Warrior Cats Staffel 3 Band 5: Lange Schatten
Warrior Cats am Rand eines Abgrunds. Den Clans droht große Gefahr, die sie bald für immer vernichten könnte. Wegen der Führung des unheimlichen Sol hat sich der SchattenClan vom SternenClan losgesagt. Seit diesem...
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Produktinformationen zu „Warrior Cats Staffel 3 Band 5: Lange Schatten “
Warrior Cats am Rand eines Abgrunds. Den Clans droht große Gefahr, die sie bald für immer vernichten könnte. Wegen der Führung des unheimlichen Sol hat sich der SchattenClan vom SternenClan losgesagt. Seit diesem Zeitpunkt droht die Ordnung der vier Clans zu zerbrechen. Häherpfote, Distelbaltt und Löwenglut müssen die Katzen des Waldes davon überzeugen, dass das Gesetz der Krieger lebenswichtig für alle ist. Plötzlich erfahren die drei Geschwister etwas, dass ihre eigene Welt völlig ins Wanken geraten lässt und können Niemanden mehr trauen. Während sie sich Gedanken machen, wie sie weiter vorgehen, passiert im DonnerClan ein schreckliches Unglück...
Können die Warrior Cats die Welt der Clans vor dem Auseinanderbrechen retten?
Klappentext zu „Warrior Cats Staffel 3 Band 5: Lange Schatten “
"Unseren Clans droht große Gefahr. Sie stehen am Rand eines Abgrunds, der sie bald für immer verschlingen könnte."Seit sich der SchattenClan unter der Führung des mysteriösen Sol vom SternenClan losgesagt hat, droht die Ordnung der vier Clans zu zerbrechen. Wie sollen Häherpfote, Distelblatt und Löwenpfote die Katzen des Waldes nur überzeugen, dass ihre Ahnen weiterhin über sie wachen und das Gesetz der Krieger lebenswichtig für sie alle ist? Doch plötzlich erfahren die Geschwister etwas, das ihr eigenes Leben völlig auf den Kopf stellt. Während sie sich fragen, wem sie noch glauben können, geschieht im DonnerClan ein schreckliches Unglück ...
Lese-Probe zu „Warrior Cats Staffel 3 Band 5: Lange Schatten “
Warrior Cats - Die Macht der drei. Lange Schatten von Erin Hunter Aus dem Englischen von Friederike Levin
Prolog
Wind strich über das kahle Moorland und trug Nieselregen mit sich. Das raue Gras war durchweicht, und an einem Bach war das Wasser über die Ufer getreten, wo es sich in einem großen Teich sammelte, auf dem die Regentropfen platschend aufschlugen.
Eine Dächsin hockte am Rand des Teichs, die den eisigen Wind mit dem Regen gar nicht wahrzunehmen schien. Lange Zeit starrte sie ins Wasser, als ob sie dort etwas erkennen könnte, durch das gebrochene Spiegelbild der grauen Wolken hindurch, dann hob sie den Kopf und blickte sich um.
»Ich bin hier«, verkündete sie.
Eine schwarze Kätzin tauchte hinter einem Haufen aus Felsbrocken auf. Sie war kaum mehr als ein Schatten, Sternenlicht funkelte an ihren Pfoten. Ihr folgte ein silbergrauer Kater, der sich mit weit aufgerissenen grünen Augen der Dächsin näherte. Die Hülle aus Sternenlicht, die seinen Pelz umgab, ließ ihn erscheinen, als wäre er aus Regen gemacht.
»Warum sollten wir kommen?« Die Stimme des silbrigen Katers klang rau, als hätte er sie lange Zeit nicht benutzt. »An einem Tag wie diesem sollten wir zusammengerollt in einem warmen Bau liegen.«
»Wie recht du hast, Fluss«, miaute die schwarze Kätzin.
»Wessen Idee war es, uns bei einem Wetter hierher zu scheuchen, das selbst Füchse meiden?«
»Meine.« Eine dritte Katze tauchte hinter einem Ginsterstrauch auf, ein breitschultriger, roter Kater mit weißen Pfoten. In seinen Bernsteinaugen spiegelten sich die Sterne und doch schien er körperlos wie eine Flamme. »Wie du sehr gut weißt, Schatten. Wir müssen miteinander sprechen.«
... mehr
Schatten schnaubte. »Ich muss gar nichts tun, was du mir sagst, Donner.«
Donner neigte den Kopf. »Natürlich nicht. Aber unseren Clans droht große Gefahr. Deshalb wurden wir herbeigerufen. Sie stehen am Rand eines Abgrunds, der sie bald für immer verschlingen könnte - und daran bist du schuld, Mitternacht. « Seine Stimme wurde schärfer.
Bevor Mitternacht antworten konnte, meldete sich Fluss zu Wort. »Wo ist Wind? Wir können das nicht ohne sie besprechen. «
»Ich bin gleich bei euch.« Die Stimme kam von weiter oben am Bach. Auf dem sumpfigen Moorgras war die drahtige, braune Kätzin kaum zu sehen. Ein silbriges Licht umgab sie, in dem nur ihre Silhouette zu erkennen war. Sie sprang den Hang zum Teich hinab, ihre Pfoten berührten kaum den Boden. »Warum drängt ihr euch wie verlorene Junge aneinander? «, fragte sie mit einem leisen, spöttischen Unterton in der Stimme. »Ist doch nur ein bisschen Regen und Wind.«
Schatten öffnete das Maul, aber Donner fiel ihr ins Wort. »Nicht jede Katze ist an das Leben unter freiem Himmel gewöhnt, Wind. Aber das ist jetzt unwichtig. Wir müssen wissen, warum Mitternacht die Geheimnisse der Clans enthüllt hat.«
»Und warum wir?«, beschwerte sich Fluss zitternd. »Es gibt jüngere Katzen beim SternenClan. Warum rufst du uns jetzt von den frühen Anfängen hierher?«
Wind nickte. »Haben wir nicht genug getan? Wir haben die Clans gegründet und durch ihre ersten Blattwechsel geführt. Eigentlich schulden sie uns etwas, nachdem wir so viele Monde in den Wäldern gewandelt sind.«
»Wir müssen nach wie vor über unsere Clans wachen«, sagte Donner leise. »Noch nie hat ihnen eine Gefahr wie diese gedroht.« Er wandte sich an die Dächsin. »Mitternacht, warum hast du unsere Geheimnisse verraten?«
»Ja, und warum hast du sie diesem räudigen, Krähenfraß verschlingenden Einzelläufer erzählt?«, fauchte Schatten und riss mit den Krallen Grasbüschel aus. »Mein Clan hat sich von seinen Kriegerahnen abgewandt, seit er sich zwischen die Katzen gedrängt hat.«
»Auf sandigen Klippen bin ich Sol begegnet«, hob Mitternacht ruhig an. »War das erste Begegnung.«
»Und verrätst du Geheimnisse an jeden Fremden, der zufällig vorbeigetappt kommt?«, knurrte Wind.
»Siehst du nicht, dass du ihm Macht über die Clans verschafft hast?«, fragte Donner eindringlich.
»Wissen nicht immer ist Macht«, antwortete Mitternacht. »Clans brauchen nicht Verschwiegenheit, um sich zu schützen. Streuner und Einzelläufer sich halten fern, die wissen, dass Clan-Leben nichts ist für sie.«
»Dieser Einzelläufer hält sich nicht fern«, bemerkte Fluss.
»Clans sich nicht verstecken müssen«, insistierte Mitternacht. »Wenn doch, dann sie nicht sind stark genug, um sich zu stellen Herausforderungen von außen.«
»Meine Krieger können sich jeder Herausforderung stellen «, erklärte Wind beleidigt.
»Herausforderung nicht immer Zähne und scharfe Krallen braucht«, erklärte Mitternacht.
Wind fauchte und ließ mit gesträubtem Nackenfell die Krallen ausfahren. »Rede nicht mit mir wie mit einer Idiotin! Du willst nur nicht zugeben, dass du einen riesengroßen Fehler gemacht hast. Die Krieger des SternenClans haben dir ihre Geheimnisse anvertraut und du hast sie einem Fremden weitererzählt! Ohne dich gäbe es jetzt keine Schwierigkeiten im SchattenClan.«
Mitternacht erhob sich auf die Pfoten. »Zieh deine Krallen ein, kleine Kriegerin«, knurrte sie mit rauer Stimme. »Dumm ist streiten mit jemandem, der nicht ist dein Feind.«
Ein paar Herzschläge lang blieb Wind beharrlich, bis Donner ihr den Schwanz auf die Schultern legte. Erst dann zog sie die Krallen ein und trat zurück.
»Streiten bringt uns nicht weiter«, miaute der allererste DonnerClan-Anführer. »Die Geheimnisse sind keine mehr. Jetzt müssen wir überlegen, was wir tun können, um unseren Clans zu helfen.«
Fluss schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
»Ich auch nicht.« Schatten peitschte frustriert mit dem Schwanz. »Am liebsten würde ich dieser undankbaren Dächsin an die Kehle gehen, aber das würde jetzt auch nichts mehr ändern.«
»Wir verstehen dich nicht«, miaute Donner und blickte Mitternacht in die Augen. »Wir haben unsere Geheimnisse mit dir geteilt und du hast so viel für unsere Clans getan. Warum willst du sie nun auf diese Weise zerstören?«
Noch bevor er zu Ende gesprochen hatte, frischte der Wind auf und wehte die Sternenkatzen wie Nebel fort. Mitternacht beobachtete sie mit ihren leuchtenden Beerenaugen, bis die schwachen Umrisse und der Sternenschimmer verloschen waren.
Wenige Schwanzlängen entfernt tauchte hinter einem vom Wind zerzausten Busch eine Katze auf: ein unbehaarter Kater mit vorstehenden, blicklosen Augen.
»Du hast zugehört, Stein?«, fragte Mitternacht.
Stein nickte. »Ich wusste, dass die Anführer der Clans verärgert sein würden, weil du Sol vertraut hast«, krächzte er. »Aber du hattest keine Wahl. Die Macht der drei wird kommen und dann müssen die Clans bereit sein.«
1. Kapitel
Der Mond war riesig, ein goldener Kreis, der auf einem dunklen Hügelkamm ruhte. Sterne funkelten über Distelblatts Kopf und erinnerten sie daran, dass die Geister ihrer Ahnen über sie wachten. Ihr Pelz kribbelte, als sich auf dem Hügelkamm etwas bewegte. Eine Katze tauchte auf, deren Silhouette sich vor dem Mond abzeichnete. Sie erkannte den breiten Kopf, die pelzigen Ohren und den Schwanz mit der buschigen Spitze, und obwohl die Gestalt vor dem Licht schwarz aussah, kannte sie die Farben seines Pelzes: Weiß mit Braun und schildpattfarbenen Flecken.
»Sol!«, fauchte sie.
Die Katze machte einen Buckel, dann erhob sie sich auf die Hinterpfoten und reckte die Vorderpfoten hoch, als wolle sie mit den Krallen den Himmel zerkratzen. Sie sprang in die Luft und wurde dabei so riesig, dass sie den Mond und die blinkenden Sterne verdeckte. Distelblatt duckte sich zitternd in der Finsternis, die dichter war als im tiefsten Wald.
Schreie des Entsetzens erhoben sich überall um sie herum. Ein ganzer Clan verborgener Katzen jaulte seine Angst vor dem Schatten heraus, der sie von den schützenden Blicken des SternenClans trennte. Eine einzelne Stimme erhob sich über den Lärm: »Distelblatt! Distelblatt! Wo bleibst du?«
Distelblatt schlug entsetzt um sich, bis sie merkte, dass sich ihre Pfoten in weichem Moos und Farn verheddert hatten. Fahles, graues Licht drang durch die Zweige des Kriegerbaus. Einige Fuchslängen entfernt kroch Haselschweif aus ihrem Nest und schüttelte Moosfetzen aus dem Pelz.
»Distelblatt!« Der Ruf ertönte wieder, und diesmal erkannte Distelblatt die Stimme von Birkenfall, der ärgerlich vor dem Bau miaute. »Willst du den ganzen Tag verschlafen? Wir sind für die Jagdpatrouille eingeteilt.«
»Komme schon!« Jedes Haar in ihrem Pelz zitterte immer noch von ihrem Albtraum. Müde tappte sie auf die nächste Lücke zwischen den Zweigen zu, doch bevor sie dort angekommen war, stolperten ihre Pfoten über die Hinterläufe einer Katze, die fast verborgen im Farn schlief.
Wolkenschweifs Kopf tauchte auf. »Heiliger Sternen- Clan!«, brummte er. »Wie soll hier nur irgendeine Katze schlafen! «
»T...tut mir leid«, stammelte Distelblatt, der einfiel, dass Wolkenschweif in der vergangenen Nacht mit der letzten Patrouille unterwegs gewesen war. Sie hatte ihn gesehen, wie er mit Borkenpelz und Dornenkralle ins Lager zurückgekehrt war, während sie ihre Ernennungswache hielt.
Das kann nur mir passieren. Ich schaffe es, gleich an meinem ersten Tag einen älteren Krieger zu verärgern!
Wolkenschweif fauchte und rollte sich wieder zusammen, seine blauen Augen fielen zu, während er sich die Nase unter den Pelz steckte.
»Mach dir nichts draus«, flüsterte Haselschweif und streifte Distelblatt mit der Schnauze an der Schulter. »Wolkenschweif miaut schlimmer, als er kratzt. Und reg dich wegen Birkenfall nicht auf. Er kommandiert die neuen Krieger immer herum, aber daran gewöhnt man sich schnell.«
Distelblatt nickte dankbar, verriet Haselschweif aber nicht, was sie wirklich aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. Birkenfalls Ton machte ihr nichts aus, aber die Erinnerung an den Traum pochte unter ihrem Pelz, von den Ohren bis zur Schwanzspitze, ihre Pfoten wurden unsicher und ihre Gedanken schwer.
Ihr Blick schweifte zu dem Nest, in dem sich ihr Bruder Löwenpfote - nein, jetzt Löwenglut - nach seiner Nachtwache zusammengerollt hatte. Nichts wünschte sie sich sehnlicher, als jetzt mit ihm zu sprechen. Aber das Nest war leer. Löwenglut musste mit der Morgenpatrouille aufgebrochen sein.
Vorsichtig darauf achtend, wohin sie ihre Pfoten setzte, schlüpfte Distelblatt hinter Haselschweif aus dem Bau. Draußen scharrte Birkenfall ungeduldig am Boden.
»Na endlich!«, schimpfte er. »Warum hast du so lange gebraucht? «
»Lass gut sein, Birkenfall.« Brombeerkralle, der Zweite Anführer des DonnerClans und Distelblatts Vater, saß eine Schwanzlänge entfernt da und hatte den Schwanz ordentlich um die Pfoten gelegt. Sein Bernsteinblick war entspannt. »Die Beute rennt nicht weg.«
»Jedenfalls nicht, bevor wir kommen«, fügte Sandsturm hinzu, die vom Frischbeutehaufen angesprungen kam.
»Falls es noch Beute gibt.« Birkenfall peitschte mit dem Schwanz. »Seit der Schlacht wird es immer schwieriger, Frischbeute aufzutreiben.«
Distelblatts knurrender Magen sagte ihr, dass Birkenfall recht hatte. Einige Sonnenaufgänge zuvor hatten alle vier Clans im Territorium des DonnerClans gekämpft und mit ihrem Geschrei und Getrampel sämtliche Beute verjagt oder tief unter die Erde gescheucht.
»Vielleicht kehrt die Beute ja bald zurück«, sagte sie hoffnungsvoll.
»Vielleicht«, stimmte ihr Brombeerkralle zu. »Wir machen uns auf den Weg zur SchattenClan-Grenze. Da drüben wurde nicht so viel gekämpft.«
Bei der Erwähnung des SchattenClans erstarrte Distelblatt.
Werde ich Sol wiedersehen?
»Ich bin gespannt, ob wir SchattenClan-Katzen begegnen «, miaute Birkenfall und sprach dabei aus, was Distelblatt dachte. »Mich würde interessieren, ob sie sich alle vom SternenClan abwenden, um diesem verrückten Einzelläufer zu folgen.«
Distelblatt fühlte sich, als hätte sie Steine im Bauch, die sie nach unten zögen. Der SchattenClan war zur letzten Großen Versammlung vor zwei Nächten nicht erschienen. Nur ihr Anführer Schwarzstern war gekommen, mit Sol, dem Einzelläufer, der erst kürzlich am See aufgetaucht war. Schwarzstern hatte erklärt, dass seine Katzen nicht mehr an die Macht ihrer Kriegerahnen glaubten.
Aber das darf nicht sein! Wie soll ein Clan ohne den SternenClan überleben? Ohne das Gesetz der Krieger?
»Sol ist gar nicht so verrückt«, erklärte Haselschweif mit einem Ohrenzucken. »Er hat vorhergesagt, dass die Sonne verschwinden würde, und das hat sie getan. Keine der Heiler- Katzen wusste, dass das passieren würde.«
Birkenfall blieb unbeeindruckt. »Und dann ist die Sonne wiedergekommen, oder etwa nicht? Keine große Sache.«
»Wie dem auch sei«, mischte sich Brombeerkralle ein und erhob sich auf die Pfoten. »Wir sind hier auf einer Jagdpatrouille. Wir haben nicht vor, dem SchattenClan einen Anstandsbesuch abzustatten.«
»Aber sie haben an unserer Seite gekämpft«, wandte Birkenfall ein. »Ohne den SchattenClan hätten der WindClan und der FlussClan Krähenfraß aus uns gemacht. Da können wir doch nicht gleich wieder zu Feinden werden, oder?«
»Wer redet denn von Feindschaft«, korrigierte Sandsturm. »Aber sie sind noch immer ein fremder Clan. Außerdem kann ich mir eine Freundschaft mit Katzen, die den SternenClan verleugnen, nicht so recht vorstellen.«
Und was ist dann mit unseren eigenen Katzen? Distelblatt wagte nicht, die Frage laut zu stellen. Wolkenschweif hat noch nie an den SternenClan geglaubt. Aber auch so wusste sie, dass Wolkenschweif ein treuer Krieger war, der für jeden seiner Clan-Gefährten sein Leben geben würde.
Brombeerkralle sagte nichts, schüttelte sich nur kurz und winkte den Rest der Patrouille mit der Schwanzspitze heran. Auf dem Weg zum Dornentunnel kam ihnen Farnpelz entgegen, der mit Ampferschweif und Löwenglut auf die Lichtung schlüpfte. Die Morgenpatrouille war zurückgekehrt. Als alle drei Katzen zum Frischbeutehaufen strebten, sprang ihnen Distelblatt nach und stellte sich ihrem Bruder in den Weg.
»Wie ist es gelaufen? Gibt es irgendwas zu berichten?«
Löwenglut riss das Maul auf und gähnte ausgiebig. Bestimmt ist er todmüde. Erst die Nachtwache und dann gleich für die Morgenpatrouille eingeteilt.
»Überhaupt nichts«, miaute er und schüttelte den Kopf. »An der WindClan-Grenze ist alles ruhig.«
»Wir gehen Richtung SchattenClan-Territorium.« Nur ihrem Bruder konnte Distelblatt gestehen, wie besorgt sie war. »Ich habe Angst, wir könnten Sol begegnen. Was machen wir, wenn er den anderen Katzen von der Prophezeiung erzählt?«
Löwenglut drückte ihr die Schnauze an die Schulter. »Ach was! Wie wahrscheinlich ist es, dass Sol an Grenzpatrouillen teilnimmt? Er wird im SchattenClan-Lager herumliegen und sich den Bauch mit Frischbeute vollstopfen.«
Distelblatt schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht ... mir wäre einfach wohler, wenn wir ihm nie etwas erzählt hätten.«
»Geht mir genauso.« Löwenglut kniff die Augen zusammen und fuhr mit bitterer Stimme fort. »Aber wahrscheinlich denkt Sol gar nicht an uns. Schließlich hat er beschlossen, bei Schwarzstern zu bleiben. Nachdem wir ihm von der Prophezeiung erzählt haben, hat er erst versprochen, uns zu helfen, und dann ganz schnell seine Meinung geändert.«
»Ohne ihn sind wir besser dran.« Distelblatt fuhr ihrem Bruder mit der Zunge übers Ohr.
»Distelblatt!«
Sie wirbelte zu Brombeerkralle herum, der mit ungeduldig zuckender Schwanzspitze beim Dornentunnel wartete.
»Wir müssen los«, miaute sie Löwenglut zu und rannte über die Lichtung zu Brombeerkralle. »Entschuldigung«, keuchte sie und stürzte sich in den Tunnel.
Der Morgen war rau und kalt gewesen, aber als Distelblatt jetzt mit ihren Clan-Gefährten durch den Wald trabte, riss die Wolkendecke auf. Sonnenlicht stach mit seinen langen Krallen durch die Zweige, setzte Blätter in Brand, die sich von Grün nach Rot und Gold verfärbt hatten. Blattfall war nah.
Brombeerkralle führte seine Patrouille vom See weg Richtung SchattenClan-Grenze und mied sorgsam den alten Zweibeinerpfad mit dem verlassenen Nest, wo die Clans ihre Schlacht ausgetragen hatten.
Distelblatt prüfte die Luft auf der Suche nach einem Eichhörnchen oder einer fetten Maus, fand aber nur abgestandene Reste ihres eigenen Geruchs und dem ihrer Wurfgefährten, die noch von ihrer Wanderung durch den Wald auf der Suche nach Sol über dem Wald hingen. Sie hoffte, dass von der Patrouille niemand außer ihr etwas bemerken würde, vor allem Brombeerkralle und Sandsturm nicht, denn dann drohten ihr unangenehme Fragen, von denen sie nicht genau wusste, wie sie sie beantworten sollte.
Zu ihrer Erleichterung schienen die übrigen Katzen zu sehr damit beschäftigt, Beute aufzuspüren, um auf etwas anderes zu achten. Sandsturm gebot mit ihrer Schwanzspitze Ruhe, und Distelblatt hörte, wie eine Drossel ein Schneckenhaus an einem Stein aufschlug. Sie spähte über ein Farnbüschel und entdeckte den Vogel: ein hübsches, fettes Exemplar, das ihr und der Katzengruppe den Rücken zukehrte, zu sehr auf seine eigene Beute konzentriert, um die Jäger zu bemerken, die ihr auflauerten.
Tief geduckt glitt Sandsturm über den Waldboden, dann hielt sie inne, um mit den Hinterläufen trippelnd zum finalen Sprung anzusetzen. Die Bewegung schreckte die Drossel auf. Sie ließ die Schnecke fallen, stieß einen Warnruf aus und erhob sich in die Lüfte.
Aber Sandsturm war schneller als sie. Mit einem riesigen Satz in die Luft holte sie den flatternden Vogel herunter und biss ihn ins Genick, bis er erschlaffte.
»Großartiger Fang!«, miaute Haselschweif.
»Nicht übel«, schnurrte Sandsturm und kratzte Erde über ihre Beute, um sie später einzusammeln.
Distelblatt hatte Mausgeruch aufgespürt, dem sie im Schutz eines Brombeerbuschs folgte, bis sie das kleine Wesen unter den äußeren Zweigen durchs Laub huschen sah. Wenige Herzschläge später hatte sie ihre eigene Beute neben Sandsturms Drossel verscharrt.
Brombeerkralle, der gerade eine Wühlmaus mit Erde bedeckte, nickte ihr anerkennend zu. »Sehr gut, Distelblatt. Wenn du so weitermachst, wird der Clan bald satt sein.« Er schlich durch ein Haselgebüsch voran, mit geöffnetem Maul, damit ihm auch nicht die leiseste Spur von Beute entging.
Distelblatt hielt einige Herzschläge lang inne und blickte ihrem Vater nach, ihr wurde warm von seinem Lob. Auf der Suche nach mehr Beute entdeckte sie die Spur eines Eichhörnchens. Sie umrundete den Stamm der riesigen Eiche und sah, dass Haselschweif den gleichen Geruch verfolgte. Das Eichhörnchen ließ sich nicht blicken, aber seine Spur führte direkt zur SchattenClan-Grenze. Distelblatt roch die Grenzmarkierungen bereits, nur Haselschweif schien zu beschäftigt, um sie wahrzunehmen.
»He, Haselschweif, nicht ...«
Distelblatt brach ab, als drei Katzen jenseits der Grenze aus einem Farnflecken auftauchten. Haselschweif war nur wenige Schwanzlängen entfernt. Erschrocken hielt sie inne, ihre Ohren zuckten überrascht.
Erleichtert erkannte Distelblatt die Neuankömmlinge: Efeuschweif, Schlangenschweif und seinen Schüler Fleckenpfote. Alle drei hatten in der Schlacht an der Seite des DonnerClans gekämpft. Distelblatt konnte die Schrammen an Efeuschweifs Flanke noch sehen, ebenso das zerfetzte Ohr von Fleckenpfote. Sie würden Haselschweif bestimmt nicht böse sein, weil sie so nahe bei der Grenze aufgetaucht war.
»Hallo«, miaute sie und wollte Haselschweif zu Hilfe eilen. »Wie läuft die Beute beim SchattenClan?«
»Zurück!«, fauchte Efeuschweif. »Wer hat euch erlaubt, ins SchattenClan-Territorium einzudringen? Dass wir euch in der Schlacht geholfen haben, macht uns noch lange nicht zu euren Verbündeten.«
»Typisch DonnerClan«, ergänzte Schlangenschweif aus tiefer Kehle knurrend. »Sie glauben, jeder Clan wäre mit ihnen befreundet.«
»Und was ist daran falsch?«, erkundigte sich Distelblatt, gekränkt wegen ihres feindseligen Auftretens.
Keine Katze antwortete auf ihre Frage. Stattdessen stolzierte Efeuschweif auf die Grenze zu, bis sie Nase an Nase vor Haselschweif stand. »Was denkst du dir eigentlich dabei, so dicht an die Grenze heranzukommen?«
»Ich habe ein Eichhörnchen verfolgt«, stammelte Hasel- schweif. »Aber ...«
»Beutediebstahl!«, unterbrach sie Schlangenschweif, auf seinen Schultern sträubte sich das Fell vor Wut und sein gestreifter Schwanz peitschte.
»Wir haben nichts gestohlen!«, miaute Distelblatt entrüstet. »Und wir sind immer noch im DonnerClan-Territorium, falls ihr das nicht bemerkt haben solltet. Haselschweif hat eure Grenze nicht übertreten.«
»Aber nur, weil wir rechtzeitig aufgetaucht sind, um sie davon abzuhalten«, knurrte Schlangenschweif.
Hinter Distelblatt raschelte es im Unterholz, sie wirbelte herum und sah, dass Brombeerkralle und Sandsturm herbeieilten, dicht gefolgt von Birkenfall. »Dem SternenClan sei Dank!«, flüsterte sie.
Brombeerkralle trat zu Distelblatt und Haselschweif und blieb neben ihnen stehen. »Seid gegrüßt«, miaute er und neigte den Kopf vor den drei SchattenClan-Katzen. »Was gibt es denn?«
»Wir mussten diese DonnerClan-Kriegerinnen aufhalten«, erklärte Schlangenschweif. »Wenige Herzschläge später hätten sie unsere Grenze übertreten.«
»Das ist nicht wahr!«, rief Distelblatt hitzig.
»Ich habe ein Eichhörnchen verfolgt.« Haselschweif wandte sich mit einem verzagten Blick an ihren Zweiten Anführer. »Für einen Moment hatte ich wirklich vergessen, wo ich war, aber Distelblatt hat mich gewarnt, und dann ist die SchattenClan- Patrouille aufgetaucht. Ich schwöre, dass ich keine Pfote über die Grenze gesetzt habe.«
Brombeerkralle nickte. »Ihr seid auf eurer Seite genauso nah bei der Grenze wie wir auf unserer«, wies er die SchattenClan- Katzen zurecht. »Aber euch wirft keine Katze versuchten Grenzübertritt vor.«
»Wir sind auf Grenzpatrouille!«, konterte Schlangen- schweif. »Und gerade noch rechtzeitig gekommen.«
»Dem DonnerClan kann keine Katze trauen«, fügte Fleckenpfote hinzu, der zu seinem Mentor getreten war.
Vor Wut fauchend, bahnte sich Birkenfall einen Weg durch das tiefe Gras bis zu seinem Zweiten Anführer. »Brombeerkralle, willst du hier herumstehen und zulassen, dass ein Schüler unseren Clan zu Unrecht beschimpft?«
Sandsturm schnippte ihm mit dem Schwanz auf die Schulter. »Lass gut sein, Birkenfall. Brombeerkralle wird die Sache regeln.«
Der jüngere Krieger schnaubte verächtlich. Er sagte zwar nichts mehr, blieb aber, wo er war, und starrte die SchattenClan- Patrouille an.
»Birkenfall hat recht!«, protestierte Distelblatt. »Die Katzen hier wollen nur Ärger machen. Wir haben das Gesetz der Krieger nicht gebrochen.«
»Oh, das kostbare Gesetz der Krieger!«, höhnte Efeu- schweif. »Du glaubst, dass es dir alle Fragen beantworten kann, aber da irrst du dich. Das Gesetz der Krieger hat schließlich nicht verhindern können, dass die Sonne verschwunden ist, oder?«
»Genau.« Schlangenschweif gab seinem Clan-Gefährten recht. »Vielleicht ist es an der Zeit, dass sich die Clans weniger mit toten Katzen beschäftigen und lieber selbst nach Antworten suchen.«
Distelblatt beobachtete sie verzweifelt. Sie wusste, dass Sol solche Gedanken verbreitete. War das von Anfang an der Plan dieser fremden Katze gewesen - das Gesetz der Krieger von innen heraus zu zerstören?
Bei uns wollte er den Anfang machen. Distelblatt erinnerte sich, wie freundlich und hilfsbereit ihr Sol vorgekommen war. Aber vielleicht war der SchattenClan ein leichteres Opfer gewesen, denn Distelblatt konnte sich nicht vorstellen, dass Feuerstern seinen Glauben genauso schnell aufgegeben hätte wie Schwarzstern.
Ich muss den SchattenClan retten! Distelblatt war so verzweifelt, dass sie die Katzen um sich herum kaum noch wahrnahm. Sie dürfen sich nicht vom SternenClan und dem Gesetz der Krieger abwenden! Es muss vier Clans geben!
»Distelblatt, beruhige dich«, flüsterte neben ihr Brombeerkralle.
Distelblatt hatte gar nicht mitbekommen, wie sich ihr Pelz gesträubt und ihre Krallen sich in die feuchte Erde gebohrt hatten. Die drei SchattenClan-Katzen musterten sie verblüfft und sträubten ebenfalls die Pelze, als befürchteten sie, Distelblatt könnte sich jeden Moment auf sie stürzen. Sie holte tief Luft und zog die Krallen ein.
»Alles in Ordnung«, sagte sie leise zu ihrem Vater.
»Sol hat euch das eingeredet, nicht wahr?«, höhnte Birkenfall und trat einen Schritt vor, worauf er genau an der Grenze zum Stehen kam. »Ihr seid alle verrückter als ein tollwütiger Fuchs! Wie kann man nur so mäusehirnig sein, auf eine Katze zu hören, die bisher in ihrem Leben noch nie einen Clan gesehen hat.«
»Wir hören auf ihn, weil das, was er sagt, vernünftig ist«, erwiderte Schlangenschweif und baute sich vor Birkenfall auf. »Er weiß, was zu tun ist, damit der SchattenClan in Zukunft ein besseres Leben führen kann. Wenn der DonnerClan auch auf ihn hören würde, könnte er seine Schlachten vielleicht künftig allein gewinnen. Vielleicht ist die Sonne verschwunden, um uns zu sagen, dass die Zeiten der Clans vorüber sind und Katzen herausfinden müssen, wie sie allein zurechtkommen. Wenn der DonnerClan zu feige ist, um sich dem zu stellen ...«
Mit einem wütenden Schrei stürzte sich Birkenfall auf Schlangenschweif.
Ein fauchender Fellknoten aus zwei Katzen wälzte sich am Boden. Fleckenpfote sprang dazu und bohrte Birkenfall seine Krallen in die Schulter, worauf Haselschweif den Schüler packte und versuchte, ihn von Birkenfall herunterzuzerren.
»Birkenfall, Haselschweif, ihr kommt sofort hierher.« Sandsturm war einen Schritt vorgetreten, aber Efeuschweif stellte sich ihr in den Weg.
»Dürfen eure jungen Krieger ihre Gefechte nicht selbst austragen?«, höhnte die SchattenClan-Kriegerin. »Obwohl sie selbst angefangen haben?« Sie zeigte die Krallen und bleckte die Zähne.
Brombeerkralle trat an Sandsturms Seite. »Falsch. Der SchattenClan hat dieses Gefecht provoziert.«
Das Gejaule der kämpfenden Katzen gellte Distelblatt in den Ohren. Sie zuckte zusammen, weil sie Fell reißen hörte und sich dabei fühlte, als würden die Krallen ihren eigenen Pelz zerfetzen. »Aufhören!«, schrie sie. »Was tut ihr da?«
Zu ihrer eigenen Überraschung trennten sich die kämpfenden Katzen keuchend. Sofort trat Brombeerkralle vor und stieß Birkenfall und Haselschweif über die Grenze zurück in ihr eigenes Territorium.
»Genug gestritten«, miaute er. »DonnerClan-Katzen, folgt mir!« Sie traten den Rückzug an, dann hielt Brombeerkralle noch einmal inne und warf einen Blick über die Schulter auf die SchattenClan-Patrouille. »Ihr könnt glauben, was ihr wollt, solange ihr auf eurer Seite der Grenze bleibt.«
»Wir waren es nicht, die über die Grenze gelaufen sind«, fauchte Efeuschweif.
Brombeerkralle kehrte ihr den Rücken zu und eilte weiter, seine Patrouille hinter sich.
»Alles in Ordnung mit dir?«, flüsterte Distelblatt Hasel schweif zu. Ihre Clan-Gefährtin taumelte durch den Wald, stolperte über Zweige und schien nicht einmal zu bemerkten, wenn sich ausladende Brombeerranken in ihrem Pelz verhakten. »Mir ist ein bisschen schwindelig«, gestand Haselschweif. »Als ich Fleckenpfote von Birkenfall wegzerren wollte, habe ich mir an einem Ast den Kopf gestoßen.«
»Dann lass dich von mir führen.« Distelblatt legte Hasel- schweif den Schwanz über die Schulter. »Blattsee soll dich untersuchen, sobald wir wieder im Lager sind. Birkenfall kann von Glück sagen, dass du ihm geholfen hast«, fügte sie hinzu. »Ohne dich hätte er bösere Schrammen abgekriegt.«
Der DonnerClan-Krieger humpelte dahin, Blut tropfte aus einer Schulterwunde. Als die Patrouille beim Brombeerdickicht anhielt, um Sandsturms Drossel und die übrige Beute einzusammeln, setzte er sich und begann, energisch mit der Zunge die Wunde zu säubern.
»Birkenfall, das hast du dir selbst zuzuschreiben.« Brom- beerkralle, der gerade seine Wühlmaus ausgrub, hielt inne. »Der Vorwurf des SchattenClans, wir hätten die Grenze überschritten, war nicht gerechtfertigt, aber dann hast du uns ins Unrecht gesetzt, indem du mit dem Kampf angefangen hast. Krieger sollten sich beherrschen können.«
»Es tut mir leid«, murmelte Birkenfall.
»Das sollte es auch.«
Als sich die Patrouille wieder in Bewegung setzte, schwiegen Brombeerkralle und Sandsturm beharrlich. Birkenfall tappte mit hängendem Kopf hinter ihnen her.
Haselschweif fühlte sich allmählich besser. »Danke, Distelblatt «, miaute sie und schüttelte den Schwanz ihrer Freundin ab. »Jetzt schaffe ich es wieder allein. Findest du nicht, dass Brombeerkralle mit Birkenfall zu streng gewesen ist?«, fuhr sie fort. »Schließlich hat der SchattenClan den Kampf herausgefordert. «
»Weshalb wir uns aber nicht darauf einlassen müssen«, antwortete Distelblatt geistesabwesend. Sie konnte sich kaum konzentrieren. Der Schock umhüllte sie wie ein zweiter, dicker Pelz, unter dem sie zu ersticken drohte. Offensichtlich glaubte der SchattenClan, dass Sol alle Antworten für eine bessere Zukunft kannte, aber da irrte er sich.
Er wird die Clans vernichten! Vor Panik wie gelähmt, konnte Distelblatt kaum noch eine Pfote vor die andere setzen. Irgendwie müssen wir einen Weg finden, ihn aufzuhalten.
© 2013 Beltz & Gelberg in der Verlagsgruppe Beltz • Weinheim Basel Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
Schatten schnaubte. »Ich muss gar nichts tun, was du mir sagst, Donner.«
Donner neigte den Kopf. »Natürlich nicht. Aber unseren Clans droht große Gefahr. Deshalb wurden wir herbeigerufen. Sie stehen am Rand eines Abgrunds, der sie bald für immer verschlingen könnte - und daran bist du schuld, Mitternacht. « Seine Stimme wurde schärfer.
Bevor Mitternacht antworten konnte, meldete sich Fluss zu Wort. »Wo ist Wind? Wir können das nicht ohne sie besprechen. «
»Ich bin gleich bei euch.« Die Stimme kam von weiter oben am Bach. Auf dem sumpfigen Moorgras war die drahtige, braune Kätzin kaum zu sehen. Ein silbriges Licht umgab sie, in dem nur ihre Silhouette zu erkennen war. Sie sprang den Hang zum Teich hinab, ihre Pfoten berührten kaum den Boden. »Warum drängt ihr euch wie verlorene Junge aneinander? «, fragte sie mit einem leisen, spöttischen Unterton in der Stimme. »Ist doch nur ein bisschen Regen und Wind.«
Schatten öffnete das Maul, aber Donner fiel ihr ins Wort. »Nicht jede Katze ist an das Leben unter freiem Himmel gewöhnt, Wind. Aber das ist jetzt unwichtig. Wir müssen wissen, warum Mitternacht die Geheimnisse der Clans enthüllt hat.«
»Und warum wir?«, beschwerte sich Fluss zitternd. »Es gibt jüngere Katzen beim SternenClan. Warum rufst du uns jetzt von den frühen Anfängen hierher?«
Wind nickte. »Haben wir nicht genug getan? Wir haben die Clans gegründet und durch ihre ersten Blattwechsel geführt. Eigentlich schulden sie uns etwas, nachdem wir so viele Monde in den Wäldern gewandelt sind.«
»Wir müssen nach wie vor über unsere Clans wachen«, sagte Donner leise. »Noch nie hat ihnen eine Gefahr wie diese gedroht.« Er wandte sich an die Dächsin. »Mitternacht, warum hast du unsere Geheimnisse verraten?«
»Ja, und warum hast du sie diesem räudigen, Krähenfraß verschlingenden Einzelläufer erzählt?«, fauchte Schatten und riss mit den Krallen Grasbüschel aus. »Mein Clan hat sich von seinen Kriegerahnen abgewandt, seit er sich zwischen die Katzen gedrängt hat.«
»Auf sandigen Klippen bin ich Sol begegnet«, hob Mitternacht ruhig an. »War das erste Begegnung.«
»Und verrätst du Geheimnisse an jeden Fremden, der zufällig vorbeigetappt kommt?«, knurrte Wind.
»Siehst du nicht, dass du ihm Macht über die Clans verschafft hast?«, fragte Donner eindringlich.
»Wissen nicht immer ist Macht«, antwortete Mitternacht. »Clans brauchen nicht Verschwiegenheit, um sich zu schützen. Streuner und Einzelläufer sich halten fern, die wissen, dass Clan-Leben nichts ist für sie.«
»Dieser Einzelläufer hält sich nicht fern«, bemerkte Fluss.
»Clans sich nicht verstecken müssen«, insistierte Mitternacht. »Wenn doch, dann sie nicht sind stark genug, um sich zu stellen Herausforderungen von außen.«
»Meine Krieger können sich jeder Herausforderung stellen «, erklärte Wind beleidigt.
»Herausforderung nicht immer Zähne und scharfe Krallen braucht«, erklärte Mitternacht.
Wind fauchte und ließ mit gesträubtem Nackenfell die Krallen ausfahren. »Rede nicht mit mir wie mit einer Idiotin! Du willst nur nicht zugeben, dass du einen riesengroßen Fehler gemacht hast. Die Krieger des SternenClans haben dir ihre Geheimnisse anvertraut und du hast sie einem Fremden weitererzählt! Ohne dich gäbe es jetzt keine Schwierigkeiten im SchattenClan.«
Mitternacht erhob sich auf die Pfoten. »Zieh deine Krallen ein, kleine Kriegerin«, knurrte sie mit rauer Stimme. »Dumm ist streiten mit jemandem, der nicht ist dein Feind.«
Ein paar Herzschläge lang blieb Wind beharrlich, bis Donner ihr den Schwanz auf die Schultern legte. Erst dann zog sie die Krallen ein und trat zurück.
»Streiten bringt uns nicht weiter«, miaute der allererste DonnerClan-Anführer. »Die Geheimnisse sind keine mehr. Jetzt müssen wir überlegen, was wir tun können, um unseren Clans zu helfen.«
Fluss schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
»Ich auch nicht.« Schatten peitschte frustriert mit dem Schwanz. »Am liebsten würde ich dieser undankbaren Dächsin an die Kehle gehen, aber das würde jetzt auch nichts mehr ändern.«
»Wir verstehen dich nicht«, miaute Donner und blickte Mitternacht in die Augen. »Wir haben unsere Geheimnisse mit dir geteilt und du hast so viel für unsere Clans getan. Warum willst du sie nun auf diese Weise zerstören?«
Noch bevor er zu Ende gesprochen hatte, frischte der Wind auf und wehte die Sternenkatzen wie Nebel fort. Mitternacht beobachtete sie mit ihren leuchtenden Beerenaugen, bis die schwachen Umrisse und der Sternenschimmer verloschen waren.
Wenige Schwanzlängen entfernt tauchte hinter einem vom Wind zerzausten Busch eine Katze auf: ein unbehaarter Kater mit vorstehenden, blicklosen Augen.
»Du hast zugehört, Stein?«, fragte Mitternacht.
Stein nickte. »Ich wusste, dass die Anführer der Clans verärgert sein würden, weil du Sol vertraut hast«, krächzte er. »Aber du hattest keine Wahl. Die Macht der drei wird kommen und dann müssen die Clans bereit sein.«
1. Kapitel
Der Mond war riesig, ein goldener Kreis, der auf einem dunklen Hügelkamm ruhte. Sterne funkelten über Distelblatts Kopf und erinnerten sie daran, dass die Geister ihrer Ahnen über sie wachten. Ihr Pelz kribbelte, als sich auf dem Hügelkamm etwas bewegte. Eine Katze tauchte auf, deren Silhouette sich vor dem Mond abzeichnete. Sie erkannte den breiten Kopf, die pelzigen Ohren und den Schwanz mit der buschigen Spitze, und obwohl die Gestalt vor dem Licht schwarz aussah, kannte sie die Farben seines Pelzes: Weiß mit Braun und schildpattfarbenen Flecken.
»Sol!«, fauchte sie.
Die Katze machte einen Buckel, dann erhob sie sich auf die Hinterpfoten und reckte die Vorderpfoten hoch, als wolle sie mit den Krallen den Himmel zerkratzen. Sie sprang in die Luft und wurde dabei so riesig, dass sie den Mond und die blinkenden Sterne verdeckte. Distelblatt duckte sich zitternd in der Finsternis, die dichter war als im tiefsten Wald.
Schreie des Entsetzens erhoben sich überall um sie herum. Ein ganzer Clan verborgener Katzen jaulte seine Angst vor dem Schatten heraus, der sie von den schützenden Blicken des SternenClans trennte. Eine einzelne Stimme erhob sich über den Lärm: »Distelblatt! Distelblatt! Wo bleibst du?«
Distelblatt schlug entsetzt um sich, bis sie merkte, dass sich ihre Pfoten in weichem Moos und Farn verheddert hatten. Fahles, graues Licht drang durch die Zweige des Kriegerbaus. Einige Fuchslängen entfernt kroch Haselschweif aus ihrem Nest und schüttelte Moosfetzen aus dem Pelz.
»Distelblatt!« Der Ruf ertönte wieder, und diesmal erkannte Distelblatt die Stimme von Birkenfall, der ärgerlich vor dem Bau miaute. »Willst du den ganzen Tag verschlafen? Wir sind für die Jagdpatrouille eingeteilt.«
»Komme schon!« Jedes Haar in ihrem Pelz zitterte immer noch von ihrem Albtraum. Müde tappte sie auf die nächste Lücke zwischen den Zweigen zu, doch bevor sie dort angekommen war, stolperten ihre Pfoten über die Hinterläufe einer Katze, die fast verborgen im Farn schlief.
Wolkenschweifs Kopf tauchte auf. »Heiliger Sternen- Clan!«, brummte er. »Wie soll hier nur irgendeine Katze schlafen! «
»T...tut mir leid«, stammelte Distelblatt, der einfiel, dass Wolkenschweif in der vergangenen Nacht mit der letzten Patrouille unterwegs gewesen war. Sie hatte ihn gesehen, wie er mit Borkenpelz und Dornenkralle ins Lager zurückgekehrt war, während sie ihre Ernennungswache hielt.
Das kann nur mir passieren. Ich schaffe es, gleich an meinem ersten Tag einen älteren Krieger zu verärgern!
Wolkenschweif fauchte und rollte sich wieder zusammen, seine blauen Augen fielen zu, während er sich die Nase unter den Pelz steckte.
»Mach dir nichts draus«, flüsterte Haselschweif und streifte Distelblatt mit der Schnauze an der Schulter. »Wolkenschweif miaut schlimmer, als er kratzt. Und reg dich wegen Birkenfall nicht auf. Er kommandiert die neuen Krieger immer herum, aber daran gewöhnt man sich schnell.«
Distelblatt nickte dankbar, verriet Haselschweif aber nicht, was sie wirklich aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. Birkenfalls Ton machte ihr nichts aus, aber die Erinnerung an den Traum pochte unter ihrem Pelz, von den Ohren bis zur Schwanzspitze, ihre Pfoten wurden unsicher und ihre Gedanken schwer.
Ihr Blick schweifte zu dem Nest, in dem sich ihr Bruder Löwenpfote - nein, jetzt Löwenglut - nach seiner Nachtwache zusammengerollt hatte. Nichts wünschte sie sich sehnlicher, als jetzt mit ihm zu sprechen. Aber das Nest war leer. Löwenglut musste mit der Morgenpatrouille aufgebrochen sein.
Vorsichtig darauf achtend, wohin sie ihre Pfoten setzte, schlüpfte Distelblatt hinter Haselschweif aus dem Bau. Draußen scharrte Birkenfall ungeduldig am Boden.
»Na endlich!«, schimpfte er. »Warum hast du so lange gebraucht? «
»Lass gut sein, Birkenfall.« Brombeerkralle, der Zweite Anführer des DonnerClans und Distelblatts Vater, saß eine Schwanzlänge entfernt da und hatte den Schwanz ordentlich um die Pfoten gelegt. Sein Bernsteinblick war entspannt. »Die Beute rennt nicht weg.«
»Jedenfalls nicht, bevor wir kommen«, fügte Sandsturm hinzu, die vom Frischbeutehaufen angesprungen kam.
»Falls es noch Beute gibt.« Birkenfall peitschte mit dem Schwanz. »Seit der Schlacht wird es immer schwieriger, Frischbeute aufzutreiben.«
Distelblatts knurrender Magen sagte ihr, dass Birkenfall recht hatte. Einige Sonnenaufgänge zuvor hatten alle vier Clans im Territorium des DonnerClans gekämpft und mit ihrem Geschrei und Getrampel sämtliche Beute verjagt oder tief unter die Erde gescheucht.
»Vielleicht kehrt die Beute ja bald zurück«, sagte sie hoffnungsvoll.
»Vielleicht«, stimmte ihr Brombeerkralle zu. »Wir machen uns auf den Weg zur SchattenClan-Grenze. Da drüben wurde nicht so viel gekämpft.«
Bei der Erwähnung des SchattenClans erstarrte Distelblatt.
Werde ich Sol wiedersehen?
»Ich bin gespannt, ob wir SchattenClan-Katzen begegnen «, miaute Birkenfall und sprach dabei aus, was Distelblatt dachte. »Mich würde interessieren, ob sie sich alle vom SternenClan abwenden, um diesem verrückten Einzelläufer zu folgen.«
Distelblatt fühlte sich, als hätte sie Steine im Bauch, die sie nach unten zögen. Der SchattenClan war zur letzten Großen Versammlung vor zwei Nächten nicht erschienen. Nur ihr Anführer Schwarzstern war gekommen, mit Sol, dem Einzelläufer, der erst kürzlich am See aufgetaucht war. Schwarzstern hatte erklärt, dass seine Katzen nicht mehr an die Macht ihrer Kriegerahnen glaubten.
Aber das darf nicht sein! Wie soll ein Clan ohne den SternenClan überleben? Ohne das Gesetz der Krieger?
»Sol ist gar nicht so verrückt«, erklärte Haselschweif mit einem Ohrenzucken. »Er hat vorhergesagt, dass die Sonne verschwinden würde, und das hat sie getan. Keine der Heiler- Katzen wusste, dass das passieren würde.«
Birkenfall blieb unbeeindruckt. »Und dann ist die Sonne wiedergekommen, oder etwa nicht? Keine große Sache.«
»Wie dem auch sei«, mischte sich Brombeerkralle ein und erhob sich auf die Pfoten. »Wir sind hier auf einer Jagdpatrouille. Wir haben nicht vor, dem SchattenClan einen Anstandsbesuch abzustatten.«
»Aber sie haben an unserer Seite gekämpft«, wandte Birkenfall ein. »Ohne den SchattenClan hätten der WindClan und der FlussClan Krähenfraß aus uns gemacht. Da können wir doch nicht gleich wieder zu Feinden werden, oder?«
»Wer redet denn von Feindschaft«, korrigierte Sandsturm. »Aber sie sind noch immer ein fremder Clan. Außerdem kann ich mir eine Freundschaft mit Katzen, die den SternenClan verleugnen, nicht so recht vorstellen.«
Und was ist dann mit unseren eigenen Katzen? Distelblatt wagte nicht, die Frage laut zu stellen. Wolkenschweif hat noch nie an den SternenClan geglaubt. Aber auch so wusste sie, dass Wolkenschweif ein treuer Krieger war, der für jeden seiner Clan-Gefährten sein Leben geben würde.
Brombeerkralle sagte nichts, schüttelte sich nur kurz und winkte den Rest der Patrouille mit der Schwanzspitze heran. Auf dem Weg zum Dornentunnel kam ihnen Farnpelz entgegen, der mit Ampferschweif und Löwenglut auf die Lichtung schlüpfte. Die Morgenpatrouille war zurückgekehrt. Als alle drei Katzen zum Frischbeutehaufen strebten, sprang ihnen Distelblatt nach und stellte sich ihrem Bruder in den Weg.
»Wie ist es gelaufen? Gibt es irgendwas zu berichten?«
Löwenglut riss das Maul auf und gähnte ausgiebig. Bestimmt ist er todmüde. Erst die Nachtwache und dann gleich für die Morgenpatrouille eingeteilt.
»Überhaupt nichts«, miaute er und schüttelte den Kopf. »An der WindClan-Grenze ist alles ruhig.«
»Wir gehen Richtung SchattenClan-Territorium.« Nur ihrem Bruder konnte Distelblatt gestehen, wie besorgt sie war. »Ich habe Angst, wir könnten Sol begegnen. Was machen wir, wenn er den anderen Katzen von der Prophezeiung erzählt?«
Löwenglut drückte ihr die Schnauze an die Schulter. »Ach was! Wie wahrscheinlich ist es, dass Sol an Grenzpatrouillen teilnimmt? Er wird im SchattenClan-Lager herumliegen und sich den Bauch mit Frischbeute vollstopfen.«
Distelblatt schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht ... mir wäre einfach wohler, wenn wir ihm nie etwas erzählt hätten.«
»Geht mir genauso.« Löwenglut kniff die Augen zusammen und fuhr mit bitterer Stimme fort. »Aber wahrscheinlich denkt Sol gar nicht an uns. Schließlich hat er beschlossen, bei Schwarzstern zu bleiben. Nachdem wir ihm von der Prophezeiung erzählt haben, hat er erst versprochen, uns zu helfen, und dann ganz schnell seine Meinung geändert.«
»Ohne ihn sind wir besser dran.« Distelblatt fuhr ihrem Bruder mit der Zunge übers Ohr.
»Distelblatt!«
Sie wirbelte zu Brombeerkralle herum, der mit ungeduldig zuckender Schwanzspitze beim Dornentunnel wartete.
»Wir müssen los«, miaute sie Löwenglut zu und rannte über die Lichtung zu Brombeerkralle. »Entschuldigung«, keuchte sie und stürzte sich in den Tunnel.
Der Morgen war rau und kalt gewesen, aber als Distelblatt jetzt mit ihren Clan-Gefährten durch den Wald trabte, riss die Wolkendecke auf. Sonnenlicht stach mit seinen langen Krallen durch die Zweige, setzte Blätter in Brand, die sich von Grün nach Rot und Gold verfärbt hatten. Blattfall war nah.
Brombeerkralle führte seine Patrouille vom See weg Richtung SchattenClan-Grenze und mied sorgsam den alten Zweibeinerpfad mit dem verlassenen Nest, wo die Clans ihre Schlacht ausgetragen hatten.
Distelblatt prüfte die Luft auf der Suche nach einem Eichhörnchen oder einer fetten Maus, fand aber nur abgestandene Reste ihres eigenen Geruchs und dem ihrer Wurfgefährten, die noch von ihrer Wanderung durch den Wald auf der Suche nach Sol über dem Wald hingen. Sie hoffte, dass von der Patrouille niemand außer ihr etwas bemerken würde, vor allem Brombeerkralle und Sandsturm nicht, denn dann drohten ihr unangenehme Fragen, von denen sie nicht genau wusste, wie sie sie beantworten sollte.
Zu ihrer Erleichterung schienen die übrigen Katzen zu sehr damit beschäftigt, Beute aufzuspüren, um auf etwas anderes zu achten. Sandsturm gebot mit ihrer Schwanzspitze Ruhe, und Distelblatt hörte, wie eine Drossel ein Schneckenhaus an einem Stein aufschlug. Sie spähte über ein Farnbüschel und entdeckte den Vogel: ein hübsches, fettes Exemplar, das ihr und der Katzengruppe den Rücken zukehrte, zu sehr auf seine eigene Beute konzentriert, um die Jäger zu bemerken, die ihr auflauerten.
Tief geduckt glitt Sandsturm über den Waldboden, dann hielt sie inne, um mit den Hinterläufen trippelnd zum finalen Sprung anzusetzen. Die Bewegung schreckte die Drossel auf. Sie ließ die Schnecke fallen, stieß einen Warnruf aus und erhob sich in die Lüfte.
Aber Sandsturm war schneller als sie. Mit einem riesigen Satz in die Luft holte sie den flatternden Vogel herunter und biss ihn ins Genick, bis er erschlaffte.
»Großartiger Fang!«, miaute Haselschweif.
»Nicht übel«, schnurrte Sandsturm und kratzte Erde über ihre Beute, um sie später einzusammeln.
Distelblatt hatte Mausgeruch aufgespürt, dem sie im Schutz eines Brombeerbuschs folgte, bis sie das kleine Wesen unter den äußeren Zweigen durchs Laub huschen sah. Wenige Herzschläge später hatte sie ihre eigene Beute neben Sandsturms Drossel verscharrt.
Brombeerkralle, der gerade eine Wühlmaus mit Erde bedeckte, nickte ihr anerkennend zu. »Sehr gut, Distelblatt. Wenn du so weitermachst, wird der Clan bald satt sein.« Er schlich durch ein Haselgebüsch voran, mit geöffnetem Maul, damit ihm auch nicht die leiseste Spur von Beute entging.
Distelblatt hielt einige Herzschläge lang inne und blickte ihrem Vater nach, ihr wurde warm von seinem Lob. Auf der Suche nach mehr Beute entdeckte sie die Spur eines Eichhörnchens. Sie umrundete den Stamm der riesigen Eiche und sah, dass Haselschweif den gleichen Geruch verfolgte. Das Eichhörnchen ließ sich nicht blicken, aber seine Spur führte direkt zur SchattenClan-Grenze. Distelblatt roch die Grenzmarkierungen bereits, nur Haselschweif schien zu beschäftigt, um sie wahrzunehmen.
»He, Haselschweif, nicht ...«
Distelblatt brach ab, als drei Katzen jenseits der Grenze aus einem Farnflecken auftauchten. Haselschweif war nur wenige Schwanzlängen entfernt. Erschrocken hielt sie inne, ihre Ohren zuckten überrascht.
Erleichtert erkannte Distelblatt die Neuankömmlinge: Efeuschweif, Schlangenschweif und seinen Schüler Fleckenpfote. Alle drei hatten in der Schlacht an der Seite des DonnerClans gekämpft. Distelblatt konnte die Schrammen an Efeuschweifs Flanke noch sehen, ebenso das zerfetzte Ohr von Fleckenpfote. Sie würden Haselschweif bestimmt nicht böse sein, weil sie so nahe bei der Grenze aufgetaucht war.
»Hallo«, miaute sie und wollte Haselschweif zu Hilfe eilen. »Wie läuft die Beute beim SchattenClan?«
»Zurück!«, fauchte Efeuschweif. »Wer hat euch erlaubt, ins SchattenClan-Territorium einzudringen? Dass wir euch in der Schlacht geholfen haben, macht uns noch lange nicht zu euren Verbündeten.«
»Typisch DonnerClan«, ergänzte Schlangenschweif aus tiefer Kehle knurrend. »Sie glauben, jeder Clan wäre mit ihnen befreundet.«
»Und was ist daran falsch?«, erkundigte sich Distelblatt, gekränkt wegen ihres feindseligen Auftretens.
Keine Katze antwortete auf ihre Frage. Stattdessen stolzierte Efeuschweif auf die Grenze zu, bis sie Nase an Nase vor Haselschweif stand. »Was denkst du dir eigentlich dabei, so dicht an die Grenze heranzukommen?«
»Ich habe ein Eichhörnchen verfolgt«, stammelte Hasel- schweif. »Aber ...«
»Beutediebstahl!«, unterbrach sie Schlangenschweif, auf seinen Schultern sträubte sich das Fell vor Wut und sein gestreifter Schwanz peitschte.
»Wir haben nichts gestohlen!«, miaute Distelblatt entrüstet. »Und wir sind immer noch im DonnerClan-Territorium, falls ihr das nicht bemerkt haben solltet. Haselschweif hat eure Grenze nicht übertreten.«
»Aber nur, weil wir rechtzeitig aufgetaucht sind, um sie davon abzuhalten«, knurrte Schlangenschweif.
Hinter Distelblatt raschelte es im Unterholz, sie wirbelte herum und sah, dass Brombeerkralle und Sandsturm herbeieilten, dicht gefolgt von Birkenfall. »Dem SternenClan sei Dank!«, flüsterte sie.
Brombeerkralle trat zu Distelblatt und Haselschweif und blieb neben ihnen stehen. »Seid gegrüßt«, miaute er und neigte den Kopf vor den drei SchattenClan-Katzen. »Was gibt es denn?«
»Wir mussten diese DonnerClan-Kriegerinnen aufhalten«, erklärte Schlangenschweif. »Wenige Herzschläge später hätten sie unsere Grenze übertreten.«
»Das ist nicht wahr!«, rief Distelblatt hitzig.
»Ich habe ein Eichhörnchen verfolgt.« Haselschweif wandte sich mit einem verzagten Blick an ihren Zweiten Anführer. »Für einen Moment hatte ich wirklich vergessen, wo ich war, aber Distelblatt hat mich gewarnt, und dann ist die SchattenClan- Patrouille aufgetaucht. Ich schwöre, dass ich keine Pfote über die Grenze gesetzt habe.«
Brombeerkralle nickte. »Ihr seid auf eurer Seite genauso nah bei der Grenze wie wir auf unserer«, wies er die SchattenClan- Katzen zurecht. »Aber euch wirft keine Katze versuchten Grenzübertritt vor.«
»Wir sind auf Grenzpatrouille!«, konterte Schlangen- schweif. »Und gerade noch rechtzeitig gekommen.«
»Dem DonnerClan kann keine Katze trauen«, fügte Fleckenpfote hinzu, der zu seinem Mentor getreten war.
Vor Wut fauchend, bahnte sich Birkenfall einen Weg durch das tiefe Gras bis zu seinem Zweiten Anführer. »Brombeerkralle, willst du hier herumstehen und zulassen, dass ein Schüler unseren Clan zu Unrecht beschimpft?«
Sandsturm schnippte ihm mit dem Schwanz auf die Schulter. »Lass gut sein, Birkenfall. Brombeerkralle wird die Sache regeln.«
Der jüngere Krieger schnaubte verächtlich. Er sagte zwar nichts mehr, blieb aber, wo er war, und starrte die SchattenClan- Patrouille an.
»Birkenfall hat recht!«, protestierte Distelblatt. »Die Katzen hier wollen nur Ärger machen. Wir haben das Gesetz der Krieger nicht gebrochen.«
»Oh, das kostbare Gesetz der Krieger!«, höhnte Efeu- schweif. »Du glaubst, dass es dir alle Fragen beantworten kann, aber da irrst du dich. Das Gesetz der Krieger hat schließlich nicht verhindern können, dass die Sonne verschwunden ist, oder?«
»Genau.« Schlangenschweif gab seinem Clan-Gefährten recht. »Vielleicht ist es an der Zeit, dass sich die Clans weniger mit toten Katzen beschäftigen und lieber selbst nach Antworten suchen.«
Distelblatt beobachtete sie verzweifelt. Sie wusste, dass Sol solche Gedanken verbreitete. War das von Anfang an der Plan dieser fremden Katze gewesen - das Gesetz der Krieger von innen heraus zu zerstören?
Bei uns wollte er den Anfang machen. Distelblatt erinnerte sich, wie freundlich und hilfsbereit ihr Sol vorgekommen war. Aber vielleicht war der SchattenClan ein leichteres Opfer gewesen, denn Distelblatt konnte sich nicht vorstellen, dass Feuerstern seinen Glauben genauso schnell aufgegeben hätte wie Schwarzstern.
Ich muss den SchattenClan retten! Distelblatt war so verzweifelt, dass sie die Katzen um sich herum kaum noch wahrnahm. Sie dürfen sich nicht vom SternenClan und dem Gesetz der Krieger abwenden! Es muss vier Clans geben!
»Distelblatt, beruhige dich«, flüsterte neben ihr Brombeerkralle.
Distelblatt hatte gar nicht mitbekommen, wie sich ihr Pelz gesträubt und ihre Krallen sich in die feuchte Erde gebohrt hatten. Die drei SchattenClan-Katzen musterten sie verblüfft und sträubten ebenfalls die Pelze, als befürchteten sie, Distelblatt könnte sich jeden Moment auf sie stürzen. Sie holte tief Luft und zog die Krallen ein.
»Alles in Ordnung«, sagte sie leise zu ihrem Vater.
»Sol hat euch das eingeredet, nicht wahr?«, höhnte Birkenfall und trat einen Schritt vor, worauf er genau an der Grenze zum Stehen kam. »Ihr seid alle verrückter als ein tollwütiger Fuchs! Wie kann man nur so mäusehirnig sein, auf eine Katze zu hören, die bisher in ihrem Leben noch nie einen Clan gesehen hat.«
»Wir hören auf ihn, weil das, was er sagt, vernünftig ist«, erwiderte Schlangenschweif und baute sich vor Birkenfall auf. »Er weiß, was zu tun ist, damit der SchattenClan in Zukunft ein besseres Leben führen kann. Wenn der DonnerClan auch auf ihn hören würde, könnte er seine Schlachten vielleicht künftig allein gewinnen. Vielleicht ist die Sonne verschwunden, um uns zu sagen, dass die Zeiten der Clans vorüber sind und Katzen herausfinden müssen, wie sie allein zurechtkommen. Wenn der DonnerClan zu feige ist, um sich dem zu stellen ...«
Mit einem wütenden Schrei stürzte sich Birkenfall auf Schlangenschweif.
Ein fauchender Fellknoten aus zwei Katzen wälzte sich am Boden. Fleckenpfote sprang dazu und bohrte Birkenfall seine Krallen in die Schulter, worauf Haselschweif den Schüler packte und versuchte, ihn von Birkenfall herunterzuzerren.
»Birkenfall, Haselschweif, ihr kommt sofort hierher.« Sandsturm war einen Schritt vorgetreten, aber Efeuschweif stellte sich ihr in den Weg.
»Dürfen eure jungen Krieger ihre Gefechte nicht selbst austragen?«, höhnte die SchattenClan-Kriegerin. »Obwohl sie selbst angefangen haben?« Sie zeigte die Krallen und bleckte die Zähne.
Brombeerkralle trat an Sandsturms Seite. »Falsch. Der SchattenClan hat dieses Gefecht provoziert.«
Das Gejaule der kämpfenden Katzen gellte Distelblatt in den Ohren. Sie zuckte zusammen, weil sie Fell reißen hörte und sich dabei fühlte, als würden die Krallen ihren eigenen Pelz zerfetzen. »Aufhören!«, schrie sie. »Was tut ihr da?«
Zu ihrer eigenen Überraschung trennten sich die kämpfenden Katzen keuchend. Sofort trat Brombeerkralle vor und stieß Birkenfall und Haselschweif über die Grenze zurück in ihr eigenes Territorium.
»Genug gestritten«, miaute er. »DonnerClan-Katzen, folgt mir!« Sie traten den Rückzug an, dann hielt Brombeerkralle noch einmal inne und warf einen Blick über die Schulter auf die SchattenClan-Patrouille. »Ihr könnt glauben, was ihr wollt, solange ihr auf eurer Seite der Grenze bleibt.«
»Wir waren es nicht, die über die Grenze gelaufen sind«, fauchte Efeuschweif.
Brombeerkralle kehrte ihr den Rücken zu und eilte weiter, seine Patrouille hinter sich.
»Alles in Ordnung mit dir?«, flüsterte Distelblatt Hasel schweif zu. Ihre Clan-Gefährtin taumelte durch den Wald, stolperte über Zweige und schien nicht einmal zu bemerkten, wenn sich ausladende Brombeerranken in ihrem Pelz verhakten. »Mir ist ein bisschen schwindelig«, gestand Haselschweif. »Als ich Fleckenpfote von Birkenfall wegzerren wollte, habe ich mir an einem Ast den Kopf gestoßen.«
»Dann lass dich von mir führen.« Distelblatt legte Hasel- schweif den Schwanz über die Schulter. »Blattsee soll dich untersuchen, sobald wir wieder im Lager sind. Birkenfall kann von Glück sagen, dass du ihm geholfen hast«, fügte sie hinzu. »Ohne dich hätte er bösere Schrammen abgekriegt.«
Der DonnerClan-Krieger humpelte dahin, Blut tropfte aus einer Schulterwunde. Als die Patrouille beim Brombeerdickicht anhielt, um Sandsturms Drossel und die übrige Beute einzusammeln, setzte er sich und begann, energisch mit der Zunge die Wunde zu säubern.
»Birkenfall, das hast du dir selbst zuzuschreiben.« Brom- beerkralle, der gerade seine Wühlmaus ausgrub, hielt inne. »Der Vorwurf des SchattenClans, wir hätten die Grenze überschritten, war nicht gerechtfertigt, aber dann hast du uns ins Unrecht gesetzt, indem du mit dem Kampf angefangen hast. Krieger sollten sich beherrschen können.«
»Es tut mir leid«, murmelte Birkenfall.
»Das sollte es auch.«
Als sich die Patrouille wieder in Bewegung setzte, schwiegen Brombeerkralle und Sandsturm beharrlich. Birkenfall tappte mit hängendem Kopf hinter ihnen her.
Haselschweif fühlte sich allmählich besser. »Danke, Distelblatt «, miaute sie und schüttelte den Schwanz ihrer Freundin ab. »Jetzt schaffe ich es wieder allein. Findest du nicht, dass Brombeerkralle mit Birkenfall zu streng gewesen ist?«, fuhr sie fort. »Schließlich hat der SchattenClan den Kampf herausgefordert. «
»Weshalb wir uns aber nicht darauf einlassen müssen«, antwortete Distelblatt geistesabwesend. Sie konnte sich kaum konzentrieren. Der Schock umhüllte sie wie ein zweiter, dicker Pelz, unter dem sie zu ersticken drohte. Offensichtlich glaubte der SchattenClan, dass Sol alle Antworten für eine bessere Zukunft kannte, aber da irrte er sich.
Er wird die Clans vernichten! Vor Panik wie gelähmt, konnte Distelblatt kaum noch eine Pfote vor die andere setzen. Irgendwie müssen wir einen Weg finden, ihn aufzuhalten.
© 2013 Beltz & Gelberg in der Verlagsgruppe Beltz • Weinheim Basel Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
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Autoren-Porträt von Erin Hunter
Hunter, ErinHinter dem Namen Erin Hunter verbirgt sich ein ganzes Team von Autorinnen. Gemeinsam konzipieren und schreiben sie die erfolgreichen Tierfantasy-Reihen WARRIOR CATS, SEEKERS und SURVIVOR DOGS.
Bibliographische Angaben
- Autor: Erin Hunter
- Altersempfehlung: Ab 10 Jahre
- 2013, Deutsche Erstausgabe, 345 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 14,5 x 21,2 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzer: Friederike Levin
- Verlag: Beltz
- ISBN-10: 3407811462
- ISBN-13: 9783407811462
- Erscheinungsdatum: 11.07.2013
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