Urlaub mit Papa
Roman
Christine hat sich schon auf einen tollen Urlaub gefreut: auf Norderney ihrer Freundin beim Umbau der Kneipe helfen. Herrlich. Doch dann wird sie von ihrer Mutter dazu verdonnert, ihren Vater Heinz mitzunehmen. Und Heinz übernimmt nicht nur das Kommando auf der Baustelle.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Urlaub mit Papa “
Christine hat sich schon auf einen tollen Urlaub gefreut: auf Norderney ihrer Freundin beim Umbau der Kneipe helfen. Herrlich. Doch dann wird sie von ihrer Mutter dazu verdonnert, ihren Vater Heinz mitzunehmen. Und Heinz übernimmt nicht nur das Kommando auf der Baustelle.
Klappentext zu „Urlaub mit Papa “
Eine herrlich komische Vater-Tochter-Geschichte Es sollte ein toller Urlaub werden: Christine (45) will nach Norderney, um einer Freundin bei der Renovierung ihrer Kneipe zu helfen. Doch dann wird sie von ihrer Mutter dazu verdonnert, ihren Vater mitzunehmen. Kaum sind sie dort, übernimmt Heinz (73) auch sofort das Kommando auf der Baustelle. Es kommt für Christine aber noch schlimmer, als Papa erfährt, dass auf der Insel nach einem Heiratsschwindler gefahndet wird. Für Heinz ist klar: Das muss Johann sein, der mysteriöse Pensionsgast, der Christines Herz Kapriolen schlagen lässt. Mithilfe von Papas neuen Freunden - 72, 75, 63 Jahre alt - soll Johann zur Strecke gebracht werden...
»Witzig und warmherzig.« Für Sie
»Unterhaltsam und komisch - für alle, die mal wieder mit ihren Eltern in Urlaub fahren wollen.« Passauer Neue Presse
Lese-Probe zu „Urlaub mit Papa “
Urlaub mit Papa von Dora Heldt Nachts ging das Telefon
»Es sind doch nur zwei Wochen.«
Die Stimme meiner Mutter klang freundlich und sehr entschlossen. Ich hatte schon zu Beginn des Telefonats ein ungutes Gefühl gehabt.»
Und er ist dein Vater. Andere Kinder würden sich freuen.«
»Mama, was heißt hier andere Kinder? Ich bin 45!«
Ich hätte das Gespräch gar nicht annehmen sollen. Meine Mutter überging meine Antwort. »Ich habe ihm gesagt, dass ihr seine Hilfe gut gebrauchen könnt, weil Handwerker auf den Inseln doch so teuer sind. Und sie machen ja, was sie wollen, gerade wenn niemand daneben steht. Er kann doch ein Auge auf die Arbeiten haben. Und hier und da mal Hand anlegen. Er hilft doch so gerne.«
Ich musste jetzt etwas sagen. »Mama, warte mal. Ich fahre doch nach Norderney, um Marleen zu helfen, ihre Pension und die Kneipe zu renovieren, ich kann mich da nicht auch noch um
... mehr
Papa …«
»Ach, du brauchst dich doch gar nicht groß um ihn zu kümmern, er macht das alles schon allein. Und zu Mittag essen müsst ihr doch auch, da könnt ihr ja für ihn mitkochen. Abends reicht ihm eine Kleinigkeit und Kuchen für nachmittags könnt ihr auch kaufen, Marleen muss ja nicht extra backen.«
Ich überlegte, seit wann mein Vater alles allein machte. Vor sechs Wochen hatte ich meine Eltern das letzte Mal besucht, da war es noch anders gewesen. Ganz anders. Ich bemühte mich, die aufsteigende Panik aus meiner Stimme zu verdrängen.
»Mama, ich halte das für keine gute Idee, ich…«
»Christine, ich habe dich noch nie um etwas gebeten. Das ist ein Notfall. Ich muss zwei Wochen in der Klinik bleiben, da kann Heinz unmöglich alleine zu Hause herumsitzen.«
»Ich denke, er kann alles allein.«
»Doch nicht kochen und waschen und so. Jetzt hör mal auf. Er ist dein Vater. Und du kannst ihn ja wohl mal zwei Wochen mitnehmen. Du hast doch frei. Stell dich nicht so an. Und nach Norderney wollte er sowieso immer mal.«
»Aber ich kann mich da überhaupt nicht mit ihm beschäftigen.Und wie …«
»Ach, das geht alles schon. Außerdem wohnt doch Kalli auf Norderney, du weißt doch, Papas alter Freund. Den kann er auch mal besuchen.«
»Dann kann er doch auch bei denen wohnen.«
»Christine, ich bitte dich. Hanna ist auf dem Festland. Ihre Jüngste, Kathrina, bekommt doch das zweite Baby. Deine Schwester und du, ihr kriegt das ja nicht auf die Reihe.«
Nur Mütter schaffen solche Themenwechsel.
»Mama, ich bin …«
»Eben, sag ich doch. Also abgemacht. Papa kommt nächsten Samstag nach Hamburg, du holst ihn am Bahnhof ab und ihr fahrt gemeinsam nach Norderney. Er kennt das ja alles nicht mit der Fähre und so. Da ist es schon besser, du bist dabei. Und ich gehe beruhigt ins Krankenhaus und lasse mein Knie operieren.«
Meine letzte Chance: »Lass uns da mal in Ruhe drüber sprechen, das geht so nicht, ich…«
»Mach dir keine Gedanken, mein Schatz. Ich schreibe dir noch alles Wichtige auf und schicke es dir. Also dann, schönen Abend noch und Grüße von Papa. Er freut sich. Tschüss.«
Ich starrte auf das Display des Telefons. Verbindung beendet.
Anscheinend war es beschlossene Sache. Ich würde mit meinem Vater Ferien machen. Das erste Mal nach dreißig Jahren. Die letzte Reise endete damit, dass er mich aus pädagogischen Gründen auf dem Rasthof in Kassel stehen ließ. Ich hatte eine schwere Pubertät, das gebe ich zu, aber Kassel fand ich trotzdem zu hart. Auch wenn er mich nach einer halben Stunde wieder abholte und drei Wochen lang ein schlechtes Gewissen hatte. Und nun, nach dreißig Jahren, fingen wir wieder damit an. Wenigstens führte die Fahrt dieses Mal nicht über Kassel. O mein Papa
Mein Bruder beschrieb unseren Vater mal mit den Worten:
»Er hat Augen wie Terence Hill und Schiss wie Rantanplan.«
Letztgenannter ist der feige Hund von Lucky Luke, diese magere Töle, die bei jedem unbekannten Geräusch, jeder fremden Person und jeder Veränderung vor lauter Angst seinem Herrchen auf den Schoß springt. Mein Vater springt natürlich niemandem auf den Schoß, dazu ist er zu gut erzogen, und er ist auch keineswegs so dumm wie dieses Tier, aber er hat wirklich sehr blaue Augen. Die Beschreibung ist gar nicht so schlecht.
Während ich die Treppen zu Dorotheas Wohnung hochstieg, dachte ich darüber nach, wie ich ihr die Umstände für unsere Reisebegleitung schonend beibringen könnte. Dorothea und ich kennen uns seit fünfzehn Jahren, sie kennt meine ganze Familie, der Satz »Heinz kommt mit nach Norderney« würde schon alles sagen. Ich musste diesem Satz den Schrecken nehmen, schließlich hatten wir uns auf diese zwei Wochen gefreut, ich wollte auch nicht, dass jemand meinen Vater anstrengend fand, was er aber leider war. Ich formulierte die Sätze im Kopf. »Dorothea, stell dir vor, Heinz kommt mit, ist das nicht nett?« Das ging nicht. »Hallo Dorothea, meine Mutter hat endlich einen OP-Termin für ihr künstliches Knie, macht es dir etwas aus, dass Heinz mit nach Norderney kommt? Er kriegt es leider nicht auf die Reihe, sich allein zu ernähren.« Ging auch nicht. »Dorothea, du kennst und magst doch meinen Vater. Wie findest du die Idee, ihn mit nach Norderney zu nehmen, damit er meiner Mutter in der Klinik nicht auf die Nerven geht?« Großartig. »Dorothea, ich habe mir überlegt, dass Heinz uns bei der Renovierung von Marleens Pension helfen könnte, ich möchte ihn gern mitnehmen.« Das würde sie mir nicht glauben. »Dorothea, sag mal…«
Die Wohnungstür wurde geöffnet, Dorothea stand vor mir, einen Einkaufskorb in der Hand. »Hallo Christine, ich wollte gerade zum …«
»Heinz kommt mit.«
Das war nicht gut formuliert. Dorothea runzelte die Stirn.
»Zum Einkaufen?«
»Nach Norderney.«
»Welcher Heinz? … Dein …?«
»Ja, der.«
»Mit uns? Zu Marleen? Am Samstag?«
»Ja.«
Ich wartete auf einen Zusammenbruch, einen verständnislosen Blick oder einen Schreikrampf, aber nichts passierte. Ungerührt stellte Dorothea ihren Einkaufskorb ab und ging zurück in ihre Wohnung. Ich folgte ihr in die Küche und sah zu, wie sie begann, Tee zu kochen. Pfeifend. Ich erkannte ›O mein Papa‹ und bemühte mich um ihr Verständnis.»
Meine Mutter hat mich vorhin angerufen. Sie bekommt doch ein neues Kniegelenk und jetzt ist ganz plötzlich ein OP-Termin frei geworden, irgendjemand ist da wohl abgesprungen.
Meine Tante ist im Urlaub, meine Schwester segelt in Dänemark, mein Bruder ist auf Geschäftsreise, also bin ich die Einzige, die sie erreichen konnte. Du kennst ja meinen Vater, der kann nicht zwei Wochen allein zu Hause bleiben. Er weiß noch nicht mal, wie man Kaffee kocht. Geschweige denn eine Kartoffel. Oder ein Ei. Außerdem ist er farbenblind und dementsprechend zieht er sich auch an, wenn keiner guckt.«
Ich überlegte, was ich noch sagen könnte, ohne ihm die Würde zu nehmen. Es war schwierig, Dorothea sollte nicht schlecht über ihn denken, andererseits hatte er einige Angewohnheiten, die, vorsichtig umschrieben, eher ungewöhnlich waren.
»Ich finde deinen Vater witzig.«
Ich schluckte. Dieses Wort hätte ich nicht gewählt. Dorothea goss kochendes Wasser in die Teekanne und drehte sich zu mir um.
»Heinz ist doch noch richtig fit. Und wenn er Lust hat, uns zu helfen, ist das doch nett. Wenn ihm das nicht zu anstrengend wird.«
Wenn ihm das nicht zu anstrengend wird?
Dorothea stellte die Teekanne auf den Tisch und nahm Tassen aus dem Schrank.
»Mach doch nicht so ein besorgtes Gesicht. Wir können ja drauf achten, dass er sich nicht zu viel zumutet.«
»Dorothea, du verstehst mich nicht. Ich habe eher Sorge, dass er mir zu viel zumutet. Er kann ein bisschen anstrengend sein. Er kann wirklich nichts allein, er muss beschäftigt werden, er mischt sich in alles ein, er weiß alles besser, er hat vor allem Neuen Angst, er …«
Ich biss mir auf die Zunge, das wollte ich alles gar nicht erzählen.
Ich habe meinen Vater gern. Am liebsten mit drei Stunden Fahrzeit zwischen uns. Oder im Beisein meiner Mutter.
Oder mal auf eine Tasse Kaffee. Aber zwei Wochen in einer Ferienwohnung mit ihm, mit drei Stunden Fahrzeit zu meiner Mutter, die in einer Hamburger Klinik ihr neues Kniegelenk pflegt, das konnte zu ungeahnten Turbulenzen führen. Aber das würde Dorothea nicht verstehen. Das würde sie erleben müssen. Ich rührte Zucker in meinen Tee und sah Dorothea an.
»Na ja, vielleicht wird es tatsächlich ganz entspannt und Marleen freut sich über seine Hilfe.«
Ich glaubte mir selbst kein Wort. Dorothea nickte.
»Siehst du. Ich freue mich jedenfalls auf die beiden Wochen, auch mit Heinz. Da werden wir doch einiges erleben, oder?«
Ich versuchte zu nicken. Darauf konnten wir wetten.
Meine Freundin Marleen hatte eine alte Pension mit Kneipe auf Norderney übernommen. Eine Tante von ihr hatte sie jahrzehntelang geführt und vor einem Jahr, mit fast 70, beschlossen, dass sie jetzt endlich mal leben müsse. Treibende Kraft bei diesen Plänen war Hubert, ein 74-jähriger Witwer aus Essen, der seit 20 Jahren als Stammgast zu ihr kam, achtzehn Jahre mit der Gattin, dann ohne. Tante Theda hatte ihrer Nichte Marleen erzählt, dass Hubert auf einmal ein ganz neuer Mensch sei, »sowas von abenteuerlustig, das glaubst du nicht«, und seiner lang bekannten Pensionswirtin eine feurige Liebeserklärung gemacht habe. Er wolle zwar nicht wieder heiraten, habe er verkündet, das sei ja dummes Zeug, aber er wolle mit Theda um die Welt reisen, erst mal nach Sylt, dann Mallorca und danach vielleicht Amerika. Theda war geschmeichelt, aber noch verhalten. Im selben Gespräch erzählte Marleen ihrer Tante, dass sie sich von ihrem Freund, mit dem sie eine Kneipe führte, getrennt habe. Das Mitleid ihrer Tante hielt sich in Grenzen, sie quittierte die Neuigkeit mit dem Satz: »Na, das ist doch wunderbar, dann kommst du für ein paar Monate nach Norderney und schmeißt die Pension, ich kann das mit Hubert ausprobieren und du musst den Blödmann zu Hause nicht mehr sehen. Und Kneipe ist Kneipe, hier kannst du auch arbeiten.«
Sie hatten alles richtig gemacht, Theda und Hubert waren voneinander begeistert, Marleen war es von Norderney und die Pensionsgäste waren es von Marleen. Hubert schlug vor, Theda solle für sich eine kleine Ferienwohnung einrichten und das übrige Gebäude mitsamt der Kneipe Marleen überschreiben. Marleen ließ sich von ihrem Exfreund auszahlen und steckte das Geld in die Renovierung der Kneipe. Sie war fast fertig, in drei Wochen sollte die neue Bar eröffnet werden.
Dorothea und ich hatten für diese Zeit Urlaub genommen, Marleen hatte uns eine Ferienwohnung gemietet, morgens wollten wir beim Renovieren oder in der Pension helfen, nachmittags am Strand liegen und abends in der »Milchbar« oder der »Weißen Düne« kalten Weißwein trinken. Bis jetzt.
Ich wählte die Telefonnummer von Marleen.
»Haus Theda, mein Name ist de Vries, guten Tag.«
»Hallo Marleen, hier ist Christine.«
»Sag jetzt bitte nicht, dass ihr nicht kommen könnt. Die
Pension ist voll, die Handwerker schneckenlangsam und eine meiner Aushilfen hat sich eine Muschel in den Fuß getreten. Jetzt habe ich nur noch Gesa, die mir hilft. Ich drehe hier durch.
Und Theda und Hubert haben sich fürs Wochenende angekündigt, sie wollen aber nur gucken, nicht helfen, schließlich seien sie beide Rentner. Also, sag jetzt, was du sagen wolltest, aber denk bitte daran, ich stehe am Rande des Nervenzusammenbruchs.«
Hätte sie dabei nicht gelacht, hätte ich es ihr geglaubt. Dabei war das doch eine wunderbare Überleitung. Ich bemühte mich um eine neutrale Tonlage.
»Na, dann habe ich doch die ultimative Lösung: Ich bringe Heinz mit. Er braucht nur ein Bett. Und Spielgefährten. Und einmal am Tag warmes Essen. Und eine Aufgabe. Und ab und zu ein Weizenbier. Wie findest du das?«
»Du bringst deinen Vater mit? Im Ernst? Wie bist du denn da drauf gekommen?«
»Ich?! Diese grandiose Idee stammt von meiner Mutter. Sie hat nächste Woche in Hamburg ihre Operation für das künstliche Kniegelenk. Das war ursprünglich erst für Oktober geplant, aber sie hat jetzt diesen Termin bekommen und will es schnell hinter sich bringen. Kann ich ja auch verstehen. Aber nun ist meine Tante im Urlaub, die befreundeten Nachbarn mit dem Roten Kreuz in Norwegen, meine Geschwister können beide nicht, also muss ich mich um meinen Vater kümmern. Die Alternative wäre, dass ich nach Sylt fahre und ihn da bekoche, dann müsste ich dir jetzt absagen, was ich nicht will. Also hat meine Mutter ihm erzählt, dass wir doch froh über seine Hilfe wären, außerdem wohnt sein alter Freund auf Norderney. Mein Vater hat sich etwas widerwillig bereit erklärt, fühlt sich aber jetzt als Retter. So, das war die Kurzfassung.«
»Du, das ist gar nicht so schlecht. Ich kenne deinen Vater ja nicht besonders gut, aber er ist doch sehr hilfsbereit und macht den Eindruck, als sei er überall einsatzfähig.«
Mir entfuhr ein nervöses Kichern. O ja, den Eindruck machte er.
»Hast du Husten? Jedenfalls habe ich genug für ihn zu tun, er kann ein bisschen retten. Und wenn er mir nur Hubert vom Hals hält. Der ist zwar ganz reizend, weiß aber immer alles besser und mischt sich überall ein.«
»Die beiden werden sich lieben.«
»So schlimm wie Hubert ist Heinz bestimmt nicht. Also gut, ich sage der Vermieterin der Ferienwohnung Bescheid, dass ihr zu dritt kommt. Mareike soll ein zusätzliches Bett ins Wohnzimmer stellen, ihr habt ja nur zwei Schlafräume. Aber das geht schon. Ich bin froh, dass ihr kommt, du kannst mir morgens in der Pension helfen und Dorothea kann die Handwerker becircen.«
Wir legten auf und ich sah mich auf einer Pritsche im Wohnzimmer liegen, während mein Vater auf dem Bildschirmtext die HSV-Ergebnisse suchte.
Wunderbar, dachte ich, Hubert kann sich warm anziehen.
© 2008 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
»Ach, du brauchst dich doch gar nicht groß um ihn zu kümmern, er macht das alles schon allein. Und zu Mittag essen müsst ihr doch auch, da könnt ihr ja für ihn mitkochen. Abends reicht ihm eine Kleinigkeit und Kuchen für nachmittags könnt ihr auch kaufen, Marleen muss ja nicht extra backen.«
Ich überlegte, seit wann mein Vater alles allein machte. Vor sechs Wochen hatte ich meine Eltern das letzte Mal besucht, da war es noch anders gewesen. Ganz anders. Ich bemühte mich, die aufsteigende Panik aus meiner Stimme zu verdrängen.
»Mama, ich halte das für keine gute Idee, ich…«
»Christine, ich habe dich noch nie um etwas gebeten. Das ist ein Notfall. Ich muss zwei Wochen in der Klinik bleiben, da kann Heinz unmöglich alleine zu Hause herumsitzen.«
»Ich denke, er kann alles allein.«
»Doch nicht kochen und waschen und so. Jetzt hör mal auf. Er ist dein Vater. Und du kannst ihn ja wohl mal zwei Wochen mitnehmen. Du hast doch frei. Stell dich nicht so an. Und nach Norderney wollte er sowieso immer mal.«
»Aber ich kann mich da überhaupt nicht mit ihm beschäftigen.Und wie …«
»Ach, das geht alles schon. Außerdem wohnt doch Kalli auf Norderney, du weißt doch, Papas alter Freund. Den kann er auch mal besuchen.«
»Dann kann er doch auch bei denen wohnen.«
»Christine, ich bitte dich. Hanna ist auf dem Festland. Ihre Jüngste, Kathrina, bekommt doch das zweite Baby. Deine Schwester und du, ihr kriegt das ja nicht auf die Reihe.«
Nur Mütter schaffen solche Themenwechsel.
»Mama, ich bin …«
»Eben, sag ich doch. Also abgemacht. Papa kommt nächsten Samstag nach Hamburg, du holst ihn am Bahnhof ab und ihr fahrt gemeinsam nach Norderney. Er kennt das ja alles nicht mit der Fähre und so. Da ist es schon besser, du bist dabei. Und ich gehe beruhigt ins Krankenhaus und lasse mein Knie operieren.«
Meine letzte Chance: »Lass uns da mal in Ruhe drüber sprechen, das geht so nicht, ich…«
»Mach dir keine Gedanken, mein Schatz. Ich schreibe dir noch alles Wichtige auf und schicke es dir. Also dann, schönen Abend noch und Grüße von Papa. Er freut sich. Tschüss.«
Ich starrte auf das Display des Telefons. Verbindung beendet.
Anscheinend war es beschlossene Sache. Ich würde mit meinem Vater Ferien machen. Das erste Mal nach dreißig Jahren. Die letzte Reise endete damit, dass er mich aus pädagogischen Gründen auf dem Rasthof in Kassel stehen ließ. Ich hatte eine schwere Pubertät, das gebe ich zu, aber Kassel fand ich trotzdem zu hart. Auch wenn er mich nach einer halben Stunde wieder abholte und drei Wochen lang ein schlechtes Gewissen hatte. Und nun, nach dreißig Jahren, fingen wir wieder damit an. Wenigstens führte die Fahrt dieses Mal nicht über Kassel. O mein Papa
Mein Bruder beschrieb unseren Vater mal mit den Worten:
»Er hat Augen wie Terence Hill und Schiss wie Rantanplan.«
Letztgenannter ist der feige Hund von Lucky Luke, diese magere Töle, die bei jedem unbekannten Geräusch, jeder fremden Person und jeder Veränderung vor lauter Angst seinem Herrchen auf den Schoß springt. Mein Vater springt natürlich niemandem auf den Schoß, dazu ist er zu gut erzogen, und er ist auch keineswegs so dumm wie dieses Tier, aber er hat wirklich sehr blaue Augen. Die Beschreibung ist gar nicht so schlecht.
Während ich die Treppen zu Dorotheas Wohnung hochstieg, dachte ich darüber nach, wie ich ihr die Umstände für unsere Reisebegleitung schonend beibringen könnte. Dorothea und ich kennen uns seit fünfzehn Jahren, sie kennt meine ganze Familie, der Satz »Heinz kommt mit nach Norderney« würde schon alles sagen. Ich musste diesem Satz den Schrecken nehmen, schließlich hatten wir uns auf diese zwei Wochen gefreut, ich wollte auch nicht, dass jemand meinen Vater anstrengend fand, was er aber leider war. Ich formulierte die Sätze im Kopf. »Dorothea, stell dir vor, Heinz kommt mit, ist das nicht nett?« Das ging nicht. »Hallo Dorothea, meine Mutter hat endlich einen OP-Termin für ihr künstliches Knie, macht es dir etwas aus, dass Heinz mit nach Norderney kommt? Er kriegt es leider nicht auf die Reihe, sich allein zu ernähren.« Ging auch nicht. »Dorothea, du kennst und magst doch meinen Vater. Wie findest du die Idee, ihn mit nach Norderney zu nehmen, damit er meiner Mutter in der Klinik nicht auf die Nerven geht?« Großartig. »Dorothea, ich habe mir überlegt, dass Heinz uns bei der Renovierung von Marleens Pension helfen könnte, ich möchte ihn gern mitnehmen.« Das würde sie mir nicht glauben. »Dorothea, sag mal…«
Die Wohnungstür wurde geöffnet, Dorothea stand vor mir, einen Einkaufskorb in der Hand. »Hallo Christine, ich wollte gerade zum …«
»Heinz kommt mit.«
Das war nicht gut formuliert. Dorothea runzelte die Stirn.
»Zum Einkaufen?«
»Nach Norderney.«
»Welcher Heinz? … Dein …?«
»Ja, der.«
»Mit uns? Zu Marleen? Am Samstag?«
»Ja.«
Ich wartete auf einen Zusammenbruch, einen verständnislosen Blick oder einen Schreikrampf, aber nichts passierte. Ungerührt stellte Dorothea ihren Einkaufskorb ab und ging zurück in ihre Wohnung. Ich folgte ihr in die Küche und sah zu, wie sie begann, Tee zu kochen. Pfeifend. Ich erkannte ›O mein Papa‹ und bemühte mich um ihr Verständnis.»
Meine Mutter hat mich vorhin angerufen. Sie bekommt doch ein neues Kniegelenk und jetzt ist ganz plötzlich ein OP-Termin frei geworden, irgendjemand ist da wohl abgesprungen.
Meine Tante ist im Urlaub, meine Schwester segelt in Dänemark, mein Bruder ist auf Geschäftsreise, also bin ich die Einzige, die sie erreichen konnte. Du kennst ja meinen Vater, der kann nicht zwei Wochen allein zu Hause bleiben. Er weiß noch nicht mal, wie man Kaffee kocht. Geschweige denn eine Kartoffel. Oder ein Ei. Außerdem ist er farbenblind und dementsprechend zieht er sich auch an, wenn keiner guckt.«
Ich überlegte, was ich noch sagen könnte, ohne ihm die Würde zu nehmen. Es war schwierig, Dorothea sollte nicht schlecht über ihn denken, andererseits hatte er einige Angewohnheiten, die, vorsichtig umschrieben, eher ungewöhnlich waren.
»Ich finde deinen Vater witzig.«
Ich schluckte. Dieses Wort hätte ich nicht gewählt. Dorothea goss kochendes Wasser in die Teekanne und drehte sich zu mir um.
»Heinz ist doch noch richtig fit. Und wenn er Lust hat, uns zu helfen, ist das doch nett. Wenn ihm das nicht zu anstrengend wird.«
Wenn ihm das nicht zu anstrengend wird?
Dorothea stellte die Teekanne auf den Tisch und nahm Tassen aus dem Schrank.
»Mach doch nicht so ein besorgtes Gesicht. Wir können ja drauf achten, dass er sich nicht zu viel zumutet.«
»Dorothea, du verstehst mich nicht. Ich habe eher Sorge, dass er mir zu viel zumutet. Er kann ein bisschen anstrengend sein. Er kann wirklich nichts allein, er muss beschäftigt werden, er mischt sich in alles ein, er weiß alles besser, er hat vor allem Neuen Angst, er …«
Ich biss mir auf die Zunge, das wollte ich alles gar nicht erzählen.
Ich habe meinen Vater gern. Am liebsten mit drei Stunden Fahrzeit zwischen uns. Oder im Beisein meiner Mutter.
Oder mal auf eine Tasse Kaffee. Aber zwei Wochen in einer Ferienwohnung mit ihm, mit drei Stunden Fahrzeit zu meiner Mutter, die in einer Hamburger Klinik ihr neues Kniegelenk pflegt, das konnte zu ungeahnten Turbulenzen führen. Aber das würde Dorothea nicht verstehen. Das würde sie erleben müssen. Ich rührte Zucker in meinen Tee und sah Dorothea an.
»Na ja, vielleicht wird es tatsächlich ganz entspannt und Marleen freut sich über seine Hilfe.«
Ich glaubte mir selbst kein Wort. Dorothea nickte.
»Siehst du. Ich freue mich jedenfalls auf die beiden Wochen, auch mit Heinz. Da werden wir doch einiges erleben, oder?«
Ich versuchte zu nicken. Darauf konnten wir wetten.
Meine Freundin Marleen hatte eine alte Pension mit Kneipe auf Norderney übernommen. Eine Tante von ihr hatte sie jahrzehntelang geführt und vor einem Jahr, mit fast 70, beschlossen, dass sie jetzt endlich mal leben müsse. Treibende Kraft bei diesen Plänen war Hubert, ein 74-jähriger Witwer aus Essen, der seit 20 Jahren als Stammgast zu ihr kam, achtzehn Jahre mit der Gattin, dann ohne. Tante Theda hatte ihrer Nichte Marleen erzählt, dass Hubert auf einmal ein ganz neuer Mensch sei, »sowas von abenteuerlustig, das glaubst du nicht«, und seiner lang bekannten Pensionswirtin eine feurige Liebeserklärung gemacht habe. Er wolle zwar nicht wieder heiraten, habe er verkündet, das sei ja dummes Zeug, aber er wolle mit Theda um die Welt reisen, erst mal nach Sylt, dann Mallorca und danach vielleicht Amerika. Theda war geschmeichelt, aber noch verhalten. Im selben Gespräch erzählte Marleen ihrer Tante, dass sie sich von ihrem Freund, mit dem sie eine Kneipe führte, getrennt habe. Das Mitleid ihrer Tante hielt sich in Grenzen, sie quittierte die Neuigkeit mit dem Satz: »Na, das ist doch wunderbar, dann kommst du für ein paar Monate nach Norderney und schmeißt die Pension, ich kann das mit Hubert ausprobieren und du musst den Blödmann zu Hause nicht mehr sehen. Und Kneipe ist Kneipe, hier kannst du auch arbeiten.«
Sie hatten alles richtig gemacht, Theda und Hubert waren voneinander begeistert, Marleen war es von Norderney und die Pensionsgäste waren es von Marleen. Hubert schlug vor, Theda solle für sich eine kleine Ferienwohnung einrichten und das übrige Gebäude mitsamt der Kneipe Marleen überschreiben. Marleen ließ sich von ihrem Exfreund auszahlen und steckte das Geld in die Renovierung der Kneipe. Sie war fast fertig, in drei Wochen sollte die neue Bar eröffnet werden.
Dorothea und ich hatten für diese Zeit Urlaub genommen, Marleen hatte uns eine Ferienwohnung gemietet, morgens wollten wir beim Renovieren oder in der Pension helfen, nachmittags am Strand liegen und abends in der »Milchbar« oder der »Weißen Düne« kalten Weißwein trinken. Bis jetzt.
Ich wählte die Telefonnummer von Marleen.
»Haus Theda, mein Name ist de Vries, guten Tag.«
»Hallo Marleen, hier ist Christine.«
»Sag jetzt bitte nicht, dass ihr nicht kommen könnt. Die
Pension ist voll, die Handwerker schneckenlangsam und eine meiner Aushilfen hat sich eine Muschel in den Fuß getreten. Jetzt habe ich nur noch Gesa, die mir hilft. Ich drehe hier durch.
Und Theda und Hubert haben sich fürs Wochenende angekündigt, sie wollen aber nur gucken, nicht helfen, schließlich seien sie beide Rentner. Also, sag jetzt, was du sagen wolltest, aber denk bitte daran, ich stehe am Rande des Nervenzusammenbruchs.«
Hätte sie dabei nicht gelacht, hätte ich es ihr geglaubt. Dabei war das doch eine wunderbare Überleitung. Ich bemühte mich um eine neutrale Tonlage.
»Na, dann habe ich doch die ultimative Lösung: Ich bringe Heinz mit. Er braucht nur ein Bett. Und Spielgefährten. Und einmal am Tag warmes Essen. Und eine Aufgabe. Und ab und zu ein Weizenbier. Wie findest du das?«
»Du bringst deinen Vater mit? Im Ernst? Wie bist du denn da drauf gekommen?«
»Ich?! Diese grandiose Idee stammt von meiner Mutter. Sie hat nächste Woche in Hamburg ihre Operation für das künstliche Kniegelenk. Das war ursprünglich erst für Oktober geplant, aber sie hat jetzt diesen Termin bekommen und will es schnell hinter sich bringen. Kann ich ja auch verstehen. Aber nun ist meine Tante im Urlaub, die befreundeten Nachbarn mit dem Roten Kreuz in Norwegen, meine Geschwister können beide nicht, also muss ich mich um meinen Vater kümmern. Die Alternative wäre, dass ich nach Sylt fahre und ihn da bekoche, dann müsste ich dir jetzt absagen, was ich nicht will. Also hat meine Mutter ihm erzählt, dass wir doch froh über seine Hilfe wären, außerdem wohnt sein alter Freund auf Norderney. Mein Vater hat sich etwas widerwillig bereit erklärt, fühlt sich aber jetzt als Retter. So, das war die Kurzfassung.«
»Du, das ist gar nicht so schlecht. Ich kenne deinen Vater ja nicht besonders gut, aber er ist doch sehr hilfsbereit und macht den Eindruck, als sei er überall einsatzfähig.«
Mir entfuhr ein nervöses Kichern. O ja, den Eindruck machte er.
»Hast du Husten? Jedenfalls habe ich genug für ihn zu tun, er kann ein bisschen retten. Und wenn er mir nur Hubert vom Hals hält. Der ist zwar ganz reizend, weiß aber immer alles besser und mischt sich überall ein.«
»Die beiden werden sich lieben.«
»So schlimm wie Hubert ist Heinz bestimmt nicht. Also gut, ich sage der Vermieterin der Ferienwohnung Bescheid, dass ihr zu dritt kommt. Mareike soll ein zusätzliches Bett ins Wohnzimmer stellen, ihr habt ja nur zwei Schlafräume. Aber das geht schon. Ich bin froh, dass ihr kommt, du kannst mir morgens in der Pension helfen und Dorothea kann die Handwerker becircen.«
Wir legten auf und ich sah mich auf einer Pritsche im Wohnzimmer liegen, während mein Vater auf dem Bildschirmtext die HSV-Ergebnisse suchte.
Wunderbar, dachte ich, Hubert kann sich warm anziehen.
© 2008 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
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Autoren-Porträt von Dora Heldt
Dora Heldt, 1961 auf Sylt geboren, in Bonn die Buchhändlerlehre und in Koblenz erste Berufserfahrungen gemacht, arbeitet seit 1992 als Verlagsvertreterin und lebt heute in Hamburg. Ihre Romane ›Urlaub mit Papa‹ und ›Tante Inge haut ab‹ avancierten 2008 und 2009 zu Bestsellern.
Bibliographische Angaben
- Autor: Dora Heldt
- 2009, 18. Aufl., 320 Seiten, Maße: 12 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: DTV
- ISBN-10: 3423211431
- ISBN-13: 9783423211437
- Erscheinungsdatum: 19.05.2009
Rezension zu „Urlaub mit Papa “
»Autorin Dora Heldt hat in ihre Geschichte so ziemlich alles hineingebracht, was das Leben von Kindern und Eltern schwer macht. Jeder Leser wird so manche Situation wieder erkennen. Und was lernen wir, nachdem die Bauchschmerzen vom Lachen abgeklungen sind: Trotz aller Strapazen ist Familie etwas Schönes.« SWR Online 02.07.2008
Pressezitat
Dora Heldt schreibt über das, was Frauen bewegt und worüber sie schmunzeln. Roger Lindhorst NDR 1 Niedersachsen 20170903
Kommentar zu "Urlaub mit Papa"