Vom Dämon gezeichnet
Roman
Als die Kommissarin Kara Gillian an einer Leiche die Symbole geheimer magischer Rituale entdeckt, ist ihr sofort klar, dass sie es nicht mit einem gewöhnlichen Mord zu tun hat. Die Tat wurde von einem Serienmörder begangen, der die Stadt schon einmal...
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Produktinformationen zu „Vom Dämon gezeichnet “
Klappentext zu „Vom Dämon gezeichnet “
Als die Kommissarin Kara Gillian an einer Leiche die Symbole geheimer magischer Rituale entdeckt, ist ihr sofort klar, dass sie es nicht mit einem gewöhnlichen Mord zu tun hat. Die Tat wurde von einem Serienmörder begangen, der die Stadt schon einmal heimgesucht hat. Kara, die in ihrer Freizeit selbst Dämonen beschwört, sind die Symbole nur allzu vertraut. Und mit ihren magischen Fähigkeiten ist sie die Einzige, die den Mörder aufhalten kann. Doch da beschwört sie versehentlich einen Dämon von unvergleichlicher Macht und überirdischer Schönheit, der sie bis in ihre Träume verfolgt ...
Lese-Probe zu „Vom Dämon gezeichnet “
Vom Dämon gezeichnet von Diana Rowland 1 ... mehr
Ich konnte hören, wie der Fremde in mein Haus eindrang. Leider war es genau derselbe Moment, in dem auch der Dämon vor mir erschien. Das Geräusch von splitterndem Glas im ersten Stock lenkte mich zwar nur für den Bruchteil einer Sekunde ab, aber es reichte aus, damit das arkanische Portal meiner Kontrolle entglitt und herumzuhüpfen begann wie ein ungebändigter Gartenschlauch unter vollem Druck. Verzweifelt versuchte ich, das Portal wieder zu fassen zu bekommen, und mir brach der kalte Schweiß aus. Mein Herz hämmerte, während ich mit der nun ungebändigten Energie rang. Meine Technik war grob und ziemlich unelegant, aber das war mir völlig egal. Ich war nur daran interessiert zu überleben und achtete nicht darauf, ob ich gut dabei aussah. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, aber es dauerte nur ein paar hektische Sekunden, bis ich die wild herumtanzenden Kräfte wieder im Griff hatte. Vorsichtig atmete ich einige Male tief durch, um meinen wild galoppierenden Puls wieder zu beruhigen. Das war knapp gewesen. Wenn ich nur wenige Sekunden früher die Kontrolle verloren hätte, wäre ich wahrscheinlich in Stücke gerissen worden entweder vom Mahlstrom des Portals, das ich im Keller meines Hauses geöffnet hatte, oder von den Klauen des Dämons, den ich gerade durch dieses Portal gerufen hatte. Bebend atmete ich aus und löste meinen mentalen Griff von dem Portal, während ich triumphierend auf den mächtigen Dämon hinabsah, der vor mir hockte ein Knie gebeugt, den Kopf gesenkt und die Schwingen auf dem Rücken zusammengefaltet. Er hatte sich während meines gesamten Kampfes mit dem Portal vollkommen still verhalten, und ich dankte insgeheim welcher Macht auch immer, dass ich die Bedingungen für seine Anwesenheit bereits mit ihm festgelegt hatte, bevor mir das Portal entglitten war. Ich spürte, wie sich ein Grinsen auf meinem Gesicht ausbreitete. Ich hatte es geschafft. Ich hatte einen Reyza beschworen, der auf der höchsten aller zwölf Ebenen der Dämonen stand. Nun war ich offiziell eine voll qualifizierte Beschwörerin. Das scharfe Splittern von Glas riss mich aus meinen Träumereien. Mein Grinsen wich einem finsteren Blick. Ein Einbrecher. Na klasse. Wenn ich jetzt hinaufging und mich um den Idioten kümmerte, würde ich meinen eigentlichen Plan aufgeben müssen, weshalb ich den Dämon überhaupt beschworen hatte. Und einen Reyza zu beschwören, war weit mehr wert als ein paar weltliche Besitztümer. Abgesehen davon war mein weltlicher Besitz ohnehin nicht besonders viel wert. Bei dem Geräusch hob der Dämon den Kopf. »Jemand dringt in Euer Reich ein«, knurrte er, und seine tiefe Stimme hallte machtvoll durch den Keller. Bevor ich noch Luft holen konnte, um etwas zu erwidern oder ihm einen Befehl zu erteilen, rannte er die schwere hölzerne Kellertreppe hinauf und stürmte durch die Tür, die in den Flur führte. »Verfluchter Mist!« Schnell verankerte ich die Kraft, die ich noch nicht wieder abgegeben hatte. Das war's dann also mit meinem Plan. Mir zitterten die Knie, als ich dem Dämon die Stufen hinauffolgte, und ich fluchte, dass ich vor Erschöpfung so langsam war. Nach einer Beschwörung fühlte ich mich immer ziemlich ausgelaugt, aber diesmal war es schlimmer, als ich erwartet hatte. Ich hörte einen panischen Schrei aus dem vorderen Teil meines Hauses und rannte, so schnell ich auf meinen wackeligen Beinen konnte, dorthin. Okay, ich hab es geschafft, ihn zu rufen. Aber kann ich ihn jetzt auch kontrollieren? Das entsetzte Gekreisch erreichte ungeahnte Höhen, während ich durch den Flur taumelte. »Kehlirik! Tu ihm nichts!«, rief ich, während ich gleichzeitig versuchte, mental Druck auf ihn auszuüben. Völlig außer Atem erreichte ich das Wohnzimmer und war dankbar dafür, dass mein Haus eher gemütlich als besonders prunkvoll war. Ich war mir nicht sicher, ob ich es noch viel weiter geschafft hätte, ohne hinzufallen. Ruh dich lieber gut aus, bevor du das nächste Mal einen Dämon der zwölften Ebene be schwörst!, nahm ich mir vor. Der Dämon knurrte und wandte sich mir zu. Er hatte einen spindeldürren Mann am Kragen gepackt, der wirres Zeug plapperte, und wirkte unglaublich fehl am Platz vor den gedeckten, salbeigrün gestrichenen Wänden und den Kirschholzmöbeln meines Wohnzimmers. Eine Flügelspitze streifte den Computer auf meinem Schreibtisch, und ich unterdrückte den Impuls, den Flügel zu packen und ihn dort wegzuziehen. Wahrscheinlich war das keine gute Idee, solange ich mir noch nicht sicher war, ob der Dämon sich meinem Willen fügen würde. »Ihr solltet mich ihn töten lassen, Beschwörerin«, sagte der Dämon mit einer Stimme, die wie rollende Felsbrocken klang. Ohne sichtbare Anstrengung ließ er seinen Gefangenen ein paar Zentimeter über dem Boden baumeln. Er war größer als ich, mindestens zehn Zentimeter, mit ledrigen Flügeln in der Farbe von poliertem Kupfer, die uns beide noch weit überragten. In einem Haus mit einer Deckenhöhe von zwei Meter fünfzig wäre der Dämon gezwungen gewesen, seine Flügel einzuziehen und sich ziemlich unbeholfen zu bewegen. Zu seinem Glück waren die Decken in meinem Haus aber knapp fünf Meter hoch, gebaut für das subtropische Klima im Süden von Louisiana, wo sie halfen, die Räume des Hauses kühl zu halten. Ich atmete einmal tief durch. Der Dämon widersetzte sich meiner Kontrolle nicht. Jetzt gab es nur noch ein kleines Problem. »Nein, Kehlirik«, sagte ich behutsam. »Unsere Gesetze in dieser Sphäre funktionieren anders. Aber ich danke dir für deine Hilfe.« Der Gefangene des Dämons hatte zumindest aufgehört zu schreien und stöhnte nur noch schluchzend. Ich rieb über die Gänsehaut auf meinen Armen, da mir immer noch auf schreckliche Weise bewusst war, wie knapp ich einer Katastrophe entgangen war. Nur ein paar Sekunden früher ... Ich schüttelte mich kurz und zwang meine Aufmerksamkeit zurück in die Gegenwart. Ein vibrierendes Knurren entrang sich der Kehle des Dämons. »Er ist ein Dieb. Wertlos. Er besitzt keine Ehre.« Er beugte sich vor, ließ den Mann zu Boden fallen und hielt ihn dort mit einem Fuß fest. Er faltete seine Schwingen auf dem Rücken zusammen und verschränkte die klauenartigen Hände ineinander. Ein dicker, geschmeidiger Schwanz schlang sich um seine Beine, und an der zuckenden Spitze war deutlich seine Stimmung zu erkennen. Ein dunkler, würziger Duft hüllte ihn ein, fremd und wild. So vorgebeugt befand sich sein Kopf mit meinem auf einer Höhe, und ich war erleichtert, dass ich aufhören konnte, meinen Hals zu verrenken, wenn ich mit ihm sprechen wollte. Er war erst der zweite Reyza, den ich je gesehen hatte, und ich war immer noch erschrocken, wie groß sie waren. »Hier ist das ... anders«, erklärte ich, obwohl ich mit der Einschätzung des Dämons, was seinen Gefangenen anging, absolut übereinstimmte. »Ich werde genug Probleme damit haben, seine Geschichten von geflügelten Monstern unglaubwürdig erscheinen zu lassen.«
»Wenn ich ihn töte, kann er nichts von geflügelten Monstern erzählen«, erwiderte Kehlirik mit unwiderlegbarer Logik. Dann blähten sich seine mächtigen Nasenlöcher, als er schnaubte. »Was nicht heißen soll, dass ich ein Monster bin.« Ich musste lächeln. »Nein, Reyza. Du bist kein Monster.« Obwohl der Dämon eine wirklich monströse Erscheinung war mit einer flachen Nase in einem tierähnlichen Gesicht, einem breiten Mund, der durch gebogene Reißzähne betont wurde, und einem dicken Hornkamm, der sich von seiner Stirn über den Schädel und die Wirbelsäule hinunterzog , wusste ich doch nur zu genau, dass er alles andere war als ein Monster. »Aber es wäre sehr viel schwieriger für mich, eine Leiche zu erklären«, fuhr ich fort. »Mord ist bei uns ein ernsthaftes Vergehen.« Er bleckte die Zähne, als sich seine Lippen von den Reißzähnen zurückzogen. »Niemand würde eine Leiche finden, Beschwörerin. Aber ich werde Euren Wunsch respektieren.« Er neigte den Kopf zu mir herunter, dann breitete er seine Schwingen aus, und irgendwie gelang es ihm, keins meiner Bilder aus den Regalen zu reißen. Ich betrachtete ihn mit unverhohlener Freude. Fast zehn Jahre hatte ich mit den Vorbereitungen und dem Training für diesen Moment verbracht. Meine Mentorin und Tante hatte mich dabei behutsam durch die Beschwörungsrituale jeder Ebene begleitet. Allmählich war ich so weit, dass ich auf eigene Faust arbeiten konnte. Einen Reyza ganz allein zu beschwören, kam einer Abschlussprüfung gleich. Und nun stand ich mit einem hier in meinem Wohnzimmer. Ich hockte mich hin, um mir den Mann unter Kehliriks Fuß anzusehen, der die Augen weit aufgerissen hatte. Er war blass und hager, und sein zerzaustes Haar stand in alle Richtungen ab. Er war ungefähr Anfang dreißig, obwohl ich wusste, dass ich mich auch um ein Jahrzehnt verschätzen konnte. Wer viele Drogen nahm, alterte schneller, und ihm war deutlich anzusehen, dass
er Meth oder vielleicht auch Crack nahm. Außerdem verströmte er den leicht säuerlichen Geruch eines Menschen, der sich eine ganze Weile nicht um seine Körperhygiene gekümmert hatte, und ich merkte, dass ich unwillkürlich etwas dichter zu dem Reyza rückte, dessen Duft weitaus anziehender war. »Mann, du hast dir heute Abend ja wirklich das falsche Haus ausgesucht«, meinte ich. Dann musste ich lachen, als mir plötzlich etwas klar wurde. »Warte mal. Ich wette, du bist derjenige, der letzte Woche auch in die anderen zwei Häuser in der Straße eingebrochen ist. Habe ich recht?« Der Mann winselte und schüttelte mit weit aufgerissenen Augen den Kopf. »Nein! Nein, das war ich nicht! Ich ... dachte, das hier sei das Haus meines Kumpels ...« Kehlirik knurrte den Mann kurz an, woraufhin der vor Entsetzen erneut aufschrie. »Ich bin nicht dämlich«, ließ der Dämon den Einbrecher wissen. »Beleidige mich nicht noch einmal.« Der Mann begann haltlos zu schluchzen. »Ohgottohgottohgott, b... bitte lassen Sie nicht zu, dass es mich frisst! Ich werde es auch nie wieder tun, ich schwöre es. Ich brauchte nur etwas Geld. Oh Gott!« Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder dem Dämon zu. Kehlirik ließ ein tiefes Grollen hören und erwiderte meinen Blick. Seine Augen waren klug und listig. Es juckte mir in den Fingern, meinen Einbrecher ein bisschen zu foppen und den Dämon zu fragen, ob er hungrig sei, aber ich war mir nicht vollkommen sicher, ob Kehlirik auch merken würde, dass ich nur einen Witz machte. Ich wusste, dass Dämonen normalerweise kein Menschenfleisch mochten, trotzdem war es wohl besser, es nicht darauf ankommen zu lassen. In Bezug auf Dämonen war uns noch vieles nicht bekannt. Ich stand da und schüttelte einen leichten Krampf aus meinem Bein. Ich durfte nicht zulassen, dass der Dämon den Mann tötete. Der Kerl war ein Junkie und hatte wahrscheinlich ein ellenlanges Vorstrafenregister, aber ich bezweifelte, dass seine Vergehen als Kapitalverbrechen einzuordnen waren wahrscheinlich handelte es sich um reine Beschaffungskriminalität, mit der er seine Sucht finanzierte. Außerdem gehörte ich schließlich zu den Guten. Ohne Zweifel würde er ausplaudern, was er gesehen hatte. Also würde ich mich einfach darauf verlassen müssen, dass niemand seinem irren Gerede über geflügelte Monster Beachtung schenken würde. Außerdem war es seine eigene verdammte Blödheit, dass er sich gerade mein Haus ausgesucht hatte, um dort ausgerechnet in einer Nacht einzubrechen, in der ich einen Dämon beschwor. Plötzlich kam mir eine Idee. »Reyza, ich möchte nicht, dass er getötet wird, aber vielleicht könntest du mir einen kleinen Dienst erweisen.« Die Augen des Dämons glühten im spärlichen Licht meines Wohnzimmers rotorange. »Nennt mir Euren Wunsch, Beschwörerin.« Ich musste mir Mühe geben, mir nichts anmerken zu lassen. »Ich möchte, dass er für seine Tat bestraft wird, aber er muss mir körperlich unverletzt wieder übergeben werden.« Ernst neigte der Dämon den Kopf, aber ich war mir ziemlich sicher, ein vergnügtes Funkeln in seinen Augen gesehen zu haben. »So wird es geschehen, Beschwörerin.« Ich schaffte es kaum, dem Dämon den Weg frei zu machen, da hatte er den armseligen Kerl auch schon geschnappt und stürmte mit ihm zur Vordertür hinaus. Ich ging den beiden nach und hielt nur inne, um mein Handy und die Handschellen vom Schreibtisch zu nehmen. Ich trat gerade noch rechtzeitig hinaus auf die Veranda, um zu sehen, wie Kehlirik in die Luft schoss, meinen Einbrecher fest zwischen seinen Klauen. Ich kicherte, setzte mich auf die Stufen der Veranda und lauschte den panischen Schreien, die allmählich in der Nacht verhallten. Dann wählte ich die Nummer des Sheriffs der Gemeinde von St. Long. »Hi, hier ist Detective Kara Gillian«, sagte ich, als sich die Vermittlung meldete. »Könnten Sie bitte einen Streifenwagen zu meinem Haus schicken? Ich habe einen 10/15 wegen eines 62R.« Ein 10/15 war eine Verhaftung und ein 62R ein Einbruch. Obwohl ich für die Polizei von Beaulac arbeitete, lebte ich außerhalb der Stadtgrenzen, was bedeutete, dass ein Gesetzesverstoß, der sich in meinem Haus ereignete, in den Zuständigkeitsbereich des Sheriffs fiel. »Ein 62R ... Kara, jemand ist in dein Haus eingebrochen? Ganz da draußen?« Ich erkannte die Stimme der Frau. Sie hatte früher einmal für das Police Department gearbeitet, war etwas pummelig, und ihr Haar war in einem schrillen Rot gefärbt, aber ich konnte mich beim besten Willen nicht an ihren Namen erinnern. »Ja, aber es ist ihm lediglich gelungen, ein Fenster neben der Tür einzuschlagen.« Die Frau in der Zentrale lachte. »Da hat er sich ja genau das richtige Haus ausgesucht!« Wenn du wüsstest, dachte ich. »Ohne Witz«, sagte ich stattdessen. »Zum Glück hat mich der Lärm geweckt.« »In Ordnung, ich schicke eine Streife vorbei.« Ich legte das Telefon zur Seite und umfasste meine Knie, während ich zum Mond hinaufblickte, der durch eine dünne Wolkendecke voll und hell auf mich herunterschien. Eine laue Brise raschelte in den düster aufragenden Bäumen und trug den schweren Duft von Erde und Kiefer zu mir herüber. Ich fröstelte etwas und schlang die Arme um meinen Oberkörper, während ich dem leisen Summen einer Mücke und dem Gesang einer Grille ganz in der Nähe lauschte. Ein Gefühl von Frieden und Glück breitete sich in mir aus. Ich hatte schon mein ganzes Leben in diesem Haus verbracht mit Ausnahme jenes schrecklichen Monats, nachdem mein Vater von einem betrunkenen Autofahrer getötet worden war. Ich war elf Jahre alt gewesen und bei Pflegeeltern untergebracht worden, bis meine Tante Tessa aus Japan zurückkommen konnte, um sich als Vormund um mich zu kümmern. Meine Mutter war schon drei Jahre zuvor an Eierstockkrebs gestorben. Man hatte ihn viel zu spät entdeckt. Und andere Verwandte, die sich meiner hätten annehmen können, gab es nicht nicht einmal enge Freunde. Meine Tante war damals nicht besonders erfreut darüber gewesen, denn sie hatte mich bis zu jenem Zeitpunkt nur ein einziges Mal gesehen, und da hatte ich noch Windeln getragen. Aber sie hatte getan, was in ihrer Macht stand, um mich zu beschützen. Sie war zu mir in dieses Haus gezogen, damit ich nicht aus meiner vertrauten Umgebung gerissen wurde, denn sie wusste, dass die Trauer mit der Zeit vergehen, aber das Gefühl von Heimat bleiben würde. Ich war jetzt fast dreißig und begriff endlich so langsam, wie wichtig dieses Gefühl für mich war. Ich liebte das Leben hier draußen einfach, weit weg von der Stadt. Das Haus stand an einer selten befahrenen Straße, meine Zufahrt war lang und gewunden, und der nächste Nachbar war fast zwei Kilometer entfernt. Es war das perfekte Haus für jeden, der seine Privatsphäre schätzte. Erst nachdem ich fünfzehn geworden war, erfuhr ich den anderen Grund, der meine Tante Tessa dazu veranlasst hatte, mich in diesem Haus großzuziehen. Sie beschwor nämlich Dämonen, und der Keller dieses Hauses eignete sich ideal für eine Beschwörungskammer. Ein paar Minuten später kam der Dämon vom Himmel herabgeschossen und landete leichtfüßig direkt vor mir. Seinen aschfahlen Gefangenen hielt er an einem Fuß in die Luft. »Ich glaube, er ist ausreichend eingeschüchtert.« Es war wirklich schade, dass ich nicht allen Verbrechern, die ich verhaftete, eine solche Behandlung zukommen lassen konnte. Wahrscheinlich hätten wir dann entschieden weniger Wiederholungstäter. Ich legte dem Mann, der keinerlei Widerstand leistete, Handschellen an. Ich ließ ihn auf der Veranda zurück, wo er winselnd mit auf dem Rücken gefesselten Händen liegen blieb, dann wandte ich mich wieder dem Dämon zu. »Ich danke dir, Kehlirik.« Der Dämon sank langsam auf ein Knie nieder. »Beschwörerin, heute war das erste Mal, dass Ihr ohne Hilfe einen Reyza gerufen habt, oder?« Ich nickte argwöhnisch. Hatte ich etwas falsch gemacht? Er schnaubte und blähte die Nasenflügel. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihr mich nur gerufen habt, um einen Einbruch zu vereiteln. Gab es noch ein anderes Begehren für Eure Beschwörung?« Ich rieb mir den Nacken. »Ich ... hatte gehofft, dass ich lernen würde, wie man ein Portal umkehrt, ohne es erst schließen und dann wieder öffnen zu müssen.« Das war der Grund, warum man sich die Mühe machte, die Dämonen von den höheren Ebenen zu beschwören. Wenn man geschickt mit ihnen verhandelte, waren sie durchaus dazu bereit, ein gewisses Maß ihres Wissens und ihrer Fähigkeiten weiterzuvermitteln.
© 2010 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH.
»Wenn ich ihn töte, kann er nichts von geflügelten Monstern erzählen«, erwiderte Kehlirik mit unwiderlegbarer Logik. Dann blähten sich seine mächtigen Nasenlöcher, als er schnaubte. »Was nicht heißen soll, dass ich ein Monster bin.« Ich musste lächeln. »Nein, Reyza. Du bist kein Monster.« Obwohl der Dämon eine wirklich monströse Erscheinung war mit einer flachen Nase in einem tierähnlichen Gesicht, einem breiten Mund, der durch gebogene Reißzähne betont wurde, und einem dicken Hornkamm, der sich von seiner Stirn über den Schädel und die Wirbelsäule hinunterzog , wusste ich doch nur zu genau, dass er alles andere war als ein Monster. »Aber es wäre sehr viel schwieriger für mich, eine Leiche zu erklären«, fuhr ich fort. »Mord ist bei uns ein ernsthaftes Vergehen.« Er bleckte die Zähne, als sich seine Lippen von den Reißzähnen zurückzogen. »Niemand würde eine Leiche finden, Beschwörerin. Aber ich werde Euren Wunsch respektieren.« Er neigte den Kopf zu mir herunter, dann breitete er seine Schwingen aus, und irgendwie gelang es ihm, keins meiner Bilder aus den Regalen zu reißen. Ich betrachtete ihn mit unverhohlener Freude. Fast zehn Jahre hatte ich mit den Vorbereitungen und dem Training für diesen Moment verbracht. Meine Mentorin und Tante hatte mich dabei behutsam durch die Beschwörungsrituale jeder Ebene begleitet. Allmählich war ich so weit, dass ich auf eigene Faust arbeiten konnte. Einen Reyza ganz allein zu beschwören, kam einer Abschlussprüfung gleich. Und nun stand ich mit einem hier in meinem Wohnzimmer. Ich hockte mich hin, um mir den Mann unter Kehliriks Fuß anzusehen, der die Augen weit aufgerissen hatte. Er war blass und hager, und sein zerzaustes Haar stand in alle Richtungen ab. Er war ungefähr Anfang dreißig, obwohl ich wusste, dass ich mich auch um ein Jahrzehnt verschätzen konnte. Wer viele Drogen nahm, alterte schneller, und ihm war deutlich anzusehen, dass
er Meth oder vielleicht auch Crack nahm. Außerdem verströmte er den leicht säuerlichen Geruch eines Menschen, der sich eine ganze Weile nicht um seine Körperhygiene gekümmert hatte, und ich merkte, dass ich unwillkürlich etwas dichter zu dem Reyza rückte, dessen Duft weitaus anziehender war. »Mann, du hast dir heute Abend ja wirklich das falsche Haus ausgesucht«, meinte ich. Dann musste ich lachen, als mir plötzlich etwas klar wurde. »Warte mal. Ich wette, du bist derjenige, der letzte Woche auch in die anderen zwei Häuser in der Straße eingebrochen ist. Habe ich recht?« Der Mann winselte und schüttelte mit weit aufgerissenen Augen den Kopf. »Nein! Nein, das war ich nicht! Ich ... dachte, das hier sei das Haus meines Kumpels ...« Kehlirik knurrte den Mann kurz an, woraufhin der vor Entsetzen erneut aufschrie. »Ich bin nicht dämlich«, ließ der Dämon den Einbrecher wissen. »Beleidige mich nicht noch einmal.« Der Mann begann haltlos zu schluchzen. »Ohgottohgottohgott, b... bitte lassen Sie nicht zu, dass es mich frisst! Ich werde es auch nie wieder tun, ich schwöre es. Ich brauchte nur etwas Geld. Oh Gott!« Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder dem Dämon zu. Kehlirik ließ ein tiefes Grollen hören und erwiderte meinen Blick. Seine Augen waren klug und listig. Es juckte mir in den Fingern, meinen Einbrecher ein bisschen zu foppen und den Dämon zu fragen, ob er hungrig sei, aber ich war mir nicht vollkommen sicher, ob Kehlirik auch merken würde, dass ich nur einen Witz machte. Ich wusste, dass Dämonen normalerweise kein Menschenfleisch mochten, trotzdem war es wohl besser, es nicht darauf ankommen zu lassen. In Bezug auf Dämonen war uns noch vieles nicht bekannt. Ich stand da und schüttelte einen leichten Krampf aus meinem Bein. Ich durfte nicht zulassen, dass der Dämon den Mann tötete. Der Kerl war ein Junkie und hatte wahrscheinlich ein ellenlanges Vorstrafenregister, aber ich bezweifelte, dass seine Vergehen als Kapitalverbrechen einzuordnen waren wahrscheinlich handelte es sich um reine Beschaffungskriminalität, mit der er seine Sucht finanzierte. Außerdem gehörte ich schließlich zu den Guten. Ohne Zweifel würde er ausplaudern, was er gesehen hatte. Also würde ich mich einfach darauf verlassen müssen, dass niemand seinem irren Gerede über geflügelte Monster Beachtung schenken würde. Außerdem war es seine eigene verdammte Blödheit, dass er sich gerade mein Haus ausgesucht hatte, um dort ausgerechnet in einer Nacht einzubrechen, in der ich einen Dämon beschwor. Plötzlich kam mir eine Idee. »Reyza, ich möchte nicht, dass er getötet wird, aber vielleicht könntest du mir einen kleinen Dienst erweisen.« Die Augen des Dämons glühten im spärlichen Licht meines Wohnzimmers rotorange. »Nennt mir Euren Wunsch, Beschwörerin.« Ich musste mir Mühe geben, mir nichts anmerken zu lassen. »Ich möchte, dass er für seine Tat bestraft wird, aber er muss mir körperlich unverletzt wieder übergeben werden.« Ernst neigte der Dämon den Kopf, aber ich war mir ziemlich sicher, ein vergnügtes Funkeln in seinen Augen gesehen zu haben. »So wird es geschehen, Beschwörerin.« Ich schaffte es kaum, dem Dämon den Weg frei zu machen, da hatte er den armseligen Kerl auch schon geschnappt und stürmte mit ihm zur Vordertür hinaus. Ich ging den beiden nach und hielt nur inne, um mein Handy und die Handschellen vom Schreibtisch zu nehmen. Ich trat gerade noch rechtzeitig hinaus auf die Veranda, um zu sehen, wie Kehlirik in die Luft schoss, meinen Einbrecher fest zwischen seinen Klauen. Ich kicherte, setzte mich auf die Stufen der Veranda und lauschte den panischen Schreien, die allmählich in der Nacht verhallten. Dann wählte ich die Nummer des Sheriffs der Gemeinde von St. Long. »Hi, hier ist Detective Kara Gillian«, sagte ich, als sich die Vermittlung meldete. »Könnten Sie bitte einen Streifenwagen zu meinem Haus schicken? Ich habe einen 10/15 wegen eines 62R.« Ein 10/15 war eine Verhaftung und ein 62R ein Einbruch. Obwohl ich für die Polizei von Beaulac arbeitete, lebte ich außerhalb der Stadtgrenzen, was bedeutete, dass ein Gesetzesverstoß, der sich in meinem Haus ereignete, in den Zuständigkeitsbereich des Sheriffs fiel. »Ein 62R ... Kara, jemand ist in dein Haus eingebrochen? Ganz da draußen?« Ich erkannte die Stimme der Frau. Sie hatte früher einmal für das Police Department gearbeitet, war etwas pummelig, und ihr Haar war in einem schrillen Rot gefärbt, aber ich konnte mich beim besten Willen nicht an ihren Namen erinnern. »Ja, aber es ist ihm lediglich gelungen, ein Fenster neben der Tür einzuschlagen.« Die Frau in der Zentrale lachte. »Da hat er sich ja genau das richtige Haus ausgesucht!« Wenn du wüsstest, dachte ich. »Ohne Witz«, sagte ich stattdessen. »Zum Glück hat mich der Lärm geweckt.« »In Ordnung, ich schicke eine Streife vorbei.« Ich legte das Telefon zur Seite und umfasste meine Knie, während ich zum Mond hinaufblickte, der durch eine dünne Wolkendecke voll und hell auf mich herunterschien. Eine laue Brise raschelte in den düster aufragenden Bäumen und trug den schweren Duft von Erde und Kiefer zu mir herüber. Ich fröstelte etwas und schlang die Arme um meinen Oberkörper, während ich dem leisen Summen einer Mücke und dem Gesang einer Grille ganz in der Nähe lauschte. Ein Gefühl von Frieden und Glück breitete sich in mir aus. Ich hatte schon mein ganzes Leben in diesem Haus verbracht mit Ausnahme jenes schrecklichen Monats, nachdem mein Vater von einem betrunkenen Autofahrer getötet worden war. Ich war elf Jahre alt gewesen und bei Pflegeeltern untergebracht worden, bis meine Tante Tessa aus Japan zurückkommen konnte, um sich als Vormund um mich zu kümmern. Meine Mutter war schon drei Jahre zuvor an Eierstockkrebs gestorben. Man hatte ihn viel zu spät entdeckt. Und andere Verwandte, die sich meiner hätten annehmen können, gab es nicht nicht einmal enge Freunde. Meine Tante war damals nicht besonders erfreut darüber gewesen, denn sie hatte mich bis zu jenem Zeitpunkt nur ein einziges Mal gesehen, und da hatte ich noch Windeln getragen. Aber sie hatte getan, was in ihrer Macht stand, um mich zu beschützen. Sie war zu mir in dieses Haus gezogen, damit ich nicht aus meiner vertrauten Umgebung gerissen wurde, denn sie wusste, dass die Trauer mit der Zeit vergehen, aber das Gefühl von Heimat bleiben würde. Ich war jetzt fast dreißig und begriff endlich so langsam, wie wichtig dieses Gefühl für mich war. Ich liebte das Leben hier draußen einfach, weit weg von der Stadt. Das Haus stand an einer selten befahrenen Straße, meine Zufahrt war lang und gewunden, und der nächste Nachbar war fast zwei Kilometer entfernt. Es war das perfekte Haus für jeden, der seine Privatsphäre schätzte. Erst nachdem ich fünfzehn geworden war, erfuhr ich den anderen Grund, der meine Tante Tessa dazu veranlasst hatte, mich in diesem Haus großzuziehen. Sie beschwor nämlich Dämonen, und der Keller dieses Hauses eignete sich ideal für eine Beschwörungskammer. Ein paar Minuten später kam der Dämon vom Himmel herabgeschossen und landete leichtfüßig direkt vor mir. Seinen aschfahlen Gefangenen hielt er an einem Fuß in die Luft. »Ich glaube, er ist ausreichend eingeschüchtert.« Es war wirklich schade, dass ich nicht allen Verbrechern, die ich verhaftete, eine solche Behandlung zukommen lassen konnte. Wahrscheinlich hätten wir dann entschieden weniger Wiederholungstäter. Ich legte dem Mann, der keinerlei Widerstand leistete, Handschellen an. Ich ließ ihn auf der Veranda zurück, wo er winselnd mit auf dem Rücken gefesselten Händen liegen blieb, dann wandte ich mich wieder dem Dämon zu. »Ich danke dir, Kehlirik.« Der Dämon sank langsam auf ein Knie nieder. »Beschwörerin, heute war das erste Mal, dass Ihr ohne Hilfe einen Reyza gerufen habt, oder?« Ich nickte argwöhnisch. Hatte ich etwas falsch gemacht? Er schnaubte und blähte die Nasenflügel. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihr mich nur gerufen habt, um einen Einbruch zu vereiteln. Gab es noch ein anderes Begehren für Eure Beschwörung?« Ich rieb mir den Nacken. »Ich ... hatte gehofft, dass ich lernen würde, wie man ein Portal umkehrt, ohne es erst schließen und dann wieder öffnen zu müssen.« Das war der Grund, warum man sich die Mühe machte, die Dämonen von den höheren Ebenen zu beschwören. Wenn man geschickt mit ihnen verhandelte, waren sie durchaus dazu bereit, ein gewisses Maß ihres Wissens und ihrer Fähigkeiten weiterzuvermitteln.
© 2010 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH.
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Autoren-Porträt von Diana Rowland
Diana Rowland lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Louisiana. Nach einem Mathematikstudium hat sie alle möglichen Jobs ausgeübt, unter anderem als Polizistin, Kriminaltechnikerin und Assistentin in einer Leichenhalle.
Bibliographische Angaben
- Autor: Diana Rowland
- 2010, 411 Seiten, Maße: 12,6 x 18 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Karina Schwarz
- Verlag: LYX
- ISBN-10: 3802582772
- ISBN-13: 9783802582776
- Erscheinungsdatum: 06.07.2010
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