Steirerpakt
Kriminalroman. Sandra Mohrs siebter Fall
Sandra Mohr kehrt zurück und im Schlepptau hat sie ihren siebten Fall.
Spannende Inszenierungen und nervenzerreibende Kriminalermittlungen machen auch den siebten Fall der LKA Ermittler Sandra Mohr und Sascha Bergmann zu einem fesselnden...
Spannende Inszenierungen und nervenzerreibende Kriminalermittlungen machen auch den siebten Fall der LKA Ermittler Sandra Mohr und Sascha Bergmann zu einem fesselnden...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Steirerpakt “
Sandra Mohr kehrt zurück und im Schlepptau hat sie ihren siebten Fall.
Spannende Inszenierungen und nervenzerreibende Kriminalermittlungen machen auch den siebten Fall der LKA Ermittler Sandra Mohr und Sascha Bergmann zu einem fesselnden Kriminalroman.
Die auf dem denkmalwürdigen Einser-Sessellift gefundene Leiche stellt sich als ehemaliger Bewohner Präbichls heraus. Seine unerwartete Rückkehr bringt nicht nur einen Fall für Mohr und ihren Partner mit sich, sondern trifft auch den einen oder anderen Nerv der Ortsansässigen.
„Steirerpakt" ein Muss für alle Sandra Mohr und Claudia Rossbacher Fans. Auch Krimi Fans finden in diesem Kriminalroman ein gefundenes Fressen.
Klappentext zu „Steirerpakt “
Ein skurriler Leichenfund lässt die LKA-Ermittler Sandra Mohr und Sascha Bergmann zur Eisenstraße aufbrechen. Vom historischen Einser-Sessellift, der seit fast 70 Jahren vom Präbichl auf den Polster schaukelt, wurde eine nackte Leiche geborgen. Bald schon wird der tote Mann als Einheimischer identifiziert, der vor 15 Jahren nach Kanada auswanderte. Erst vor wenigen Tagen reiste der Arzt aus seiner Wahlheimat an, um dem Begräbnis seiner Mutter beizuwohnen. Sandra Mohr stößt auf so manche alte Wunde, die er dabei aufgerissen hat. Und auf weitere Leichen ...
Lese-Probe zu „Steirerpakt “
Claudia Rossbacher - SteirerpaktKAPITEL 1
Samstag, 17. Mai 2014, Graz
1.
Mit den wuchtigen Orgelklängen verstummten auch die Kirchenglocken. Oder schwiegen diese schon länger? Sandra Mohr war sich nicht sicher. Im bombastischen Hochzeitsmarsch von Mendelssohn-Bartholdy, der die Braut am Arm ihres Vaters zum Altar begleitet hatte, waren alle anderen Geräusche untergegangen. Nun richtete der Pfarrer das Wort an das Brautpaar und die versammelte Festgemeinde.
Ein kurzer Blick über ihre rechte Schulter ließ Sandra erahnen, dass die Mariahilferkirche inzwischen bis auf den letzten Platz besetzt war, wenngleich sie die linke Seite hinter ihrem Rücken nicht überblicken konnte. Umso genauer nahm sie den Weihrauchgeruch wahr, der nicht gerade zu ihren Lieblingsdüften zählte. Einmal mehr zupfte sie fröstelnd an ihrem Kleid herum. Hätte sie bei der Anprobe bloß nicht auf ihre Freundin gehört, bereute sie die Wahl, obwohl ihr das korallenrote Etuikleid mit den Organza-Ärmeln, das nicht ganz bis zu den Knien reichte, besonders gut stand. Das hatten ihr vorhin auch die Blicke ihres Begleiters bestätigt, mit denen er sie sprichwörtlich ausgezogen hatte. An einem Tag wie diesem solle sie ausnahmsweise einmal nicht mit ihren Reizen geizen und bloß nicht zum biederen Kostüm greifen, hatte ihr Andrea geraten. Schließlich war Sandra nicht als Abteilungsinspektorin des LKA Steiermark zur Hochzeit geladen, sondern als Exfreundin des Bräutigams, der an diesem Tag ihre Nachfolgerin heiratete. Julius sollte sehen, was er an Sandra verloren hatte. Am besten es auch noch bitter bereuen. Typisch Andrea. Wer in ihren Augen einen Fehler beging, musste dafür büßen. Rache war Blutwurst. Und Blunzen mit Sauerkraut zählte nun einmal zu den Leibspeisen der Freundin.
In Gedanken versunken stand Sandra auf - wie all die anderen
... mehr
Gäste, die sich aufs Stichwort des Pfarrers nahezu synchron von den Kirchenbänken erhoben. Wenn sie schon frieren musste, so würde sie in diesem Kleid wenigstens gute Figur auf den Hochzeitsfotos und -filmen machen, versuchte sie sich mit einem weiteren Argument ihrer Freundin zu trösten. Schließlich war damit zu rechnen, dass auch die Medien über die Hochzeit des stadtbekannten Radioreporters berichten würden, der die große Liebe in seiner Physiotherapeutin gefunden zu haben glaubte. Dass er Sandra wegen ihr verlassen hatte, stand auf einem anderen Blatt Papier. Der Trennungsschmerz hielt sich freilich längst in Grenzen. Sie gönnte Julius, der nach einem Skiunfall querschnittgelähmt im Rollstuhl saß, alles Glück dieser Welt.
Während der nächste kalte Luftzug die feinen Härchen in ihrem Nacken und auf den Unterarmen zu Berge stehen ließ, bereute Sandra einmal mehr, dass sie sich den Überredungskünsten ihrer Freundin geschlagen gegeben hatte. Und dass der eigens für die Hochzeit zurechtgelegte Paschminaschal zu Hause geblieben war. Von den sommerlichen 29 Grad Celsius, die an diesem Maitag für die steirische Landeshauptstadt prognostiziert waren, spürte man im Hause Gottes leider gar nichts. Weder die hauchdünnen Strümpfe noch die hochhackigen Slingpumps vermochten die Kälte abzuhalten, die vom schachbrettgemusterten Marmorboden über ihre Füße die Beine hochkroch. Fehlte nur noch, dass sie sich eine Blasenentzündung holte.
Ohnehin hielt Sandra es inzwischen für eine Schnapsidee, die Einladung ihres Verflossenen überhaupt angenommen zu haben. Als sie zugesagt hatte, war sie noch mit seinem Nachfolger liiert gewesen. Auch Paul Stadler hatte sich inzwischen von ihr getrennt. Mit ihm hätte sie die Trauung besuchen wollen. Nicht zuletzt, um ihn bei dieser Gelegenheit vielleicht auf den Geschmack zu bringen, ihr einen Heiratsantrag zu machen. Sandra seufzte. Ihre Zukunftspläne waren leider gründlich gescheitert. Die eigene Hochzeit konnte sie vorerst ebenso vergessen wie ihren Kinderwunsch. Als alleinerziehende Kriminalbeamtin bei der Mordgruppe des LKA Steiermark zu arbeiten, strebte sie jedenfalls nicht an. Dabei wäre vermutlich genau das eingetreten, hätte sie das Baby, das sie damals von Julius erwartet hatte, nicht verloren. Selbst mit einem gemeinsamen Kind wäre aus ihr und dem fünf Jahre jüngeren Mann bestimmt kein glückliches Paar geworden, grübelte sie weiter. Dafür waren sie einfach zu verschieden, wusste sie heute. Wiewohl der Sex mit ihm fantastisch gewesen war. Doch das war schließlich nur ein Punkt von vielen, der in einer Partnerschaft passen musste. Wenn auch in ihren Augen ein ganz wesentlicher.
Ohne es bewusst wahrzunehmen, folgte sie weiterhin dem Gottesdienstritual und ließ sich wieder auf der Kirchenbank nieder. Ebenso wenig fiel ihr auf, dass sie sich wie die meisten anderen Kirchenbesucher bekreuzigte. Zwar hatte sie die ererbte Konfession längst abgelegt und betrat Gotteshäuser nur noch in Ausnahmefällen wie diesem, jedoch war ihr die katholische Liturgie schon während der Kindheit in Fleisch und Blut übergegangen. Die frühzeitig eingeübten, sich ständig wiederholenden Gebete und Kirchengesänge würde sie wohl bis ans Ende ihrer Tage nicht mehr vergessen, so sehr hatten sich diese in ihrem Gedächtnis eingebrannt.
Ihr Begleiter wandte sich ihr zu. »Du zitterst ja. Ist dir kalt?«, flüsterte Sascha Bergmann und rückte noch näher an sie heran. Wenigstens strahlte eine gewisse Körperwärme von ihm ab.
Sandra kam es nun selbst absurd vor, dass sie ausgerechnet den Chefinspektor gebeten hatte, sie zur Trauung zu begleiten. Wo er doch lieber zum Zahnarzt ging als in die Kirche. Aber an wen hätte sie sich sonst wenden sollen? Andrea weilte just an diesem Wochenende in Paris. Und außer ihr war Bergmann der Einzige, der vom Beziehungsaus mit Paul wusste. Wenngleich sie ihm den wahren Grund dafür wohlweislich verschwiegen hatte. Paul musste selbst entscheiden, wann er sich outete und zu seiner sexuellen Neuorientierung stand. Nur Andrea war eingeweiht. Aber die konnte schweigen wie ein Grab, wusste Sandra aus langjähriger Erfahrung.
Mit einem Nicken bestätigte sie Bergmann, dass sie fror, ohne ihn anzuschauen. Dabei sah er in seinem hellen Anzug gar nicht mal so übel aus. Hätte er dazu noch eine Krawatte oder Fliege getragen, wäre er glatt als Bräutigam durchgegangen. Anstatt der üblichen Sneakers hatte er beige Mokassins aus Sämischleder an. Sogar seine Haare, die sonst wirr in alle Himmelsrichtungen standen, hatte er irgendwie gebändigt. Nur sein Dreitagebart war stehengeblieben. Aber der gehörte nun einmal zu Bergmann wie das Amen zum Gebet. Ohne die teilweise ergrauten Stoppeln im Gesicht fühlte er sich nackt, hatte er Sandra kürzlich verraten, als sie sich für ihren Geschmack viel zu nahe gekommen waren. Beim bloßen Gedanken daran wurde ihr heiß. Im nächsten Augenblick lief es ihr leider schon wieder kalt über den Rücken. In einem schwachen Moment hatte sie sich nach der schmerzlichen Trennung von Paul ausgerechnet bei Bergmann ausgeheult. Stundenlang hatte er sie getröstet, bis sie schließlich betrunken und erschöpft in seinem Bett gelandet war. Wohlgemerkt ohne ihn. Dass der Chefinspektor diese Situation wider Erwarten nicht ausgenutzt hatte, rechnete sie ihm insgeheim hoch an. In jener Nacht wäre sie womöglich verzweifelt und alkoholisiert genug gewesen, um mit ihm zu schlafen. Eine Vorstellung, die ihr, in nüchternem Zustand betrachtet, schier unerträglich erschien.
»Julius Matthias Czerny«, drang die Stimme des Pfarrers an ihre Ohren, »so frage ich dich nun vor Gottes Angesicht ...«
Bloß jetzt nicht wieder heulen, betete Sandra und schluckte die aufsteigenden Tränen hinunter. Die Gesamtsituation machte ihr nun doch deutlich mehr zu schaffen, als sie befürchtet hatte. Hochzeiten waren ja an sich schon eine hochemotionale Angelegenheit, die sie leicht zu Tränen rührte, umso mehr diese hier. Noch dazu, wo die schmerzliche Trennung von Paul keine vier Wochen zurücklag.
»Willst du die anwesende Elisabeth Maria Schöffmann zu deiner Ehefrau nehmen?«, fuhr der Pfarrer fort. »Willst du sie lieben, achten und ehren, ihr die Treue halten in guten wie in schlechten Zeiten, in Gesundheit und Krankheit, bis dass der Tod euch scheidet?«
»Ja«, hallte Julius' sonore Stimme, in die sich Sandra damals auf Anhieb verliebt hatte, durch das blumengeschmückte Kirchenschiff.
Verstohlen wischte sie sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Sie hätte schwören können, dass nicht einmal Bergmann es bemerkt hatte, als er ihr plötzlich ein Taschentuch reichte.
2.
Draußen hatte die Temperatur weiter zugelegt. Noch ehe Sandra an der Reihe war, dem Brautpaar vor dem Kirchenportal zu gratulieren, hatte sich ihre Gänsehaut verflüchtigt. Die offiziellen Fotos der Hochzeitsgesellschaft waren inzwischen im Kasten. Wie erwartet schwirrten auch einige Societyreporter auf dem Mariahilferplatz herum, die in ihren Klatsch- und Tratschbeiträgen über die sogenannte Promihochzeit berichten würden.
Erst vor wenigen Wochen hatte Julius ein Buch über seinen Skiunfall, die langwierigen Therapien in der Rehaklinik Tobelbad und sein neues Leben als Querschnittgelähmter veröffentlicht und damit einige mediale Aufmerksamkeit geerntet. Immerhin hatte er es sogar in die Top Ten der Sachbuch-Bestellerliste geschafft. Unter anderem war er als Stargast im Frühstücksfernsehen und in Talkshows aufgetreten, um seine Biografie und sich selbst zu promoten. Aber auch, um sich als Rollstuhlfahrer für Barrierefreiheit im öffentlichen Raum einzusetzen und bestehende Missstände anzuprangern.
Sandra freute sich von Herzen, dass Julius die schwierigste Zeit überstanden hatte und trotz des Schicksalsschlags wieder zuversichtlich in die Zukunft blickte. Was für eine schöne Kulisse zum Heiraten, dachte sie, die Augen auf den Grazer Uhrturm gerichtet, der sich hoch oben auf dem Schloßberg über der Altstadt vor makellos blauem Himmel präsentierte, während unten die Schreie der Mauersegler durch die Gassen hallten. Sandra liebte die schrillen lang gezogenen Töne, die von den Hausmauern reflektiert wurden, waren sie doch ein untrügliches Zeichen, dass der Sommer endgültig in der Murmetropole eingezogen war. Dabei hatte man in den ersten beiden Aprilwochen noch bezweifeln dürfen, dass der Frühling jemals wiederkehren würde, so bitterkalt war es gewesen. Doch dann war der Winter von einem Tag auf den anderen in den Frühsommer übergegangen. Nahezu alle Blüten waren gleichzeitig explodiert und nicht wie gewöhnlich nach und nach.
Einem der umstehenden Fotografen fiel ihr glückseliges Lächeln auf. Schwups, war seine Kamera auf sie und ihren Begleiter gerichtet, der neben ihr in der Schlange der Gratulanten wartete. Prompt fühlte sich Bergmann bemüßigt, ihre Taille zu umfassen und in die Kamera zu grinsen, bis sie endlich an der Reihe waren, das Brautpaar zu beglückwünschen.
Julius musterte Sandra eindringlich, als sie sich zu ihm herabbeugte, um ihn auf die Wangen zu küssen. »Schön, dass du es zu unserer Hochzeit geschafft hast«, sagte er mit einem herzlichen Lächeln.
Dass sie an seinem Festtag Bereitschaftsdienst hatte, wollte sie ihm lieber nicht auf die Nase binden und damit womöglich seine Freude trüben. Viel zu oft hatte sie die gemeinsamen Freizeitpläne dem Beruf geopfert, was immer wieder zu Streitereien zwischen ihnen geführt hatte. »Alles Gute, mein Lieber! Ich freu mich ja so für dich«, antwortete sie ebenso strahlend. »Was für ein schönes, glückliches Paar ihr zwei doch abgebt ...«
»Ihr beiden aber auch«, schmunzelte Julius, der einige Querelen zwischen ihr und Bergmann mitbekommen hatte. Wie oft hatte sie sich bei ihrem Freund über den ungehobelten, arroganten Chefinspektor und seine sexistischen Witze beschwert. Jetzt hielt Julius sie und Bergmann offenbar auch privat für ein Paar. Oder versuchte er, durch seine Provokation nur herauszufinden, ob sie eines waren? Dass sich der Reporter stets von seiner Neugierde leiten ließ und nichts, aber auch rein gar nichts für sich behalten konnte, hatte Sandra einmal fast ein Disziplinarverfahren beschert und ihre Liebesbeziehung von Anfang an belastet.
Noch ehe sie gegen Julius' Anspielung protestieren konnte, bedankte sich Bergmann für das Kompliment und gratulierte ihm zu seiner jungen hübschen Braut, der sich Sandra nunmehr zuwandte, um auch sie zu beglückwünschen.
Der Klingelton irritierte Sandra. Eindeutig war es Bergmanns Handy, das da hinter ihrem Rücken läutete.
Kurz angebunden schüttelte auch er der Frischvermählten die Hand. »Glückwunsch! Entschuldigung, ein Notfall«, sagte er und wandte sich ab, um einige Schritte abseits den Anruf entgegenzunehmen.
Die Braut sah dem ihr unbekannten Mann verdutzt hinterher. »Ist Ihr Mann Arzt?«, fragte Elisabeth Maria Schöffmann-Czerny vulgo Lisa.
Julius kam Sandras Antwort zuvor. »Aber nein, Lisa. Er ist Chefinspektor beim Landeskriminalamt Steiermark, genauer gesagt, bei der Mordgruppe«, erklärte er seiner Holden, die prompt bestürzt reagierte.
»Mord? Um Gottes willen ... Doch nicht an unserem Hochzeitstag!«, beschwerte sich Lisa mit spitzer Stimme, was die Aufmerksamkeit einiger Gäste auf sich zog.
»Hoffentlich nicht«, entgegnete Sandra und verabschiedete sich. »Tut mir leid«, fügte sie in Richtung Julius hinzu, ehe sie sich nach Bergmann umwandte. Was ihr Exfreund zu ihrem frühzeitigen Aufbruch sagte, nahm sie nicht mehr wahr. Höchstwahrscheinlich war das auch besser so. Ohnehin glaubte sie, seine anklagenden Blicke auf ihrem Rücken zu spüren, auch wenn sie sich das vor lauter schlechtem Gewissen nur einbildete. Es geht doch nichts über eingefahrene Beziehungsmuster, dachte sie, während sie Bergmann auf ihren hohen Absätzen mühsam hinterherstöckelte. Erst an der nächsten Kreuzung holte sie ihn ein.
»Wie? Eisenstraße, na gut ... Aber Polster? Was denn für ein Polster?«, fragte er den Anrufer. »Geht's auch ein bissl konkreter, Lubensky? Oder meinst du gar den Toni?« Bergmann lachte über seine Assoziation mit dem ehemaligen österreichischen Fußballspieler, während Sandra das eigentliche Missverständnis viel witziger fand. Im Gegensatz zum Chefinspektor aus Wien war der gebürtigen Obersteirerin nämlich auf Anhieb klar, was der Anrufer aus der Einsatzzentrale mit dem »Polster« meinte. Angesichts der mutmaßlichen Todesmeldung verkniff sie sich jedoch das Lachen.
»Ein Berg, ach so ... Warum sagst du denn das nicht gleich? ... Ja, jetzt hab ich es verstanden, Einser-Sessellift vom Präbichl auf den Polster«, wiederholte Bergmann Lubenskys Erläuterungen und sah Sandra fragend an.
Die nickte wissend und konnte ein Schmunzeln nicht länger unterdrücken.
Bergmann beendete das Telefongespräch und hielt inne. »Du weißt, wo wir hinmüssen?«, vergewisserte er sich.
»Ja sicher, ich kenn mich aus«, bestätigte Sandra.
»Eh klar. Wie immer ... Der Dienstwagen steht in deiner Garage?«
Warum sonst war Bergmann schnurstracks in Richtung Lendplatz gehetzt, wenn er den Wagen woanders vermutete? »Eh klar. Wie immer ...«, wiederholte Sandra seine letzte Bemerkung.
»Worauf wartest du noch?« Bergmann beschleunigte seine Schritte wieder.
»Hast du was dagegen, wenn ich einen Sprung in meine Wohnung mache und mich rasch umziehe?«
»Ja, das habe ich«, antwortete er mit ernster Miene.
»Haben wir es denn so eilig?«, wunderte sich Sandra.
»Das nicht. Tot ist tot. Aber du gefällst mir in diesem hinreißenden Kleid wesentlich besser als in deinem praktischen Alltagsgewand.«
Gewiss ließen sich die wenigen Male, die Bergmann sie in einem Rock oder Kleid, geschweige denn mit hohen Absätzen gesehen hatte, an einer Hand abzählen. Zwar verbarg die verspiegelte Sonnenbrille seine Augen, Dennoch fühlte sich Sandra einmal mehr von seinen anzüglichen Blicken ausgezogen. »Deswegen fahre ich aber trotzdem nicht in diesem Aufzug zu einem Einsatz in die Berge. Schon gar nicht mit den Schuhen.« Just im selben Moment knickte sie um und konnte sich nur durch einen blitzschnellen Griff nach seinem Arm vor einem gröberen Missgeschick mit möglicherweise schmerzhaften Folgen retten.
»Na gut, meinetwegen zieh dich halt um. Aber beeil dich«, erwiderte Bergmann gnädig. »Ewig schade ...«, murmelte er noch in seinen Dreitagebart, als Sandra seinen Arm wieder losließ.
»Willst du mir nicht erzählen, welcher Einsatz uns erwartet?«, kam sie zur Sache.
»Ein Fall für dich ...«
»Für mich? Wieso das denn?«
»Eine unbekannte männliche Leiche, splitterfasernackt auf dem Polster-Sessellift.«
»Wie bitte?«
»Du hast richtig gehört. Mehr weiß ich auch noch nicht.«
»Kommst du mit hinauf oder wartest du vor der Garagenausfahrt?«, fragte Sandra, als sie die Haustür aufsperrte.
Bergmann rückte seine Sonnenbrille auf die Nasenspitze und sah sie über den Metallrahmen hinweg an. »Wäre da nicht dieser neue Mordfall, würde ich dich liebend gern in deine Wohnung begleiten.« Sein Blick sollte ihr wohl verdeutlichen, dass es, ging es nach ihm, nicht bei der Begleitung allein bleiben würde.
Genervt verdrehte Sandra die Augen. »Bis gleich, Sascha«, sagte sie und warf ihm die Tür vor der Nase zu. Eine unbekannte männliche Leiche, splitterfasernackt auf dem Polster-Sessellift, wiederholte sie seine Worte in Gedanken, während sie auf den Aufzugknopf drückte. Wie kam Bergmann eigentlich auf die unverschämte Idee, dass dies ein Fall für sie war?
KAPITEL 2
Immer noch Samstag, 17. Mai, Steirische Eisenstraße
1.
Sandra nahm die Autobahnausfahrt Traboch, um auf die Eisen-Bundesstraße zu gelangen, die sie wenig später an Trofaiach vorbeiführte.
»Sag mal, spürst du das auch?«, fragte Bergmann, kaum dass sie das neu erbaute Schubhaftzentrum Vordernberg hinter sich gelassen hatten.
Bislang war der Chefinspektor mit seinem Smartphone beschäftigt gewesen und hatte fast die ganze Fahrt über geschwiegen, was Sandra nur recht war. Wenigstens konnte sie den eigenen Gedanken nachhängen, die sich weniger um den toten Mann auf dem Sessellift als vielmehr um die lebenden Männer drehten, mit denen sie einfach kein Glück hatte. »Und was genau sollte ich bitte spüren?«, fragte sie zurück.
»Diese Gegend hat so etwas Beklemmendes, Morbides. Selbst bei einem solchen Kaiserwetter.« Im Vorbeifahren betrachtete Bergmann das halb verfallene Fabrikgebäude, auf dessen Dach neben einigem Unkraut eine junge Birke in den wolkenlosen Himmel ragte.
»Na ja, die Eisenstraße ist schon ganz besonders geschichts- und schicksalsträchtig. Vielleicht spürst du ja das harte, karge Leben deiner Namensvettern von anno dazumal«, witzelte Sandra.
»Du meinst die Bergmänner, die das Eisenerz abgebaut haben?«
Sandra nickte. Vor ihnen tauchte das Viadukt auf, auf dem dereinst die Erzbergbahn verkehrte, um das Erz vom Erzberg zu den Hochöfen nach Vordernberg und Donawitz bei Leoben zu transportieren. Dass der Betrieb der steilsten Normalspurbahn in Europa eingestellt worden war, hatte sie neulich in einem Fernsehbericht mitbekommen. Dem Verein ihrer Anhänger war es bislang nicht gelungen, das nötige Geld aufzubringen, um das Teilstück, das die ÖBB verkaufen wollte, zu erwerben und das historische Kleinod als Museumsbahn weiter zu betreiben.
»O ja, ich kann es fühlen.« Bergmann fasste sich an die Brust. »Den Schweiß, das Blut und die Tränen, die über die Jahrhunderte hinweg beim Erzabbau vergossen wurden«, meinte er theatralisch.
»Seit wann bist du so sensibel und nimmst derlei energetische Schwingungen wahr?«, fragte Sandra, als sie am menschenleeren Hauptplatz der Marktgemeinde Vordernberg vorbeifuhren. Nicht alle historischen Relikte der Eisenstraße waren so gut erhalten wie die schwarze Dampflok direkt vor dem Gasthof »Zum Radmeister«, die wie frisch poliert in der Sonne glänzte. Als eindrucksvolles Schaustück zeugte sie ebenso von der einstmals bedeutenden Vergangenheit dieses Ortes in der Roheisenproduktion wie die alten Radwerke, Hochöfen und andere längst stillgelegte Industriebauten.
»Ich bin nun mal ein hochsensibler Typ«, scherzte Bergmann.
Zumindest glaubte Sandra, dass es sich nur um einen Witz handeln konnte, und lachte hell auf.
»Liegt wohl an meinem Sternzeichen«, erklärte er ungerührt. »Wassermann, vom Geruch her aber schon Fisch.« Noch immer verzog er keine Miene.
Sandra musste neuerlich lachen. »Wenn du mir jetzt auch noch mit Horoskopen und Sterndeuterei kommst, kannst du dir eine neue Partnerin suchen«, drohte sie ihm nicht ganz ernst gemeint. »Oder spielst du etwa auf die Sage vom Wassermann an?«
»Hm?« Bergmann sah sie verständnislos an.
»Der Sage nach ist das Eisenerz im Erzberg einem Wassermann zu verdanken«, erklärte ihm Sandra, was in der Steiermark jeder Volksschüler wusste.
»Soso. Einem Wassermann.« Bergmann wischte mit der Hand vor seinem Gesicht herum, um klarzustellen, was er von dieser Theorie hielt.
»Vor langer, langer Zeit sollen die Leute in der Nähe des Leopoldsteiner Sees einen Wassermann gefangen haben«, fuhr Sandra unbeirrt fort. »Für seine Freilassung hat er ihnen Gold für zehn Jahre, Silber für 100 Jahre oder Eisenerz für immerdar versprochen. Wofür sie sich entschieden haben, ist hinlänglich bekannt. Leider ist die steirische Erzindustrie trotz dieses Versprechens im Lauf der letzten Jahrzehnte den Bach runtergegangen.«
»Dann hat der alte Wassermann wohl zu einer Notlüge gegriffen, um freizukommen«, meinte Bergmann grinsend.
»Oder er hat nichts vom internationalen Rohstoffmarkt in einer globalisierten, technologisierten Welt geahnt, der dem steirischen Erz enorme Umsatzeinbußen bescheren und Tausende Arbeitsplätze vernichten würde. Die Region ist von massiver Abwanderung geprägt. Die meisten jungen Leute ziehen von hier weg und suchen ihr Glück woanders.«
»Wie man allerorts deutlich sehen kann«, kommentierte Bergmann ein weiteres leer stehendes Gasthaus, an dem sie eben vorbeifuhren.
»Eisenerz bietet ein ähnlich trauriges Bild. Dabei war das einmal eine stolze Industriestadt mit gut dreimal so vielen Einwohnern wie heute. Das Leben war wie in allen anderen einstmals florierenden Orten entlang der Eisenstraße über ein Jahrtausend lang vom Erzberg geprägt. Dass dieser so viele Leute in der Region, aber auch außerhalb ernährte, hat ihn im Volksmund den Namen ›steirischer Brotlaib‹ eingetragen. Heute leben überwiegend ältere Semester in Eisenerz. Nicht umsonst trägt die Stadt den Titel der ältesten in Österreich. Die meiste Zeit über ist sie wie ausgestorben. Viele Geschäfte und Lokale stehen leer und hinterlassen einen ziemlich trostlosen Eindruck, obwohl gerade der Stadtkern mit einigen Baujuwelen in tadellosem Zustand aufwarten kann. Nur ein paar Tage im Jahr kehrt Leben ein, und das Durchschnittsalter sinkt drastisch. Etwa, wenn die waghalsigsten Motorrad-Offroad-Fahrer aus aller Herren Länder zum Erzbergrodeo anreisen, um auf ihren Enduro-Maschinen die staubigen, bei Regenwetter gatschigen Stufen des Erzberges zu erklimmen, und Zigtausende Zuschauer anlocken. Dann ist hier die Hölle los. Oder auch beim alljährlichen Erzberglauf. Dort wollte ich eigentlich auch schon längst einmal mitlaufen. Vielleicht mache ich das ja im Sommer ...«
»Und was ist sonst mit Tourismus?«
»Kaum vorhanden. Vorwiegend kommen Tagesgäste, die den Erzberg mit seinem Schaubergwerk, die historischen Relikte an der Eisenstraße oder den idyllischen Leopoldsteiner See besuchen.« Sandra kramte in ihrer Erinnerung, ehe sie fortfuhr. »Fährt man die Eisenstraße noch ein Stück weiter, befindet man sich mitten im Nationalpark Gesäuse. Der ist nicht nur bei Bergwanderern und Kletterern äußerst beliebt, sondern auch bei Wildwassersportlern, die sich in der Enns und der Salza austoben können. Am anderen Ende des Gesäuses, nur wenige Kilometer weiter, steht das Benediktinerstift Admont mit der weltgrößten Klosterbibliothek«, zählte Sandra jene Plätze auf, die sie selbst schon besucht hatte.
»Du solltest dich beim Tourismusverband bewerben.«
»Du hast mich doch gefragt ...«
»Und was ist mit unserem Einsatzort, dem Präbichl? Ein bisschen was hab ich ja schon im Internet recherchiert.«
»Na, dann weißt du höchstwahrscheinlich, dass der Präbichl im Winter Skifahrer, im Sommer Wanderer und Bergsteiger anlockt, hauptsächlich welche aus der Umgebung. Es gibt nämlich viel zu wenig Gästebetten in der Region, auch wenn vor einigen Jahren ein größeres Spa-Hotel in Leoben eröffnet hat. Aber das ist ja auch eine Dreiviertelstunde weit weg.«
Bergmann streckte seinen Rücken durch. »Gegen Sauna mit anschließender Massage hätte ich jetzt nichts einzuwenden.«
»Träum weiter, Sascha.«
»Müssten wir nicht bald da sein?« Bergmann gähnte, ohne sich die Hand vor den Mund zu halten.
»In fünf Minuten, schätze ich.«
© Gmeiner
Während der nächste kalte Luftzug die feinen Härchen in ihrem Nacken und auf den Unterarmen zu Berge stehen ließ, bereute Sandra einmal mehr, dass sie sich den Überredungskünsten ihrer Freundin geschlagen gegeben hatte. Und dass der eigens für die Hochzeit zurechtgelegte Paschminaschal zu Hause geblieben war. Von den sommerlichen 29 Grad Celsius, die an diesem Maitag für die steirische Landeshauptstadt prognostiziert waren, spürte man im Hause Gottes leider gar nichts. Weder die hauchdünnen Strümpfe noch die hochhackigen Slingpumps vermochten die Kälte abzuhalten, die vom schachbrettgemusterten Marmorboden über ihre Füße die Beine hochkroch. Fehlte nur noch, dass sie sich eine Blasenentzündung holte.
Ohnehin hielt Sandra es inzwischen für eine Schnapsidee, die Einladung ihres Verflossenen überhaupt angenommen zu haben. Als sie zugesagt hatte, war sie noch mit seinem Nachfolger liiert gewesen. Auch Paul Stadler hatte sich inzwischen von ihr getrennt. Mit ihm hätte sie die Trauung besuchen wollen. Nicht zuletzt, um ihn bei dieser Gelegenheit vielleicht auf den Geschmack zu bringen, ihr einen Heiratsantrag zu machen. Sandra seufzte. Ihre Zukunftspläne waren leider gründlich gescheitert. Die eigene Hochzeit konnte sie vorerst ebenso vergessen wie ihren Kinderwunsch. Als alleinerziehende Kriminalbeamtin bei der Mordgruppe des LKA Steiermark zu arbeiten, strebte sie jedenfalls nicht an. Dabei wäre vermutlich genau das eingetreten, hätte sie das Baby, das sie damals von Julius erwartet hatte, nicht verloren. Selbst mit einem gemeinsamen Kind wäre aus ihr und dem fünf Jahre jüngeren Mann bestimmt kein glückliches Paar geworden, grübelte sie weiter. Dafür waren sie einfach zu verschieden, wusste sie heute. Wiewohl der Sex mit ihm fantastisch gewesen war. Doch das war schließlich nur ein Punkt von vielen, der in einer Partnerschaft passen musste. Wenn auch in ihren Augen ein ganz wesentlicher.
Ohne es bewusst wahrzunehmen, folgte sie weiterhin dem Gottesdienstritual und ließ sich wieder auf der Kirchenbank nieder. Ebenso wenig fiel ihr auf, dass sie sich wie die meisten anderen Kirchenbesucher bekreuzigte. Zwar hatte sie die ererbte Konfession längst abgelegt und betrat Gotteshäuser nur noch in Ausnahmefällen wie diesem, jedoch war ihr die katholische Liturgie schon während der Kindheit in Fleisch und Blut übergegangen. Die frühzeitig eingeübten, sich ständig wiederholenden Gebete und Kirchengesänge würde sie wohl bis ans Ende ihrer Tage nicht mehr vergessen, so sehr hatten sich diese in ihrem Gedächtnis eingebrannt.
Ihr Begleiter wandte sich ihr zu. »Du zitterst ja. Ist dir kalt?«, flüsterte Sascha Bergmann und rückte noch näher an sie heran. Wenigstens strahlte eine gewisse Körperwärme von ihm ab.
Sandra kam es nun selbst absurd vor, dass sie ausgerechnet den Chefinspektor gebeten hatte, sie zur Trauung zu begleiten. Wo er doch lieber zum Zahnarzt ging als in die Kirche. Aber an wen hätte sie sich sonst wenden sollen? Andrea weilte just an diesem Wochenende in Paris. Und außer ihr war Bergmann der Einzige, der vom Beziehungsaus mit Paul wusste. Wenngleich sie ihm den wahren Grund dafür wohlweislich verschwiegen hatte. Paul musste selbst entscheiden, wann er sich outete und zu seiner sexuellen Neuorientierung stand. Nur Andrea war eingeweiht. Aber die konnte schweigen wie ein Grab, wusste Sandra aus langjähriger Erfahrung.
Mit einem Nicken bestätigte sie Bergmann, dass sie fror, ohne ihn anzuschauen. Dabei sah er in seinem hellen Anzug gar nicht mal so übel aus. Hätte er dazu noch eine Krawatte oder Fliege getragen, wäre er glatt als Bräutigam durchgegangen. Anstatt der üblichen Sneakers hatte er beige Mokassins aus Sämischleder an. Sogar seine Haare, die sonst wirr in alle Himmelsrichtungen standen, hatte er irgendwie gebändigt. Nur sein Dreitagebart war stehengeblieben. Aber der gehörte nun einmal zu Bergmann wie das Amen zum Gebet. Ohne die teilweise ergrauten Stoppeln im Gesicht fühlte er sich nackt, hatte er Sandra kürzlich verraten, als sie sich für ihren Geschmack viel zu nahe gekommen waren. Beim bloßen Gedanken daran wurde ihr heiß. Im nächsten Augenblick lief es ihr leider schon wieder kalt über den Rücken. In einem schwachen Moment hatte sie sich nach der schmerzlichen Trennung von Paul ausgerechnet bei Bergmann ausgeheult. Stundenlang hatte er sie getröstet, bis sie schließlich betrunken und erschöpft in seinem Bett gelandet war. Wohlgemerkt ohne ihn. Dass der Chefinspektor diese Situation wider Erwarten nicht ausgenutzt hatte, rechnete sie ihm insgeheim hoch an. In jener Nacht wäre sie womöglich verzweifelt und alkoholisiert genug gewesen, um mit ihm zu schlafen. Eine Vorstellung, die ihr, in nüchternem Zustand betrachtet, schier unerträglich erschien.
»Julius Matthias Czerny«, drang die Stimme des Pfarrers an ihre Ohren, »so frage ich dich nun vor Gottes Angesicht ...«
Bloß jetzt nicht wieder heulen, betete Sandra und schluckte die aufsteigenden Tränen hinunter. Die Gesamtsituation machte ihr nun doch deutlich mehr zu schaffen, als sie befürchtet hatte. Hochzeiten waren ja an sich schon eine hochemotionale Angelegenheit, die sie leicht zu Tränen rührte, umso mehr diese hier. Noch dazu, wo die schmerzliche Trennung von Paul keine vier Wochen zurücklag.
»Willst du die anwesende Elisabeth Maria Schöffmann zu deiner Ehefrau nehmen?«, fuhr der Pfarrer fort. »Willst du sie lieben, achten und ehren, ihr die Treue halten in guten wie in schlechten Zeiten, in Gesundheit und Krankheit, bis dass der Tod euch scheidet?«
»Ja«, hallte Julius' sonore Stimme, in die sich Sandra damals auf Anhieb verliebt hatte, durch das blumengeschmückte Kirchenschiff.
Verstohlen wischte sie sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Sie hätte schwören können, dass nicht einmal Bergmann es bemerkt hatte, als er ihr plötzlich ein Taschentuch reichte.
2.
Draußen hatte die Temperatur weiter zugelegt. Noch ehe Sandra an der Reihe war, dem Brautpaar vor dem Kirchenportal zu gratulieren, hatte sich ihre Gänsehaut verflüchtigt. Die offiziellen Fotos der Hochzeitsgesellschaft waren inzwischen im Kasten. Wie erwartet schwirrten auch einige Societyreporter auf dem Mariahilferplatz herum, die in ihren Klatsch- und Tratschbeiträgen über die sogenannte Promihochzeit berichten würden.
Erst vor wenigen Wochen hatte Julius ein Buch über seinen Skiunfall, die langwierigen Therapien in der Rehaklinik Tobelbad und sein neues Leben als Querschnittgelähmter veröffentlicht und damit einige mediale Aufmerksamkeit geerntet. Immerhin hatte er es sogar in die Top Ten der Sachbuch-Bestellerliste geschafft. Unter anderem war er als Stargast im Frühstücksfernsehen und in Talkshows aufgetreten, um seine Biografie und sich selbst zu promoten. Aber auch, um sich als Rollstuhlfahrer für Barrierefreiheit im öffentlichen Raum einzusetzen und bestehende Missstände anzuprangern.
Sandra freute sich von Herzen, dass Julius die schwierigste Zeit überstanden hatte und trotz des Schicksalsschlags wieder zuversichtlich in die Zukunft blickte. Was für eine schöne Kulisse zum Heiraten, dachte sie, die Augen auf den Grazer Uhrturm gerichtet, der sich hoch oben auf dem Schloßberg über der Altstadt vor makellos blauem Himmel präsentierte, während unten die Schreie der Mauersegler durch die Gassen hallten. Sandra liebte die schrillen lang gezogenen Töne, die von den Hausmauern reflektiert wurden, waren sie doch ein untrügliches Zeichen, dass der Sommer endgültig in der Murmetropole eingezogen war. Dabei hatte man in den ersten beiden Aprilwochen noch bezweifeln dürfen, dass der Frühling jemals wiederkehren würde, so bitterkalt war es gewesen. Doch dann war der Winter von einem Tag auf den anderen in den Frühsommer übergegangen. Nahezu alle Blüten waren gleichzeitig explodiert und nicht wie gewöhnlich nach und nach.
Einem der umstehenden Fotografen fiel ihr glückseliges Lächeln auf. Schwups, war seine Kamera auf sie und ihren Begleiter gerichtet, der neben ihr in der Schlange der Gratulanten wartete. Prompt fühlte sich Bergmann bemüßigt, ihre Taille zu umfassen und in die Kamera zu grinsen, bis sie endlich an der Reihe waren, das Brautpaar zu beglückwünschen.
Julius musterte Sandra eindringlich, als sie sich zu ihm herabbeugte, um ihn auf die Wangen zu küssen. »Schön, dass du es zu unserer Hochzeit geschafft hast«, sagte er mit einem herzlichen Lächeln.
Dass sie an seinem Festtag Bereitschaftsdienst hatte, wollte sie ihm lieber nicht auf die Nase binden und damit womöglich seine Freude trüben. Viel zu oft hatte sie die gemeinsamen Freizeitpläne dem Beruf geopfert, was immer wieder zu Streitereien zwischen ihnen geführt hatte. »Alles Gute, mein Lieber! Ich freu mich ja so für dich«, antwortete sie ebenso strahlend. »Was für ein schönes, glückliches Paar ihr zwei doch abgebt ...«
»Ihr beiden aber auch«, schmunzelte Julius, der einige Querelen zwischen ihr und Bergmann mitbekommen hatte. Wie oft hatte sie sich bei ihrem Freund über den ungehobelten, arroganten Chefinspektor und seine sexistischen Witze beschwert. Jetzt hielt Julius sie und Bergmann offenbar auch privat für ein Paar. Oder versuchte er, durch seine Provokation nur herauszufinden, ob sie eines waren? Dass sich der Reporter stets von seiner Neugierde leiten ließ und nichts, aber auch rein gar nichts für sich behalten konnte, hatte Sandra einmal fast ein Disziplinarverfahren beschert und ihre Liebesbeziehung von Anfang an belastet.
Noch ehe sie gegen Julius' Anspielung protestieren konnte, bedankte sich Bergmann für das Kompliment und gratulierte ihm zu seiner jungen hübschen Braut, der sich Sandra nunmehr zuwandte, um auch sie zu beglückwünschen.
Der Klingelton irritierte Sandra. Eindeutig war es Bergmanns Handy, das da hinter ihrem Rücken läutete.
Kurz angebunden schüttelte auch er der Frischvermählten die Hand. »Glückwunsch! Entschuldigung, ein Notfall«, sagte er und wandte sich ab, um einige Schritte abseits den Anruf entgegenzunehmen.
Die Braut sah dem ihr unbekannten Mann verdutzt hinterher. »Ist Ihr Mann Arzt?«, fragte Elisabeth Maria Schöffmann-Czerny vulgo Lisa.
Julius kam Sandras Antwort zuvor. »Aber nein, Lisa. Er ist Chefinspektor beim Landeskriminalamt Steiermark, genauer gesagt, bei der Mordgruppe«, erklärte er seiner Holden, die prompt bestürzt reagierte.
»Mord? Um Gottes willen ... Doch nicht an unserem Hochzeitstag!«, beschwerte sich Lisa mit spitzer Stimme, was die Aufmerksamkeit einiger Gäste auf sich zog.
»Hoffentlich nicht«, entgegnete Sandra und verabschiedete sich. »Tut mir leid«, fügte sie in Richtung Julius hinzu, ehe sie sich nach Bergmann umwandte. Was ihr Exfreund zu ihrem frühzeitigen Aufbruch sagte, nahm sie nicht mehr wahr. Höchstwahrscheinlich war das auch besser so. Ohnehin glaubte sie, seine anklagenden Blicke auf ihrem Rücken zu spüren, auch wenn sie sich das vor lauter schlechtem Gewissen nur einbildete. Es geht doch nichts über eingefahrene Beziehungsmuster, dachte sie, während sie Bergmann auf ihren hohen Absätzen mühsam hinterherstöckelte. Erst an der nächsten Kreuzung holte sie ihn ein.
»Wie? Eisenstraße, na gut ... Aber Polster? Was denn für ein Polster?«, fragte er den Anrufer. »Geht's auch ein bissl konkreter, Lubensky? Oder meinst du gar den Toni?« Bergmann lachte über seine Assoziation mit dem ehemaligen österreichischen Fußballspieler, während Sandra das eigentliche Missverständnis viel witziger fand. Im Gegensatz zum Chefinspektor aus Wien war der gebürtigen Obersteirerin nämlich auf Anhieb klar, was der Anrufer aus der Einsatzzentrale mit dem »Polster« meinte. Angesichts der mutmaßlichen Todesmeldung verkniff sie sich jedoch das Lachen.
»Ein Berg, ach so ... Warum sagst du denn das nicht gleich? ... Ja, jetzt hab ich es verstanden, Einser-Sessellift vom Präbichl auf den Polster«, wiederholte Bergmann Lubenskys Erläuterungen und sah Sandra fragend an.
Die nickte wissend und konnte ein Schmunzeln nicht länger unterdrücken.
Bergmann beendete das Telefongespräch und hielt inne. »Du weißt, wo wir hinmüssen?«, vergewisserte er sich.
»Ja sicher, ich kenn mich aus«, bestätigte Sandra.
»Eh klar. Wie immer ... Der Dienstwagen steht in deiner Garage?«
Warum sonst war Bergmann schnurstracks in Richtung Lendplatz gehetzt, wenn er den Wagen woanders vermutete? »Eh klar. Wie immer ...«, wiederholte Sandra seine letzte Bemerkung.
»Worauf wartest du noch?« Bergmann beschleunigte seine Schritte wieder.
»Hast du was dagegen, wenn ich einen Sprung in meine Wohnung mache und mich rasch umziehe?«
»Ja, das habe ich«, antwortete er mit ernster Miene.
»Haben wir es denn so eilig?«, wunderte sich Sandra.
»Das nicht. Tot ist tot. Aber du gefällst mir in diesem hinreißenden Kleid wesentlich besser als in deinem praktischen Alltagsgewand.«
Gewiss ließen sich die wenigen Male, die Bergmann sie in einem Rock oder Kleid, geschweige denn mit hohen Absätzen gesehen hatte, an einer Hand abzählen. Zwar verbarg die verspiegelte Sonnenbrille seine Augen, Dennoch fühlte sich Sandra einmal mehr von seinen anzüglichen Blicken ausgezogen. »Deswegen fahre ich aber trotzdem nicht in diesem Aufzug zu einem Einsatz in die Berge. Schon gar nicht mit den Schuhen.« Just im selben Moment knickte sie um und konnte sich nur durch einen blitzschnellen Griff nach seinem Arm vor einem gröberen Missgeschick mit möglicherweise schmerzhaften Folgen retten.
»Na gut, meinetwegen zieh dich halt um. Aber beeil dich«, erwiderte Bergmann gnädig. »Ewig schade ...«, murmelte er noch in seinen Dreitagebart, als Sandra seinen Arm wieder losließ.
»Willst du mir nicht erzählen, welcher Einsatz uns erwartet?«, kam sie zur Sache.
»Ein Fall für dich ...«
»Für mich? Wieso das denn?«
»Eine unbekannte männliche Leiche, splitterfasernackt auf dem Polster-Sessellift.«
»Wie bitte?«
»Du hast richtig gehört. Mehr weiß ich auch noch nicht.«
»Kommst du mit hinauf oder wartest du vor der Garagenausfahrt?«, fragte Sandra, als sie die Haustür aufsperrte.
Bergmann rückte seine Sonnenbrille auf die Nasenspitze und sah sie über den Metallrahmen hinweg an. »Wäre da nicht dieser neue Mordfall, würde ich dich liebend gern in deine Wohnung begleiten.« Sein Blick sollte ihr wohl verdeutlichen, dass es, ging es nach ihm, nicht bei der Begleitung allein bleiben würde.
Genervt verdrehte Sandra die Augen. »Bis gleich, Sascha«, sagte sie und warf ihm die Tür vor der Nase zu. Eine unbekannte männliche Leiche, splitterfasernackt auf dem Polster-Sessellift, wiederholte sie seine Worte in Gedanken, während sie auf den Aufzugknopf drückte. Wie kam Bergmann eigentlich auf die unverschämte Idee, dass dies ein Fall für sie war?
KAPITEL 2
Immer noch Samstag, 17. Mai, Steirische Eisenstraße
1.
Sandra nahm die Autobahnausfahrt Traboch, um auf die Eisen-Bundesstraße zu gelangen, die sie wenig später an Trofaiach vorbeiführte.
»Sag mal, spürst du das auch?«, fragte Bergmann, kaum dass sie das neu erbaute Schubhaftzentrum Vordernberg hinter sich gelassen hatten.
Bislang war der Chefinspektor mit seinem Smartphone beschäftigt gewesen und hatte fast die ganze Fahrt über geschwiegen, was Sandra nur recht war. Wenigstens konnte sie den eigenen Gedanken nachhängen, die sich weniger um den toten Mann auf dem Sessellift als vielmehr um die lebenden Männer drehten, mit denen sie einfach kein Glück hatte. »Und was genau sollte ich bitte spüren?«, fragte sie zurück.
»Diese Gegend hat so etwas Beklemmendes, Morbides. Selbst bei einem solchen Kaiserwetter.« Im Vorbeifahren betrachtete Bergmann das halb verfallene Fabrikgebäude, auf dessen Dach neben einigem Unkraut eine junge Birke in den wolkenlosen Himmel ragte.
»Na ja, die Eisenstraße ist schon ganz besonders geschichts- und schicksalsträchtig. Vielleicht spürst du ja das harte, karge Leben deiner Namensvettern von anno dazumal«, witzelte Sandra.
»Du meinst die Bergmänner, die das Eisenerz abgebaut haben?«
Sandra nickte. Vor ihnen tauchte das Viadukt auf, auf dem dereinst die Erzbergbahn verkehrte, um das Erz vom Erzberg zu den Hochöfen nach Vordernberg und Donawitz bei Leoben zu transportieren. Dass der Betrieb der steilsten Normalspurbahn in Europa eingestellt worden war, hatte sie neulich in einem Fernsehbericht mitbekommen. Dem Verein ihrer Anhänger war es bislang nicht gelungen, das nötige Geld aufzubringen, um das Teilstück, das die ÖBB verkaufen wollte, zu erwerben und das historische Kleinod als Museumsbahn weiter zu betreiben.
»O ja, ich kann es fühlen.« Bergmann fasste sich an die Brust. »Den Schweiß, das Blut und die Tränen, die über die Jahrhunderte hinweg beim Erzabbau vergossen wurden«, meinte er theatralisch.
»Seit wann bist du so sensibel und nimmst derlei energetische Schwingungen wahr?«, fragte Sandra, als sie am menschenleeren Hauptplatz der Marktgemeinde Vordernberg vorbeifuhren. Nicht alle historischen Relikte der Eisenstraße waren so gut erhalten wie die schwarze Dampflok direkt vor dem Gasthof »Zum Radmeister«, die wie frisch poliert in der Sonne glänzte. Als eindrucksvolles Schaustück zeugte sie ebenso von der einstmals bedeutenden Vergangenheit dieses Ortes in der Roheisenproduktion wie die alten Radwerke, Hochöfen und andere längst stillgelegte Industriebauten.
»Ich bin nun mal ein hochsensibler Typ«, scherzte Bergmann.
Zumindest glaubte Sandra, dass es sich nur um einen Witz handeln konnte, und lachte hell auf.
»Liegt wohl an meinem Sternzeichen«, erklärte er ungerührt. »Wassermann, vom Geruch her aber schon Fisch.« Noch immer verzog er keine Miene.
Sandra musste neuerlich lachen. »Wenn du mir jetzt auch noch mit Horoskopen und Sterndeuterei kommst, kannst du dir eine neue Partnerin suchen«, drohte sie ihm nicht ganz ernst gemeint. »Oder spielst du etwa auf die Sage vom Wassermann an?«
»Hm?« Bergmann sah sie verständnislos an.
»Der Sage nach ist das Eisenerz im Erzberg einem Wassermann zu verdanken«, erklärte ihm Sandra, was in der Steiermark jeder Volksschüler wusste.
»Soso. Einem Wassermann.« Bergmann wischte mit der Hand vor seinem Gesicht herum, um klarzustellen, was er von dieser Theorie hielt.
»Vor langer, langer Zeit sollen die Leute in der Nähe des Leopoldsteiner Sees einen Wassermann gefangen haben«, fuhr Sandra unbeirrt fort. »Für seine Freilassung hat er ihnen Gold für zehn Jahre, Silber für 100 Jahre oder Eisenerz für immerdar versprochen. Wofür sie sich entschieden haben, ist hinlänglich bekannt. Leider ist die steirische Erzindustrie trotz dieses Versprechens im Lauf der letzten Jahrzehnte den Bach runtergegangen.«
»Dann hat der alte Wassermann wohl zu einer Notlüge gegriffen, um freizukommen«, meinte Bergmann grinsend.
»Oder er hat nichts vom internationalen Rohstoffmarkt in einer globalisierten, technologisierten Welt geahnt, der dem steirischen Erz enorme Umsatzeinbußen bescheren und Tausende Arbeitsplätze vernichten würde. Die Region ist von massiver Abwanderung geprägt. Die meisten jungen Leute ziehen von hier weg und suchen ihr Glück woanders.«
»Wie man allerorts deutlich sehen kann«, kommentierte Bergmann ein weiteres leer stehendes Gasthaus, an dem sie eben vorbeifuhren.
»Eisenerz bietet ein ähnlich trauriges Bild. Dabei war das einmal eine stolze Industriestadt mit gut dreimal so vielen Einwohnern wie heute. Das Leben war wie in allen anderen einstmals florierenden Orten entlang der Eisenstraße über ein Jahrtausend lang vom Erzberg geprägt. Dass dieser so viele Leute in der Region, aber auch außerhalb ernährte, hat ihn im Volksmund den Namen ›steirischer Brotlaib‹ eingetragen. Heute leben überwiegend ältere Semester in Eisenerz. Nicht umsonst trägt die Stadt den Titel der ältesten in Österreich. Die meiste Zeit über ist sie wie ausgestorben. Viele Geschäfte und Lokale stehen leer und hinterlassen einen ziemlich trostlosen Eindruck, obwohl gerade der Stadtkern mit einigen Baujuwelen in tadellosem Zustand aufwarten kann. Nur ein paar Tage im Jahr kehrt Leben ein, und das Durchschnittsalter sinkt drastisch. Etwa, wenn die waghalsigsten Motorrad-Offroad-Fahrer aus aller Herren Länder zum Erzbergrodeo anreisen, um auf ihren Enduro-Maschinen die staubigen, bei Regenwetter gatschigen Stufen des Erzberges zu erklimmen, und Zigtausende Zuschauer anlocken. Dann ist hier die Hölle los. Oder auch beim alljährlichen Erzberglauf. Dort wollte ich eigentlich auch schon längst einmal mitlaufen. Vielleicht mache ich das ja im Sommer ...«
»Und was ist sonst mit Tourismus?«
»Kaum vorhanden. Vorwiegend kommen Tagesgäste, die den Erzberg mit seinem Schaubergwerk, die historischen Relikte an der Eisenstraße oder den idyllischen Leopoldsteiner See besuchen.« Sandra kramte in ihrer Erinnerung, ehe sie fortfuhr. »Fährt man die Eisenstraße noch ein Stück weiter, befindet man sich mitten im Nationalpark Gesäuse. Der ist nicht nur bei Bergwanderern und Kletterern äußerst beliebt, sondern auch bei Wildwassersportlern, die sich in der Enns und der Salza austoben können. Am anderen Ende des Gesäuses, nur wenige Kilometer weiter, steht das Benediktinerstift Admont mit der weltgrößten Klosterbibliothek«, zählte Sandra jene Plätze auf, die sie selbst schon besucht hatte.
»Du solltest dich beim Tourismusverband bewerben.«
»Du hast mich doch gefragt ...«
»Und was ist mit unserem Einsatzort, dem Präbichl? Ein bisschen was hab ich ja schon im Internet recherchiert.«
»Na, dann weißt du höchstwahrscheinlich, dass der Präbichl im Winter Skifahrer, im Sommer Wanderer und Bergsteiger anlockt, hauptsächlich welche aus der Umgebung. Es gibt nämlich viel zu wenig Gästebetten in der Region, auch wenn vor einigen Jahren ein größeres Spa-Hotel in Leoben eröffnet hat. Aber das ist ja auch eine Dreiviertelstunde weit weg.«
Bergmann streckte seinen Rücken durch. »Gegen Sauna mit anschließender Massage hätte ich jetzt nichts einzuwenden.«
»Träum weiter, Sascha.«
»Müssten wir nicht bald da sein?« Bergmann gähnte, ohne sich die Hand vor den Mund zu halten.
»In fünf Minuten, schätze ich.«
© Gmeiner
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Autoren-Porträt von Claudia Rossbacher
Claudia Rossbacher, geboren in Wien, zog es nach ihrem Tourismusmanagementstudium in die Modemetropolen der Welt, wo sie als Model im Scheinwerferlicht stand. Danach war sie Texterin, später Kreativdirektorin in internationalen Werbeagenturen. Seit 2006 arbeitet sie als freie Schriftstellerin in Wien und in der Steiermark und schreibt vorwiegend Kriminalromane und Kurzkrimis. Ihre Steirerkrimis mit den LKA-Ermittlern Sandra Mohr und Sascha Bergmann waren allesamt Bestseller in Österreich. »Steirerblut« und »Steirerkind« wurden unter der Regie von Wolfgang Murnberger für ARD und ORF verfilmt, »Steirerkreuz« - ausgezeichnet als österreichischer »Buchliebling 2014« - soll demnächst folgen. www.claudia-rossbacher.com
Autoren-Interview mit Claudia Rossbacher
Interview Claudia Rossbacher Steirerpakt1. Haben Sie bei den Recherchen zu „Steirerpakt" auch wieder eine Zeit vor Ort, in diesem Fall an der Eisenstraße, verbracht? Was ist ihr Eindruck von dieser Gegend?
Auch für meinen siebten Steirerkrimi habe ich wieder vor Ort recherchiert. Mit dem historischen Einser-Sessellift, auf dem die erste Leiche in „Steirerpakt" gefunden wird, konnte ich selbst allerdings nicht mehr auf den Polster hinauffahren. Trotz massiver Proteste einer Bürgerinitiative wurde nämlich der Betrieb des Polsterlifts nach fast 70 Jahren im April 2016 endgültig eingestellt. Einer der getreuen Liftanhänger konnte mir aber alle meine diesbezüglichen Fragen beantworten.
Was freilich allerorts sichtbar ist, sind die Spuren des Niedergangs der Erzindustrie und die damit verbundene Abwanderung aus den einstmals florierenden Orten an der Eisenstraße. Dennoch habe ich auch diesen Funken Hoffnung gespürt, dass es mit der Region in absehbarer Zeit wieder aufwärts gehen könnte. Dafür setzen sich nicht nur eine Reihe kultureller und sportlicher Initiativen am und rund um den Erzberg ein. Vor allem das „Zentrum am Berg" der Montanuniversität Leoben, das gerade gebaut wird, soll als europaweit einzigartige Forschungsstätte künftig auch die Wirtschaft der Region wiederbeleben.
2. Die Leiche in ihrem neuen Buch wird in einem Skilift gefunden. Sind Sie selbst ein Wintersport-Fan? Wenn ja, haben Sie eine Lieblingsregion dafür?
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Passiv würde ich mich durchaus als Wintersport-Fan, vor allem der ÖSV Ski Alpin-Teams, bezeichnen. Aktive Skifahrerin bin ich seit meiner letzten Knieverletzung nach einem Skiunfall aber kaum noch. Lieber spiele ich Tennis, im Winter in der Halle, aber noch viel lieber und häufiger in den wärmeren Jahreszeiten im Freien.
3. Steht bereits die Region für den nächsten Fall fest?
Der achte Fall wird Sandra Mohr und Sascha Bergmann ins Thermenland führen. Mein erster Recherche-Aufenthalt vor Ort war bestimmt um einiges entspannter, als es der neue Fall für die beiden LKA-Ermittler werden wird.
4. Sie sind früher in Ihrer Zeit als Model viel verreist und haben die Metropolen der Welt kennengelernt. Inzwischen sind Sie sesshaft in der ländlichen Steiermark geworden. Fehlt Ihnen das Jetset-Leben nicht manchmal?
Nein, denn mein sogenanntes Jetset-Leben ist ja nicht zu Ende. Es haben sich lediglich die Destinationen und Umstände geändert. Bin ich früher als Model nach Paris, Mailand oder Tokio geflogen, so „jette" ich heute als Schriftstellerin etwa zu einer Jurysitzung nach Dortmund, zu den großen Buchmessen in Frankfurt und Leipzig oder auch zu meinen zahlreichen Lesungen und Medienauftritten, die mich vor allem österreichweit auf Trab halten. Umso mehr genieße ich dann wieder das Landleben in der Steiermark, das mir auch die nötige Ruhe zum Schreiben schenkt.
5. Ostern steht wieder vor der Tür. Wie läuft bei Ihnen ein klassischer Ostersonntag ab? Und was wird auf der Ostertafel zu finden sein?
Ostern feiern wir in der Steiermark traditionell schon am Karsamstag, wenn Osterbrot, Schinken, Würstel, Kren und Eier in einem Korb, bedeckt mit einem bestickten Tuch, vormittags zur „Fleischweihe" gebracht werden. Die Segnung unsere Speisen findet in einer kleinen Kapelle mitten im Wald statt. Am Nachmittag gibt's dann die Osterjause. Abends besuchen wir einen Buschenschank an der Schilcher Weinstraße, der alljährlich ein Osterfeuer entzündet. Den Sonntag verbringen wir, je nach Lust, Laune und Wetter, entweder gemütlich zu Hause und essen weiter an unserer Osterjause, oder wir spazieren durch den Wald in eines der Wirtshäuser am Reinischkogel.
Passiv würde ich mich durchaus als Wintersport-Fan, vor allem der ÖSV Ski Alpin-Teams, bezeichnen. Aktive Skifahrerin bin ich seit meiner letzten Knieverletzung nach einem Skiunfall aber kaum noch. Lieber spiele ich Tennis, im Winter in der Halle, aber noch viel lieber und häufiger in den wärmeren Jahreszeiten im Freien.
3. Steht bereits die Region für den nächsten Fall fest?
Der achte Fall wird Sandra Mohr und Sascha Bergmann ins Thermenland führen. Mein erster Recherche-Aufenthalt vor Ort war bestimmt um einiges entspannter, als es der neue Fall für die beiden LKA-Ermittler werden wird.
4. Sie sind früher in Ihrer Zeit als Model viel verreist und haben die Metropolen der Welt kennengelernt. Inzwischen sind Sie sesshaft in der ländlichen Steiermark geworden. Fehlt Ihnen das Jetset-Leben nicht manchmal?
Nein, denn mein sogenanntes Jetset-Leben ist ja nicht zu Ende. Es haben sich lediglich die Destinationen und Umstände geändert. Bin ich früher als Model nach Paris, Mailand oder Tokio geflogen, so „jette" ich heute als Schriftstellerin etwa zu einer Jurysitzung nach Dortmund, zu den großen Buchmessen in Frankfurt und Leipzig oder auch zu meinen zahlreichen Lesungen und Medienauftritten, die mich vor allem österreichweit auf Trab halten. Umso mehr genieße ich dann wieder das Landleben in der Steiermark, das mir auch die nötige Ruhe zum Schreiben schenkt.
5. Ostern steht wieder vor der Tür. Wie läuft bei Ihnen ein klassischer Ostersonntag ab? Und was wird auf der Ostertafel zu finden sein?
Ostern feiern wir in der Steiermark traditionell schon am Karsamstag, wenn Osterbrot, Schinken, Würstel, Kren und Eier in einem Korb, bedeckt mit einem bestickten Tuch, vormittags zur „Fleischweihe" gebracht werden. Die Segnung unsere Speisen findet in einer kleinen Kapelle mitten im Wald statt. Am Nachmittag gibt's dann die Osterjause. Abends besuchen wir einen Buschenschank an der Schilcher Weinstraße, der alljährlich ein Osterfeuer entzündet. Den Sonntag verbringen wir, je nach Lust, Laune und Wetter, entweder gemütlich zu Hause und essen weiter an unserer Osterjause, oder wir spazieren durch den Wald in eines der Wirtshäuser am Reinischkogel.
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Bibliographische Angaben
- Autor: Claudia Rossbacher
- 2017, 3. Aufl., 313 Seiten, Maße: 13,1 x 20,8 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Gmeiner-Verlag
- ISBN-10: 3839220440
- ISBN-13: 9783839220443
- Erscheinungsdatum: 02.02.2017
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