Wer sagt, dass Kinder glücklich machen?
Von Müttern und Vätern am Rande des Nervenzusammenbruchs
Überlebensgeschichten von der Elternfront
Seien wir doch mal ehrlich: Erziehungsarbeit ist Schwerstarbeit. Natürlich lieben Eltern ihre Kinder. Mehr als alles andere auf der Welt. Wenn sie Babys sind, stehen wir nachts an ihren Bettchen, aus...
Seien wir doch mal ehrlich: Erziehungsarbeit ist Schwerstarbeit. Natürlich lieben Eltern ihre Kinder. Mehr als alles andere auf der Welt. Wenn sie Babys sind, stehen wir nachts an ihren Bettchen, aus...
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Produktinformationen zu „Wer sagt, dass Kinder glücklich machen? “
Klappentext zu „Wer sagt, dass Kinder glücklich machen? “
Überlebensgeschichten von der ElternfrontSeien wir doch mal ehrlich: Erziehungsarbeit ist Schwerstarbeit. Natürlich lieben Eltern ihre Kinder. Mehr als alles andere auf der Welt. Wenn sie Babys sind, stehen wir nachts an ihren Bettchen, aus Angst, sie würden aufhören zu atmen. Von unseren Teenies ertragen wir schlechte Laune und zugemüllte Kinderzimmer. Später haben wir oft das Gefühl, nur als Portemonnaie auf zwei Beinen geschätzt zu werden jede Zeit ist unterschiedlich, jede hat natürlich ihre gute Seiten, aber auch viele, die für unsere Magenschleimhaut weniger vorteilhaft sind. Deshalb ist vielen Müttern und Vätern die Frage nicht fremd: Ginge es mir ohne Kinder nicht viel besser? Das auszusprechen ist ganz klar unter Todesstrafe verboten. Aber darüber nachdenken darf man doch mal oder nicht?
Eva Gerberding und Evelyn Holst wagen den Gedanken und präsentieren zugleich eine humorvolle Trostschrift und einen verständnisvollen Begleiter für Eltern unter Druck. Denn beides gehört zum Elternsein: das größte vorstellbare Glück, aber ebenso der größtmögliche Stress. Und beides ist normal.
Lese-Probe zu „Wer sagt, dass Kinder glücklich machen? “
Wer sagt, dass Kinder glücklich machen? von Evelyn Holst und Eva GerberdingEltern werden ist nicht schwer, Eltern sein dagegen sehr
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Moskau. Eine kleine Zweizimmerwohnung. Ich (Eva Gerberding) interviewe gerade die Gulag-Überlebende Irina W. für eine arte-Dokumentation. Die über Achtzigjährige erzählt Schreckliches über ihre Zeit im Straflager. Plötzlich geht eine Tür auf, ein grauhaariger Mann im Pyjama schlurft gruß- los an uns vorbei. »Wer ist das?«, frage ich. Die alte Rus- sin seufzt tief. »Das ist mein Sohn Fjodor«, sagt sie. »Seine zweite Frau hat ihn gerade rausgeschmissen und weil er arbeitslos ist und säuft, hat er kein Geld. Deshalb ist er wieder bei mir eingezogen.«
Okay, wir sind nicht in Russland und dieser Fall ist sicherlich extrem. Aber was ihn für uns interessant machte, ist die Frage, die er aufwirft: Wer sagt eigentlich, dass Kinder (immer) glücklich machen?
Niemand. Trotzdem lieben wir unsere Kinder. Sehr sogar. Mehr als alles auf der Welt. Als sie Babys waren, standen wir nachts an ihren Betten, aus Angst, sie würden aufhören zu atmen. Später, als Teenies, ertrugen wir ihre schlechte Laune, vermüllte Kinderzimmer und das Wissen, dass sie uns oft auf den Mond wünschten. Wir sie übrigens auch. Während der Pubertät hatten wir oft das Gefühl, nur als »Portemonnaie auf zwei Beinen« geschätzt zu werden. Und heute sind wir froh, wenn sie uns nur halb so oft sehen wollen wie wir sie.
Jedes Stadium ist unterschiedlich, jedes hat unfassbar schöne Seiten, aber auch viele, die unserer Magenschleimhaut und unserer Seele weniger guttun. Ja, der Gedanke überfällt uns manchmal: Ginge es mir ohne Kinder nicht viel besser? Das darf man höchstens denken, es auszusprechen, ist natürlich bei Todesstrafe verboten. Eines der letzten Tabus. Warum eigentlich? Wir wagen die Behauptung, dass die meisten Eltern Momente der restlosen Überforderung und Verärgerung genauso gut kennen wie Momente, in denen ihnen beim Anblick ihrer Kinder das Herz stehen bleibt vor Stolz und Liebe. Beides gehört zum Elternsein, beides ist völlig normal.
Mütter wie Väter sind heute enormem Druck ausgesetzt: Es wird eine perfekte Erziehung der Kinder erwartet, geistig intellektuelle wie emotionale Bildung ist gefragt, damit die Kinder zu den Leistungsträgern der Zukunft werden können. Glücklich, sportlich, klug und erfolgreich sollen die Kinder sein. An diesem Ziel wird gemessen, ob Mutter und Vater es richtig gemacht haben, ob sie gute oder Rabeneltern sind. »Am Ende des Lebens ist nicht entscheidend, wie viel wir beruflich geleistet haben«, sagte Jackie Onassis einmal, »sondern ob wir ein gutes Verhältnis zu unseren Kindern hatten. Wenn nämlich nicht, ist der Rest unwichtig.« Sind also immer die Eltern schuld?
Seien wir doch einmal ehrlich: Erziehungsarbeit ist Schwerstarbeit. Sie erfordert Kraft, Ausdauer, Verzicht, Frust rationsfähigkeit, Leidenschaft, Aufmerksamkeit, Präsenz, Konsequenz und vieles, vieles mehr. Und das alles ohne Ausbildung und Erziehungsführerschein. Und niemand lobt einen dafür, niemand sagt: »Also, wie du deine Kinder er- zogen hast - Hut ab!« Und vor allem sagt einem niemand, dass es nie aufhört.
Ja, es stimmt: Eltern werden, ist nicht schwer, Eltern sein dagegen sehr! Deshalb will dieses Buch Ratgeber und Trostschrift zugleich sein, auf jeden Fall ein verständnis- und humorvoller Begleiter. Es möchte Müttern und Vätern zeigen, wie sie sich selbst, den Partner und letztendlich auch ihre Kinder durch unrealistische Glückserwartungen belasten und überfordern. Wir, zwei Mütter, die mit ihren eigenen Kindern durch Himmel und manchmal Hölle gegangen sind, sprechen aus und lassen von anderen betroffenen Eltern erzählen, was immer noch ein großes Tabu ist. Nämlich dass Elternsein das größte vorstellbare Glück, aber auch der größte vorstellbare Stress sein kann. Und manchmal auch das größte vorstellbare Unglück. Wir berichten von Pleiten, Pech und Pannen im Erziehungsalltag. Fühlen wir uns alle nicht gleich viel besser, wenn wir davon lesen und feststel- len, dass wir damit nicht allein sind? Plötzlich erscheint das eigene Kind nicht mehr so problematisch. Und alles relativiert sich wieder.
Ihre
Eva Gerberding und Evelyn Holst
»Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne« - Schwangerschaftsfantasien
»Warum zeugt man ein Kind? Aus Liebe, aus Langeweile und aus Angst vor dem Tod. Die drei wesentlichen Bestandteile des Lebens. Kinderzeugen ist allgemein verständlich, und doch kennen nur wenige Eltern die Wahrheit: Es ist das Ende des Lebens.« So schreibt die Französin Éliette Abécassis in ihrem Roman Ein freudiges Ereignis. Klingt ein bisschen anders als das, was bei uns an Schwangerschaftslektüre nach dem Motto »Hurra, endlich schwanger!« in den Regalen der Buchhandlungen steht. Aber die Französin als solche ist nicht nur eleganter und besser frisiert als die deutsche Mutti, sondern auch etwas realistischer und zynischer. Deswegen bekommt sie trotzdem Kinder, im Schnitt sogar fast doppelt so viele wie unsere mageren 1,4 (wie sieht eigentlich ein 0,4-Kind aus?), aber sie ist dabei nicht sentimental, lechzt nicht so gefühls- und hormontriefend nach dem rosa Bündel mit den süßen Grübchen wie die deutsche Frau, wenn ihre biologische Uhr TOCK, TOCK, TOCK macht! Sie kriegt einfach Kinder, die sie noch im Windelalter in der »Crèche« abgibt, danach stöckelt sie auf High Heels wieder ins Büro. Ohne den Hauch eines schlechten Gewissens. Frage: Wer hat je eine französische Mami im Schlabberlook auf einem Spielplatz gesehen?
Bei uns dagegen haben Schwangerschaft und Mutterschaft oft etwas Sakrales - zu Recht, denn es ist ein Wunder, wenn ein kleiner Mensch in einem größeren heranwächst.
Es ist auch kein esoterischer Quatsch, wenn die werdende Mami »Lass es Liebe sein« singt und in Richtung Bauchnabel fragt: »Na, mein kleiner Schatz, hörst du Rosenstolz auch so gern wie ich?« Die mütterliche Stimme ist nämlich das Eindrucksvollste, was das Ungeborene im Mutterleib hören kann. Über ihre Wirbelsäule und ihr Becken läuft der Ton direkt ins Innenohr des Fötus. Und dabei entstehen Schwingungen, die es fühlen kann. »Das Ungeborene badet regelrecht in der mütterlichen Stimme«, sagt deshalb Ludwig Janus, Psychologe für Pränatales, in GEO kompakt. Auch die Körpergeräusche hört das Ungeborene mit, den Herzschlag, das Darmgurgeln, das Rauschen des Blutes, aber nicht nur das, es spürt auch die Befindlichkeit seiner Mutter. Ist sie glücklich, synchronisieren sich nämlich ihre Körpergeräusche, die Bauchdecke wird weich, die Bauchhöhle weit und kuschelig. Ist sie dagegen unzufrieden, wird die Bauch decke hart und der Fötus zusammengedrückt.
Kein Wunder, dass viele Frau en in dieser Zeit zu Heiligen werden, manchmal allerdings zu sehr spaßfreien und übervorsichtigen Heiligen. Sowie der Schwangerschaftstest positiv ist, darf in Gegenwart der zukünftigen Mami nicht mehr geraucht werden, sie selbst nascht neun Monate lang weder an einem Mon Chéri noch lässt sie sich die Haare färben. Eine völlig überflüssige Vorsichtsmaßnahme, sagen Friseure, auch während der Stillzeit muss Mami nicht mit hässlichem Haarwuchs herumlaufen.
Geht es nicht vielleicht etwas normaler? Seit Millionen von Jahren werden Frauen schwanger, ohne dass die Welt vor Ehrfurcht stehen bleibt. Natürlich ist Schwangersein wunderschön, wenn der richtige Mann auf der zweiten Betthälfte liegt, möglichst gut verdient und auch Lust auf Nachwuchs hat. Und davor - ungeschützter, wilder Sex mit dem Gedanken: Jetzt machen wir ein Baby! Es gibt nichts Besseres!
Göttertropfen statt Blumenstrauß
Endlich schwanger! Wir wünschen Ihnen von ganzem Herzen, dass Sie, liebe Leserin, dazugehören. Dass Sie nach einer rauschenden Liebesnacht von dem Mann Ihres Lebens schwanger werden, während der Schwangerschaft wie eine blühende Rose aussehen, höchstens fünfzehn Pfund zunehmen, Ihr Baby entspannt La Paloma pfeifend auf die Welt bringen und drei Tage später bereits für die jüngere Schwester von Heidi Klum gehalten werden, weil Ihr postnataler Bauch noch straffer ist als ihrer. Natürlich wird Ihr Baby direkt nach seiner beschwingten Geburt durchschlafen, nie in die Pubertät kommen und seinen Eltern immer nur Freude machen. Genauso wie wir bei der nächsten Ziehung sechs Richtige im Lotto haben werden, plus Zusatzzahl.
Bei den meisten von uns gestaltet sich das Thema leider etwas komplizierter. Manchmal fehlt der richtige Mann, dann gibt es mehrere Möglichkeiten: Samenbank, One-Night-Stand, männliche Freunde einladen und sie bitten, statt Blumen ein ganz persönliches Geschenk im Reagenzglas mitzubringen. Aber das ist ein anderes Thema (Wer sagt, dass Sperma glücklich macht?), das wir an dieser Stelle nicht vertiefen wollen.
Gehen wir einfach davon aus, dass in Ihrem Leben alle Koordinaten stimmen. Ihr Partner fühlt sich genauso fortpflanzungsgeneigt wie Sie, die Wohnung ist groß genug für ein schönes, helles Kinderzimmer und das Konto sagt auch: Ja, ich will. Jetzt müssen Sie nur noch schwanger werden! Na und? Die leichteste Übung der Welt, denken Sie. Schließlich sehen Sie in Ihrer Nachbarschaft nur noch Frauen mit Doppelkinderkarren oder dicken Bäuchen. Also, Pille ins Klo gespült, Kondome weggelegt, auf geht's!
Tja, und dann ist der dritte Schwangerschaftstest wieder negativ und das große Körperlauschen beginnt, das, mit dem Sie in den nächsten Monaten, vielleicht Jahren, Ihre Umwelt verrückt machen werden. Sie sich selbst natürlich ganz be- sonders. Aber wen der Babyvirus einmal gepackt hat, der
kann nicht anders. Und Babybesessenheit ist ein ganz
besonders hartnäckiger Vertreter seiner Art.
Ist mir schon schlecht? Spüre ich ein Ziehen in den Brüsten? Im Bauch? Sind etwa meine Tage wieder im Anmarsch, wo ich doch zur Eisprungzeit jede Nacht Sex hatte und so müde war, dass ich dabei fast eingeschlafen wäre? Jede Frau, die gern schwanger wäre, kennt diese Wut und Trauer, wenn sie im Restaurant diesen typischen ziehenden Schmerz im Unterbauch spürt, voller böser Vorahnungen in die Damentoilette geht und dort den roten Fleck in ihrer Unterhose sieht, der alle ihre schönsten Hoffnungen zunichtemacht. Kennt die Anstrengung, die es dann kostet, wieder an den Tisch zurückzugehen und »Alles gut« zu sagen, wenn besorgt gefragt wird, ob alles in Ordnung sei.
Warum es immer nur bei allen anderen klappt...
Das ist die größte Angst von allen: Klappt es irgendwann noch? Spielt mein Körper überhaupt mit? Oder werden meine Fortpflanzungsorgane langsam verdorren? Werde ich später eine dieser kinderlosen Greisinnen sein, die mit ihrem Stock die Kinder von den Blumenbeeten jagt? Die wochenlang tot in der Wohnung liegt, bevor den Nachbarn der Leichengeruch auffällt? Auch fantasieärmere Frauen entwickeln zu diesem Thema die blühendsten Schreckensbilder.
Es ist die größte Wut von allen: Warum klappt es bei allen anderen, nur bei mir nicht? Ohnmächtig zu erleben, wie der Körper scheinbar grundlos versagt, das kann zum nächtlichen Knirschen bis zur Zahnschiene führen. Nur schwer sind sie dann zu ertragen, diese glücklichen Schwangeren, die demonstrativ ihren Fünfmonatsbauch in enge Shirts oder Hängerchen quetschen und flöten: »Ich bin ja sooo verliebt in meinen dicken Bauch!« Freundinnen zu treffen mit frisch geschlüpften Babys, sie in den Arm gelegt zu bekommen, an ihnen zu schnüffeln und sie dann wieder zurückgeben zu müssen - all das ist Folter, FOLTER, FOLTER!
Aber dann, wenn wir am wenigsten mit ihm rechnen, kommt er, der magische Moment, an dem unser Gynäkologe seine Gummihandschuhe auszieht, uns anlächelt und sagt: »Herzlichen Glückwunsch, Sie sind schwanger!« Das ist der Moment, den Sie in sich konservieren sollten. Halten Sie ihn ganz fest, brennen Sie ihn in Ihre mentale Festplatte ein, denn dieser Adrenalinschub, diese überwältigende Glücksrausch, diese absolute Gewissheit »Mein Leben ist perfekt!« - all das ist kein Dauer zustand, sondern nur eine Momentaufnahme.
Alles liegt noch vor Ihnen - das erste zahnlose Lächeln, das erste Umdrehen auf dem Wickeltisch, das erste Krabbeln, die ersten Schritte. Mit Sicherheit wird es aber auch andere Momente geben, in denen Ihr Kind Sie ärgern, langweilen, anstrengen und unglücklich machen wird. Und Sie werden das nur ertragen können, wenn Sie sich an den Moment erinnern, als Ihr Gynäkologe zu Ihnen sagte, dass Sie schwanger seien, und Sie fest davon überzeugt waren, jetzt werde alles gut. Ihr Baby, Ihr ganz persönlicher Glücksbringer - nichts ändert das Leben einer Frau radikaler als ihr Bauch, in dem sie neues Leben austrägt.
© Südwest Verlag
Moskau. Eine kleine Zweizimmerwohnung. Ich (Eva Gerberding) interviewe gerade die Gulag-Überlebende Irina W. für eine arte-Dokumentation. Die über Achtzigjährige erzählt Schreckliches über ihre Zeit im Straflager. Plötzlich geht eine Tür auf, ein grauhaariger Mann im Pyjama schlurft gruß- los an uns vorbei. »Wer ist das?«, frage ich. Die alte Rus- sin seufzt tief. »Das ist mein Sohn Fjodor«, sagt sie. »Seine zweite Frau hat ihn gerade rausgeschmissen und weil er arbeitslos ist und säuft, hat er kein Geld. Deshalb ist er wieder bei mir eingezogen.«
Okay, wir sind nicht in Russland und dieser Fall ist sicherlich extrem. Aber was ihn für uns interessant machte, ist die Frage, die er aufwirft: Wer sagt eigentlich, dass Kinder (immer) glücklich machen?
Niemand. Trotzdem lieben wir unsere Kinder. Sehr sogar. Mehr als alles auf der Welt. Als sie Babys waren, standen wir nachts an ihren Betten, aus Angst, sie würden aufhören zu atmen. Später, als Teenies, ertrugen wir ihre schlechte Laune, vermüllte Kinderzimmer und das Wissen, dass sie uns oft auf den Mond wünschten. Wir sie übrigens auch. Während der Pubertät hatten wir oft das Gefühl, nur als »Portemonnaie auf zwei Beinen« geschätzt zu werden. Und heute sind wir froh, wenn sie uns nur halb so oft sehen wollen wie wir sie.
Jedes Stadium ist unterschiedlich, jedes hat unfassbar schöne Seiten, aber auch viele, die unserer Magenschleimhaut und unserer Seele weniger guttun. Ja, der Gedanke überfällt uns manchmal: Ginge es mir ohne Kinder nicht viel besser? Das darf man höchstens denken, es auszusprechen, ist natürlich bei Todesstrafe verboten. Eines der letzten Tabus. Warum eigentlich? Wir wagen die Behauptung, dass die meisten Eltern Momente der restlosen Überforderung und Verärgerung genauso gut kennen wie Momente, in denen ihnen beim Anblick ihrer Kinder das Herz stehen bleibt vor Stolz und Liebe. Beides gehört zum Elternsein, beides ist völlig normal.
Mütter wie Väter sind heute enormem Druck ausgesetzt: Es wird eine perfekte Erziehung der Kinder erwartet, geistig intellektuelle wie emotionale Bildung ist gefragt, damit die Kinder zu den Leistungsträgern der Zukunft werden können. Glücklich, sportlich, klug und erfolgreich sollen die Kinder sein. An diesem Ziel wird gemessen, ob Mutter und Vater es richtig gemacht haben, ob sie gute oder Rabeneltern sind. »Am Ende des Lebens ist nicht entscheidend, wie viel wir beruflich geleistet haben«, sagte Jackie Onassis einmal, »sondern ob wir ein gutes Verhältnis zu unseren Kindern hatten. Wenn nämlich nicht, ist der Rest unwichtig.« Sind also immer die Eltern schuld?
Seien wir doch einmal ehrlich: Erziehungsarbeit ist Schwerstarbeit. Sie erfordert Kraft, Ausdauer, Verzicht, Frust rationsfähigkeit, Leidenschaft, Aufmerksamkeit, Präsenz, Konsequenz und vieles, vieles mehr. Und das alles ohne Ausbildung und Erziehungsführerschein. Und niemand lobt einen dafür, niemand sagt: »Also, wie du deine Kinder er- zogen hast - Hut ab!« Und vor allem sagt einem niemand, dass es nie aufhört.
Ja, es stimmt: Eltern werden, ist nicht schwer, Eltern sein dagegen sehr! Deshalb will dieses Buch Ratgeber und Trostschrift zugleich sein, auf jeden Fall ein verständnis- und humorvoller Begleiter. Es möchte Müttern und Vätern zeigen, wie sie sich selbst, den Partner und letztendlich auch ihre Kinder durch unrealistische Glückserwartungen belasten und überfordern. Wir, zwei Mütter, die mit ihren eigenen Kindern durch Himmel und manchmal Hölle gegangen sind, sprechen aus und lassen von anderen betroffenen Eltern erzählen, was immer noch ein großes Tabu ist. Nämlich dass Elternsein das größte vorstellbare Glück, aber auch der größte vorstellbare Stress sein kann. Und manchmal auch das größte vorstellbare Unglück. Wir berichten von Pleiten, Pech und Pannen im Erziehungsalltag. Fühlen wir uns alle nicht gleich viel besser, wenn wir davon lesen und feststel- len, dass wir damit nicht allein sind? Plötzlich erscheint das eigene Kind nicht mehr so problematisch. Und alles relativiert sich wieder.
Ihre
Eva Gerberding und Evelyn Holst
»Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne« - Schwangerschaftsfantasien
»Warum zeugt man ein Kind? Aus Liebe, aus Langeweile und aus Angst vor dem Tod. Die drei wesentlichen Bestandteile des Lebens. Kinderzeugen ist allgemein verständlich, und doch kennen nur wenige Eltern die Wahrheit: Es ist das Ende des Lebens.« So schreibt die Französin Éliette Abécassis in ihrem Roman Ein freudiges Ereignis. Klingt ein bisschen anders als das, was bei uns an Schwangerschaftslektüre nach dem Motto »Hurra, endlich schwanger!« in den Regalen der Buchhandlungen steht. Aber die Französin als solche ist nicht nur eleganter und besser frisiert als die deutsche Mutti, sondern auch etwas realistischer und zynischer. Deswegen bekommt sie trotzdem Kinder, im Schnitt sogar fast doppelt so viele wie unsere mageren 1,4 (wie sieht eigentlich ein 0,4-Kind aus?), aber sie ist dabei nicht sentimental, lechzt nicht so gefühls- und hormontriefend nach dem rosa Bündel mit den süßen Grübchen wie die deutsche Frau, wenn ihre biologische Uhr TOCK, TOCK, TOCK macht! Sie kriegt einfach Kinder, die sie noch im Windelalter in der »Crèche« abgibt, danach stöckelt sie auf High Heels wieder ins Büro. Ohne den Hauch eines schlechten Gewissens. Frage: Wer hat je eine französische Mami im Schlabberlook auf einem Spielplatz gesehen?
Bei uns dagegen haben Schwangerschaft und Mutterschaft oft etwas Sakrales - zu Recht, denn es ist ein Wunder, wenn ein kleiner Mensch in einem größeren heranwächst.
Es ist auch kein esoterischer Quatsch, wenn die werdende Mami »Lass es Liebe sein« singt und in Richtung Bauchnabel fragt: »Na, mein kleiner Schatz, hörst du Rosenstolz auch so gern wie ich?« Die mütterliche Stimme ist nämlich das Eindrucksvollste, was das Ungeborene im Mutterleib hören kann. Über ihre Wirbelsäule und ihr Becken läuft der Ton direkt ins Innenohr des Fötus. Und dabei entstehen Schwingungen, die es fühlen kann. »Das Ungeborene badet regelrecht in der mütterlichen Stimme«, sagt deshalb Ludwig Janus, Psychologe für Pränatales, in GEO kompakt. Auch die Körpergeräusche hört das Ungeborene mit, den Herzschlag, das Darmgurgeln, das Rauschen des Blutes, aber nicht nur das, es spürt auch die Befindlichkeit seiner Mutter. Ist sie glücklich, synchronisieren sich nämlich ihre Körpergeräusche, die Bauchdecke wird weich, die Bauchhöhle weit und kuschelig. Ist sie dagegen unzufrieden, wird die Bauch decke hart und der Fötus zusammengedrückt.
Kein Wunder, dass viele Frau en in dieser Zeit zu Heiligen werden, manchmal allerdings zu sehr spaßfreien und übervorsichtigen Heiligen. Sowie der Schwangerschaftstest positiv ist, darf in Gegenwart der zukünftigen Mami nicht mehr geraucht werden, sie selbst nascht neun Monate lang weder an einem Mon Chéri noch lässt sie sich die Haare färben. Eine völlig überflüssige Vorsichtsmaßnahme, sagen Friseure, auch während der Stillzeit muss Mami nicht mit hässlichem Haarwuchs herumlaufen.
Geht es nicht vielleicht etwas normaler? Seit Millionen von Jahren werden Frauen schwanger, ohne dass die Welt vor Ehrfurcht stehen bleibt. Natürlich ist Schwangersein wunderschön, wenn der richtige Mann auf der zweiten Betthälfte liegt, möglichst gut verdient und auch Lust auf Nachwuchs hat. Und davor - ungeschützter, wilder Sex mit dem Gedanken: Jetzt machen wir ein Baby! Es gibt nichts Besseres!
Göttertropfen statt Blumenstrauß
Endlich schwanger! Wir wünschen Ihnen von ganzem Herzen, dass Sie, liebe Leserin, dazugehören. Dass Sie nach einer rauschenden Liebesnacht von dem Mann Ihres Lebens schwanger werden, während der Schwangerschaft wie eine blühende Rose aussehen, höchstens fünfzehn Pfund zunehmen, Ihr Baby entspannt La Paloma pfeifend auf die Welt bringen und drei Tage später bereits für die jüngere Schwester von Heidi Klum gehalten werden, weil Ihr postnataler Bauch noch straffer ist als ihrer. Natürlich wird Ihr Baby direkt nach seiner beschwingten Geburt durchschlafen, nie in die Pubertät kommen und seinen Eltern immer nur Freude machen. Genauso wie wir bei der nächsten Ziehung sechs Richtige im Lotto haben werden, plus Zusatzzahl.
Bei den meisten von uns gestaltet sich das Thema leider etwas komplizierter. Manchmal fehlt der richtige Mann, dann gibt es mehrere Möglichkeiten: Samenbank, One-Night-Stand, männliche Freunde einladen und sie bitten, statt Blumen ein ganz persönliches Geschenk im Reagenzglas mitzubringen. Aber das ist ein anderes Thema (Wer sagt, dass Sperma glücklich macht?), das wir an dieser Stelle nicht vertiefen wollen.
Gehen wir einfach davon aus, dass in Ihrem Leben alle Koordinaten stimmen. Ihr Partner fühlt sich genauso fortpflanzungsgeneigt wie Sie, die Wohnung ist groß genug für ein schönes, helles Kinderzimmer und das Konto sagt auch: Ja, ich will. Jetzt müssen Sie nur noch schwanger werden! Na und? Die leichteste Übung der Welt, denken Sie. Schließlich sehen Sie in Ihrer Nachbarschaft nur noch Frauen mit Doppelkinderkarren oder dicken Bäuchen. Also, Pille ins Klo gespült, Kondome weggelegt, auf geht's!
Tja, und dann ist der dritte Schwangerschaftstest wieder negativ und das große Körperlauschen beginnt, das, mit dem Sie in den nächsten Monaten, vielleicht Jahren, Ihre Umwelt verrückt machen werden. Sie sich selbst natürlich ganz be- sonders. Aber wen der Babyvirus einmal gepackt hat, der
kann nicht anders. Und Babybesessenheit ist ein ganz
besonders hartnäckiger Vertreter seiner Art.
Ist mir schon schlecht? Spüre ich ein Ziehen in den Brüsten? Im Bauch? Sind etwa meine Tage wieder im Anmarsch, wo ich doch zur Eisprungzeit jede Nacht Sex hatte und so müde war, dass ich dabei fast eingeschlafen wäre? Jede Frau, die gern schwanger wäre, kennt diese Wut und Trauer, wenn sie im Restaurant diesen typischen ziehenden Schmerz im Unterbauch spürt, voller böser Vorahnungen in die Damentoilette geht und dort den roten Fleck in ihrer Unterhose sieht, der alle ihre schönsten Hoffnungen zunichtemacht. Kennt die Anstrengung, die es dann kostet, wieder an den Tisch zurückzugehen und »Alles gut« zu sagen, wenn besorgt gefragt wird, ob alles in Ordnung sei.
Warum es immer nur bei allen anderen klappt...
Das ist die größte Angst von allen: Klappt es irgendwann noch? Spielt mein Körper überhaupt mit? Oder werden meine Fortpflanzungsorgane langsam verdorren? Werde ich später eine dieser kinderlosen Greisinnen sein, die mit ihrem Stock die Kinder von den Blumenbeeten jagt? Die wochenlang tot in der Wohnung liegt, bevor den Nachbarn der Leichengeruch auffällt? Auch fantasieärmere Frauen entwickeln zu diesem Thema die blühendsten Schreckensbilder.
Es ist die größte Wut von allen: Warum klappt es bei allen anderen, nur bei mir nicht? Ohnmächtig zu erleben, wie der Körper scheinbar grundlos versagt, das kann zum nächtlichen Knirschen bis zur Zahnschiene führen. Nur schwer sind sie dann zu ertragen, diese glücklichen Schwangeren, die demonstrativ ihren Fünfmonatsbauch in enge Shirts oder Hängerchen quetschen und flöten: »Ich bin ja sooo verliebt in meinen dicken Bauch!« Freundinnen zu treffen mit frisch geschlüpften Babys, sie in den Arm gelegt zu bekommen, an ihnen zu schnüffeln und sie dann wieder zurückgeben zu müssen - all das ist Folter, FOLTER, FOLTER!
Aber dann, wenn wir am wenigsten mit ihm rechnen, kommt er, der magische Moment, an dem unser Gynäkologe seine Gummihandschuhe auszieht, uns anlächelt und sagt: »Herzlichen Glückwunsch, Sie sind schwanger!« Das ist der Moment, den Sie in sich konservieren sollten. Halten Sie ihn ganz fest, brennen Sie ihn in Ihre mentale Festplatte ein, denn dieser Adrenalinschub, diese überwältigende Glücksrausch, diese absolute Gewissheit »Mein Leben ist perfekt!« - all das ist kein Dauer zustand, sondern nur eine Momentaufnahme.
Alles liegt noch vor Ihnen - das erste zahnlose Lächeln, das erste Umdrehen auf dem Wickeltisch, das erste Krabbeln, die ersten Schritte. Mit Sicherheit wird es aber auch andere Momente geben, in denen Ihr Kind Sie ärgern, langweilen, anstrengen und unglücklich machen wird. Und Sie werden das nur ertragen können, wenn Sie sich an den Moment erinnern, als Ihr Gynäkologe zu Ihnen sagte, dass Sie schwanger seien, und Sie fest davon überzeugt waren, jetzt werde alles gut. Ihr Baby, Ihr ganz persönlicher Glücksbringer - nichts ändert das Leben einer Frau radikaler als ihr Bauch, in dem sie neues Leben austrägt.
© Südwest Verlag
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Autoren-Porträt von Evelyn Holst, Eva Gerberding
Evelyn Holst hat Englisch und Geschichte studiert und danach dreizehn Jahre für den STERN gearbeitet, die letzten fünf davon in New York. Sie hat zahlreiche Bücher und Drehbücher geschrieben und ist einem Millionenpublikum durch ihre BILD-Kolumne "Evas Welt" bekannt. Evelyn Holst ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt mit ihrer Familie in ihrer Heimatstadt Hamburg.Eva Gerberding ist Expertin für russische Kunst und Literatur. Für diverse Funkanstalten ebenso wie für Printmedien berichtete sie aus Russland. Als Filmemacherin dreht sie Dokumentationen zu kulturellen und gesellschaftlichen Themen (u.a. für WDR, 3sat, arte) und hat auch für verschiedene Museen begleitende Filme für deren Ausstellungen gedreht. Außerdem schreibt sie sehr erfolgreiche Reisebücher. Eva Gerberding ist verheiratet, hat zwei Kinder und eine Enkeltochter. Sie lebt in Hamburg.
Bibliographische Angaben
- Autoren: Evelyn Holst , Eva Gerberding
- 2012, Neuauflage, 208 Seiten, Maße: 13,5 x 21,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Südwest
- ISBN-10: 351708767X
- ISBN-13: 9783517087672
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