Sterbenskalt / Mordkommission Dublin Bd.3
Kriminalroman (Der dritte Fall)
Frank Mackey, Undercover-Ermittler, wollte einst mit Freundin Rosie "durchbrennen". Doch die ist einfach ohne ihn verschwunden. In einem Abbruchhaus findet man nach über 20 Jahren Rosies gepackten Koffer. Was ist damals wirklich passiert?
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Produktinformationen zu „Sterbenskalt / Mordkommission Dublin Bd.3 “
Frank Mackey, Undercover-Ermittler, wollte einst mit Freundin Rosie "durchbrennen". Doch die ist einfach ohne ihn verschwunden. In einem Abbruchhaus findet man nach über 20 Jahren Rosies gepackten Koffer. Was ist damals wirklich passiert?
Klappentext zu „Sterbenskalt / Mordkommission Dublin Bd.3 “
Du kannst nicht fliehen aus Faithful PlaceFrank Mackey, Undercover-Ermittler, hat seine Familie seit 22 Jahren nicht gesehen. Die vier Geschwister, den trinkenden, gewalttätigen Vater, die ruppige Mutter. Er wollte der Armut und Perspektivlosigkeit seines Viertels für immer entfliehen - zusammen mit seiner ersten großen Liebe Rosie. Doch die hatte ihn versetzt und war allein nach England aufgebrochen, so hat Frank es jedenfalls immer gedacht. Bis Rosies Koffer und ihre Fährtickets in dem alten Abbruchhaus in der Straße seiner Kindheit gefunden werden. Frank muss zurück nach Faithful Place - und feststellen, dass er diesen dunklen Ort immer in sich getragen hat.
Lese-Probe zu „Sterbenskalt / Mordkommission Dublin Bd.3 “
Sterbenskalt von Tana FrenchProlog
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IM GESAMTEN LEBEN ZÄHLEN nur einige wenige Augenblicke. Meistens merkt man das erst im Nachhinein, wenn sie längst an einem vorbeigezischt sind: der Augenblick, in dem du beschlossen hast, das Mädchen anzusprechen, vor der unübersichtlichen Kurve abzubremsen, doch noch das Kondom hervorzuholen. Ich hatte Glück, könnte man wohl sagen. Ich bekam einen meiner entscheidenden Augenblicke voll und ganz mit und erkannte ihn als solchen. Ja, ich spürte den reißenden Sog meines Lebens um mich herumwirbeln, als ich in einer dunklen Winternacht oben am Faithful Place stand und wartete.
Ich war neunzehn, alt genug, um es mit der Welt aufzunehmen, und jung genug, um zig Dummheiten auf einmal zu machen, und sobald meine Brüder in jener Nacht fest eingeschlafen waren, schnallte ich meinen Rucksack um und schlich mit meinen Doc-Martens-Schuhen in der Hand aus unserem Zimmer. Ein Dielenbrett knarrte, und im Mädchenzimmer murmelte eine meiner Schwestern im Schlaf, doch ich war in jener Nacht unbesiegbar, ritt hoch auf der wogenden Brandung, nicht mehr aufzuhalten. Meine Eltern drehten sich auf der Ausziehcouch im Wohnzimmer nicht mal um, als ich so nah an ihnen vorbeischlich, dass ich sie hätte berühren können. Das Feuer im Ofen war zu einer säuselnden roten Glut heruntergebrannt. Im Rucksack befand sich alles Wichtige, was ich besaß: Jeans, T-Shirts, ein Transistorradio, das ich gebraucht gekauft hatte, hundert Pfund und meine Geburtsurkunde. Mehr brauchte man damals nicht, um rüber nach England zu fahren. Rosie hatte die Fahrkarten für die Fähre.
Ich wartete im Schatten oben an der Straße auf sie, am Rande des matten gelben Lichtkreises unter der Straßenlampe. Die Luft war kalt wie Glas, mit einem würzig rauchigen Hopfenduft von der Guinness-Brauerei. Ich trug drei Paar Socken in den Docs, und ich stopfte die Hände tief in die Taschen meines deutschen Armeeparkas und lauschte ein letztes Mal meiner Straße, die lebendig in der langsamen Strömung der Nacht trieb. Eine Frau lachte, Na, na, das hättest du wohl gern, ein Fenster wurde zugeknallt. Eine Ratte huschte an einer Mauer entlang, ein Mann hustete, ein Fahrrad zischte um die Ecke. Mad Johnny Malone redete in der Kellerwohnung von Nummer 14 mit einem tiefen zornigen Grollen im Schlaf. Ein Liebespaar irgendwo, gedämpftes Wimmern, Bumsgeräusche, und ich dachte an den Geruch von Rosies Hals und grinste zum Himmel hinauf. Ich hörte die Glocken der Stadt Mitternacht schlagen, Christ Church, St Pat, St Michan, wuchtige, runde Klänge, die vom Himmel herabfielen wie eine Feier, unser eigenes geheimes Neujahr einläuteten.
Als sie eins schlugen, hatte ich Angst. Eine Spur aus leisem Rascheln und Stampfen durch die Gärten, und ich machte mich bereit, doch sie kam nicht über die letzte Mauer geklettert. Wahrscheinlich schlich da jemand mit schlechtem Gewissen zu spät nach Hause, stieg durch ein Fenster. In Nummer 7 brüllte Sallie Hearnes jüngster Nachwuchs los, ein dünnes, hoffnungsloses Heulen, bis sie sich aus dem Schlaf quälte und ihm etwas vorsang. I know where I'm going ... Painted rooms are bonny ...
Als die Glocken zwei schlugen, wurde mir das Missverständnis schlagartig klar, traf mich wie eine Ohrfeige. Sie katapultierte mich geradewegs über die Mauer in den Garten von Nummer 16, schon vor meiner Geburt verwahrlost und von uns Kindern trotz der schrecklichen Warnungen in Beschlag genommen, übersät mit Bierdosen und Zigarettenkippen und so mancher verlorenen Unschuld. Ich sprang die morsche Treppe hoch, immer vier Stufen auf einmal, ohne mich drum zu scheren, wer es hörte. Ich war mir so sicher, ich sah sie schon vor mir, zornige kupferrote Locken und Fäuste in die Hüften gestemmt, Verdammt nochmal, wo bleibst du denn?
Geborstene Dielenbretter, Löcher im Putz, Schutt und kalte dunkle Zugluft und keine Menschenseele. Im oberen Wohnzimmer fand ich den Brief, bloß ein Blatt, aus einem Schulheft gerissen. Es lag auf dem nackten Fußboden, flatterte in dem bleichen Rechteck aus Licht, das durch das zerbrochene Fenster fiel, und sah aus, als hätte es dort schon seit hundert Jahren gelegen. In diesem Moment spürte ich, wie sich der reißende Sog veränderte, blitzschnell eine tödliche Wendung vollzog, viel zu stark, um dagegen anzukämpfen, und nicht mehr auf meiner Seite.
Ich nahm den Brief nicht mit. Als ich Nummer 16 wieder verließ, kannte ich ihn auswendig und würde den Rest meines Lebens versuchen zu glauben, was drinstand. Ich ließ ihn liegen und ging zurück ans Ende der Straße. Ich wartete dort im Schatten, beobachtete die Dampfwolken, die mein Atem im Laternenlicht aufsteigen ließ, während die Glocken drei und vier und fünf schlugen. Die Nacht verblasste zu einem dünnen, traurigen Grau, und ein Milchkarren kam um die Ecke, rumpelte übers Kopfsteinpflaster in Richtung Molkerei, und ich wartete noch immer auf Rosie Daly oben am Faithful Place.
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2012
IM GESAMTEN LEBEN ZÄHLEN nur einige wenige Augenblicke. Meistens merkt man das erst im Nachhinein, wenn sie längst an einem vorbeigezischt sind: der Augenblick, in dem du beschlossen hast, das Mädchen anzusprechen, vor der unübersichtlichen Kurve abzubremsen, doch noch das Kondom hervorzuholen. Ich hatte Glück, könnte man wohl sagen. Ich bekam einen meiner entscheidenden Augenblicke voll und ganz mit und erkannte ihn als solchen. Ja, ich spürte den reißenden Sog meines Lebens um mich herumwirbeln, als ich in einer dunklen Winternacht oben am Faithful Place stand und wartete.
Ich war neunzehn, alt genug, um es mit der Welt aufzunehmen, und jung genug, um zig Dummheiten auf einmal zu machen, und sobald meine Brüder in jener Nacht fest eingeschlafen waren, schnallte ich meinen Rucksack um und schlich mit meinen Doc-Martens-Schuhen in der Hand aus unserem Zimmer. Ein Dielenbrett knarrte, und im Mädchenzimmer murmelte eine meiner Schwestern im Schlaf, doch ich war in jener Nacht unbesiegbar, ritt hoch auf der wogenden Brandung, nicht mehr aufzuhalten. Meine Eltern drehten sich auf der Ausziehcouch im Wohnzimmer nicht mal um, als ich so nah an ihnen vorbeischlich, dass ich sie hätte berühren können. Das Feuer im Ofen war zu einer säuselnden roten Glut heruntergebrannt. Im Rucksack befand sich alles Wichtige, was ich besaß: Jeans, T-Shirts, ein Transistorradio, das ich gebraucht gekauft hatte, hundert Pfund und meine Geburtsurkunde. Mehr brauchte man damals nicht, um rüber nach England zu fahren. Rosie hatte die Fahrkarten für die Fähre.
Ich wartete im Schatten oben an der Straße auf sie, am Rande des matten gelben Lichtkreises unter der Straßenlampe. Die Luft war kalt wie Glas, mit einem würzig rauchigen Hopfenduft von der Guinness-Brauerei. Ich trug drei Paar Socken in den Docs, und ich stopfte die Hände tief in die Taschen meines deutschen Armeeparkas und lauschte ein letztes Mal meiner Straße, die lebendig in der langsamen Strömung der Nacht trieb. Eine Frau lachte, Na, na, das hättest du wohl gern, ein Fenster wurde zugeknallt. Eine Ratte huschte an einer Mauer entlang, ein Mann hustete, ein Fahrrad zischte um die Ecke. Mad Johnny Malone redete in der Kellerwohnung von Nummer 14 mit einem tiefen zornigen Grollen im Schlaf. Ein Liebespaar irgendwo, gedämpftes Wimmern, Bumsgeräusche, und ich dachte an den Geruch von Rosies Hals und grinste zum Himmel hinauf. Ich hörte die Glocken der Stadt Mitternacht schlagen, Christ Church, St Pat, St Michan, wuchtige, runde Klänge, die vom Himmel herabfielen wie eine Feier, unser eigenes geheimes Neujahr einläuteten.
Als sie eins schlugen, hatte ich Angst. Eine Spur aus leisem Rascheln und Stampfen durch die Gärten, und ich machte mich bereit, doch sie kam nicht über die letzte Mauer geklettert. Wahrscheinlich schlich da jemand mit schlechtem Gewissen zu spät nach Hause, stieg durch ein Fenster. In Nummer 7 brüllte Sallie Hearnes jüngster Nachwuchs los, ein dünnes, hoffnungsloses Heulen, bis sie sich aus dem Schlaf quälte und ihm etwas vorsang. I know where I'm going ... Painted rooms are bonny ...
Als die Glocken zwei schlugen, wurde mir das Missverständnis schlagartig klar, traf mich wie eine Ohrfeige. Sie katapultierte mich geradewegs über die Mauer in den Garten von Nummer 16, schon vor meiner Geburt verwahrlost und von uns Kindern trotz der schrecklichen Warnungen in Beschlag genommen, übersät mit Bierdosen und Zigarettenkippen und so mancher verlorenen Unschuld. Ich sprang die morsche Treppe hoch, immer vier Stufen auf einmal, ohne mich drum zu scheren, wer es hörte. Ich war mir so sicher, ich sah sie schon vor mir, zornige kupferrote Locken und Fäuste in die Hüften gestemmt, Verdammt nochmal, wo bleibst du denn?
Geborstene Dielenbretter, Löcher im Putz, Schutt und kalte dunkle Zugluft und keine Menschenseele. Im oberen Wohnzimmer fand ich den Brief, bloß ein Blatt, aus einem Schulheft gerissen. Es lag auf dem nackten Fußboden, flatterte in dem bleichen Rechteck aus Licht, das durch das zerbrochene Fenster fiel, und sah aus, als hätte es dort schon seit hundert Jahren gelegen. In diesem Moment spürte ich, wie sich der reißende Sog veränderte, blitzschnell eine tödliche Wendung vollzog, viel zu stark, um dagegen anzukämpfen, und nicht mehr auf meiner Seite.
Ich nahm den Brief nicht mit. Als ich Nummer 16 wieder verließ, kannte ich ihn auswendig und würde den Rest meines Lebens versuchen zu glauben, was drinstand. Ich ließ ihn liegen und ging zurück ans Ende der Straße. Ich wartete dort im Schatten, beobachtete die Dampfwolken, die mein Atem im Laternenlicht aufsteigen ließ, während die Glocken drei und vier und fünf schlugen. Die Nacht verblasste zu einem dünnen, traurigen Grau, und ein Milchkarren kam um die Ecke, rumpelte übers Kopfsteinpflaster in Richtung Molkerei, und ich wartete noch immer auf Rosie Daly oben am Faithful Place.
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2012
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Autoren-Porträt von Tana French
Tana French schreibt Romane und Kriminalromane von mächtiger Spannung und Schönheit. Die vielfach ausgezeichnete Autorin zeichnet mit ihrer eindrücklichen Sprache _markante Natur- und Gesellschaftsbilder und schaut tief in die Seelen der Menschen. Ihre Werke stehen weltweit ganz oben auf den Bestsellerlisten. Tana French wuchs in Irland, Italien und Malawi auf, absolvierte eine Schauspielausbildung am Trinity College und arbeitete für Theater, Film und Fernsehen. _Sie lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern im nördlichen Teil von Dublin.
Bibliographische Angaben
- Autor: Tana French
- 2012, 624 Seiten, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Ulrike Wasel, Klaus Timmermann
- Verlag: FISCHER Taschenbuch
- ISBN-10: 3596188342
- ISBN-13: 9783596188345
- Erscheinungsdatum: 24.04.2012
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