Warrior Cats Staffel 3 Band 3: Verbannt
"Wir hörten, dass du kommen würdest", murmelte der Alte. Seine Stimme klang gedämpft, als würde er durch unendlich viele Blattwechsel voller Staub sprechen. "Aber wir hatten dich nicht so bald erwartet." Häherpfote hütet sein...
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Produktinformationen zu „Warrior Cats Staffel 3 Band 3: Verbannt “
"Wir hörten, dass du kommen würdest", murmelte der Alte. Seine Stimme klang gedämpft, als würde er durch unendlich viele Blattwechsel voller Staub sprechen. "Aber wir hatten dich nicht so bald erwartet." Häherpfote hütet sein Wissen um die geheimnisvolle Prophezeiung wie einen Schatz. Er ist überzeugt, dass der Schlüssel zur Macht der Sterne in der Vergangenheit, bei den Vorfahren der Waldkatzen liegt, die ihm in seinen Träumen erscheinen. Aber die Pfade der Ahnen sind verschlungen und reichen bis in die Gegenwart. Als Häherpfote zusammen mit Löwenpfote, Distelpfote und anderen Kriegern des DonnerClans zu einer Reise zum Stamm des eilenden Wassers aufbricht, stehen ihm überraschende Entdeckungen bevor - und das bisher größte Abenteuer seines Lebens.
Ab 10 Jahren
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Lese-Probe zu „Warrior Cats Staffel 3 Band 3: Verbannt “
WARRIOR CATS - Die Macht der dreiVerbannt von Erin Hunter
PROLOG
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»BEUTEDIEBE! DAS IST UNSER GEBIET«, fauchte der graue Kater mit gesträubtem Nackenfell und drohend gefletschten Zähnen. Sein Blick fuhr über die Katzenschar, die unter ihm auf dem steilen Pfad kauerte. Sie hatten die Klauen ausgefahren und ihre Augen leuchteten hungrig. Eine von ihnen trug ein schlaffes Kaninchen im Maul. »Unser Gebiet und unsere Beute.«
Ein silber getigerter Kater starrte ihn frech an.
»Wenn es dein Gebiet ist, warum gibt es dann keine Grenzmarkierungen? Die Beute hier gehört allen Katzen.«
»Das ist nicht wahr. Das wisst ihr genau.« Eine schwarze Kätzin schob sich mit peitschendem Schwanz dicht neben den grauen Kater. »Und jetzt verschwindet!« Leise murmelte sie: »Fels, wir können nicht gegen sie kämpfen. Denk daran, was beim letzten Mal passiert ist.«
»Ich weiß, Nacht«, erwiderte der graue Kater. »Aber was sollen wir sonst tun?«
An seiner anderen Seite drängte sich ein riesiger braun getigerter Kater mit einem wütenden Fauchen vorbei. »Noch ein Pfotenschritt und wir reißen euch das Fell in Fetzen«, knurrte er.
Fels berührte ihn mit der Schwanzspitze an der Schulter.
»Ruhig, Fang«, warnte er. »Lass uns versuchen, möglichst ohne Fellgefetze da rauszukommen.«
Noch mehr Katzen tauchten hinter einer Biegung auf dem Pfad auf und drängten sich dicht hinter dem silbernen Kater zusammen.
»Stieg!« Mit einem Zucken seiner Ohren rief Fels einen kleinen getigerten Kater zu sich. »Lauf schnell zurück zur Höhle. Sag ihnen, dass die Eindringlinge wieder da sind.«
»Aber ...« Stieg zögerte. Er wollte seine Freunde nicht allein lassen, die jetzt schon in der Minderheit waren.
»Los!«, fuhr Fels ihn an.
Stieg drehte sich um und rannte den Pfad hinauf.
Die Sonne ging unter. Felsen warfen lange Schatten über den steinigen Boden, der vom Abendlicht blutrot gefärbt war. Das schwache Rauschen herabfallenden Wassers brach durch die Stille und am Himmel ertönte der raue Schrei eines Habichts.
»Weiter kommt ihr nicht«, miaute Fels. »Dreht um und sucht euch einen anderen Ort zum Jagen.«
»Wer sollte uns denn vertreiben?«, höhnte die silberne Tigerkatze.
»Bleibt nur hier, dann werdet ihr schon sehen«, zischte Fang.
Fels' Patrouille drängte sich neben ihn und blockierte den Weg. Doch die Eindringlinge schwärmten aus und kletterten zu beiden Seiten des Pfads die Felsen hinauf. Fels duckte sich und spannte die Muskeln an. Er würde kämpfen, wenn es sein musste, ungeachtet dessen, was beim letzten Mal passiert war.
»Halt!«
Ein braun getigerter Kater schob sich durch die Patrouille und stellte sich vor die Eindringlinge. Zwar war seine Schnauze schon grau vor Alter, doch seine Muskeln waren drahtig und stark und er hielt den Kopf hoch erhoben.
»Ich bin Steinsager, Seher vom Stamm des eilenden Wassers «, verkündete er und seine Stimme hallte heiser von den Felsen wider. »Das hier ist unser Territorium und ihr seid hier nicht willkommen.«
»Ein Territorium gehört nur Katzen, die es auch verteidigen können«, erwiderte der silberne Kater.
»Erinnert ihr euch daran, wie wir euch vor der Zeit des gefrorenen Wassers verjagt haben?«, knurrte Steinsager. »Wir werden es wieder tun, wenn ihr jetzt nicht geht.«
Der Silberne kniff die Augen zusammen. »Uns verjagt? Das habe ich anders in Erinnerung.«
»Es war unsere Entscheidung zu gehen«, fügte eine braunweiße Kätzin hinzu, die auf einem Felsbrocken kauerte. »Wir haben einen besseren Ort gefunden, um die Blattleere zu verbringen, mit mehr Beute.«
»Und nun haben wir uns entschieden zurückzukommen.« Der Kater schlug mit dem Schwanz. »Und ein paar magere, flohverseuchte Pelzbündel wie ihr werden uns ganz sicher nicht aufhalten.« Er fuhr seine Krallen aus und kratzte am Gestein.
»Der Stamm des eilenden Wassers hatte seine Heimat schon immer in diesen Bergen«, miaute Steinsager. »Wir...«
Seine Worte gingen in einem zornigen Heulen unter, als die braun-weiße Kätzin plötzlich von ihrem Fels sprang und ihre Krallen in Nachts Schulter schlug. Der silberne Kater stieß einen furchterregenden Schrei aus und stürzte sich auf Fels. Während Fels über den Boden rollte und sich gegen seinen Angreifer wehrte, füllte sich die Luft mit dem Kreischen kämpfender Katzen.
Von weit oben schaute der Stamm der ewigen Jagd ihnen hilflos zu.
1. KAPITEL
HÄHERPFOTE STRECKTE SICH und spürte die Sonne auf seinem Pelz. Eine warme Brise, erfüllt von den Gerüchen grün sprießenden Lebens, streichelte ihn. Irgendwo über ihm trillerte ein Vogel und er hörte das leise Klatschen des Wassers am Seeufer.
»Häherpfote!«
Leichte Schritte übertönten das ruhige Plätschern der Wellen. Häherpfote stellte sich seine Mentorin Blattsee vor, wie sie durch das seichte Wasser am Rand des Sees sprang.
»Häherpfote!«, wiederholte sie und ihre Stimme klang nun näher. »Komm rein zu mir. Das kühle Wasser ist wunderbar.«
»Nein, danke«, murmelte Häherpfote.
Für ihn bedeutete Wasser nicht das sanfte Plätschern des Sees an seinen Pfoten, das Geräusch der Wellen brachte andere Erinnerungen zurück: an eine kalte Flut, die über ihn hinwegbrandete, an durchnässtes Fell, das ihn in die Tiefe zog, an Wasser, das ihm in Mund und Nase strömte und alles Leben in ihm auslöschte. Er war einmal in seinen Träumen ertrunken, nachdem er sich mit Fallendes Blatt, einem Krieger aus längst vergangenen Zeiten, in den unterirdischen Höhlen verirrt hatte, und dann noch einmal fast im wirklichen Leben, als er und seine Clan-Gefährten die verschwundenen WindClan-Jungen gerettet hatten.
Ich habe für den Rest meines Lebens genug Wasser gehabt.
»Na gut.« Blattsees Pfotenschritte zogen sich zurück, schneller nun, als spränge sie sorglos wie ein Junges durch das Uferwasser.
Häherpfote tappte das Ufer entlang. Er sollte eigentlich Malven suchen, konnte aber den vertrauten stechenden Geruch nirgendwo entdecken. Sobald Blattsees Schritte verklungen waren, wandte er sich vom Wasser ab und kletterte die Böschung hinauf. Er suchte etwas Wichtigeres als Kräuter. Mit der Nase dicht am Boden, pirschte er voran und schnupperte zwischen Grasbüscheln und Sträuchern, bis er zu den verschlungenen Wurzeln eines Baums kam.
Da ist er ja!
Er schlug die Zähne in einen Stock und zog ihn hinter der Wurzel hervor, die ihn vor den gierigen Wellen schützte.
Er kauerte sich vor ihn hin und fuhr mit der Pfote über die darin eingegrabenen Kerben, bis er die Gruppe von fünf langen und drei kurzen Strichen ertastete. Sie standen für die fünf Schüler und drei Jungen, die in den Höhlen gefangen gewesen waren, als das Wasser kam. Die Kerben waren von einem weiteren Kratzer durchgestrichen, denn jede Katze war der Flut lebend entkommen. Häherpfote erinnerte sich daran, wie er die Kerben in das Holz geschnitten hatte, während Steins Geruch sich um ihn wand; fast war es, als hätte die kahle Pfote des alten Geistes ihm die Kralle geführt.
Doch Häherpfote strich noch über eine weitere Kerbe, die einzige, die nicht von einem Kratzer durchkreuzt war. Fallendes Blatt, ein Kater aus einer längst vergangenen Zeit, der ihnen geholfen hatte, wanderte immer noch alleine durch die Höhlengänge.
Häherpfote schloss die Augen und lauschte nach den flüsternden Stimmen, die ihn sonst immer umgaben, doch er hörte nichts als den Wind in den Bäumen und das Plätschern des Sees. »Fallendes Blatt? Stein?«, murmelte er. »Wo seid ihr? Warum sprecht ihr nicht mehr mit mir?«
Keine Antwort. Häherpfote zog den Stock weiter hervor und rollte ihn die Böschung hinunter, bis das Seewasser darüber schwappte. Er schnupperte überall an ihm, doch sämtliche Stimmen aus der Vergangenheit waren verstummt.
Häherpfote schluckte schwer, fast hätte er angefangen zu wimmern, wie ein Junges, das seine Mutter verloren hat. Er wollte mit Stein reden und mehr über die Katzen herausfinden, die vor langer Zeit am See gelebt hatten. Er wollte wissen, warum Fallendes Blatt immer noch durch die Höhlen streifte, wo doch alle anderen Katzen von damals, auch jene, die in der Tiefe starben, längst weitergezogen waren zu einem anderen Ort.
Er war überzeugt, dass es dieselben Katzen waren, die er auch am Mondsee um sich herum spürte und deren Pfoten- abdrücke auf dem gewundenen Pfad, der zum Wasser hinunterführte, zu sehen waren. Sie waren viel älter als die Clans, älter sogar als der SternenClan. Welche Weisheiten sie ihm verraten könnten! Und vielleicht könnten sie ihm sogar die Prophezeiung erklären, jene geheimnisvollen Worte, die er in Feuersterns Traum gehört hatte.
Drei werden es sein, Blut von deinem Blut. Sie halten die Macht der Sterne in ihren Pfoten.
»Häherpfote, was machst du da?«
Häherpfote erschrak. Er war so auf den Stock konzentriert gewesen und auf die Geisterkatzen, dass er Blattsee gar nicht hatte kommen hörte. Nun stand sie dicht vor ihm und er spürte die Gereiztheit, die von ihr ausging.
»Entschuldige«, murmelte er.
»Wir brauchen mehr Malven, Häherpfote. Der Kampf mag abgewendet worden sein, dennoch können Katzen jederzeit krank werden oder sich verletzen. Heiler-Katzen müssen auf alles vorbereitet sein.«
»Das weiß ich doch«, erwiderte Häherpfote. Und wer hat den Kampf verhindert?, fragte er stumm. Der WindClan und der DonnerClan hätten sich gegenseitig in Fetzen gerissen, wenn ich und die anderen die vermissten Jungen nicht gefunden hätten.
Er hatte keine Lust, sich seiner Mentorin zu erklären. Unter ihrem strengen Blick rollte er den Stock wieder die Böschung hinauf und versteckte ihn unter der Baumwurzel. Dann tappte er oben an der Böschung entlang, das Maul leicht geöffnet, um die Gerüche des Waldes in sich aufzunehmen.
Kaum hatte er ein paar Fuchslängen zurückgelegt, da hielt er inne und schaute mit seinen blinden Augen über den See. Der Wind fuhr ihm ins Fell und presste es eng an seinen Körper.
Wo seid ihr? Seine Gedanken riefen nach den Katzen der Vergangenheit. Bitte sprecht mit mir!
»Häherpfote! Hallo, Häherpfote!«
Oh nein. Diese Stimme wollte er nun gar nicht hören. Er schluckte ein wütendes Fauchen hinunter und drehte sich zu Haselpfote um, die er an ihrem Geruch und ihren Pfotenschritten erkannte, als sie herbeigesprungen kam. Warum muss sie nur wie ein tollwütiger Fuchs durch das Farndickicht trampeln?
»Schau mal, was ich habe!« Haselpfote klang fröhlich und halb erstickt, als würde sie mit einem Stück Beute im Maul sprechen.
Häherpfote verzichtete auf den Hinweis, dass er sich nichts anschauen konnte. Außerdem verriet ihm der durchdringende Geruch nach Wühlmaus bereits, was Haselpfote bei sich trug.
»Das war meine letzte Jagdprüfung.« Die Stimme der Schülerin war nun deutlicher zu verstehen -offenbar hatte sie die Beute abgelegt. »Wenn wir gut abschneiden, werden Beerenpfote, Mauspfote und ich heute zu Kriegern ernannt.«
»Toll.« Häherpfote bemühte sich, Begeisterung zu zeigten, aber er ärgerte sich immer noch, weil sie ihn in seinen Gedanken gestört hatte.
»Borkenpelz ist bestimmt zufrieden mit mir«, fuhr Haselpfote fort. »Diese Wühlmaus hier ist riesig! Sie reicht locker für Minkas zwei Junge.«
»Minkas Junge können noch keine Wühlmaus fressen«, wandte Häherpfote ein. Konnte sie wirklich so ein Mäusehirn sein? »Sie wurden erst vor vier Sonnenaufgängen geboren.«
»Na ja, dann reicht sie eben für Minka.« Haselpfote klang immer nochaufgeregt. »Jetzt, wo sie ihre Jungen ernähren muss, braucht sie viel zu fressen. Hast du sie schon besucht? Ich glaube, ich habe noch nie so was Niedliches gesehen! Minka hat gesagt, sie hat sie Rosenjunges und Unkenjunges getauft.«
»Ich weiß«, miaute Häherpfote kurz angebunden.
»Ich kann es kaum erwarten, bis sie alt genug sind, dass sie aus der Kinderstube rauskommen und spielen können«, fuhr Haselpfote fort. »Glaubst du, dass Feuerstern mich vielleicht zum Mentor von einem von ihnen ernennt? Bis sie so weit sind, habe ich genug Erfahrungen als Kriegerin.«
»Sie sind deine Halbgeschwister«, miaute Häherpfote, um ihre Hoffnungen zu dämpfen. »Feuerstern wird vermutlich nicht ...«
»Haselpfote!« Eine strenge, ärgerliche Stimme unterbrach ihn, und Häherpfote hörte, wie sich Haselpfotes Mentor Borkenpelz raschelnd durch das Farndickicht schob. »Bist du am Jagen oder am Schwatzen?«, wollte er wissen.
»Tut mir leid. Hast du meine Wühlmaus gesehen, Borkenpelz? Sie ist riesig!«
Häherpfote hörte Borkenpelz herbeitappen und an der Wühlmaus schnuppern.
»Sehr gut«, miaute der Krieger. »Aber das bedeutet nicht, dass du dich hinlegen und dich in Ruhe putzen kannst. Im Wald gibt es noch viel mehr Beute. Ich trage die hier ins Lager und du machst weiter.«
»Gut. Bis später, Häherpfote!«
Häherpfote dachte gerade noch rechtzeitig daran, »Viel Glück!« zu rufen, als Haselpfote davonsprang, aber seine Gedanken schweiften schon wieder zurück zu den Geisterkatzen. Ihr Schweigen beunruhigte ihn. Habe ich etwas falsch gemacht? Sind Stein und Fallendes Blatt böse auf mich? Er dachte angestrengt darüber nach, während er ein Malvenbüschel entdeckte und die Stängel durchbiss, um sie ins Lager zu bringen.
»Gut gemacht, Häherpfote.« Blattsees Stimme erklang hinter ihm, als er damit fertig war. »Lass uns gehen.«
Häherpfote nahm das Bündel Malvenstängel ins Maul, eine gute Ausrede, um nicht reden zu müssen. Während er hinter seiner Mentorin durch den Wald tappte, war er immer noch in Gedanken versunken und bemerkte kaum die Beutegerüche oder das Trippeln kleiner Tiere im Unterholz. Er war weit weg und versuchte, den Pfotenschritten der Geisterkatzen zu folgen.
Plötzlich stieß ein Vogel einen Alarmruf aus. Häherpfote erschrak, als direkt vor seiner Nase etwas wild aufflatterte, ließ seine Malven fallen und sprang zurück.
»He!«, erklang Beerenpfotes empörtes Fauchen wenige Schwanzlängen entfernt. »Du hast meine Drossel verscheucht. Hast du nicht gesehen, dass ich ihr aufgelauert habe?«
»Nein, das habe ich nicht gesehen.« Schuldgefühle und Ärger überseine Ungeschicklichkeit machten Häherpfote wütend. »Ich bin blind, falls du es noch nicht bemerkt haben solltest.«
»Trotzdem sollte dir so etwas nicht passieren«, miaute Blattsee verärgert. »Konzentriere dich auf das, was du tust, Häherpfote. Du bist schon den ganzen Morgen zerstreut wie ein Kaninchen.«
»Hoffentlich hat er meine Prüfung nicht vermasselt«, knurrte Beerenpfote. »Ich hätte die Drossel erwischt, wenn er nicht gewesen wäre.«
»Ich weiß«, miaute Brombeerkralle.
Häherpfote witterte den Geruch des Zweiten Anführers seines Clans ein Stück entfernt. Mauspfote und sein Mentor Spinnenbein waren ebenfalls in der Nähe. Oh nein! Hat der ganze DonnerClan das mitbekommen?
»Es hat keinen Sinn, verlorener Beute nachzutrauern«, fuhr Brombeerkralle fort und trat näher. »Und ein Krieger regt sich nichtübereinen kleinen Rückschlag auf. Komm, Beerenpfote, vielleicht findest du da drüben unter den Baumwurzeln eine Maus.«
»Na gut.« Häherpfote merkte, dass Beerenpfote trotz der Worte seines Mentors noch immer wütend war.»Häherpfote, geh mir einfach aus dem Weg, ja?«
»Liebend gern«, schoss Häherpfote zurück.
»Es ist sowieso Zeit, zurück zur Lichtung zu gehen.« Blattsee stupste Häherpfote mit der Schulter an. »Hier lang.«
Danke, ich weiß, wo das Lager liegt.
Häherpfote sammelte seine Kräuter auf und tappte hinter seiner Mentorin durch den Dornentunnel in den Felsenkessel. Er schob sich durch den Brombeervorhang des Heiler-Baus und verstaute sein Bündel hinten in der Höhle.
»Ich hole mir was vom Frischbeutehaufen, ja?«, miaute er.
»Warte, Häherpfote.« Blattsee legte ebenfalls ihre Kräuter ab und setzte sich vor ihn. Häherpfote spürte ihre Ungeduld und ihre Enttäuschung. »Ich weiß nicht, was in letzter Zeit in dich gefahren ist«, hob sie an. »Seit du mit den anderen Schülern die WindClan-Jungen am Seeufer gefunden hast ...«
Eine Frage klang in ihrer Stimme und Häherpfote witterte den starken Geruch von Neugierde an ihr. Blattsee wusste offenbar genau, dass an der Geschichte mit den verirrten Jungen mehr dran war, als er und seine Wurfgefährten erzählt hatten. Aber er würde ihr auf keinen Fall verraten, dass die Jungen in Wirklichkeit in dem Gewirr aus unterirdischen Gängen herumgewandert waren, das sich unter dem DonnerClan- und dem WindClan-Territorium entlangzog. Er wusste, dass auch Löwenpfote und Distelpfote darüber schweigen würden ebenso wie die WindClan-Schüler Heidepfote und Windpfote. Keiner von ihnen wollte verraten, dass Löwenpfote und Heidepfote viele Monde lang in den Höhlenmit- einander gespielt hatten.
Deshalb konnten sie die Geschichte nicht erzählen, wie sie zusammen mit den vermissten Jungen fast ertrunken wären, als Regen in die Gänge geströmt war und den unterirdischen Bach zu einer furchterregenden Sturzflut hatte anschwellen lassen. Häherpfote hatte immer noch Albträume von dem reißenden, alles ertränkenden Fluss.
»Häherpfote, ist mit dir alles in Ordnung?«, fuhr Blattsee fort. Ihr Ärger verflog und wich der Sorge, die wie eine klebrige Woge Häherpfote zu überwältigen drohte, so wie das Wasser in den Höhlen. »Du würdest es mir doch sagen, wenn du Kummer hättest?«
»Klar«, murmelte er in der Hoffnung, seine Mentorin würde die Lüge nicht entdecken. »Alles bestens.«
Blattsee zögerte. Häherpfotes Fell kribbelte abwehrend, doch die Heiler-Katze seufzte nur und miaute: »Gut, dann hol dir was zu fressen. Später, wenn es kühler ist, gehen wir hinauf zum alten Zweibeinernest und sammeln Katzenminze.«
Noch ehe sie ihren Satz beendet hatte, sprang Häherpfote auf und schob sich durch die Brombeerranken nach draußen. Er tappte zum Frischbeutehaufen, suchte sich schnuppernd eine dicke Maus und trug sie zu einem sonnigen Flecken vor seinem Bau, wo er sie vertilgte. Sonnenhoch war eben erst verstrichen und der Felsenkessel war voller Wärme. Mit angenehm vollem Bauch legte Häherpfote sich auf die Seite und putzte sich mit der Pfote die Schnurrhaare.
Rußpfote und Distelpfote waren durch den Dornentunnel gekommen und Häherpfote konnte den moosigen Geruch der Trainingskuhle an ihrem Fell riechen.
»Tut mir leid, dass ich dich jedes Mal besiegt habe«, miaute Distelpfote. »Bist du auch wirklich nicht sauer?«
»Natürlich nicht«, beharrte Rußpfote. »Ich wäre dann sauer, wenn du dich beim Kampf zurückhalten und mich gewinnen lassen würdest.«
Ihre Stimme klang tapfer, aber Häherpfote merkte an ihren Pfotenschritten, dass Rußpfote Schmerzen in ihrem verletzten Bein hatte. Die Heiler-Katzen konnten nun nichts mehr für sie tun, allein die Zeit würde das Bein kräftiger machen. Oder sollte es doch Rußpfotes Schicksal sein, nie eine Kriegerin zu werden, so wie schon Rußpelz vor ihr?
Schrilles Heulen aus der Kinderstube ließ den Heiler-Schüler zusammenzucken und lenkte ihn von Rußpfotes Problem ab. Minkas Junge waren erst vier Sonnenaufgänge alt, aber sie hatten laute Stimmen. Ihr Vater Spinnenbein hatte darauf bestanden, Mauspfote bei seiner Prüfung zu begleiten, obwohl Borkenpelz ihm angeboten hatte, für ihn einzuspringen, damit er mehr Zeit in der Kinderstube verbringen könnte. Häherpfote fand, dass Spinnenbein im Umgang mit seinen Jungen etwas unbeholfen wirkte, als könne er sich nicht an die Vorstellung gewöhnen, Vater zu sein.
Auf jeden Fall, dachte Häherpfote, war die Kinderstube im Moment ziemlich überfüllt. Eisjunges und Fuchsjunges, Rauchfells jüngster Wurf, lebten immer noch dort, obwohl sie allmählich alt genug waren, um Schüler zu werden. Und Millie, die Graustreifs Junge erwartete, war gerade erst eingezogen. Häherpfote wusste, wie stolz Feuerstern darauf war, dass der DonnerClan so stark wurde, auch wenn er sich manchmal Sorgen machte, wie sie alle satt werden sollten.
Wieder raschelte es im Dornentunnel, und Löwenpfote stolperte ins Lager, dicht gefolgt von seinem Mentor Aschenpelz.
»Zwei Mäuse und ein Eichhörnchen«, miaute Aschenpelz. »Gut gemacht, Löwenpfote. Eine erfolgreiche Jagd, wie ich es von dir erwartet habe.«
Aschenpelz klang trotz seiner lobenden Worte nicht sonderlich begeistert. Häherpfote fand, dass sein Bruder und Aschenpelz nicht so gut miteinander auskamen, wie es bei Mentor und Schüler eigentlich der Fall sein sollte. Zwischen ihnen schien etwas zu sein, das er nicht begriff, und Aschenpelz selbst war für ihn undurchschaubar.
Aber vermutlich war es sowieso unwichtig. Häherpfote verdrängte die Frage aus seinem Kopf, als sein Bruder sich mit einer Maus im Maul neben ihn auf den Boden plumpsen ließ.
»Ich bin fix und fertig«, verkündete Löwenpfote. »Ich dachte schon, ich müsste dieses Eichhörnchen bis rüber zum SchattenClan jagen.«
»Warum machst du dir überhaupt die Mühe?«, fragte Häherpfote. »Du hast heute doch keine Prüfung.«
»Ich weiß«, murmelte Löwenpfote, den Mund voller Beute. »Aber darum geht es nicht. Ein guter Krieger tut immer sein Bestes, um den Clan satt zu kriegen.«
Und Löwenpfote wollte der allerbeste Krieger sein. Das wusste Häherpfote und auch, wie konzentriert und entschlossen sein Bruder war, seit sie die Jungen aus den unterirdischen Gängen befreit hatten. Er kannte den Grund dafür, auch ohne Löwenpfotes Gedanken zu lesen: Sein Bruder wollte sich mit aller Macht auf sein Training konzentrieren, um wiedergutzumachen, dass er sich heimlich mit der WindClan-Schülerin Heidepfote getroffen hatte.
Häherpfotes Schnurrhaare zuckten mitfühlend. Als Heiler- Katze durfte er sich Freunde außerhalb des Clans suchen, obwohl er sich nicht vorstellen konnte, jemals das Verlangen danach zu haben. Wie sollte man einer Katze aus einem anderen Clan vertrauen?
Das Prasseln kleiner Steinchen zeigte ihm an, dass Feuerstern von der Hochnase herabgesprungen kam. Seine Stimme erklang dicht beim Kriegerbau.
»Wir brauchen eine Grenzpatrouille. Wer von euch ...«
Löwenpfote sprang auf. »Ich gehe!«
Kurz wunderte sich Häherpfote, warum Feuerstern eine Patrouille zusammenstellte, bis ihm einfiel, dass Brombeerkralle, der Zweite Anführer des Clans, im Wald unterwegs war, um Beerenpfote zu prüfen.
»Danke, Löwenpfote«, miaute Feuerstern, »aber du hast heute schon genug getan.«
Löwenpfote setzte sich wieder, und Häherpfote spürte, dass er enttäuscht war.
»Ich gehe«, sagte Graustreif und trat aus dem Kriegerbau.
»Ich komme mit.« Eichhornschweif war direkt hinter ihm.
»Honigpfote und ich auch.« Häherpfote hörte Sandsturm vom Schülerbau herbeitappen, begleitet von ihrer Schülerin.
»Gut«, miaute Feuerstern. »Ich glaube, ihr solltet mal einen Blick auf die WindClan-Grenze werfen. Seit die Jungen gefunden wurden, war alles ruhig, aber man weiß ja nie.«
»Wir werden überprüfen, ob die Duftmarken frisch sind«, versprach Graustreif. »Und wir schauen nach ...«
Er verstummte, als aufgeregtes Miauen aus dem Dornentunnel drang. Häherpfote setzte sich auf und sog die Luft ein, um die Gerüche der Neuankömmlinge zu unterscheiden. Beerenpfote stürmte als Erstes auf die Lichtung, dahinter drängelten sich Haselpfote und Mauspfote, gefolgt von ihren Mentoren Brombeerkralle, Borkenpelz und Spinnenbein.
»Wir haben es geschafft!« Beerenpfotes triumphierender Ruf hallte durch den Felsenkessel. »Wir haben unsere Prüfungen bestanden und jetzt werden wir Krieger!«
»Beerenpfote!« Brombeerkralle klang streng. »Das entscheidet allein Feuerstern.«
»Entschuldigung.« Häherpfote spürte Beerenpfotes plötzliche Niedergeschlagenheit und sah ihn mit hängendem Kopf und Schwanz vor sich. »Aber wir werden doch Krieger, oder?«
»Vielleicht sollten wir noch prüfen, wie gut ihr die Klappe halten könnt«, blaffte Borkenpelz.
»Schon gut.« Feuerstern klang belustigt. »Die Mentoren sollen zu mir kommen und mit mir alles besprechen, dann bereiten wir die Zeremonie vor.«
»Was ist mit der Grenzpatrouille?«, fragte Graustreif.
»Das hat Zeit bis zur Dämmerung. Schließlich erwarten wir keinen Ärger.«
Sämtliche Schüler versammelten sich in einem aufgeregten Haufen neben ihrem Bau. Löwenpfote stürmte sogleich über die Lichtung zu ihnen. Häherpfote stand auf, streckte sich und folgte etwas langsamer.
»... und zwei Wühlmäuse«, miaute Beerenpfote gerade, als Häherpfote in Hörweite kam. »Und ich hätte noch eine Drossel erwischt, wenn der da sie nicht verscheucht hätte.«
Häherpfotes Nackenfell sträubte sich, aber ehe er etwas sagen konnte, sprang Distelpfote ihm bei. »Was spielt das für eine Rolle? Du hast die Prüfung bestanden.«
Häherpfotes Schwanzspitze zuckte. Ich kann mich selbst verteidigen, danke.
»Ich habe eine riesige Wühlmaus erwischt.« Haselpfote war zu aufgeregt, um die Feindseligkeit zwischen Beerenpfote und Häherpfote zu bemerken. »Und ich habe eine Amsel gefangen, gerade als sie wegfliegen wollte. Borkenpelz hat gesagt, er hätte noch nie einen so guten Sprung gesehen.«
»Das ist toll!«, miaute Honigpfote.
»Ich habe ein Eichhörnchen erwischt«, prahlte Mauspfote. Häherpfote erinnerte sich daran, wie der Schüler einmal auf der Jagd nach einem Eichhörnchen auf die Himmelseiche geklettert war und sich dann nicht wieder heruntergetraut hatte. Als Rußpfote hochgeklettert war, um ihn zu holen, hatte sie sich das Bein gebrochen, weil ein Ast brach und sie abstürzte. Häherpfote hätte darum gewettet, einen Mond lang das Fell der Ältesten nach Zecken abzusuchen, dass Mauspfote das Eichhörnchen auf dem Boden gefangen hatte.
»Ich wünschte, wir würden heute geprüft«, murmelte Distelpfote Löwenpfote zu. »Manchmal glaube ich, dass wir niemals Krieger werden.«
»Mir geht's auch so.« Löwenpfote klang ebenso neidisch wie sie, dann schoss ein Blitz der Entschlossenheit durch ihn hindurch. »Wir müssen uns einfach noch mehr anstrengen.«
Häherpfote nahm an ihrem Gespräch nicht teil. Seine Pfoten wandelten auf einem ganz anderen Weg. Seine Heiler- Ausbildung würde noch sehr, sehr lange nicht beendet sein, und auch wenn er seinen richtigen Namen erhielte, bliebe er immer noch Blattsees Schüler. Erst nach ihrem Todwürde er eine vollwertige Heiler-Katze sein. Und obwohl ihm bei dem Gedanken daran, dass seine Wurfgefährten ihn auf ihrem Weg irgendwann überholen würden, das Fell kribbelte, wollte er nicht, dass seine Mentorin starb.
Außerdem besagte die Prophezeiung, dass er und die anderen schon gleich nach ihrer Geburt die Macht der Sterne in ihren Pfoten halten würden. Sie besagte nicht, dass sie dazu erst Krieger sein mussten.
Feuersterns Stimme hallte von der Hochnase herab. »Alle Katzen, die alt genug sind, Beute zu machen, fordere ich auf, sich zu einem Clan-Treffen zu versammeln!«
Die Lichtung wurde von verschiedenen Gerüchen überflutet, als der Clan allmählich zusammenkam. Häherpfote konnte Mausefell und Langschweif erkennen, die Clan-Ältesten, die den Schutz ihres Baus unter dem Haselstrauch verließen. Blattsee trat aus dem Heiler-Bau und setzte sich vor den Dornenvorhang.
Dann sprang Minka zu der Schülerschar, worauf alle anderen Gerüche verschwanden.
»Beerenpfote, schau dich nur an!«, rief sie. »Dein Fell steht ja in alle Richtungen ab. Und Haselpfote -hast du sämtliche Kletten von hier bis zum See aufgesammelt?«
Häherpfote hörte das eifrige Lecken einer Zunge.
»Schon gut, das kann ich doch selber machen«, protestierte Beerenpfote.
»Unsinn«, schalt Minka. »Ihr könnt nicht zu eurer Kriegerzeremonie gehen und wie eine Bande Streuner aussehen. Sonst denken alle Katzen, ich hätte euch nicht gut erzogen.« Sie begann erneut, Beerenpfote abzulecken, und unterbrach sich dann: »Mauspfote, du bist genauso schlimm! Schau dir mal deinen Schwanz an.«
»Ich hoffe, Feuerstern denkt nicht an meinen kurzen Schwanz«, miaute Beerenpfote ängstlich. »Nicht dass er mir einen Kriegernamen gibt, in dem der vorkommt.«
Beerenpfotes Schwanz bestand nur noch aus einem kurzen Stummel. Als Junges hatte er sich zum Jagen aus dem Lager geschlichen und war mit dem Schwanz in eine Fuchsfalle geraten.
»Wie denn? Beerenstummelschwanz?«, schlug Mohnpfote vor. »Das wäre vielleicht ein Zungenbrecher!«
»Oh nein!«, jaulte Beerenpfote. »Das würde Feuerstern doch nicht tun, oder?«
»Sei nicht albern«, miaute Minka.
»Darüber brauchst du dir wirklich keine Sorgen zu machen «, schaltete sich Lichtherz' Stimme in die Unterhaltung ein. Zwischen all den Gerüchen hatte Häherpfote ihr Näherkommen gar nicht bemerkt. »Nachdem mich das Hunderudel angegriffen hatte, gab mir Blaustern den Kriegernamen Halbgesicht. Doch als Feuerstern Anführer wurde, änderte er ihn. Niemals würde er einer Katze einen Spottnamen geben.«
»Hoffentlich nicht!« Beerenpfote klang immer noch zweifelnd.
Beunruhigt dachte Häherpfote über Lichtherz' Worte nach. »Meinst du, Blattsee würde meine Blindheit erwähnen, wenn sie mir meinen richtigen Heiler-Namen gibt?«, murmelte er Distelpfote ins Ohr.
»Was, so was wie Blindhäher? Das wäre genauso dumm wie Beerenstummelschwanz«, erwiderte seine Schwester.
»Du findest es vielleicht dumm, aber Blattsee ...«
»Ruhe, alle miteinander«, unterbrach Graustreif. »Die Zeremonie fängt gleich an.«
Löwenpfote gab Häherpfote einen Knuff. »Komm schon. Wir suchen uns vorne einen guten Platz. Ich will alles ganz genau mitkriegen.«
»Ja, schließlich sind wir auch bald an der Reihe«, miaute Distelpfote begeistert.
Häherpfote folgte seinen Wurfgefährten und den anderen Schülern durch die Menge, die sich um Feuerstern versammelt hatte. Er konnte den Stolz der drei, die nun zu Kriegern ernannt werden sollten, sprudeln spüren. Nachdem sie von ihrer Mutter noch hektisch geputzt worden waren, hatten sie nun bestimmt ein schönes, geschmeidig glänzendes Fell. Minka war ebenso stolz wie ihre Jungen, obgleich Häherpfote auch ihre Besorgnis spürte, weil sie ihren neuen Wurf in der Kinderstube zurückgelassen hatte.
Dann entdeckte er Rauchfell, die mit Eisjunges und Fuchsjunges direkt vor der Kinderstube saß. Die sanfte Königin würde dafür sorgen, dass den beiden Neugeborenen nichts zustieß, während ihre Mutter zuschaute, wie die Jungen ihres ersten Wurfs zu Kriegern ernannt wurden.
»Heute ist ein guter Tag für den DonnerClan.« Das aufgeregte Murmeln der Clan-Katzen erstarb, als Feuerstern zu sprechen anhob. »Kein Clan kann ohne neue Krieger überleben. Brombeerkralle, ist dein Schüler Beerenpfote bereit für seine Kriegerzeremonie?«
»Er hat gut trainiert«, erwiderte Brombeerkralle.
Häherpfote spürte, wie die Aufregung der drei Schüler wuchs, während Feuerstern die beiden anderen Mentoren Borkenpelz und Spinnenbeinbefragte. Dann hörte er ihre Pfotenschritte, als sie vortappten und sich vor Feuerstern aufstellten.
»Ich, Feuerstern, Anführer des DonnerClans, rufe meine Kriegervorfahren an und bitte sie, auf diese drei Schüler herabzublicken. « Die Stimme des Clan-Anführers übertönte das Rascheln der Bäume oberhalb des Felsenkessels. »Sie haben hart gearbeitet, um eure edlen Gesetze zu erlernen. Der SternenClan möge sie als Krieger willkommen heißen. Beerenpfote, Haselpfote und Mauspfote, versprecht ihr, das Gesetz der Krieger zu achten, den Clan zu schützen und ihn zu verteidigen, selbst wenn es euer Leben kostet?«
»Ich verspreche es!«, erwiderten die drei jungen Katzen, Beerenpfote am lautesten.
Ein paar Herzschläge lang prickelte Häherpfotes Fell vor Neid. Eines Tages würde er seine eigene Namenszeremonie als Heiler-Katze haben, aber er würde niemals vor seinem Clan stehen und versprechen können, ihn mit seinem Leben zu verteidigen.
»Dann gebe ich euch mit der Kraft des SternenClans eure Kriegernamen«, fuhr Feuerstern fort. »Beerenpfote, von diesem Augenblick an wirst du Beerennase heißen.«
»Oh, danke!«, unterbrach der neue Krieger seinen Anführer freudig.
Ein belustigtes Murmeln zog durch den Clan, nur Beerennases ehemaliger Mentor Brombeerkralle schnaubte verärgert.
Feuerstern wartete, bis es wieder still war, und fuhr dann fort: »Der SternenClan ehrt deine Tapferkeit und deinen Eifer und wir heißen dich als vollwertigen Krieger des DonnerClans willkommen.«
Eine Pause entstand, und Häherpfote wusste, dass Feuerstern in diesem Moment seine Schnauze auf Beerennases Kopf legte, worauf dieser ihm die Schulter leckte. Dann sprach Feuerstern weiter und gab Haselpfote den Namen Haselschweif, während Mauspfote zu Mausbart wurde.
»Der DonnerClan ist stolz auf euch«, beendete Feuerstern seine Rede. »Möget ihr eurem Clan treu dienen.«
»Mausbart! Haselschweif! Beerennase!« Der Clan begrüßte die jungen Krieger mit begeistertem Geheul.
Häherpfote spürte den Stolz der drei auf ihre neue Verantwortung, während in den anderen Katzen frisches Vertrauen aufstieg, dass der Clan an Stärke und Katzen wuchs und die Erinnerungen an die Entbehrungen der Großen Reise allmählich verblassten.
Aber noch etwas anderes schwebte wie Nebel über dem Kessel: Traditionen, die schon lange vor dem DonnerClan existierten, hin zu den Katzen, die vor langer Zeit durch den Wald gestreift waren. Wenn Fallendes Blatt den Höhlen lebend entkommen wäre, hätte man ihn dann auch so begrüßt?
Was ist mit diesen Katzen passiert?, fragte sich Häherpfote. Wohin sind sie gegangen?
Aus dem Englischen von Anja Hansen-Schmidt
© 2013 Beltz &Gelberg in der Verlagsgruppe Beltz • Weinheim Basel
»BEUTEDIEBE! DAS IST UNSER GEBIET«, fauchte der graue Kater mit gesträubtem Nackenfell und drohend gefletschten Zähnen. Sein Blick fuhr über die Katzenschar, die unter ihm auf dem steilen Pfad kauerte. Sie hatten die Klauen ausgefahren und ihre Augen leuchteten hungrig. Eine von ihnen trug ein schlaffes Kaninchen im Maul. »Unser Gebiet und unsere Beute.«
Ein silber getigerter Kater starrte ihn frech an.
»Wenn es dein Gebiet ist, warum gibt es dann keine Grenzmarkierungen? Die Beute hier gehört allen Katzen.«
»Das ist nicht wahr. Das wisst ihr genau.« Eine schwarze Kätzin schob sich mit peitschendem Schwanz dicht neben den grauen Kater. »Und jetzt verschwindet!« Leise murmelte sie: »Fels, wir können nicht gegen sie kämpfen. Denk daran, was beim letzten Mal passiert ist.«
»Ich weiß, Nacht«, erwiderte der graue Kater. »Aber was sollen wir sonst tun?«
An seiner anderen Seite drängte sich ein riesiger braun getigerter Kater mit einem wütenden Fauchen vorbei. »Noch ein Pfotenschritt und wir reißen euch das Fell in Fetzen«, knurrte er.
Fels berührte ihn mit der Schwanzspitze an der Schulter.
»Ruhig, Fang«, warnte er. »Lass uns versuchen, möglichst ohne Fellgefetze da rauszukommen.«
Noch mehr Katzen tauchten hinter einer Biegung auf dem Pfad auf und drängten sich dicht hinter dem silbernen Kater zusammen.
»Stieg!« Mit einem Zucken seiner Ohren rief Fels einen kleinen getigerten Kater zu sich. »Lauf schnell zurück zur Höhle. Sag ihnen, dass die Eindringlinge wieder da sind.«
»Aber ...« Stieg zögerte. Er wollte seine Freunde nicht allein lassen, die jetzt schon in der Minderheit waren.
»Los!«, fuhr Fels ihn an.
Stieg drehte sich um und rannte den Pfad hinauf.
Die Sonne ging unter. Felsen warfen lange Schatten über den steinigen Boden, der vom Abendlicht blutrot gefärbt war. Das schwache Rauschen herabfallenden Wassers brach durch die Stille und am Himmel ertönte der raue Schrei eines Habichts.
»Weiter kommt ihr nicht«, miaute Fels. »Dreht um und sucht euch einen anderen Ort zum Jagen.«
»Wer sollte uns denn vertreiben?«, höhnte die silberne Tigerkatze.
»Bleibt nur hier, dann werdet ihr schon sehen«, zischte Fang.
Fels' Patrouille drängte sich neben ihn und blockierte den Weg. Doch die Eindringlinge schwärmten aus und kletterten zu beiden Seiten des Pfads die Felsen hinauf. Fels duckte sich und spannte die Muskeln an. Er würde kämpfen, wenn es sein musste, ungeachtet dessen, was beim letzten Mal passiert war.
»Halt!«
Ein braun getigerter Kater schob sich durch die Patrouille und stellte sich vor die Eindringlinge. Zwar war seine Schnauze schon grau vor Alter, doch seine Muskeln waren drahtig und stark und er hielt den Kopf hoch erhoben.
»Ich bin Steinsager, Seher vom Stamm des eilenden Wassers «, verkündete er und seine Stimme hallte heiser von den Felsen wider. »Das hier ist unser Territorium und ihr seid hier nicht willkommen.«
»Ein Territorium gehört nur Katzen, die es auch verteidigen können«, erwiderte der silberne Kater.
»Erinnert ihr euch daran, wie wir euch vor der Zeit des gefrorenen Wassers verjagt haben?«, knurrte Steinsager. »Wir werden es wieder tun, wenn ihr jetzt nicht geht.«
Der Silberne kniff die Augen zusammen. »Uns verjagt? Das habe ich anders in Erinnerung.«
»Es war unsere Entscheidung zu gehen«, fügte eine braunweiße Kätzin hinzu, die auf einem Felsbrocken kauerte. »Wir haben einen besseren Ort gefunden, um die Blattleere zu verbringen, mit mehr Beute.«
»Und nun haben wir uns entschieden zurückzukommen.« Der Kater schlug mit dem Schwanz. »Und ein paar magere, flohverseuchte Pelzbündel wie ihr werden uns ganz sicher nicht aufhalten.« Er fuhr seine Krallen aus und kratzte am Gestein.
»Der Stamm des eilenden Wassers hatte seine Heimat schon immer in diesen Bergen«, miaute Steinsager. »Wir...«
Seine Worte gingen in einem zornigen Heulen unter, als die braun-weiße Kätzin plötzlich von ihrem Fels sprang und ihre Krallen in Nachts Schulter schlug. Der silberne Kater stieß einen furchterregenden Schrei aus und stürzte sich auf Fels. Während Fels über den Boden rollte und sich gegen seinen Angreifer wehrte, füllte sich die Luft mit dem Kreischen kämpfender Katzen.
Von weit oben schaute der Stamm der ewigen Jagd ihnen hilflos zu.
1. KAPITEL
HÄHERPFOTE STRECKTE SICH und spürte die Sonne auf seinem Pelz. Eine warme Brise, erfüllt von den Gerüchen grün sprießenden Lebens, streichelte ihn. Irgendwo über ihm trillerte ein Vogel und er hörte das leise Klatschen des Wassers am Seeufer.
»Häherpfote!«
Leichte Schritte übertönten das ruhige Plätschern der Wellen. Häherpfote stellte sich seine Mentorin Blattsee vor, wie sie durch das seichte Wasser am Rand des Sees sprang.
»Häherpfote!«, wiederholte sie und ihre Stimme klang nun näher. »Komm rein zu mir. Das kühle Wasser ist wunderbar.«
»Nein, danke«, murmelte Häherpfote.
Für ihn bedeutete Wasser nicht das sanfte Plätschern des Sees an seinen Pfoten, das Geräusch der Wellen brachte andere Erinnerungen zurück: an eine kalte Flut, die über ihn hinwegbrandete, an durchnässtes Fell, das ihn in die Tiefe zog, an Wasser, das ihm in Mund und Nase strömte und alles Leben in ihm auslöschte. Er war einmal in seinen Träumen ertrunken, nachdem er sich mit Fallendes Blatt, einem Krieger aus längst vergangenen Zeiten, in den unterirdischen Höhlen verirrt hatte, und dann noch einmal fast im wirklichen Leben, als er und seine Clan-Gefährten die verschwundenen WindClan-Jungen gerettet hatten.
Ich habe für den Rest meines Lebens genug Wasser gehabt.
»Na gut.« Blattsees Pfotenschritte zogen sich zurück, schneller nun, als spränge sie sorglos wie ein Junges durch das Uferwasser.
Häherpfote tappte das Ufer entlang. Er sollte eigentlich Malven suchen, konnte aber den vertrauten stechenden Geruch nirgendwo entdecken. Sobald Blattsees Schritte verklungen waren, wandte er sich vom Wasser ab und kletterte die Böschung hinauf. Er suchte etwas Wichtigeres als Kräuter. Mit der Nase dicht am Boden, pirschte er voran und schnupperte zwischen Grasbüscheln und Sträuchern, bis er zu den verschlungenen Wurzeln eines Baums kam.
Da ist er ja!
Er schlug die Zähne in einen Stock und zog ihn hinter der Wurzel hervor, die ihn vor den gierigen Wellen schützte.
Er kauerte sich vor ihn hin und fuhr mit der Pfote über die darin eingegrabenen Kerben, bis er die Gruppe von fünf langen und drei kurzen Strichen ertastete. Sie standen für die fünf Schüler und drei Jungen, die in den Höhlen gefangen gewesen waren, als das Wasser kam. Die Kerben waren von einem weiteren Kratzer durchgestrichen, denn jede Katze war der Flut lebend entkommen. Häherpfote erinnerte sich daran, wie er die Kerben in das Holz geschnitten hatte, während Steins Geruch sich um ihn wand; fast war es, als hätte die kahle Pfote des alten Geistes ihm die Kralle geführt.
Doch Häherpfote strich noch über eine weitere Kerbe, die einzige, die nicht von einem Kratzer durchkreuzt war. Fallendes Blatt, ein Kater aus einer längst vergangenen Zeit, der ihnen geholfen hatte, wanderte immer noch alleine durch die Höhlengänge.
Häherpfote schloss die Augen und lauschte nach den flüsternden Stimmen, die ihn sonst immer umgaben, doch er hörte nichts als den Wind in den Bäumen und das Plätschern des Sees. »Fallendes Blatt? Stein?«, murmelte er. »Wo seid ihr? Warum sprecht ihr nicht mehr mit mir?«
Keine Antwort. Häherpfote zog den Stock weiter hervor und rollte ihn die Böschung hinunter, bis das Seewasser darüber schwappte. Er schnupperte überall an ihm, doch sämtliche Stimmen aus der Vergangenheit waren verstummt.
Häherpfote schluckte schwer, fast hätte er angefangen zu wimmern, wie ein Junges, das seine Mutter verloren hat. Er wollte mit Stein reden und mehr über die Katzen herausfinden, die vor langer Zeit am See gelebt hatten. Er wollte wissen, warum Fallendes Blatt immer noch durch die Höhlen streifte, wo doch alle anderen Katzen von damals, auch jene, die in der Tiefe starben, längst weitergezogen waren zu einem anderen Ort.
Er war überzeugt, dass es dieselben Katzen waren, die er auch am Mondsee um sich herum spürte und deren Pfoten- abdrücke auf dem gewundenen Pfad, der zum Wasser hinunterführte, zu sehen waren. Sie waren viel älter als die Clans, älter sogar als der SternenClan. Welche Weisheiten sie ihm verraten könnten! Und vielleicht könnten sie ihm sogar die Prophezeiung erklären, jene geheimnisvollen Worte, die er in Feuersterns Traum gehört hatte.
Drei werden es sein, Blut von deinem Blut. Sie halten die Macht der Sterne in ihren Pfoten.
»Häherpfote, was machst du da?«
Häherpfote erschrak. Er war so auf den Stock konzentriert gewesen und auf die Geisterkatzen, dass er Blattsee gar nicht hatte kommen hörte. Nun stand sie dicht vor ihm und er spürte die Gereiztheit, die von ihr ausging.
»Entschuldige«, murmelte er.
»Wir brauchen mehr Malven, Häherpfote. Der Kampf mag abgewendet worden sein, dennoch können Katzen jederzeit krank werden oder sich verletzen. Heiler-Katzen müssen auf alles vorbereitet sein.«
»Das weiß ich doch«, erwiderte Häherpfote. Und wer hat den Kampf verhindert?, fragte er stumm. Der WindClan und der DonnerClan hätten sich gegenseitig in Fetzen gerissen, wenn ich und die anderen die vermissten Jungen nicht gefunden hätten.
Er hatte keine Lust, sich seiner Mentorin zu erklären. Unter ihrem strengen Blick rollte er den Stock wieder die Böschung hinauf und versteckte ihn unter der Baumwurzel. Dann tappte er oben an der Böschung entlang, das Maul leicht geöffnet, um die Gerüche des Waldes in sich aufzunehmen.
Kaum hatte er ein paar Fuchslängen zurückgelegt, da hielt er inne und schaute mit seinen blinden Augen über den See. Der Wind fuhr ihm ins Fell und presste es eng an seinen Körper.
Wo seid ihr? Seine Gedanken riefen nach den Katzen der Vergangenheit. Bitte sprecht mit mir!
»Häherpfote! Hallo, Häherpfote!«
Oh nein. Diese Stimme wollte er nun gar nicht hören. Er schluckte ein wütendes Fauchen hinunter und drehte sich zu Haselpfote um, die er an ihrem Geruch und ihren Pfotenschritten erkannte, als sie herbeigesprungen kam. Warum muss sie nur wie ein tollwütiger Fuchs durch das Farndickicht trampeln?
»Schau mal, was ich habe!« Haselpfote klang fröhlich und halb erstickt, als würde sie mit einem Stück Beute im Maul sprechen.
Häherpfote verzichtete auf den Hinweis, dass er sich nichts anschauen konnte. Außerdem verriet ihm der durchdringende Geruch nach Wühlmaus bereits, was Haselpfote bei sich trug.
»Das war meine letzte Jagdprüfung.« Die Stimme der Schülerin war nun deutlicher zu verstehen -offenbar hatte sie die Beute abgelegt. »Wenn wir gut abschneiden, werden Beerenpfote, Mauspfote und ich heute zu Kriegern ernannt.«
»Toll.« Häherpfote bemühte sich, Begeisterung zu zeigten, aber er ärgerte sich immer noch, weil sie ihn in seinen Gedanken gestört hatte.
»Borkenpelz ist bestimmt zufrieden mit mir«, fuhr Haselpfote fort. »Diese Wühlmaus hier ist riesig! Sie reicht locker für Minkas zwei Junge.«
»Minkas Junge können noch keine Wühlmaus fressen«, wandte Häherpfote ein. Konnte sie wirklich so ein Mäusehirn sein? »Sie wurden erst vor vier Sonnenaufgängen geboren.«
»Na ja, dann reicht sie eben für Minka.« Haselpfote klang immer nochaufgeregt. »Jetzt, wo sie ihre Jungen ernähren muss, braucht sie viel zu fressen. Hast du sie schon besucht? Ich glaube, ich habe noch nie so was Niedliches gesehen! Minka hat gesagt, sie hat sie Rosenjunges und Unkenjunges getauft.«
»Ich weiß«, miaute Häherpfote kurz angebunden.
»Ich kann es kaum erwarten, bis sie alt genug sind, dass sie aus der Kinderstube rauskommen und spielen können«, fuhr Haselpfote fort. »Glaubst du, dass Feuerstern mich vielleicht zum Mentor von einem von ihnen ernennt? Bis sie so weit sind, habe ich genug Erfahrungen als Kriegerin.«
»Sie sind deine Halbgeschwister«, miaute Häherpfote, um ihre Hoffnungen zu dämpfen. »Feuerstern wird vermutlich nicht ...«
»Haselpfote!« Eine strenge, ärgerliche Stimme unterbrach ihn, und Häherpfote hörte, wie sich Haselpfotes Mentor Borkenpelz raschelnd durch das Farndickicht schob. »Bist du am Jagen oder am Schwatzen?«, wollte er wissen.
»Tut mir leid. Hast du meine Wühlmaus gesehen, Borkenpelz? Sie ist riesig!«
Häherpfote hörte Borkenpelz herbeitappen und an der Wühlmaus schnuppern.
»Sehr gut«, miaute der Krieger. »Aber das bedeutet nicht, dass du dich hinlegen und dich in Ruhe putzen kannst. Im Wald gibt es noch viel mehr Beute. Ich trage die hier ins Lager und du machst weiter.«
»Gut. Bis später, Häherpfote!«
Häherpfote dachte gerade noch rechtzeitig daran, »Viel Glück!« zu rufen, als Haselpfote davonsprang, aber seine Gedanken schweiften schon wieder zurück zu den Geisterkatzen. Ihr Schweigen beunruhigte ihn. Habe ich etwas falsch gemacht? Sind Stein und Fallendes Blatt böse auf mich? Er dachte angestrengt darüber nach, während er ein Malvenbüschel entdeckte und die Stängel durchbiss, um sie ins Lager zu bringen.
»Gut gemacht, Häherpfote.« Blattsees Stimme erklang hinter ihm, als er damit fertig war. »Lass uns gehen.«
Häherpfote nahm das Bündel Malvenstängel ins Maul, eine gute Ausrede, um nicht reden zu müssen. Während er hinter seiner Mentorin durch den Wald tappte, war er immer noch in Gedanken versunken und bemerkte kaum die Beutegerüche oder das Trippeln kleiner Tiere im Unterholz. Er war weit weg und versuchte, den Pfotenschritten der Geisterkatzen zu folgen.
Plötzlich stieß ein Vogel einen Alarmruf aus. Häherpfote erschrak, als direkt vor seiner Nase etwas wild aufflatterte, ließ seine Malven fallen und sprang zurück.
»He!«, erklang Beerenpfotes empörtes Fauchen wenige Schwanzlängen entfernt. »Du hast meine Drossel verscheucht. Hast du nicht gesehen, dass ich ihr aufgelauert habe?«
»Nein, das habe ich nicht gesehen.« Schuldgefühle und Ärger überseine Ungeschicklichkeit machten Häherpfote wütend. »Ich bin blind, falls du es noch nicht bemerkt haben solltest.«
»Trotzdem sollte dir so etwas nicht passieren«, miaute Blattsee verärgert. »Konzentriere dich auf das, was du tust, Häherpfote. Du bist schon den ganzen Morgen zerstreut wie ein Kaninchen.«
»Hoffentlich hat er meine Prüfung nicht vermasselt«, knurrte Beerenpfote. »Ich hätte die Drossel erwischt, wenn er nicht gewesen wäre.«
»Ich weiß«, miaute Brombeerkralle.
Häherpfote witterte den Geruch des Zweiten Anführers seines Clans ein Stück entfernt. Mauspfote und sein Mentor Spinnenbein waren ebenfalls in der Nähe. Oh nein! Hat der ganze DonnerClan das mitbekommen?
»Es hat keinen Sinn, verlorener Beute nachzutrauern«, fuhr Brombeerkralle fort und trat näher. »Und ein Krieger regt sich nichtübereinen kleinen Rückschlag auf. Komm, Beerenpfote, vielleicht findest du da drüben unter den Baumwurzeln eine Maus.«
»Na gut.« Häherpfote merkte, dass Beerenpfote trotz der Worte seines Mentors noch immer wütend war.»Häherpfote, geh mir einfach aus dem Weg, ja?«
»Liebend gern«, schoss Häherpfote zurück.
»Es ist sowieso Zeit, zurück zur Lichtung zu gehen.« Blattsee stupste Häherpfote mit der Schulter an. »Hier lang.«
Danke, ich weiß, wo das Lager liegt.
Häherpfote sammelte seine Kräuter auf und tappte hinter seiner Mentorin durch den Dornentunnel in den Felsenkessel. Er schob sich durch den Brombeervorhang des Heiler-Baus und verstaute sein Bündel hinten in der Höhle.
»Ich hole mir was vom Frischbeutehaufen, ja?«, miaute er.
»Warte, Häherpfote.« Blattsee legte ebenfalls ihre Kräuter ab und setzte sich vor ihn. Häherpfote spürte ihre Ungeduld und ihre Enttäuschung. »Ich weiß nicht, was in letzter Zeit in dich gefahren ist«, hob sie an. »Seit du mit den anderen Schülern die WindClan-Jungen am Seeufer gefunden hast ...«
Eine Frage klang in ihrer Stimme und Häherpfote witterte den starken Geruch von Neugierde an ihr. Blattsee wusste offenbar genau, dass an der Geschichte mit den verirrten Jungen mehr dran war, als er und seine Wurfgefährten erzählt hatten. Aber er würde ihr auf keinen Fall verraten, dass die Jungen in Wirklichkeit in dem Gewirr aus unterirdischen Gängen herumgewandert waren, das sich unter dem DonnerClan- und dem WindClan-Territorium entlangzog. Er wusste, dass auch Löwenpfote und Distelpfote darüber schweigen würden ebenso wie die WindClan-Schüler Heidepfote und Windpfote. Keiner von ihnen wollte verraten, dass Löwenpfote und Heidepfote viele Monde lang in den Höhlenmit- einander gespielt hatten.
Deshalb konnten sie die Geschichte nicht erzählen, wie sie zusammen mit den vermissten Jungen fast ertrunken wären, als Regen in die Gänge geströmt war und den unterirdischen Bach zu einer furchterregenden Sturzflut hatte anschwellen lassen. Häherpfote hatte immer noch Albträume von dem reißenden, alles ertränkenden Fluss.
»Häherpfote, ist mit dir alles in Ordnung?«, fuhr Blattsee fort. Ihr Ärger verflog und wich der Sorge, die wie eine klebrige Woge Häherpfote zu überwältigen drohte, so wie das Wasser in den Höhlen. »Du würdest es mir doch sagen, wenn du Kummer hättest?«
»Klar«, murmelte er in der Hoffnung, seine Mentorin würde die Lüge nicht entdecken. »Alles bestens.«
Blattsee zögerte. Häherpfotes Fell kribbelte abwehrend, doch die Heiler-Katze seufzte nur und miaute: »Gut, dann hol dir was zu fressen. Später, wenn es kühler ist, gehen wir hinauf zum alten Zweibeinernest und sammeln Katzenminze.«
Noch ehe sie ihren Satz beendet hatte, sprang Häherpfote auf und schob sich durch die Brombeerranken nach draußen. Er tappte zum Frischbeutehaufen, suchte sich schnuppernd eine dicke Maus und trug sie zu einem sonnigen Flecken vor seinem Bau, wo er sie vertilgte. Sonnenhoch war eben erst verstrichen und der Felsenkessel war voller Wärme. Mit angenehm vollem Bauch legte Häherpfote sich auf die Seite und putzte sich mit der Pfote die Schnurrhaare.
Rußpfote und Distelpfote waren durch den Dornentunnel gekommen und Häherpfote konnte den moosigen Geruch der Trainingskuhle an ihrem Fell riechen.
»Tut mir leid, dass ich dich jedes Mal besiegt habe«, miaute Distelpfote. »Bist du auch wirklich nicht sauer?«
»Natürlich nicht«, beharrte Rußpfote. »Ich wäre dann sauer, wenn du dich beim Kampf zurückhalten und mich gewinnen lassen würdest.«
Ihre Stimme klang tapfer, aber Häherpfote merkte an ihren Pfotenschritten, dass Rußpfote Schmerzen in ihrem verletzten Bein hatte. Die Heiler-Katzen konnten nun nichts mehr für sie tun, allein die Zeit würde das Bein kräftiger machen. Oder sollte es doch Rußpfotes Schicksal sein, nie eine Kriegerin zu werden, so wie schon Rußpelz vor ihr?
Schrilles Heulen aus der Kinderstube ließ den Heiler-Schüler zusammenzucken und lenkte ihn von Rußpfotes Problem ab. Minkas Junge waren erst vier Sonnenaufgänge alt, aber sie hatten laute Stimmen. Ihr Vater Spinnenbein hatte darauf bestanden, Mauspfote bei seiner Prüfung zu begleiten, obwohl Borkenpelz ihm angeboten hatte, für ihn einzuspringen, damit er mehr Zeit in der Kinderstube verbringen könnte. Häherpfote fand, dass Spinnenbein im Umgang mit seinen Jungen etwas unbeholfen wirkte, als könne er sich nicht an die Vorstellung gewöhnen, Vater zu sein.
Auf jeden Fall, dachte Häherpfote, war die Kinderstube im Moment ziemlich überfüllt. Eisjunges und Fuchsjunges, Rauchfells jüngster Wurf, lebten immer noch dort, obwohl sie allmählich alt genug waren, um Schüler zu werden. Und Millie, die Graustreifs Junge erwartete, war gerade erst eingezogen. Häherpfote wusste, wie stolz Feuerstern darauf war, dass der DonnerClan so stark wurde, auch wenn er sich manchmal Sorgen machte, wie sie alle satt werden sollten.
Wieder raschelte es im Dornentunnel, und Löwenpfote stolperte ins Lager, dicht gefolgt von seinem Mentor Aschenpelz.
»Zwei Mäuse und ein Eichhörnchen«, miaute Aschenpelz. »Gut gemacht, Löwenpfote. Eine erfolgreiche Jagd, wie ich es von dir erwartet habe.«
Aschenpelz klang trotz seiner lobenden Worte nicht sonderlich begeistert. Häherpfote fand, dass sein Bruder und Aschenpelz nicht so gut miteinander auskamen, wie es bei Mentor und Schüler eigentlich der Fall sein sollte. Zwischen ihnen schien etwas zu sein, das er nicht begriff, und Aschenpelz selbst war für ihn undurchschaubar.
Aber vermutlich war es sowieso unwichtig. Häherpfote verdrängte die Frage aus seinem Kopf, als sein Bruder sich mit einer Maus im Maul neben ihn auf den Boden plumpsen ließ.
»Ich bin fix und fertig«, verkündete Löwenpfote. »Ich dachte schon, ich müsste dieses Eichhörnchen bis rüber zum SchattenClan jagen.«
»Warum machst du dir überhaupt die Mühe?«, fragte Häherpfote. »Du hast heute doch keine Prüfung.«
»Ich weiß«, murmelte Löwenpfote, den Mund voller Beute. »Aber darum geht es nicht. Ein guter Krieger tut immer sein Bestes, um den Clan satt zu kriegen.«
Und Löwenpfote wollte der allerbeste Krieger sein. Das wusste Häherpfote und auch, wie konzentriert und entschlossen sein Bruder war, seit sie die Jungen aus den unterirdischen Gängen befreit hatten. Er kannte den Grund dafür, auch ohne Löwenpfotes Gedanken zu lesen: Sein Bruder wollte sich mit aller Macht auf sein Training konzentrieren, um wiedergutzumachen, dass er sich heimlich mit der WindClan-Schülerin Heidepfote getroffen hatte.
Häherpfotes Schnurrhaare zuckten mitfühlend. Als Heiler- Katze durfte er sich Freunde außerhalb des Clans suchen, obwohl er sich nicht vorstellen konnte, jemals das Verlangen danach zu haben. Wie sollte man einer Katze aus einem anderen Clan vertrauen?
Das Prasseln kleiner Steinchen zeigte ihm an, dass Feuerstern von der Hochnase herabgesprungen kam. Seine Stimme erklang dicht beim Kriegerbau.
»Wir brauchen eine Grenzpatrouille. Wer von euch ...«
Löwenpfote sprang auf. »Ich gehe!«
Kurz wunderte sich Häherpfote, warum Feuerstern eine Patrouille zusammenstellte, bis ihm einfiel, dass Brombeerkralle, der Zweite Anführer des Clans, im Wald unterwegs war, um Beerenpfote zu prüfen.
»Danke, Löwenpfote«, miaute Feuerstern, »aber du hast heute schon genug getan.«
Löwenpfote setzte sich wieder, und Häherpfote spürte, dass er enttäuscht war.
»Ich gehe«, sagte Graustreif und trat aus dem Kriegerbau.
»Ich komme mit.« Eichhornschweif war direkt hinter ihm.
»Honigpfote und ich auch.« Häherpfote hörte Sandsturm vom Schülerbau herbeitappen, begleitet von ihrer Schülerin.
»Gut«, miaute Feuerstern. »Ich glaube, ihr solltet mal einen Blick auf die WindClan-Grenze werfen. Seit die Jungen gefunden wurden, war alles ruhig, aber man weiß ja nie.«
»Wir werden überprüfen, ob die Duftmarken frisch sind«, versprach Graustreif. »Und wir schauen nach ...«
Er verstummte, als aufgeregtes Miauen aus dem Dornentunnel drang. Häherpfote setzte sich auf und sog die Luft ein, um die Gerüche der Neuankömmlinge zu unterscheiden. Beerenpfote stürmte als Erstes auf die Lichtung, dahinter drängelten sich Haselpfote und Mauspfote, gefolgt von ihren Mentoren Brombeerkralle, Borkenpelz und Spinnenbein.
»Wir haben es geschafft!« Beerenpfotes triumphierender Ruf hallte durch den Felsenkessel. »Wir haben unsere Prüfungen bestanden und jetzt werden wir Krieger!«
»Beerenpfote!« Brombeerkralle klang streng. »Das entscheidet allein Feuerstern.«
»Entschuldigung.« Häherpfote spürte Beerenpfotes plötzliche Niedergeschlagenheit und sah ihn mit hängendem Kopf und Schwanz vor sich. »Aber wir werden doch Krieger, oder?«
»Vielleicht sollten wir noch prüfen, wie gut ihr die Klappe halten könnt«, blaffte Borkenpelz.
»Schon gut.« Feuerstern klang belustigt. »Die Mentoren sollen zu mir kommen und mit mir alles besprechen, dann bereiten wir die Zeremonie vor.«
»Was ist mit der Grenzpatrouille?«, fragte Graustreif.
»Das hat Zeit bis zur Dämmerung. Schließlich erwarten wir keinen Ärger.«
Sämtliche Schüler versammelten sich in einem aufgeregten Haufen neben ihrem Bau. Löwenpfote stürmte sogleich über die Lichtung zu ihnen. Häherpfote stand auf, streckte sich und folgte etwas langsamer.
»... und zwei Wühlmäuse«, miaute Beerenpfote gerade, als Häherpfote in Hörweite kam. »Und ich hätte noch eine Drossel erwischt, wenn der da sie nicht verscheucht hätte.«
Häherpfotes Nackenfell sträubte sich, aber ehe er etwas sagen konnte, sprang Distelpfote ihm bei. »Was spielt das für eine Rolle? Du hast die Prüfung bestanden.«
Häherpfotes Schwanzspitze zuckte. Ich kann mich selbst verteidigen, danke.
»Ich habe eine riesige Wühlmaus erwischt.« Haselpfote war zu aufgeregt, um die Feindseligkeit zwischen Beerenpfote und Häherpfote zu bemerken. »Und ich habe eine Amsel gefangen, gerade als sie wegfliegen wollte. Borkenpelz hat gesagt, er hätte noch nie einen so guten Sprung gesehen.«
»Das ist toll!«, miaute Honigpfote.
»Ich habe ein Eichhörnchen erwischt«, prahlte Mauspfote. Häherpfote erinnerte sich daran, wie der Schüler einmal auf der Jagd nach einem Eichhörnchen auf die Himmelseiche geklettert war und sich dann nicht wieder heruntergetraut hatte. Als Rußpfote hochgeklettert war, um ihn zu holen, hatte sie sich das Bein gebrochen, weil ein Ast brach und sie abstürzte. Häherpfote hätte darum gewettet, einen Mond lang das Fell der Ältesten nach Zecken abzusuchen, dass Mauspfote das Eichhörnchen auf dem Boden gefangen hatte.
»Ich wünschte, wir würden heute geprüft«, murmelte Distelpfote Löwenpfote zu. »Manchmal glaube ich, dass wir niemals Krieger werden.«
»Mir geht's auch so.« Löwenpfote klang ebenso neidisch wie sie, dann schoss ein Blitz der Entschlossenheit durch ihn hindurch. »Wir müssen uns einfach noch mehr anstrengen.«
Häherpfote nahm an ihrem Gespräch nicht teil. Seine Pfoten wandelten auf einem ganz anderen Weg. Seine Heiler- Ausbildung würde noch sehr, sehr lange nicht beendet sein, und auch wenn er seinen richtigen Namen erhielte, bliebe er immer noch Blattsees Schüler. Erst nach ihrem Todwürde er eine vollwertige Heiler-Katze sein. Und obwohl ihm bei dem Gedanken daran, dass seine Wurfgefährten ihn auf ihrem Weg irgendwann überholen würden, das Fell kribbelte, wollte er nicht, dass seine Mentorin starb.
Außerdem besagte die Prophezeiung, dass er und die anderen schon gleich nach ihrer Geburt die Macht der Sterne in ihren Pfoten halten würden. Sie besagte nicht, dass sie dazu erst Krieger sein mussten.
Feuersterns Stimme hallte von der Hochnase herab. »Alle Katzen, die alt genug sind, Beute zu machen, fordere ich auf, sich zu einem Clan-Treffen zu versammeln!«
Die Lichtung wurde von verschiedenen Gerüchen überflutet, als der Clan allmählich zusammenkam. Häherpfote konnte Mausefell und Langschweif erkennen, die Clan-Ältesten, die den Schutz ihres Baus unter dem Haselstrauch verließen. Blattsee trat aus dem Heiler-Bau und setzte sich vor den Dornenvorhang.
Dann sprang Minka zu der Schülerschar, worauf alle anderen Gerüche verschwanden.
»Beerenpfote, schau dich nur an!«, rief sie. »Dein Fell steht ja in alle Richtungen ab. Und Haselpfote -hast du sämtliche Kletten von hier bis zum See aufgesammelt?«
Häherpfote hörte das eifrige Lecken einer Zunge.
»Schon gut, das kann ich doch selber machen«, protestierte Beerenpfote.
»Unsinn«, schalt Minka. »Ihr könnt nicht zu eurer Kriegerzeremonie gehen und wie eine Bande Streuner aussehen. Sonst denken alle Katzen, ich hätte euch nicht gut erzogen.« Sie begann erneut, Beerenpfote abzulecken, und unterbrach sich dann: »Mauspfote, du bist genauso schlimm! Schau dir mal deinen Schwanz an.«
»Ich hoffe, Feuerstern denkt nicht an meinen kurzen Schwanz«, miaute Beerenpfote ängstlich. »Nicht dass er mir einen Kriegernamen gibt, in dem der vorkommt.«
Beerenpfotes Schwanz bestand nur noch aus einem kurzen Stummel. Als Junges hatte er sich zum Jagen aus dem Lager geschlichen und war mit dem Schwanz in eine Fuchsfalle geraten.
»Wie denn? Beerenstummelschwanz?«, schlug Mohnpfote vor. »Das wäre vielleicht ein Zungenbrecher!«
»Oh nein!«, jaulte Beerenpfote. »Das würde Feuerstern doch nicht tun, oder?«
»Sei nicht albern«, miaute Minka.
»Darüber brauchst du dir wirklich keine Sorgen zu machen «, schaltete sich Lichtherz' Stimme in die Unterhaltung ein. Zwischen all den Gerüchen hatte Häherpfote ihr Näherkommen gar nicht bemerkt. »Nachdem mich das Hunderudel angegriffen hatte, gab mir Blaustern den Kriegernamen Halbgesicht. Doch als Feuerstern Anführer wurde, änderte er ihn. Niemals würde er einer Katze einen Spottnamen geben.«
»Hoffentlich nicht!« Beerenpfote klang immer noch zweifelnd.
Beunruhigt dachte Häherpfote über Lichtherz' Worte nach. »Meinst du, Blattsee würde meine Blindheit erwähnen, wenn sie mir meinen richtigen Heiler-Namen gibt?«, murmelte er Distelpfote ins Ohr.
»Was, so was wie Blindhäher? Das wäre genauso dumm wie Beerenstummelschwanz«, erwiderte seine Schwester.
»Du findest es vielleicht dumm, aber Blattsee ...«
»Ruhe, alle miteinander«, unterbrach Graustreif. »Die Zeremonie fängt gleich an.«
Löwenpfote gab Häherpfote einen Knuff. »Komm schon. Wir suchen uns vorne einen guten Platz. Ich will alles ganz genau mitkriegen.«
»Ja, schließlich sind wir auch bald an der Reihe«, miaute Distelpfote begeistert.
Häherpfote folgte seinen Wurfgefährten und den anderen Schülern durch die Menge, die sich um Feuerstern versammelt hatte. Er konnte den Stolz der drei, die nun zu Kriegern ernannt werden sollten, sprudeln spüren. Nachdem sie von ihrer Mutter noch hektisch geputzt worden waren, hatten sie nun bestimmt ein schönes, geschmeidig glänzendes Fell. Minka war ebenso stolz wie ihre Jungen, obgleich Häherpfote auch ihre Besorgnis spürte, weil sie ihren neuen Wurf in der Kinderstube zurückgelassen hatte.
Dann entdeckte er Rauchfell, die mit Eisjunges und Fuchsjunges direkt vor der Kinderstube saß. Die sanfte Königin würde dafür sorgen, dass den beiden Neugeborenen nichts zustieß, während ihre Mutter zuschaute, wie die Jungen ihres ersten Wurfs zu Kriegern ernannt wurden.
»Heute ist ein guter Tag für den DonnerClan.« Das aufgeregte Murmeln der Clan-Katzen erstarb, als Feuerstern zu sprechen anhob. »Kein Clan kann ohne neue Krieger überleben. Brombeerkralle, ist dein Schüler Beerenpfote bereit für seine Kriegerzeremonie?«
»Er hat gut trainiert«, erwiderte Brombeerkralle.
Häherpfote spürte, wie die Aufregung der drei Schüler wuchs, während Feuerstern die beiden anderen Mentoren Borkenpelz und Spinnenbeinbefragte. Dann hörte er ihre Pfotenschritte, als sie vortappten und sich vor Feuerstern aufstellten.
»Ich, Feuerstern, Anführer des DonnerClans, rufe meine Kriegervorfahren an und bitte sie, auf diese drei Schüler herabzublicken. « Die Stimme des Clan-Anführers übertönte das Rascheln der Bäume oberhalb des Felsenkessels. »Sie haben hart gearbeitet, um eure edlen Gesetze zu erlernen. Der SternenClan möge sie als Krieger willkommen heißen. Beerenpfote, Haselpfote und Mauspfote, versprecht ihr, das Gesetz der Krieger zu achten, den Clan zu schützen und ihn zu verteidigen, selbst wenn es euer Leben kostet?«
»Ich verspreche es!«, erwiderten die drei jungen Katzen, Beerenpfote am lautesten.
Ein paar Herzschläge lang prickelte Häherpfotes Fell vor Neid. Eines Tages würde er seine eigene Namenszeremonie als Heiler-Katze haben, aber er würde niemals vor seinem Clan stehen und versprechen können, ihn mit seinem Leben zu verteidigen.
»Dann gebe ich euch mit der Kraft des SternenClans eure Kriegernamen«, fuhr Feuerstern fort. »Beerenpfote, von diesem Augenblick an wirst du Beerennase heißen.«
»Oh, danke!«, unterbrach der neue Krieger seinen Anführer freudig.
Ein belustigtes Murmeln zog durch den Clan, nur Beerennases ehemaliger Mentor Brombeerkralle schnaubte verärgert.
Feuerstern wartete, bis es wieder still war, und fuhr dann fort: »Der SternenClan ehrt deine Tapferkeit und deinen Eifer und wir heißen dich als vollwertigen Krieger des DonnerClans willkommen.«
Eine Pause entstand, und Häherpfote wusste, dass Feuerstern in diesem Moment seine Schnauze auf Beerennases Kopf legte, worauf dieser ihm die Schulter leckte. Dann sprach Feuerstern weiter und gab Haselpfote den Namen Haselschweif, während Mauspfote zu Mausbart wurde.
»Der DonnerClan ist stolz auf euch«, beendete Feuerstern seine Rede. »Möget ihr eurem Clan treu dienen.«
»Mausbart! Haselschweif! Beerennase!« Der Clan begrüßte die jungen Krieger mit begeistertem Geheul.
Häherpfote spürte den Stolz der drei auf ihre neue Verantwortung, während in den anderen Katzen frisches Vertrauen aufstieg, dass der Clan an Stärke und Katzen wuchs und die Erinnerungen an die Entbehrungen der Großen Reise allmählich verblassten.
Aber noch etwas anderes schwebte wie Nebel über dem Kessel: Traditionen, die schon lange vor dem DonnerClan existierten, hin zu den Katzen, die vor langer Zeit durch den Wald gestreift waren. Wenn Fallendes Blatt den Höhlen lebend entkommen wäre, hätte man ihn dann auch so begrüßt?
Was ist mit diesen Katzen passiert?, fragte sich Häherpfote. Wohin sind sie gegangen?
Aus dem Englischen von Anja Hansen-Schmidt
© 2013 Beltz &Gelberg in der Verlagsgruppe Beltz • Weinheim Basel
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Autoren-Porträt von Erin Hunter
Hunter, ErinHinter dem Namen Erin Hunter verbirgt sich ein ganzes Team von Autorinnen. Gemeinsam konzipieren und schreiben sie die erfolgreichen Tierfantasy-Reihen WARRIOR CATS, SEEKERS und SURVIVOR DOGS.
Bibliographische Angaben
- Autor: Erin Hunter
- Altersempfehlung: Ab 10 Jahre
- 2013, Deutsche Erstausgabe, 343 Seiten, Maße: 14,5 x 21,2 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzer: Anja Hansen-Schmidt
- Verlag: Beltz
- ISBN-10: 3407811349
- ISBN-13: 9783407811349
- Erscheinungsdatum: 31.01.2013
Rezension zu „Warrior Cats Staffel 3 Band 3: Verbannt “
»Der 3. Band der 3. Staffel spinnt die Fantasy-Saga gekonnt weiter.« SUPER TV
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