Wege aus der Wachstumsgesellschaft
Forum für Verantwortung
Aus Sicht unterschiedlicher
Disziplinen skizziert der Band verschiedene Schritte in eine Welt ohne materielles Wirtschaftswachstum. Top-Wissenschaftler zeigen Möglichkeiten auf, wie Leben aussehen kann und wie verlockend es ist, wenn es eben nicht von...
Disziplinen skizziert der Band verschiedene Schritte in eine Welt ohne materielles Wirtschaftswachstum. Top-Wissenschaftler zeigen Möglichkeiten auf, wie Leben aussehen kann und wie verlockend es ist, wenn es eben nicht von...
lieferbar
versandkostenfrei
Taschenbuch
20.60 €
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Produktdetails
Produktinformationen zu „Wege aus der Wachstumsgesellschaft “
Aus Sicht unterschiedlicher
Disziplinen skizziert der Band verschiedene Schritte in eine Welt ohne materielles Wirtschaftswachstum. Top-Wissenschaftler zeigen Möglichkeiten auf, wie Leben aussehen kann und wie verlockend es ist, wenn es eben nicht von verschwenderischem Konsum und von stetigem Wachstum angetrieben wird. Mit Beiträgen von Hans Diefenbacher, Dirk Messner, Wolfgang Ullrich u.a. Herausgegeben von Harald Welzer (»Selber denken«) und Klaus Wiegant, Vorstand des »Forums für Verantwortung«.
Disziplinen skizziert der Band verschiedene Schritte in eine Welt ohne materielles Wirtschaftswachstum. Top-Wissenschaftler zeigen Möglichkeiten auf, wie Leben aussehen kann und wie verlockend es ist, wenn es eben nicht von verschwenderischem Konsum und von stetigem Wachstum angetrieben wird. Mit Beiträgen von Hans Diefenbacher, Dirk Messner, Wolfgang Ullrich u.a. Herausgegeben von Harald Welzer (»Selber denken«) und Klaus Wiegant, Vorstand des »Forums für Verantwortung«.
Klappentext zu „Wege aus der Wachstumsgesellschaft “
Was sind die zentralen Probleme auf dem Weg in eine nachhaltige Entwicklung?International renommierte Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen diskutieren über die Probleme der Industrienationen auf dem Weg in eine nachhaltige Entwicklung. Und sie zeigen Möglichkeiten auf, wie das Leben aussehen kann - und wie verlockend es ist, wenn es nicht von verschwenderischem Konsum und stetigem Wachstum angetrieben wird.Mit Beiträgen u.a. von Hans Diefenbacher, Dirk Messner und Wolfgang Ullrich.
Lese-Probe zu „Wege aus der Wachstumsgesellschaft “
Wege aus der Wachstumsgesellschaft von Harald Welzer/Klaus Wiegandt (Hrsg.)... mehr
Es ist inzwischen mehr als vier Jahrzehnte her, dass die vielzitierte, aber selten gelesene Studie »Limits to Growth« von Dennis Meadows und einer Reihe weiterer Autorinnen und Autoren erschienen ist. In einer Zeit hoher Wachstumsraten und Gewinn-und Lohnsteigerungen in den westlichen Gesellschaften wagte dieses Buch die so banale wie schockierende Mitteilung, dass ein endlicher Planet nicht unendlich Material für die Produktion von Gütern und Senken für die anfallenden Emissionen bereithalten kann. Das Buch schlug sofort hohe Wellen, obwohl es, von heute aus betrachtet, alles andere als alarmistisch war. Vielmehr legte es auf dem damals neuesten Stand der Computer- und Szenariotechnik mögliche künftige Entwicklungen vor, und zwar in einem Horizont von 100 Jahren.
Dabei richtete sich der Blick der Autoren vor allem auf die exponentiellen Steigerungsverläufe beim Ressourcenverbrauch, bei der Bevölkerungsentwicklung und den anfallenden Müllmengen. Dieser Blick birgt das eigentlich Alarmierende: Dass die Ausbeutung wie die Vermüllung des Planeten keinen linearen Verlauf, sondern einen exponentiellen nehmen würden, ließ die Frage nach dem Zeitraum für ein mögliches Umsteuern wichtig werden. Bei linearen Verläufen kann man relativ gelassen beobachten, wann es zu einem kritischen Maß kommt, und rechtzeitig gegensteuern; bei exponentiellen hat man es mit möglichen Kipp-Punkten zu tun, jenseits deren ein Umsteuern nicht oder kaum mehr möglich ist. Die Vorwarnzeit ist kürzer; Maßnahmen zur Gegensteuerung müssen schon dann ergriffen werden, wenn dem Augenschein nach alles noch ganz in Ordnung zu sein scheint.
So harmlos und rational das Buch 1972 argumentierte, so hysterisch und irrational fielen die Reaktionen aus - und zwar von allen politischen Seiten. Während die Konservativen hier Systemveränderer am Werke sahen, die der kapitalistischen Welt die permanente Wohlstandsvermehrung ausreden wollten, sahen die Linken in Dennis Meadows und seinen Mitstreitern Büttel des Kapitals, die die Arbeiter um ihren Anteil an den Segnungen des Wirtschaftswachstums bringen wollten.
Beide Sichtweisen muten von heute aus betrachtet bizarr an, ging es doch schlicht darum, zur Kenntnis zu nehmen, dass auf der Erde physikalische Gesetze gelten. Aber die »Limits to Growth« hatten den empfindlichsten Nerv moderner Gesellschaften getroffen: Wachstum, also das pulsierende Herz eines Typs Ökonomie, der zur Lösung von Problemen jeglicher Art nichts anderes zu bieten hat als Expansion. Wachstum wurde historisch entfacht durch die Nutzung fossiler Energien und die damit verbundenen Produktivitätsfortschritte und Wohlstandssteigerungen zuvor unvorstellbarer Dimension und verbreitete sich in den letzten 200 Jahren in Form einer Art säkularer Theologie über die Welt, deren Glauben verspricht, dass es für jeden von allem immer mehr geben würde. Und zwar bis in alle Ewigkeit.
Tatsächlich hat es Nobelpreisträger für Ökonomie gegeben, die allen Ernstes behaupteten, dass die Vorräte für mindestens weitere 7Milliarden Jahre reichen würden (Julian Simon) oder gleich der Auffassung waren, die Menschheit könne ganz ohne natürliche Ressourcen auskommen (Robert Solow). Wenn schon die Wissenschaft solchen Phantasien frönen konnte, ohne dass man den Herren wegen offenkundigem Wahnsinn die Lehrstühle entzogen hätte, verwundert es kaum, dass auch der weit überwiegende Teil der Unternehmer, Manager, Politiker und anderen Menschen nachgerade für Ketzerei hielt, was »Die Grenzen des Wachstums« mitzuteilen wagten. Letztlich war das Buch der Versuch, Aufklärung gegen Glauben zu setzen, und das zieht immer irrationale Reaktionen nach sich.
Heute, bald ein halbes Jahrhundert später, hat sich daran nur so viel verändert, dass die Welt durch die seither beständig gestiegenen Verbräuche von Material und Energie und die die Traglast der Senken überfordernden Emissionen jeder Art sich exakt so entwickelt hat, wie die pessimistischste Lesart der Studie befürchtet hatte. Als bedürfte es noch weiterer Beweise für die Überlegenheit des Glaubens über den Verstand, propagieren aber auch heute noch nahezu alle Angehörige der politischen und ökonomischen Eliten das Wachstum. Inzwischen ist noch, was in der bipolaren Welt des Kalten Krieges noch gar nicht vorhersehbar war, die Globalisierung dazugekommen, also die rasend schnelle Verbreitung der wachstumswirtschaftlichen Praxis über den ganzen Planeten. Das hat das Erreichen der finalen Wachstumsgrenzen noch einmal näher gerückt.
Im Augenblick rast, man kann es kaum anders sagen, der Zug der globalen Wirtschaftsentwicklung auf eine massive Wand zu, und angesichts dessen verlangsamt er seine Geschwindigkeit nicht etwa, sondern nimmt immer noch weiter Fahrt auf. Der Crash wird desto brutaler ausfallen. Freilich scheint es schwierig zu bestimmen, wann er stattfindet. Man darf ihn sich auch nicht als abruptes Ereignis vorstellen, das von einem Tag auf den anderen alles auf den Kopf stellt und totales Chaos hinterlässt. Gesellschaftliche Erosions- und Zerfallsprozesse geschehen langsam, zerdehnt, kaum merklich. Man denke nur an den Ostblock, der sein Verfallsdatum lange überzogen hatte und den Leuten trotzdem monolithisch und fest erschien - bis er wie ein Haus zusammenfiel, das längst unrettbar von Termiten zerfressen war, aber noch ganz solide dazustehen schien.
Die materiellen, institutionellen und mentalen Infrastrukturen von Gesellschaften halten noch viel zusammen, wenn schon einiges bröckelt und nicht mehr funktioniert. Symptome für den Zerfallsprozess sind heute zahlreich - sie reichen von den Folgen des Klimawandels über den Landraub bis hin zur Dauerkrise an den Finanzmärkten. Und natürlich kennt auch der Zerfall Gewinner und Verlierer: Gruppen, die in der failed globalisation (Lars Clausen) immer schneller abgehängt und sich selbst überlassen werden, und Glücklichere, die sich rechtzeitig ihre Besitzstände sichern konnten und die Mittel haben, sie militärisch zu sichern und zu verteidigen. So betrachtet, findet der Zerfall, den »Die Grenzen des Wachstums« prognostiziert haben, heute schon statt, aber er trifft die Gesellschaften der Welt sehr unterschiedlich. Die Grenzen des Wachstums sind zwar physikalisch, nicht aber sozial für alle gleich.
Angesichts eines solchen Befundes, der sich sowohl durch die Armutsberichte als auch durch die Daten der Klimaforschung als auch durch die Prognosen der Internationalen Energie Agentur mühelos belegen lässt, ist es mehr als deprimierend, dass die hochdotierten Ökonomen an den internationalen Universitäten, von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen, 40 Jahre vor sich hin geschlafen haben und keinerlei intellektuelle und forscherische Anstrengungen in die Frage investiert haben, was denn eigentlich nach dem Wachstum kommen soll.
Deshalb stehen wir jetzt vor der misslichen Situation, zwar eine kleine Menge sehr guter Analysen für die Zukunftsuntauglichkeit von Wachstumswirtschaften zu haben, kaum aber elaborierte Hinweise darauf, wie denn eine Postwachstumsgesellschaft aussehen könnte. Und leider noch weniger, wie man sie erreichen würde. In diesem Buch, das auf ein Kolloquium im April 2011 an der Europäischen Akademie in Otzenhausen zurückgeht, versuchen die Autoren, einen Schritt weiter zu gehen: etwa indem die Gestaltungsmöglichkeiten der Politik diskutiert werden (Reinhard Loske) oder indem das Projekt einer »Transformative Literacy« vorgestellt (Uwe Schneidewind) oder das Potential der Konsumgesellschaft ventiliert wird, sich mittels ihrer Produkte selbst aufzuklären (Wolfgang Ullrich). Hinzu treten Analysen der Wachstumszwänge im Unternehmensbereich (Klaus Wiegandt), der Mentalität von Bewohnern von Wachstumsgesellschaften (Harald Welzer), der Umbauperspektiven in der Arbeitswelt (Hans Diefenbacher), aber auch die Skizze eines möglichen Transformationsprozesses (Bernd Sommer) und einer Postwachstumsgesellschaft (Niko Paech). Ein Text, der von einigen jungen Besucherinnen und Besuchern des Kolloquiums verfasst worden ist, entwirft eine konkrete Utopie eines ersten möglichen Schritts hin zu einer wachstumsbefriedeten, nachhaltigen Gesellschaft (Daniel Baumgärtner et al.).
Gewiss: Auch mit diesem Buch können wir kein schlüssiges oder gar umfassendes Konzept für den Übergang in die Postwachstumsgesellschaft liefern, aber wir können immerhin Wegmarken für tastende Schritte in diesen Übergang hinein vorstellen, denen zu folgen sich lohnt. Dieser Mühe haben sich die Autoren des Bandes in bemerkenswerter Konsequenz unterzogen, und dafür danken wir ihnen sehr herzlich. Wenn der vorliegende Band für die Leserinnen und Leser und natürlich auch für die Herausgeber einen Gewinn darstellt, dann deswegen, weil die versammelten Texte zeigen, dass es Wege aus der Wachstumsgesellschaft gibt. Es ist kein Schicksal, dass der Wachstumszug immer schneller fährt und mit immer größerem Furor die Überlebensgrundlagen der Menschheit zerstört; man kann das verändern. Freilich wird der Weg in eine Postwachstumsgesellschaft kein Spaziergang. Er wird Wohlstandsverluste mit sich bringen, mehr Eigenarbeit, weniger Mobilität, weniger Konsum, aber mehr Zeitwohlstand, Lebensqualität und Gesundheit. Und noch etwas anderes, was im Wachstumswahn gerade untergeht, das Wichtigste: Zukunft.
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
Es ist inzwischen mehr als vier Jahrzehnte her, dass die vielzitierte, aber selten gelesene Studie »Limits to Growth« von Dennis Meadows und einer Reihe weiterer Autorinnen und Autoren erschienen ist. In einer Zeit hoher Wachstumsraten und Gewinn-und Lohnsteigerungen in den westlichen Gesellschaften wagte dieses Buch die so banale wie schockierende Mitteilung, dass ein endlicher Planet nicht unendlich Material für die Produktion von Gütern und Senken für die anfallenden Emissionen bereithalten kann. Das Buch schlug sofort hohe Wellen, obwohl es, von heute aus betrachtet, alles andere als alarmistisch war. Vielmehr legte es auf dem damals neuesten Stand der Computer- und Szenariotechnik mögliche künftige Entwicklungen vor, und zwar in einem Horizont von 100 Jahren.
Dabei richtete sich der Blick der Autoren vor allem auf die exponentiellen Steigerungsverläufe beim Ressourcenverbrauch, bei der Bevölkerungsentwicklung und den anfallenden Müllmengen. Dieser Blick birgt das eigentlich Alarmierende: Dass die Ausbeutung wie die Vermüllung des Planeten keinen linearen Verlauf, sondern einen exponentiellen nehmen würden, ließ die Frage nach dem Zeitraum für ein mögliches Umsteuern wichtig werden. Bei linearen Verläufen kann man relativ gelassen beobachten, wann es zu einem kritischen Maß kommt, und rechtzeitig gegensteuern; bei exponentiellen hat man es mit möglichen Kipp-Punkten zu tun, jenseits deren ein Umsteuern nicht oder kaum mehr möglich ist. Die Vorwarnzeit ist kürzer; Maßnahmen zur Gegensteuerung müssen schon dann ergriffen werden, wenn dem Augenschein nach alles noch ganz in Ordnung zu sein scheint.
So harmlos und rational das Buch 1972 argumentierte, so hysterisch und irrational fielen die Reaktionen aus - und zwar von allen politischen Seiten. Während die Konservativen hier Systemveränderer am Werke sahen, die der kapitalistischen Welt die permanente Wohlstandsvermehrung ausreden wollten, sahen die Linken in Dennis Meadows und seinen Mitstreitern Büttel des Kapitals, die die Arbeiter um ihren Anteil an den Segnungen des Wirtschaftswachstums bringen wollten.
Beide Sichtweisen muten von heute aus betrachtet bizarr an, ging es doch schlicht darum, zur Kenntnis zu nehmen, dass auf der Erde physikalische Gesetze gelten. Aber die »Limits to Growth« hatten den empfindlichsten Nerv moderner Gesellschaften getroffen: Wachstum, also das pulsierende Herz eines Typs Ökonomie, der zur Lösung von Problemen jeglicher Art nichts anderes zu bieten hat als Expansion. Wachstum wurde historisch entfacht durch die Nutzung fossiler Energien und die damit verbundenen Produktivitätsfortschritte und Wohlstandssteigerungen zuvor unvorstellbarer Dimension und verbreitete sich in den letzten 200 Jahren in Form einer Art säkularer Theologie über die Welt, deren Glauben verspricht, dass es für jeden von allem immer mehr geben würde. Und zwar bis in alle Ewigkeit.
Tatsächlich hat es Nobelpreisträger für Ökonomie gegeben, die allen Ernstes behaupteten, dass die Vorräte für mindestens weitere 7Milliarden Jahre reichen würden (Julian Simon) oder gleich der Auffassung waren, die Menschheit könne ganz ohne natürliche Ressourcen auskommen (Robert Solow). Wenn schon die Wissenschaft solchen Phantasien frönen konnte, ohne dass man den Herren wegen offenkundigem Wahnsinn die Lehrstühle entzogen hätte, verwundert es kaum, dass auch der weit überwiegende Teil der Unternehmer, Manager, Politiker und anderen Menschen nachgerade für Ketzerei hielt, was »Die Grenzen des Wachstums« mitzuteilen wagten. Letztlich war das Buch der Versuch, Aufklärung gegen Glauben zu setzen, und das zieht immer irrationale Reaktionen nach sich.
Heute, bald ein halbes Jahrhundert später, hat sich daran nur so viel verändert, dass die Welt durch die seither beständig gestiegenen Verbräuche von Material und Energie und die die Traglast der Senken überfordernden Emissionen jeder Art sich exakt so entwickelt hat, wie die pessimistischste Lesart der Studie befürchtet hatte. Als bedürfte es noch weiterer Beweise für die Überlegenheit des Glaubens über den Verstand, propagieren aber auch heute noch nahezu alle Angehörige der politischen und ökonomischen Eliten das Wachstum. Inzwischen ist noch, was in der bipolaren Welt des Kalten Krieges noch gar nicht vorhersehbar war, die Globalisierung dazugekommen, also die rasend schnelle Verbreitung der wachstumswirtschaftlichen Praxis über den ganzen Planeten. Das hat das Erreichen der finalen Wachstumsgrenzen noch einmal näher gerückt.
Im Augenblick rast, man kann es kaum anders sagen, der Zug der globalen Wirtschaftsentwicklung auf eine massive Wand zu, und angesichts dessen verlangsamt er seine Geschwindigkeit nicht etwa, sondern nimmt immer noch weiter Fahrt auf. Der Crash wird desto brutaler ausfallen. Freilich scheint es schwierig zu bestimmen, wann er stattfindet. Man darf ihn sich auch nicht als abruptes Ereignis vorstellen, das von einem Tag auf den anderen alles auf den Kopf stellt und totales Chaos hinterlässt. Gesellschaftliche Erosions- und Zerfallsprozesse geschehen langsam, zerdehnt, kaum merklich. Man denke nur an den Ostblock, der sein Verfallsdatum lange überzogen hatte und den Leuten trotzdem monolithisch und fest erschien - bis er wie ein Haus zusammenfiel, das längst unrettbar von Termiten zerfressen war, aber noch ganz solide dazustehen schien.
Die materiellen, institutionellen und mentalen Infrastrukturen von Gesellschaften halten noch viel zusammen, wenn schon einiges bröckelt und nicht mehr funktioniert. Symptome für den Zerfallsprozess sind heute zahlreich - sie reichen von den Folgen des Klimawandels über den Landraub bis hin zur Dauerkrise an den Finanzmärkten. Und natürlich kennt auch der Zerfall Gewinner und Verlierer: Gruppen, die in der failed globalisation (Lars Clausen) immer schneller abgehängt und sich selbst überlassen werden, und Glücklichere, die sich rechtzeitig ihre Besitzstände sichern konnten und die Mittel haben, sie militärisch zu sichern und zu verteidigen. So betrachtet, findet der Zerfall, den »Die Grenzen des Wachstums« prognostiziert haben, heute schon statt, aber er trifft die Gesellschaften der Welt sehr unterschiedlich. Die Grenzen des Wachstums sind zwar physikalisch, nicht aber sozial für alle gleich.
Angesichts eines solchen Befundes, der sich sowohl durch die Armutsberichte als auch durch die Daten der Klimaforschung als auch durch die Prognosen der Internationalen Energie Agentur mühelos belegen lässt, ist es mehr als deprimierend, dass die hochdotierten Ökonomen an den internationalen Universitäten, von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen, 40 Jahre vor sich hin geschlafen haben und keinerlei intellektuelle und forscherische Anstrengungen in die Frage investiert haben, was denn eigentlich nach dem Wachstum kommen soll.
Deshalb stehen wir jetzt vor der misslichen Situation, zwar eine kleine Menge sehr guter Analysen für die Zukunftsuntauglichkeit von Wachstumswirtschaften zu haben, kaum aber elaborierte Hinweise darauf, wie denn eine Postwachstumsgesellschaft aussehen könnte. Und leider noch weniger, wie man sie erreichen würde. In diesem Buch, das auf ein Kolloquium im April 2011 an der Europäischen Akademie in Otzenhausen zurückgeht, versuchen die Autoren, einen Schritt weiter zu gehen: etwa indem die Gestaltungsmöglichkeiten der Politik diskutiert werden (Reinhard Loske) oder indem das Projekt einer »Transformative Literacy« vorgestellt (Uwe Schneidewind) oder das Potential der Konsumgesellschaft ventiliert wird, sich mittels ihrer Produkte selbst aufzuklären (Wolfgang Ullrich). Hinzu treten Analysen der Wachstumszwänge im Unternehmensbereich (Klaus Wiegandt), der Mentalität von Bewohnern von Wachstumsgesellschaften (Harald Welzer), der Umbauperspektiven in der Arbeitswelt (Hans Diefenbacher), aber auch die Skizze eines möglichen Transformationsprozesses (Bernd Sommer) und einer Postwachstumsgesellschaft (Niko Paech). Ein Text, der von einigen jungen Besucherinnen und Besuchern des Kolloquiums verfasst worden ist, entwirft eine konkrete Utopie eines ersten möglichen Schritts hin zu einer wachstumsbefriedeten, nachhaltigen Gesellschaft (Daniel Baumgärtner et al.).
Gewiss: Auch mit diesem Buch können wir kein schlüssiges oder gar umfassendes Konzept für den Übergang in die Postwachstumsgesellschaft liefern, aber wir können immerhin Wegmarken für tastende Schritte in diesen Übergang hinein vorstellen, denen zu folgen sich lohnt. Dieser Mühe haben sich die Autoren des Bandes in bemerkenswerter Konsequenz unterzogen, und dafür danken wir ihnen sehr herzlich. Wenn der vorliegende Band für die Leserinnen und Leser und natürlich auch für die Herausgeber einen Gewinn darstellt, dann deswegen, weil die versammelten Texte zeigen, dass es Wege aus der Wachstumsgesellschaft gibt. Es ist kein Schicksal, dass der Wachstumszug immer schneller fährt und mit immer größerem Furor die Überlebensgrundlagen der Menschheit zerstört; man kann das verändern. Freilich wird der Weg in eine Postwachstumsgesellschaft kein Spaziergang. Er wird Wohlstandsverluste mit sich bringen, mehr Eigenarbeit, weniger Mobilität, weniger Konsum, aber mehr Zeitwohlstand, Lebensqualität und Gesundheit. Und noch etwas anderes, was im Wachstumswahn gerade untergeht, das Wichtigste: Zukunft.
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
... weniger
Autoren-Porträt von HARALD WELZER (HG.), KLAUS WIEGANDT (HG.)
Harald Welzer, geboren 1958, ist Sozialpsychologe. Er ist Direktor von FUTURZWEI. Stiftung Zukunftsfähigkeit und des Norbert-Elias-Centers für Transformationsdesign an der Europa-Universität Flensburg. In den Fischer Verlagen sind von ihm u. a. erschienen: »Täter. Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden«, »Klimakriege. Wofür im 21. Jahrhundert getötet wird«, »Alles könnte anders sein. Eine Gesellschaftsutopie für freie Menschen«, »Nachruf auf mich selbst. Die Kultur des Aufhörens« und - gemeinsam mit Richard David Precht - »Die vierte Gewalt. Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist«. Seine Bücher sind in 21 Ländern erschienen. Klaus Wiegandt ist Stifter und Vorstand des »Forums für Verantwortung«. Im Fischer Taschenbuch Verlag hat er bereits zahlreiche Bücher zum Thema Nachhaltigkeit herausgegeben.
Bibliographische Angaben
- Autoren: HARALD WELZER (HG.) , KLAUS WIEGANDT (HG.)
- 2013, 3. Aufl., 236 Seiten, Maße: 12,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Herausgegeben: Harald Welzer, Klaus Wiegandt
- Verlag: FISCHER Taschenbuch
- ISBN-10: 3596196167
- ISBN-13: 9783596196166
- Erscheinungsdatum: 14.05.2013
Pressezitat
Unbedingt lesen! Publik-Forum 201411
Kommentar zu "Wege aus der Wachstumsgesellschaft"
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Wege aus der Wachstumsgesellschaft".
Kommentar verfassen