämlich einen König gehabt. Der hat viele Schlösser gebaut. Übrigensauch Neuschwanstein. Und von diesem König handelt das Stück. Man nennt ihnauch den Märchenkönig.«
Yumikoerwiderte begeistert: »Dann wird Sie bestimmt auch die Diplomarbeit vonFrank, Markus Freund, interessieren. Worum gehts da noch? Ach ja, dieAnalyse historischer Fakten über König Ludwig II. von Bayern und deren historisierend-dramatischeAdaption auf der Bühne. Stimmts?«
Markusnickte.
Kluftingersah sie entgeistert im Rückspiegel an und sagte dann nach einer Pause: »Ja,Markus, die Arbeit musst du mir unbedingt mal geben. Das Thema beschäftigtmich auch schon eine ganze Weile.«
EinigeMinuten fuhren sie, ohne dass jemand etwas sagte, dann platzte Kluftingerheraus: »Märchenkönig heißt der übrigens, weil er so verschnörkelteSachen gebaut hat. Wie im Märchen eben. Und der König war auch ganz oft hieram Forggensee. Da ist er dann auch gestorben. Unter ganz mysteriösenUmständen ertrunken und nur sein Leibarzt Doktor Gulden war dabei. Manweiß es nicht, aber der hatte vielleicht auch was damit zu tun.« Kluftingerging immer mehr in seiner Rolle als Reiseführer auf.
»Guddenund Starnberger See, den Forggensee gab es damals noch gar nicht. Aber derRest stimmt ungefähr, gell Vatter?«
»Fürwas lässt man dich schließlich studieren?«, brummte Kluftinger zurück.
»HatFrank gestern nicht gesagt, dass auch der Arzt ertrunken ist?«, fragte Yumikomit ehrlichem Interesse.
Kluftingergeriet ins Schwitzen: »Ja, das ist ja allgemein bekannt. Jedenfalls einganz romantischer See. Wie aus dem Bilderbuch. Im Sommer hätten wir auchmit dem Schiff fahren können, dann hätten wir einen ganz tollen Blick aufdie Königsschlösser gehabt. Aber jetzt ist er vielleicht sogar zugefroren.«Er war nicht zu bremsen.
Schließlichbog der Wagen auf den Parkplatz an der Bootsanlegestelle ein.
»wirklich ein Schmuck oha!«
»Oh,das ist aber mal nicht so schön, Herr Kluftinger«, sagte Yumiko leise. »Wasist da bloß passiert?« Sie schien ehrlich besorgt, möglicherweise geradeZeugin einer mittleren Umweltkatastrophe geworden zu sein. Markuskonnte sein Lachen kaum noch unterdrücken, sagte aber nichts, denn er wolltezu gerne sehen, wie sich sein Vater aus der Affäre ziehen würde.
Vorihnen erstreckte sich eine riesige, unansehnliche, grau-braune Fläche miteinigen kleinen, von dünnem Eis überzogenen Tümpeln.
»Kruzinesn!Da hab ich jetzt gar nicht dran gedacht.«
»Istes schlimm?«, fragte Yumiko und jetzt platzte es aus Markus heraus: »Der Forggenseeist ein Stausee, der jeden Winter abgelassen wird!« Alle stimmten in dasGelächter mit ein, nur Kluftinger saß mit hochrotem Kopf am Steuer undstarrte auf das, was im Sommer noch ein wunderschöner See gewesen war.
»Dannfahr mer jetzt halt heim. Da ist es auch schön«, sagte er gereizt und wendeteden Wagen. Mit jedem gefahrenen Kilometer verschlechterte sich seineLaune. Er verabscheute sinnlose Fahrten. Wenn er nur an die Spritkostendachte - von der Abnutzung ganz zu schweigen
Dabeifuhr er in letzter Zeit günstiger, weil er billigeres Biodiesel tankte.Eigentlich war der alte Passat nicht dafür zugelassen. Aber die Aussicht,dass möglicherweise auf lange Sicht Schäden am Motor entstehen würden,konnten ihm bei einem zwanzig Jahre alten Wagen kaum schrecken. Überhauptschenkte er solchen Prognosen einer verschwörerischen Koalition ausWerkstätten, Autoherstellern, Politik, Industrie und Ölscheichs wenigGlauben. Letztlich zählte nur ein Argument: Rapsöl war zehn Cent billiger.
»Achkomm, wenn wir schon mal hier sind«, insistierte Erika. »Gehen wir halt einbissle spazieren. Oder wir kehren irgendwo gemütlich ein. Wir könnten auchauf den Tegelberg fahren, mit der Gondel.«
»Nein,die Yumiko hat ein bisschen Höhenangst, da ist die Gondel nicht so gut«,wandte Markus ein.
Kluftingerwar erleichtert. Vier Berg- und Talfahrten auf den Tegelberg - Yumikomusste ihn ja nicht schon am ersten Tag ihres Besuches ein Wochengehalt kosten.
»Duhast doch einen Kuchen gebacken, da wärs doch ein Schmarrn, unterwegs nocheinzukehren. Fahren wir halt zum zum Alatsee!« Kluftinger nahm erleichtertzur Kenntnis, dass er damit einen mehrheitsfähigen Vorschlag gemachthatte.
DieFahrt zu dem malerisch gelegenen See verlief ohne weitere Zwischenfälle- wenn man davon absah, dass Kluftinger den in einem Suzuki vor ihm fahrendenMann, der seiner Meinung nach viel zu langsam unterwegs war, mit den Worten»Jetzt fahr halt endlich zu mit deiner blöden Reisschüssel!« zur Eile angetriebenhatte. Die darauf einsetzende Stille machte dem Kommissar so zu schaffen,dass er freimütig erzählte, er sei froh darüber, dass er heute bei der Kältedie dicke, lange Frotteeunterhose angezogen habe. Dann stellte er dasRadio lauter und bekam deshalb nicht mit, wie Markus seine Freundin in denArm nahm und ihr zuflüsterte: »Wenn du mir nach dem Besuch bei meinen Elternnicht davonläufst, dann muss es wahre Liebe sein.«
©Piper Verlag
Michael Kobr, geb. 1973 in Kempten, aufgewachsen in Kempten und Durach, ist Realschullehrer für Deutsch und Französisch. Mit seiner Frau und seinen Töchtern lebt er im Allgäu.
Die beiden Autoren sind seit ihrer Schulzeit befreundet und erhielten 2008 für "Laienspiel" den Corine Weltbild-Leserpreis.
Interview mit Volker Klüpfel und Michael Kobr
„Laienspiel“ ist Ihr aktueller Titel, in dem es um Terrorismus, einen Tanzkurs und um eine Freiluftinszenierung geht. Dabei scheinen sich nicht nur die Laienschauspieler hinter einer Maskerade zu verstecken… Verraten Sie uns ein bisschen von der Handlung?
Klüpfel: Nein. Naja, oder vielleicht doch ein bisschen. Das ist ja sonst missverständlich; nicht, dass noch jemand denkt, die Terroristen haben die Tanzschulen hierzulande unterwandert. Also: Kluftinger trifft es in unserem neuen Buch sehr hart: Er wird zu einer Spezialgruppe zur Terrorbekämpfung abgeordnet, weil der Selbstmord eines zum Islam konvertierten jungen Mannes die Polizei auf die Spur einer fürchterlichen Bedrohung bringt. Nur wo und wann das Bedrohungsszenario Wirklichkeit werden soll, ist nicht klar. Bei der Fußball-EM? Oder sogar im Allgäu? Der Countdown jedenfalls läuft... Das wäre ja schon schlimm genug, aber zu allem Überfluss muss Kluftinger auch noch einen Tanzkurs besuchen – mit dem ihm verhassten Arztehepaar Langhammer.
Kobr: Schön, wie er das jetzt gesagt hat, der Kollege. Und: Stimmt sogar in groben Zügen!
Jeder Ihrer Romane spielt in einem anderen Milieu. Ihr Kommissar Kluftinger muss sich immer wieder auf einem neuen Terrain bewähren. Wie wählen Sie aus? Und wie einigen Sie sich beide auf die „Eckdaten“ für ein neues Buchprojekt?
Kobr: Nun, ausgewählt wird an Themen und Ideen, was uns im Moment am reizvollsten erscheint. Was ein gutes Setting für eine packende Krimihandlung zu sein verspricht. Und da sind wir nicht immer einer Meinung. Da kommt es schon hin und wieder zu einem zähen Ringen um die Ideen. Und da setzt sich nicht einmal immer derjenige durch, der am lautesten schreit.
Im September soll „Erntedank“, der zweite Kluftinger-Fall, für das Bayerische Fernsehen verfilmt werden. Die Besetzung steht noch nicht fest. Welchen Schauspieler könnten Sie sich als Kommissar Kluftinger vorstellen? Was muss er mitbringen?
Klüpfel: Die Schwierigkeit für den Schauspieler wird sein, Kluftingers harte Schale ebenso zu zeigen, wie seinen weichen Kern. Im Buch haben wir es da leichter: Auch wenn Kluftinger manchmal nach außen hin ruppig wirkt, verraten seine Gedanken doch sein sympathisches Innenleben. Oder ist das jetzt komisches Deutsch? Sympathisches Innenleben? Klingt nach einer grinsenden Milz... Michael kann das sicher besser formulieren.
Kobr: Da weiß jetzt nicht einmal ich, was er mit seinen Eingeweiden will, der Herr Klüpfel,. Aber mitbringen muss der Schauspieler Authentizität, Originalität und einen starken Charakter. Denn das hat unser Original auch. Zudem sollte er den Allgäuer Zungenschlag einigermaßen beherrschen. Tja, wer dieser faszinierende Zeitgenosse sein kann? Wir lassen uns überraschen.
Die Kluftinger-Hörbücher sprechen Sie selbst ein. Ergab sich das zwangsläufig aus der jahrelangen Schauspielerfahrung auf Freilichtbühnen respektive im Klassenzimmer?
Klüpfel: Eher, weil kein gelernter Schauspieler des allgäuerischen Idioms mächtig ist. Tatsächlich war schon ein namhafter Profi-Schauspieler engagiert. Dann hat die damalige Chefin des Audioverlags eine unserer Lesungen besucht und wollte unbedingt, dass wir es selbst machen.
Kobr: Nein, wir sind da auch gar nicht so erfahren. Es hat sich einfach die Gelegenheit ergeben, und wir fanden die Idee reizvoll. Aber wir hätten uns nie zu fragen getraut, ob wir es machen dürfen. Und so kippen jetzt selbsternannte Internetkritiker hin und wieder ihren Geifer über die zwei Laiensprecher aus, die das Deutsche nicht beherrschen. Aber das Risiko mussten wir eingehen.
Mit Ihren Lesungen sind Sie bis ins kommende Jahr ausgebucht. Was erwartet den Zuschauer da? Es ist zu hören, dass es eher die Show zweier gut eingespielter Partner und einer Menge Comedy-Elemente sei?!
Klüpfel: Hm, eigentlich ist es nur die auf der Bühne fortgesetzte Dauerfehde zwischen mir und Michael...
Kobr: … Blablabla… Das stimmt nicht, alles nur Show mit der Fehde. Selbst der Volker, ob Sie es glauben oder nicht, hat ein (Zitat) „sympathisches Innenleben“. Irgendwo, ganz tief verborgen… Ja, wir versuchen tatsächlich, über den gelesenen Text hinauszugehen und die Leute immer wieder zum Lachen zu bringen, damit sie einen netten und nicht so furchtbar ernsten Abend mit uns haben.
Können Sie schon verraten, vor welcher Kulisse sich der nächste Kluftinger-Fall abspielen wird?
Klüpfel: Ja, sehr gern. Vor der Kulisse des Allgäus.
Kobr: …Glauben Sie mir, bei den Lesungen ist er witziger! Gott sei Dank!!!
- Autoren: Volker Klüpfel , Michael Kobr
- 2008, 30. Aufl., 352 Seiten, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Piper
- ISBN-10: 3492250947
- ISBN-13: 9783492250948
- Erscheinungsdatum: 21.12.2007