Violett wie die Nacht / Cambion Chronicles Bd.1
Ein absolut mitreißendes Debüt, herzzerreißend romantisch und voll düsterer Spannung, mit einer sehr authentischen Heldin, die ständig zwischen Coolness und Unsicherheit schwankt - typisch Teenager eben! "Irgendetwas stimmt nicht mit ihm", denkt sich...
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Produktinformationen zu „Violett wie die Nacht / Cambion Chronicles Bd.1 “
Klappentext zu „Violett wie die Nacht / Cambion Chronicles Bd.1 “
Ein absolut mitreißendes Debüt, herzzerreißend romantisch und voll düsterer Spannung, mit einer sehr authentischen Heldin, die ständig zwischen Coolness und Unsicherheit schwankt - typisch Teenager eben! "Irgendetwas stimmt nicht mit ihm", denkt sich Samara, als sie Caleb während ihres Sommerjobs in der Buchhandlung kennenlernt. Frauen scheinen von ihm magisch angezogen zu werden, denn er ist ständig von ihnen umgeben. Als einige seiner "Verehrerinnen" einen Herzanfall erleiden, ahnt Samara, dass Caleb daran nicht unschuldig ist. Um hinter sein Geheimnis zu kommen, beginnt sie einen intensiven Flirt mit ihm. Doch Caleb ist ein Cambion, in ihm wohnt ein böser Geist, der sich von der Lebensenergie seiner Opfer ernährt. Hat sich Samara schon zu sehr auf ihn eingelassen?
Lese-Probe zu „Violett wie die Nacht / Cambion Chronicles Bd.1 “
Cambion Chronicles Violett wie die Nacht von Jaime Reed 1
Liebe ist was für Masochisten.
Das ist die ultimative Wahrheit, wenn ich das selbst mal so sagen darf. Diese Philosophie bewahrt mich vor dem Wahnsinn, seit ich denken kann, und sie half mir dabei, den seltsamsten Sommer meines Lebens zu überstehen. Andererseits ist es sehr amüsant zu beobachten, wozu die Liebe die Menschen bringt. Ein Superprogramm für die Mittagspause.
Ich saß auf der Motorhaube meines Wagens, nuckelte an einer Limonade und sah zu, wie die Liebe vor meinen Augen zur Höchstform auflief. Meine beste Freundin Mia und ihr Immer-mal-wieder-Freund Dougie standen sich mitten auf dem Parkplatz des Outlet-Centers wie zwei Preisboxer gegenüber.
Zur dieswöchigen Vorstellung gehörten auch Requisiten. Dougie machte Ausfallschritte über den Betonboden, duckte sich und entrann nur knapp dem Tod durch die schickste Designerhandtasche, die für Geld zu haben war. Aus dem Geschrei, den Schimpfwörtern und dem Taschengeschleudere schlussfolgerte ich, dass Mia Dougie in Gesellschaft eines anderen Mädchens erwischt hatte. Mia konnte manchmal etwas neurotisch sein, aber wenn es um ihren Kerl ging, schaltete sie um auf vollkommen plemplem. Diesen Eifersuchtsquatsch hatten sie beide drauf, je nach Tagesform, und die Zuschauer erwartete stets ein unterhaltsames Spektakel.
»Gott, was bist du nur für ein Lügner! Wie konntest du mir das antun?«, tobte sie.
»Reg dich ab, Baby! Das war meine Cousine!« Dougie entkam Mias nächstem Handtaschenangriff nur um Haaresbreite.
»Du verlogenes Stück Scheiße! Ich kenne alle deine Verwandten, Douglas. Sie hat dich noch nie besucht.«
... mehr
Dougie rannte im Kreis um sie herum, das Gesicht krebsrot vor Anstrengung. »Sie ist gerade erst hergezogen! Ich schwöre es, Baby.«
»Und warum hast du sie mir dann nicht vorgestellt, hm?« Mia strich sich das verschwitzte braune Haar aus der Stirn. »Bin ich dir etwa peinlich?«
Er hielt inne, eindeutig gekränkt durch diese Unterstellung. »Nein! Warum sagst du so was?«
»Lügner!« Ihre Handtasche sauste auf seinen Kopf zu, verfehlte ihn jedoch.
Dougie ergriff einen der Riemen, und die beiden lieferten sich mitten auf dem Parkplatz ein astreines Tauziehen. Die Wochenendkäufer begafften sie entsetzt und hielten ihren Kindern wegen der Flüche, die durch die Luft schwirrten, die Ohren zu. Jeden Augenblick würde bestimmt jemand den Sicherheitsdienst rufen, also beschloss ich, die Turteltäubchen sich selbst zu überlassen.
»Hey, Leute!«, rief ich über die Schulter nach hinten. »Ich muss wieder an die Arbeit, bis später, ja?«
»Ist gut, ich ruf dich an!«, schrie Mia zurück, bevor sie Dougie kräftig vor die Brust stieß.
Ich warf meinen Becher in den Mülleimer und betrat Buncha Books durch den Seiteneingang. Die klimatisierte Luft traf mich wie ein Schlag ins Gesicht und drängte die Junihitze nach draußen. Aus den Lautsprechern tönten sanfte Jazz- klänge in Endlosschleife. Touristen und Einheimische füllten die Etage in einem langsamen, unentschlossenen Tanz um die Bücherregale.
Ich schlenderte durch die Hauptgänge, vorbei am Stand mit den Neuerscheinungen und Bestsellern in Richtung Informationsschalter in der Mitte des Geschäfts. Da ich schon bei Buncha Books jobbte, seit ich in der zehnten Klasse war, kannte ich inzwischen die wichtigsten Arbeitsregeln; etwa die, sich nie im eigentlichen Buchladen erwischen zu lassen. Außerdem hatte ich festgestellt, dass mich die Kunden nicht ansprachen, wenn ich keinen Augenkontakt zu ihnen herstellte. Diese Strategie hob ich mir auf, bis meine Schicht begann. Ich warf einen wachsamen Blick über die Schulter, suchte mir einen unbesetzten Computer und checkte wieder ein.
Dank Tarnkappenstrategie und schneller Reflexe erreichte ich ohne Zwischenfall das andere Ende des Ladens. Als ich am Zeitschriftengang vorbeiflitzte, sah ich aus dem Augenwinkel etwas Seltsames, etwas so Verstörendes, dass ich aus dem Tritt kam. Ich hielt an, blinzelte ein paarmal und ging zurück zur Abteilung Heim und Garten, um mich zu vergewissern, dass ich mich nicht verguckt hatte.
Caleb Baker, der stellvertretende Chef der Musikabteilung, hatte eine Rothaarige im Arm und knutschte sie in Grund und Boden. Ihr schien diese öffentliche Mandeloperation nichts auszumachen, aber das war nicht gerade der Kundendienst, den unsere Vorgesetzten uns immer nahelegten.
Als ich mich gerade zum Gehen wandte, trafen sich unsere Blicke.
Caleb war nicht unbedingt ein Typ, der den Verkehr zum Erliegen bringt, aber mit seinen tiefen Grübchen und den violettesten Augen, die ich je gesehen habe, war er schon einen zweiten Blick wert. Er behauptete zwar, die Augenfarbe sei echt, aber eigentlich dürften solche Augen in der Natur gar nicht vorkommen - jetzt gerade leuchteten sie im strahlendsten Lilaton des Farbkreises.
Hellbraune Haarsträhnen fielen ihm ins Gesicht, während die beiden sich weiter abschlabberten. Wenn sie nicht bald mal Luft holten, würde ihr Caleb sicher noch die Lebenskraft aussaugen. Soweit ich weiß, gibt es für solche Fälle billige Hotelzimmer, und in dieser Gegend herrschte daran wahrlich kein Mangel.
Schon die ganzen anderthalb Jahre, die ich hier arbeitete, verursachte mir der Typ Gänsehaut. Ganz zu schweigen von der Anzahl der Frauen, die dauernd hinter ihm herjagten. Keiner im Laden schien etwas davon zu merken oder sprach diese Tatsache jemals an, nicht mal die Vorgesetzten, was mich noch mehr anwiderte.
Ich hatte genug gesehen und ging weiter zu meinem Arbeitsplatz, bevor mir das Mittagessen wieder hochkam.
Cuppa-Joe war ein kleines Café im hinteren Teil des Buchladens, wo die Leute ausspannten und über Gott und die Welt ablästerten. Die Jauchegrube des Firmentratsches und des Kunden-Bashings.
Heute hatte ich Spätschicht mit meiner Wochenendkomplizin Nadine Petrovsky, einer polnischen Austauschstudentin am William-&-Mary-College und einem der zynischsten Menschen, die ich jemals kennenlernen durfte. Die Typen kamen extra ins Café, um ihrem exotischen Akzent zu lauschen und ihr bei der Arbeit zuzusehen.
Ein kurzer Blick genügte, um das zu verstehen. Jedem Modelscout würde angesichts dieser europäischen Schönheit das Wasser im Mund zusammenlaufen: Ihr langes, weizenblondes Haar reichte ihr bis zum Po, und sie hatte abgefahrene grüne Katzenaugen. Schade, dass all die Aufmerksamkeit sie nicht im Geringsten interessierte. Sie hatte keine Zeit für diesen Quatsch, was sie mitleidlos und schnippisch gemacht hatte. Sie war einfach zu zielstrebig, um zuzulassen, dass ein Typ oder irgendetwas anderes sie bremste.
Nadine stand vor dem Kaffeeautomaten und reinigte die Dampfdüse, als sie mich aus dem Augenwinkel bemerkte.
»Du kommst zu spät«, stellte sie fest, ohne aufzusehen.
»Tut mir leid. Mia und Dougie haben sich mal wieder auf dem Parkplatz gefetzt.« Ich band mein Haar zu einem Knoten und schnappte mir die Schürze aus der Küche nebenan.
»Ach ja?« Sie reckte den Hals und versuchte, vor den Laden zu spähen. »Die liefern immer eine gute Show ab. Sollten ihre eigene Sitcom kriegen.«
»Hab ich ihnen auch schon gesagt.«
Sie legte die Stirn in Sorgenfalten und schüttelte missbilligend den Kopf. »Das ist keine gesunde Beziehung, Sam.«
»Welche Beziehung ist das schon?« Ich band mir die Schürze um und ging zum Spülbecken, um mir die Hände zu waschen.
»Na, die normalen.«
»Tja, sobald ich mal so eine zu sehen bekomme, sage ich dir, was ich davon halte.«
Während ich mir die Hände abtrocknete, kam ein Grund, warum ich Kunden hasste, auf die Theke zu. Ein ganz in Schwarz gekleideter Typ mit einem Hundehalsband schielte zu mir rüber.
Nadine tat weiter, als sei sie beschäftigt, also ging ich zur Kasse. »Was darf 's sein?«
»Einen Eis-Chai Latte«, sagte er ausdruckslos. Es war schwer zu sagen, ob der Kerl high oder nur halb wach oder ob er überhaupt ein Kerl war. Seine Baggy Pants schleiften über den Boden wie ein Kleid beim Abschlussball, unter den ausgefransten, schmutzigen Aufschlägen lugten Clownstiefel hervor.
Ich tippte seine Bestellung ein und warf Nadine einen Blick zu, den sie mit einem identischen Blick erwiderte.
Als er gegangen war, lehnte ich mich an die Theke und lachte.
Nadine lächelte nie, auch wenn der Witz noch so gut war, was sie an den Wochentagen, an denen sie im Kindergarten auf die Vorschüler aufpasste, ganz bestimmt sehr beliebt machte. Stattdessen wischte sie mit heftigen Bewegungen die Arbeitsfläche sauber.
»Ich hasse diese Elmo-Goth-Typen«, maulte sie. »Welcher Soziopath mit einem Rest von Selbstachtung trinkt denn schon Chai? Was wissen die denn über echte Qualen? Sollen die mal ein Konzentrationslager überleben, dann können sie jammern.«
»Das heißt Emo«, korrigierte ich sie. »Und deine Urgroßeltern kamen nicht mal bis zum Lager, bevor die amerikanischen Truppen einfielen.«
Nadine ging zur hinteren Arbeitsfläche und prüfte die Zeitschalter an den Kaffeemaschinen. »Qualen sind Qualen. Und für mich heißt das trotzdem Elmo, weil die genauso kindisch sind.«
Ich sah sie amüsiert an und schüttelte den Kopf. »Du weißt ja nicht, was bei ihm zu Hause so abgeht.«
»Jeder weiß, was bei ihm zu Hause abgeht. Er kommt nicht mit seinen Eltern klar. Er hockt nur in seinem Zimmer und jammert und schreibt schlechte Gedichte darüber, wie es wäre, ein Vampir zu sein.«
Lachend trat ich an die Espressomaschine und klaute mir eine Tasse.
»Hey, du bist dran mit Tischeabwischen.« Nadine warf mir einen Lappen zu. »Und vergiss nicht, die Zeitschriften zurückzubringen.«
Seufzend schlurfte ich zum Sitzbereich und sammelte die benutzten Becher und Strohhalmpapiere ein. Da gerade niemand anstand, ließ ich mir Zeit mit dem Zurückbringen der Zeitschriften in die Ständer. Als ich fertig war, drehte ich mich um und sah Caleb, immer noch so müßig und unproduktiv wie vorhin.
Er saß auf einer Lesebank am Fenster, den Kopf zwischen den Händen. Die Nachmittagssonne floss über seinen Rücken und verlieh seinem Haar einen goldenen Heiligenschein. Normalerweise hätte ich ihn ignoriert, hätte nicht ein leichtes Zittern seinen Körper erschüttert.
Weinte er? Hatte er sich mit seiner neuen Flamme verkracht? Es war einfach beunruhigend, einen Typen weinen zu sehen, aber es fielen keine Tränen, und er wischte auch keine mit der Hand weg. Sein Körper schwankte vor und zurück, und fast erwartete ich, dass er anfing, um Kleingeld zu betteln. Wie lange hatte der eigentlich Pause?
Ich ging zu ihm hinüber und tippte ihm auf die Schulter. »Hey, Caleb. Alles klar mit dir?«
»Ja«, murmelte er unter seinen Händen hervor. Zum Glück roch er nicht nach Alkohol, aber er sah auf jeden Fall verkatert aus. Andererseits sah er eigentlich immer so aus.
Mit einer Hand griff er nach der Sonnenbrille, die er in seinen Kragen gehakt hatte, mit der anderen schirmte er seine Augen ab - ich war nicht ganzsicher, ob aus Scham oder wegen des gleißenden Lichts. Ich war auch nicht ganz sicher, wo die violetten Strahlen herkamen, die zwischen seinen Fingern hervorschossen.
Für den Bruchteil einer Sekunde durchflutete ein violetter Schimmer seine Augen und glühte fluoreszierend auf. Caleb drehte schnell den Kopf weg und hinterließ eine farbige Schliere in der Luft, die wie ein Kondensstreifen dort hängen blieb. Interessanter Trick für jemanden, der angeblich keine Kontaktlinsen trug.
Er stand auf und hielt inne, als er meinen schockierten Gesichtsausdruck sah. Er scharrte mit den Füßen und fummelte an seinen Haaren herum, versuchte es zu überspielen, als hätte ich ihn mit offenem Hosenschlitz erwischt. Aber das Einzige, was ich bemerkt hatte, waren eine Sehstörung und ein unheimliches Gefühl.
Ich wich zurück. »Ganz sicher alles in Ordnung? Bist du krank?«
Meine Frage brachte ihn zum Lachen, aber es klang trocken und bitter. »Du hast ja keine Ahnung«, sagte er, bevor er an sein Ende des Ladens zurückmarschierte.
Meine Mom hat mir beigebracht, die Leute nicht vorschnell zu verurteilen, aber verdammt noch mal, dieser Typ machte es einem echt nicht leicht. Ich wusste nicht viel über ihn, aber das machte es nur noch schwieriger.
Irgendetwas sagte mir, dass Unwissenheit ein Segen war, wenn es um Caleb Baker ging, also ging ich wieder an die Arbeit in der Hoffnung, sie würde mich ablenken. Aber es war zu spät. Meine Neugier war geweckt, und sie würde mich nicht ruhen lassen, ehe ich ihr Nahrung gab.
© 2012 INK verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
Dougie rannte im Kreis um sie herum, das Gesicht krebsrot vor Anstrengung. »Sie ist gerade erst hergezogen! Ich schwöre es, Baby.«
»Und warum hast du sie mir dann nicht vorgestellt, hm?« Mia strich sich das verschwitzte braune Haar aus der Stirn. »Bin ich dir etwa peinlich?«
Er hielt inne, eindeutig gekränkt durch diese Unterstellung. »Nein! Warum sagst du so was?«
»Lügner!« Ihre Handtasche sauste auf seinen Kopf zu, verfehlte ihn jedoch.
Dougie ergriff einen der Riemen, und die beiden lieferten sich mitten auf dem Parkplatz ein astreines Tauziehen. Die Wochenendkäufer begafften sie entsetzt und hielten ihren Kindern wegen der Flüche, die durch die Luft schwirrten, die Ohren zu. Jeden Augenblick würde bestimmt jemand den Sicherheitsdienst rufen, also beschloss ich, die Turteltäubchen sich selbst zu überlassen.
»Hey, Leute!«, rief ich über die Schulter nach hinten. »Ich muss wieder an die Arbeit, bis später, ja?«
»Ist gut, ich ruf dich an!«, schrie Mia zurück, bevor sie Dougie kräftig vor die Brust stieß.
Ich warf meinen Becher in den Mülleimer und betrat Buncha Books durch den Seiteneingang. Die klimatisierte Luft traf mich wie ein Schlag ins Gesicht und drängte die Junihitze nach draußen. Aus den Lautsprechern tönten sanfte Jazz- klänge in Endlosschleife. Touristen und Einheimische füllten die Etage in einem langsamen, unentschlossenen Tanz um die Bücherregale.
Ich schlenderte durch die Hauptgänge, vorbei am Stand mit den Neuerscheinungen und Bestsellern in Richtung Informationsschalter in der Mitte des Geschäfts. Da ich schon bei Buncha Books jobbte, seit ich in der zehnten Klasse war, kannte ich inzwischen die wichtigsten Arbeitsregeln; etwa die, sich nie im eigentlichen Buchladen erwischen zu lassen. Außerdem hatte ich festgestellt, dass mich die Kunden nicht ansprachen, wenn ich keinen Augenkontakt zu ihnen herstellte. Diese Strategie hob ich mir auf, bis meine Schicht begann. Ich warf einen wachsamen Blick über die Schulter, suchte mir einen unbesetzten Computer und checkte wieder ein.
Dank Tarnkappenstrategie und schneller Reflexe erreichte ich ohne Zwischenfall das andere Ende des Ladens. Als ich am Zeitschriftengang vorbeiflitzte, sah ich aus dem Augenwinkel etwas Seltsames, etwas so Verstörendes, dass ich aus dem Tritt kam. Ich hielt an, blinzelte ein paarmal und ging zurück zur Abteilung Heim und Garten, um mich zu vergewissern, dass ich mich nicht verguckt hatte.
Caleb Baker, der stellvertretende Chef der Musikabteilung, hatte eine Rothaarige im Arm und knutschte sie in Grund und Boden. Ihr schien diese öffentliche Mandeloperation nichts auszumachen, aber das war nicht gerade der Kundendienst, den unsere Vorgesetzten uns immer nahelegten.
Als ich mich gerade zum Gehen wandte, trafen sich unsere Blicke.
Caleb war nicht unbedingt ein Typ, der den Verkehr zum Erliegen bringt, aber mit seinen tiefen Grübchen und den violettesten Augen, die ich je gesehen habe, war er schon einen zweiten Blick wert. Er behauptete zwar, die Augenfarbe sei echt, aber eigentlich dürften solche Augen in der Natur gar nicht vorkommen - jetzt gerade leuchteten sie im strahlendsten Lilaton des Farbkreises.
Hellbraune Haarsträhnen fielen ihm ins Gesicht, während die beiden sich weiter abschlabberten. Wenn sie nicht bald mal Luft holten, würde ihr Caleb sicher noch die Lebenskraft aussaugen. Soweit ich weiß, gibt es für solche Fälle billige Hotelzimmer, und in dieser Gegend herrschte daran wahrlich kein Mangel.
Schon die ganzen anderthalb Jahre, die ich hier arbeitete, verursachte mir der Typ Gänsehaut. Ganz zu schweigen von der Anzahl der Frauen, die dauernd hinter ihm herjagten. Keiner im Laden schien etwas davon zu merken oder sprach diese Tatsache jemals an, nicht mal die Vorgesetzten, was mich noch mehr anwiderte.
Ich hatte genug gesehen und ging weiter zu meinem Arbeitsplatz, bevor mir das Mittagessen wieder hochkam.
Cuppa-Joe war ein kleines Café im hinteren Teil des Buchladens, wo die Leute ausspannten und über Gott und die Welt ablästerten. Die Jauchegrube des Firmentratsches und des Kunden-Bashings.
Heute hatte ich Spätschicht mit meiner Wochenendkomplizin Nadine Petrovsky, einer polnischen Austauschstudentin am William-&-Mary-College und einem der zynischsten Menschen, die ich jemals kennenlernen durfte. Die Typen kamen extra ins Café, um ihrem exotischen Akzent zu lauschen und ihr bei der Arbeit zuzusehen.
Ein kurzer Blick genügte, um das zu verstehen. Jedem Modelscout würde angesichts dieser europäischen Schönheit das Wasser im Mund zusammenlaufen: Ihr langes, weizenblondes Haar reichte ihr bis zum Po, und sie hatte abgefahrene grüne Katzenaugen. Schade, dass all die Aufmerksamkeit sie nicht im Geringsten interessierte. Sie hatte keine Zeit für diesen Quatsch, was sie mitleidlos und schnippisch gemacht hatte. Sie war einfach zu zielstrebig, um zuzulassen, dass ein Typ oder irgendetwas anderes sie bremste.
Nadine stand vor dem Kaffeeautomaten und reinigte die Dampfdüse, als sie mich aus dem Augenwinkel bemerkte.
»Du kommst zu spät«, stellte sie fest, ohne aufzusehen.
»Tut mir leid. Mia und Dougie haben sich mal wieder auf dem Parkplatz gefetzt.« Ich band mein Haar zu einem Knoten und schnappte mir die Schürze aus der Küche nebenan.
»Ach ja?« Sie reckte den Hals und versuchte, vor den Laden zu spähen. »Die liefern immer eine gute Show ab. Sollten ihre eigene Sitcom kriegen.«
»Hab ich ihnen auch schon gesagt.«
Sie legte die Stirn in Sorgenfalten und schüttelte missbilligend den Kopf. »Das ist keine gesunde Beziehung, Sam.«
»Welche Beziehung ist das schon?« Ich band mir die Schürze um und ging zum Spülbecken, um mir die Hände zu waschen.
»Na, die normalen.«
»Tja, sobald ich mal so eine zu sehen bekomme, sage ich dir, was ich davon halte.«
Während ich mir die Hände abtrocknete, kam ein Grund, warum ich Kunden hasste, auf die Theke zu. Ein ganz in Schwarz gekleideter Typ mit einem Hundehalsband schielte zu mir rüber.
Nadine tat weiter, als sei sie beschäftigt, also ging ich zur Kasse. »Was darf 's sein?«
»Einen Eis-Chai Latte«, sagte er ausdruckslos. Es war schwer zu sagen, ob der Kerl high oder nur halb wach oder ob er überhaupt ein Kerl war. Seine Baggy Pants schleiften über den Boden wie ein Kleid beim Abschlussball, unter den ausgefransten, schmutzigen Aufschlägen lugten Clownstiefel hervor.
Ich tippte seine Bestellung ein und warf Nadine einen Blick zu, den sie mit einem identischen Blick erwiderte.
Als er gegangen war, lehnte ich mich an die Theke und lachte.
Nadine lächelte nie, auch wenn der Witz noch so gut war, was sie an den Wochentagen, an denen sie im Kindergarten auf die Vorschüler aufpasste, ganz bestimmt sehr beliebt machte. Stattdessen wischte sie mit heftigen Bewegungen die Arbeitsfläche sauber.
»Ich hasse diese Elmo-Goth-Typen«, maulte sie. »Welcher Soziopath mit einem Rest von Selbstachtung trinkt denn schon Chai? Was wissen die denn über echte Qualen? Sollen die mal ein Konzentrationslager überleben, dann können sie jammern.«
»Das heißt Emo«, korrigierte ich sie. »Und deine Urgroßeltern kamen nicht mal bis zum Lager, bevor die amerikanischen Truppen einfielen.«
Nadine ging zur hinteren Arbeitsfläche und prüfte die Zeitschalter an den Kaffeemaschinen. »Qualen sind Qualen. Und für mich heißt das trotzdem Elmo, weil die genauso kindisch sind.«
Ich sah sie amüsiert an und schüttelte den Kopf. »Du weißt ja nicht, was bei ihm zu Hause so abgeht.«
»Jeder weiß, was bei ihm zu Hause abgeht. Er kommt nicht mit seinen Eltern klar. Er hockt nur in seinem Zimmer und jammert und schreibt schlechte Gedichte darüber, wie es wäre, ein Vampir zu sein.«
Lachend trat ich an die Espressomaschine und klaute mir eine Tasse.
»Hey, du bist dran mit Tischeabwischen.« Nadine warf mir einen Lappen zu. »Und vergiss nicht, die Zeitschriften zurückzubringen.«
Seufzend schlurfte ich zum Sitzbereich und sammelte die benutzten Becher und Strohhalmpapiere ein. Da gerade niemand anstand, ließ ich mir Zeit mit dem Zurückbringen der Zeitschriften in die Ständer. Als ich fertig war, drehte ich mich um und sah Caleb, immer noch so müßig und unproduktiv wie vorhin.
Er saß auf einer Lesebank am Fenster, den Kopf zwischen den Händen. Die Nachmittagssonne floss über seinen Rücken und verlieh seinem Haar einen goldenen Heiligenschein. Normalerweise hätte ich ihn ignoriert, hätte nicht ein leichtes Zittern seinen Körper erschüttert.
Weinte er? Hatte er sich mit seiner neuen Flamme verkracht? Es war einfach beunruhigend, einen Typen weinen zu sehen, aber es fielen keine Tränen, und er wischte auch keine mit der Hand weg. Sein Körper schwankte vor und zurück, und fast erwartete ich, dass er anfing, um Kleingeld zu betteln. Wie lange hatte der eigentlich Pause?
Ich ging zu ihm hinüber und tippte ihm auf die Schulter. »Hey, Caleb. Alles klar mit dir?«
»Ja«, murmelte er unter seinen Händen hervor. Zum Glück roch er nicht nach Alkohol, aber er sah auf jeden Fall verkatert aus. Andererseits sah er eigentlich immer so aus.
Mit einer Hand griff er nach der Sonnenbrille, die er in seinen Kragen gehakt hatte, mit der anderen schirmte er seine Augen ab - ich war nicht ganzsicher, ob aus Scham oder wegen des gleißenden Lichts. Ich war auch nicht ganz sicher, wo die violetten Strahlen herkamen, die zwischen seinen Fingern hervorschossen.
Für den Bruchteil einer Sekunde durchflutete ein violetter Schimmer seine Augen und glühte fluoreszierend auf. Caleb drehte schnell den Kopf weg und hinterließ eine farbige Schliere in der Luft, die wie ein Kondensstreifen dort hängen blieb. Interessanter Trick für jemanden, der angeblich keine Kontaktlinsen trug.
Er stand auf und hielt inne, als er meinen schockierten Gesichtsausdruck sah. Er scharrte mit den Füßen und fummelte an seinen Haaren herum, versuchte es zu überspielen, als hätte ich ihn mit offenem Hosenschlitz erwischt. Aber das Einzige, was ich bemerkt hatte, waren eine Sehstörung und ein unheimliches Gefühl.
Ich wich zurück. »Ganz sicher alles in Ordnung? Bist du krank?«
Meine Frage brachte ihn zum Lachen, aber es klang trocken und bitter. »Du hast ja keine Ahnung«, sagte er, bevor er an sein Ende des Ladens zurückmarschierte.
Meine Mom hat mir beigebracht, die Leute nicht vorschnell zu verurteilen, aber verdammt noch mal, dieser Typ machte es einem echt nicht leicht. Ich wusste nicht viel über ihn, aber das machte es nur noch schwieriger.
Irgendetwas sagte mir, dass Unwissenheit ein Segen war, wenn es um Caleb Baker ging, also ging ich wieder an die Arbeit in der Hoffnung, sie würde mich ablenken. Aber es war zu spät. Meine Neugier war geweckt, und sie würde mich nicht ruhen lassen, ehe ich ihr Nahrung gab.
© 2012 INK verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
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Autoren-Porträt von Jaime Reed
Jaime Reed hat ihre Liebe zum Geschichtenerzählen schon sehr früh entdeckt, als Ventil für ihre überbordende Fantasie. Im Anschluss an die Kunsthochschule ging sie in ihre Heimat Virginia zurück, wo sie neben dem Schreiben als Zeichnerin und Co-Produzentin für eine Filmgesellschaft arbeitet.
Bibliographische Angaben
- Autor: Jaime Reed
- Altersempfehlung: 14 - 17 Jahre
- 2012, 1. Aufl., 352 Seiten, Maße: 13,4 x 21,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzung: Schmidt-Wussow, Susanne
- Übersetzer: Susanne Schmidt-Wussow
- Verlag: Ink
- ISBN-10: 3863960327
- ISBN-13: 9783863960322
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