Vollidiot
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Vollidiot von TommyJaud
LESEPROBE
DER SAFTSCHUBSER-GENTLEMAN
Phil kenntden Türsteher und kommt so rein. Denke ich zumindest zuerst. Als ich auf meinenZwanziger nur ein müdes Lächeln zurückbekomme, wird mir klar, dass ich für ihnmitgezahlt habe. Gerissenes Arschloch! Wenigstens ist drinnen schon echt waslos. Irgendein verpickelter »Resident DJ« mit Berlin-Mitte-Hornbrille nervt mich mit VocalHouse, das stumpfe Fußvolk findet's natürlich galaktisch. Ich bahne mir denWeg zur Bar, denn schließlich will ich mir ja die Birne wegballern, und was ichin mein Sorgenbuch geschrieben habe, das ziehe ich auch durch. Haribo-Phil hatdie versprochenen Partyschnecken schon gefunden. Die Größere von beiden siehttatsächlich nach Party aus, die Kleinere wie 'ne Schnecke.
»Petra, dasist Simon! Simon - Petra! «, stellt uns Phil vor. »Hi!«, sage ich zumPartymädchen, und zur Schnecke das Gleiche.
»HI!«, sagt die Schnecke. Partymädchen Katja sagt nichts. Mit ihrem leichtchemischen Blick und ihrem schwarzen Pagenkopf erinnert sie mich schwer an die durchgeknallteGangsterbraut Mia aus Pulp Fiction.
Als kleineStarthilfe fürs Gespräch ergänzt Phil: »Petra und Katja sind bei der Lufthansa.Simon ist Kundenberater im T -Punkt und verurteilt die Kuba-Politik der US-Regierungauf das Schärfste!« Ich werfe Phil einen bitterbösen Blick zu. Vielen Dank.Was glaubt der Vollidiot, was so eine Partyschnecke darauf sagt?
Oh ... dubist also in Bezug auf die US-Außenpolitik tendenziell gegen die Sichtweiseder Republikaner? Das ist ja soooo sexy! Darf ich mit dir schlafen?
Katja, alsodie, die nach Party aussieht und nicht nach Schnecke, belässt es bei einemkurzen Lächeln und wendet sich dann demonstrativ ab. Es ist wie immer. DerSchuss ist 'ne arrogante Kuh. Schade. Ihr enges T-Shirt und der unverschämteStringtanga, den sie aus ihrer schwarzen Kunststoffhose fast bis zu denSchultern hochgezogen hat, deuten nicht gerade auf »keinen Sex vor der Ehe«hin. Ich überlege, mit welchem Killer-Satz ich meine Konversation startenkönnte. Phil reicht uns mit gönnerhaftem Blick eine Runde Wodka Red Bull, dieer mit meiner Kohle bezahlt hat. Dabei tut er in jeder Sekunde so, als hätte ergerade den gesamten Club gekauft. Ich weiß nicht, ob ich's schon erwähnt habe:Ich mag ihn nicht. Ich werfe meinen Strohhalm hinter mich, weil ich finde,dass Strohhalme was für Schwuchteln sind. Dann brülle ich der Pulp-FictionGangsterbrautins Ohr:
»Fliegst duKurz- oder Langstrecke?«
»Langstrecke!«, gähnt sie mir entgegen und bringt es dabei fertig, mich nicht malanzuschauen. Langstrecke! Die sollen total versaut sein, hat mir Phil erzählt,und der muss es wissen, so viel Pornos wie der schaut. Also dranbleiben!
»Und wohinfliegst du so?«, will ich wissen.
»Staaten!«
Auweia!
»Würde esdein Sprachzentrum überfordern, mir einen ganzen Satz zu basteln?«
Meinkleiner Witz wird mit einem absichtlich schlecht gespieltenHollywood-Zahncremelächeln und sofortigem Abwenden belohnt. Im Augenwinkel seheich Phil, der mir mit erhobenem Daumen zuzwinkert. Mit der anderen Hand fummelter einer dümmlich grinsenden Blondine am kleinen Schwarzen. Wie ich ihn hasse!Keine fünf Minuten hier und hat schon wieder die Nächste klargemacht. Ich leeremeinen Drink und wende mich wieder meinen Luftfahrt-Hasen zu:
»Ich fliegja morgen mit Air Berlin auf die Kanaren!« »Und ... haste schon gepackt?«,fragt mich die Gangsterbraut.
»Nee! «,sage ich, und dann schauen wir wieder in unterschiedliche Richtungen. Man kannnicht gerade behaupten, dass wir auf der gleichen Wellenlänge unterwegs wären. Dazumanifestiert sich bei mir ein passabler Themen Blackout.
»Hastegewusst?«, frage ich, »die Innere Kanalstraße wird für zwei Wochen einspurig!«
»Echt?«
»Wenn ich'sdir sage!«
»Na, dannwird's wohl 'ne Menge Stau geben! « »Davon kannste ausgehen!«
»Zum Glückmuss ich da nie lang!«
»Ich auchnicht ...«
Ich könntemich mit dem Fuß an ein Taxi binden und mir bis Köln-Porz ein schönesAsphalt-Peeling verpassen lassen vor Wut. Was erzähl ich denn da für einenMüll, bitte schön? Ich muss zum Angriff übergehen, Risikobereitschaft zeigenund Witz! Und das Ganze am besten zur gleichen Zeit!
Ich stupsedas Partymädchen an der Schulter.
© 2004 Argon Verlag GmbH, Berlin
- Autor: Tommy Jaud
- 2004, 283 Seiten, Maße: 21,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: FISCHER Scherz
- ISBN-10: 3502110298
- ISBN-13: 9783502110293
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