Zwei Millionen ham'ma erledigt
Odilo Globocnik - Hitlers Manager des Todes
SS-Brigadeführer Odilo Globocnik ist Manager: Manager des Todes. Seine Geschäfte sind der millionenfache Massenmord und der Raub jüdischen Eigentums. Reichsführer-SS Heinrich Himmler protegiert den ehrgeizigen Kärntner und bewundert seine Energie, Joseph...
Leider schon ausverkauft
Buch (Gebunden)
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Produktdetails
Produktinformationen zu „Zwei Millionen ham'ma erledigt “
Klappentext zu „Zwei Millionen ham'ma erledigt “
SS-Brigadeführer Odilo Globocnik ist Manager: Manager des Todes. Seine Geschäfte sind der millionenfache Massenmord und der Raub jüdischen Eigentums. Reichsführer-SS Heinrich Himmler protegiert den ehrgeizigen Kärntner und bewundert seine Energie, Joseph Goebbels fasziniert seine barbarische Methode , Hitler lässt den fanatischen Antisemiten wohlwollend gewähren: Odilo Globocnik, ab November 1939 SS- und Polizeiführer im Distrikt Lublin, entwickelt fantastische Pläne zur Verdeutschung des eroberten Landes. Sein monströser Vorschlag zur physischen Vernichtung der polnischen Juden durch Giftgas findet im Herbst 1941 rasch die Zustimmung Berlins, ab dem März 1942 rollen die Todeszüge in die neu errichteten Vernichtungslager Belzec, Sobibór und Treblinka. Mit der von Globocnik geleiteten Aktion Reinhardt erreicht der industrielle Massenmord eine bisher noch nie da gewesene Dimension, bis zum September 1943 sterben allein in den Gaskammern etwa 1,5 Millionen Menschen. Globus , wie er von seinen Freunden genannt wird, kennt keine Rücksicht und keine Reue. Zwei Millionen ham ma erledigt , wird Globocnik im Mai 1945 mit zynischer Brutalität feststellen, er selbst mit dem Regime untergehen
Lese-Probe zu „Zwei Millionen ham'ma erledigt “
Zwei Millionen ham´ma erledigtOtto Globocnik - Hitlers Manager des Todes
von Johannes Sachslehner
... mehr
Die Geschichte Odilo Globocniks ist die Geschichte eines jungen
Österreichers, der kein Österreicher sein wollte. Österreich,
so meinte der in Triest geborene und in Kärnten aufgewachsene
junge Mann, wäre die falsche Heimat, seine richtige jedoch
Deutschland. Für die Erreichung dieses Ziels wurde er zum
Hochverräter und Handlanger des Nazi-Regimes, zum Exekutor
millionenfachen Mordes.
Odilo Globocnik war ein Mann des Befehls, eine wahre „Befehlsmaschine“.
Er führte Befehle aus und erteilte Befehle; ja, seine
Sehnsucht war der Befehl, gab es keinen klaren Befehl, so fühlte er
sich unsicher und bat seine Vorgesetzten um Präzisierung. Genau
diese Haltung verlangte er auch von seinen Mitarbeitern: Befehle
waren um jeden Preis auszuführen. Das war die eine Seite. Die
andere Seite war sein brennender Ehrgeiz, der ihn träumen ließ:
von einem neuen „Musterstaat“ und von gigantischen Projekten,
mit denen sein Name verbunden sein würde. Und er sehnte sich
nach den Zeichen, die davon erzählen würden: nach dem Blutorden
und dem Eisernen Kreuz, nach in Erz gegossenen Tafeln.
Er gilt als der „blutigste Einpeitscher von Judenvernichtung und
Germanisierung“ im Generalgouvernement, der polnischen Kolonie
des Dritten Reiches. Einen „archetypischen Nazi-Bluthund
und Freibeuter“ nennt ihn Arno J. Mayer, Hitler-Biograf Joachim
C. Fest spricht von einem „Mörder aus Profession“, Joseph
Poprzeczny charakterisiert ihn als genocidal killer und Heinrich
Himmlers most vicious wartime accomplice, als one of the most
bestial murderers of Jews and Poles that the 20th century was to
produce – doch ist Odilo Globocnik trotz all dieser markigen
Zuschreibungen ein Mann ohne „Gesicht“ geblieben. Er, der
„Juden-Liquidator“ und „barbarische Judenvernichter“ (Heinz
Höhne), ist in der Literatur über den Holocaust im Generalgouvernement
allgegenwärtig, taucht in Zeugenaussagen und Berichten
auf und wird in Gerichtsurteilen gegen die Mörder in seinen
Diensten als „Haupttäter“ genannt. Dennoch bleibt seine Gestalt
seltsam unbestimmt.
Tatsächlich reicht es nicht, Globocnik als Monster abzustempeln.
Wer seine Persönlichkeit verstehen will, muss viel genauer hinsehen.
Ja, er war ein „angenehmer Chef“, sagt seine Sekretärin Wilhelmine
„Mimi“ Trsek. Ein sensibler Typ, der sich nach dem Besuch
eines Lagers und den dort gewonnenen Eindrücken angeblich
tagelang in seinem Schlafzimmer einschloss. Ein Mann mit
außergewöhnlichem „Organisationstalent“ und von schnellen
Entschlüssen, dem die Zauderer vom Schlag eines Seyß-Inquart
und die hohlen Schaumschläger wie Hans Frank suspekt sind.
Ein „Wichtigtuer, der es verstand, seine Person gehörig in den
Vordergrund zu stellen und seine Phantasiegebilde von Plänen so
darzustellen, als ob sie größtenteils schon verwirklicht wären“,
und der „alles allein und am besten“ machen wollte, wie Rudolf
Höß, der Kommandant von Auschwitz, urteilte: „Ob es sich
um Judenvernichtungen oder um Polenumsiedlungen handelte
oder um die Verwertung der beschlagnahmten Werte“ – Globocnik
wollte unbedingt „an der Spitze stehen“ und konnte einfach
„nicht genug bekommen“. Er „übertrieb maßlos, bei jeder sich
bietenden Gelegenheit, war aber“, wie Höß meint, „an und für
sich ein gutmütiger Mensch“. Was er „an Bösem anrichtete, geschah
nach m(einem) Erachten nur aus Großtuerei, Wichtigmachen
und Selbstüberhebung“.
Er war ein Hochverräter, der den „Anschluss“ Österreichs an das
Dritte Reich nach Kräften förderte, und ein skrupelloser Handlanger,
der auf Befehl Heinrich Himmlers kaltblütig den industriellen
Massenmord planen und durchführen ließ. Ein schlechter
Verlierer, zerfressen von Ehrgeiz, der seine Niederlagen nicht
wahrhaben will. Ein abenteuerlustiger „Geschäftsmann“, einem
guten Handel niemals abgeneigt, auch nicht mit jüdischen Partnern.
Kein großer Ideologe, sondern ein auf den „Erfolg“ ausgerichteter
Pragmatiker, dem jedes Mittel recht ist – Odilo Globocniks
Geschichte ist die Geschichte eines jungen Mannes, der
bereit war, sein Menschsein an den „Führer“ und dessen Gehilfen
auszuliefern …
In der Sautratten - Letzte Spuren eines NS-„Haupttäters“
Das Navigationsgerät lotst uns sicher nach Aifersdorf in der
Gemeinde Paternion. Felder, grüne Wiesen, Bauernhöfe,
gleich das erste Haus rechts soll es sein. Wir halten, fragen
zwei Nachbarn – einer von ihnen ist, wie sich später herausstellen
wird, Stefan Sodat, der Lauberhornsieger von 1965. Karl
Schranz, Karl Cordin und alle anderen Abfahrtslegenden hat er
damals hinter sich gelassen. Ja, der alte Herr Köfler würde noch
leben und er sei auch zu Hause. Wir haben Glück: Während wir
noch plaudern, kommt er auch schon des Weges, Stefan Sodat
stellt uns vor. Jemand würde mit ihm über die „Beerdigung“ von
Odilo Globocnik reden wollen. Helmut Köfler, Jahrgang 1927,
ehemals Gendarmeriebeamter in Paternion, ist ein rüstiger alter
Herr und Zeitzeuge. Im Mai 1944 hat er als noch nicht Siebzehnjähriger
zur Wehrmacht einrücken müssen und schließlich in der
1. Gebirgsjägerdivision gedient; am 8. oder 9. Mai 1945 sei er nach
Hause zurückgekommen. Gerne ist er bereit, uns die Stelle zu
zeigen, an der der Globocnik begraben oder besser „verscharrt“
worden ist. Ohne zu zögern steigt er ins Auto, gemeinsam fahren
wir hinunter zur „Sautratten“ am Drauufer; einst haben die Dorfbewohner
hierher ihre Schweine getrieben, das Grundstück war
eine Art von gemeinsamem Besitz, der auch gemeinsam genutzt
wurde. Wir halten neben einer saftig-grünen Wiese, eingezäunt
mit Stacheldraht. Helmut Köfler zeigt auf eine Stelle mitten in der
Wiese: Genau hier sei die Stelle, an der die Briten damals die Leiche
des Nazi-Verbrechers begraben hätten. Einst stand hier noch
eine Heuhütte, die eine bessere Orientierung erlaubte – etwa
35 Meter in südöstlicher Richtung von der Hütte entfernt befand
sich die Grabstätte. Jetzt ist nur mehr die tiefgrüne Wiese
zu sehen, nichts mehr erinnert an die Geschehnisse vom 31. Mai
1945 – kein Hinweisschild, nichts. Odilo Globocnik ist unter
diesem Grün an der Drau verschwunden.
1958 stellt der Glasermeister und Paternioner Gemeinderat
Friedrich Plöb, ehemals NS-Kreispropagandaleiter, den Antrag,
das Grab von Odilo Globocnik auf der Parzelle Nr. 4/2 KG
Paternion auszuforschen und eine Exhumierung auf Kosten der
Gemeinde durchzuführen. Der Antrag wird vom Gemeinderat
genehmigt; Plöb setzt sich mit Globocniks Witwe Laurentia
„Lore“ in Verbindung, die jedoch eine Exhumierung ablehnt –
sie wolle ihrem Sohn Peter „die Aufregung ersparen“. Friedrich
Plöb versucht das Grab in der „Sautratten“ daraufhin auf eigene
Faust zu finden, scheitert jedoch, „da jeder, der angeblich den
Platz kannte, an Ort und Stelle nicht angeben konnte, wo das
Grab sein könnte“.
Über die Sache scheint Gras zu wachsen, doch dann gibt es plötzlich
hektische neue Nachforschungen, dieses Mal von Seiten der
Staatspolizei. Auslöser sind zwei Briefe von Simon Wiesenthal
an Justizminister Christian Broda vom 1. und 2. Juni 1964. Darin
erklärt Wiesenthal, dass Globocnik, der in Österreich durch
Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 1. Juli 1949 für tot
erklärt worden war, an der Costa Brava in Spanien, in Irland und
in Argentinien gesehen worden sei. Er appelliere daher an den
Bundesminister, die Todeserklärungen Globocniks und anderer
hoher Nazifunktionäre überprüfen zu lassen. Broda, durch einen
Artikel in der Wiener Zeitung vom 13. August 1964 unter dem
Titel „Leben 250 Naziführer unter falschem Namen?“ weiter unter
Druck geraten, ersucht die Staatspolizei, Abteilung 2 C, um
neue Ermittlungen.
Am 18. August 1964 spricht ein Polizeibeamter mit Lore Globocnik,
Friedrich Plöb und Helmut Köfler, der über seine Beobachtungen
Folgendes „niederschriftlich“ zu Protokoll gibt: „An
einem Tage gegen Ende Mai oder anfangs Juni 1945, der nähere
Zeitpunkt ist mir nicht mehr erinnerlich, war ich auf einem Felde
innerhalb des Gemeindegebietes von Paternion, ‚In der Sautratten‘,
mit landwirtschaftlichen Arbeiten am Grundstücke meines
außerehelichen Vaters Johann Santer beschäftigt. Ich konnte bemerken,
dass 2 ungarische Soldaten, welche sich offensichtlich in
englischer Kriegsgefangenschaft befanden, auf einer Wiese, die
mit englischem Kriegsmaterial, Panzern und Fahrzeugen belegt
war, ein Loch ausschaufelten. Kurze Zeit danach kam ein englischer
Militärwagen zum ausgehobenen Erdloch. Es war ein Dodge-
LKW. Ich sah auch einige englische Militärpolizisten. Einige
Männer öffneten sodann die rückwärtige Bordwand und hoben
eine männliche Leiche vom Plateau. Die Leiche wurde sofort in
das bereitstehende Grab gelegt. Das Grab wurde zugeschaufelt,
jedoch rollte ein mit englischen Soldaten besetztes Raupenfahrzeug
sofort mehrmals über das Grab. Im Herbst 1945 war eine
Herbstbestellung des Gebietes „In der Sautratten“ nicht mehr
möglich, weil das gesamte Gebiet mit englischen Fahrzeugen bedeckt
war. Es ist mir erinnerlich, dass ich im Juni 1946 mit einer
Pferde-Mähmaschine auf dem Grundstück, wo sich das Grab befindet,
Mäharbeiten verrichtete.
Als ich auf der Mähmaschine saß, spürte ich auf der Stelle, wo
seinerzeit die Leiche beigesetzt worden war, eine deutliche Vertiefung.
Es ist mir noch erinnerlich, dass am gleichen Tage, als
die vorgeschilderte Beerdigung stattfand, innerhalb der Gemeinde
Paternion öffentlich davon gesprochen wurde, dass ‚sich der
Gauleiter Globocnik im Schlosshof Paternion vergiftet hatte‘.
Aus diesem Grunde nahm ich an und bin auch gegenwärtig der
Meinung, dass im gegenständlichen Grabe Gauleiter Globocnik
beigesetzt worden war. Die Bevölkerung von Paternion sprach
zwar öffentlich davon, dass Globocnik ‚auf der Sautratten‘ beerdigt
wurde, den genauen Platz kannte jedoch niemand. Ich habe
auch niemals bemerkt, dass nach dem Krieg das Grab gepflegt
worden war. Offensichtlich kennen auch die nächsten Verwandten
des Globocnik das Grab desselben nicht.
Ich war bis zum Jahre 1952 bei meinem Vater Johann Santer als
landwirtschaftlicher Arbeiter beschäftigt. Aus diesem Anlass
habe ich jährlich die Umgebung des Grabes mehrmals betreten
und die Feldbestellung durchgeführt. Es ist mir niemals eine Veränderung
in der Umgebung des Grabes aufgefallen, weshalb mit
ziemlicher Bestimmtheit angenommen werden kann, dass niemals
eine Exhumierung stattfand. Es ist auch kaum anzunehmen,
dass irgend jemand anderer die Stelle kannte und eventuell den
Leichnam eigenmächtig entfernte.
Ich bin jederzeit in der Lage, die Stelle des Grabes aufzufinden.
Sonst habe ich meinen Angaben nichts Wesentliches mehr hinzuzufügen.“
Für den ermittelnden Polizeibeamten, der sich von Köfler den
Platz in der „Sautratten“ zeigen lässt, ist es „mit Rücksicht auf die
von Köfler geschilderten Umstände wahrscheinlich, daß an dieser
Stelle das Grab Globocniks liegt“; da in den von Lore Globocnik
bereitwillig zur Verfügung gestellten Augenzeugenberichten britischer
Offiziere – darunter auch ein Schreiben des Commanding
Captain, Squadron 4th Queen’s Own Hussars, vom 16. Januar
1949 – der Selbstmord des Naziführers bestätigt wird, resümiert
die Staatspolizei am 4. September 1964, dass „mit großer Wahrscheinlichkeit“
angenommen werden könne, „daß der ehemalige
SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei, welcher als
SS- und Polizeiführer Lublin das ausführende Organ Himmlers
für die millionenfachen Morde an Juden im Raume von Lublin
gewesen ist, am 31. 5. 1945 sich durch Selbstmord gerichtet“
habe. Mit dieser Erkenntnis werden die Nachforschungen eingestellt,
von einer Exhumierung der Leiche wird trotz letzter Zweifel
schließlich abgesehen; für das offizielle Österreich stellen sich
keine Fragen mehr.
Es ist eine körperliche Erfahrung, die Helmut Köfler über lange
Jahre hinweg an das Vorhandensein des Globocnik-Grabes erinnert:
Bei den Mäharbeiten in der „Sautratten“, so erzählt er uns,
habe er die Unebenheit im Gelände immer wieder deutlich gespürt
© Styria Premium
Die Geschichte Odilo Globocniks ist die Geschichte eines jungen
Österreichers, der kein Österreicher sein wollte. Österreich,
so meinte der in Triest geborene und in Kärnten aufgewachsene
junge Mann, wäre die falsche Heimat, seine richtige jedoch
Deutschland. Für die Erreichung dieses Ziels wurde er zum
Hochverräter und Handlanger des Nazi-Regimes, zum Exekutor
millionenfachen Mordes.
Odilo Globocnik war ein Mann des Befehls, eine wahre „Befehlsmaschine“.
Er führte Befehle aus und erteilte Befehle; ja, seine
Sehnsucht war der Befehl, gab es keinen klaren Befehl, so fühlte er
sich unsicher und bat seine Vorgesetzten um Präzisierung. Genau
diese Haltung verlangte er auch von seinen Mitarbeitern: Befehle
waren um jeden Preis auszuführen. Das war die eine Seite. Die
andere Seite war sein brennender Ehrgeiz, der ihn träumen ließ:
von einem neuen „Musterstaat“ und von gigantischen Projekten,
mit denen sein Name verbunden sein würde. Und er sehnte sich
nach den Zeichen, die davon erzählen würden: nach dem Blutorden
und dem Eisernen Kreuz, nach in Erz gegossenen Tafeln.
Er gilt als der „blutigste Einpeitscher von Judenvernichtung und
Germanisierung“ im Generalgouvernement, der polnischen Kolonie
des Dritten Reiches. Einen „archetypischen Nazi-Bluthund
und Freibeuter“ nennt ihn Arno J. Mayer, Hitler-Biograf Joachim
C. Fest spricht von einem „Mörder aus Profession“, Joseph
Poprzeczny charakterisiert ihn als genocidal killer und Heinrich
Himmlers most vicious wartime accomplice, als one of the most
bestial murderers of Jews and Poles that the 20th century was to
produce – doch ist Odilo Globocnik trotz all dieser markigen
Zuschreibungen ein Mann ohne „Gesicht“ geblieben. Er, der
„Juden-Liquidator“ und „barbarische Judenvernichter“ (Heinz
Höhne), ist in der Literatur über den Holocaust im Generalgouvernement
allgegenwärtig, taucht in Zeugenaussagen und Berichten
auf und wird in Gerichtsurteilen gegen die Mörder in seinen
Diensten als „Haupttäter“ genannt. Dennoch bleibt seine Gestalt
seltsam unbestimmt.
Tatsächlich reicht es nicht, Globocnik als Monster abzustempeln.
Wer seine Persönlichkeit verstehen will, muss viel genauer hinsehen.
Ja, er war ein „angenehmer Chef“, sagt seine Sekretärin Wilhelmine
„Mimi“ Trsek. Ein sensibler Typ, der sich nach dem Besuch
eines Lagers und den dort gewonnenen Eindrücken angeblich
tagelang in seinem Schlafzimmer einschloss. Ein Mann mit
außergewöhnlichem „Organisationstalent“ und von schnellen
Entschlüssen, dem die Zauderer vom Schlag eines Seyß-Inquart
und die hohlen Schaumschläger wie Hans Frank suspekt sind.
Ein „Wichtigtuer, der es verstand, seine Person gehörig in den
Vordergrund zu stellen und seine Phantasiegebilde von Plänen so
darzustellen, als ob sie größtenteils schon verwirklicht wären“,
und der „alles allein und am besten“ machen wollte, wie Rudolf
Höß, der Kommandant von Auschwitz, urteilte: „Ob es sich
um Judenvernichtungen oder um Polenumsiedlungen handelte
oder um die Verwertung der beschlagnahmten Werte“ – Globocnik
wollte unbedingt „an der Spitze stehen“ und konnte einfach
„nicht genug bekommen“. Er „übertrieb maßlos, bei jeder sich
bietenden Gelegenheit, war aber“, wie Höß meint, „an und für
sich ein gutmütiger Mensch“. Was er „an Bösem anrichtete, geschah
nach m(einem) Erachten nur aus Großtuerei, Wichtigmachen
und Selbstüberhebung“.
Er war ein Hochverräter, der den „Anschluss“ Österreichs an das
Dritte Reich nach Kräften förderte, und ein skrupelloser Handlanger,
der auf Befehl Heinrich Himmlers kaltblütig den industriellen
Massenmord planen und durchführen ließ. Ein schlechter
Verlierer, zerfressen von Ehrgeiz, der seine Niederlagen nicht
wahrhaben will. Ein abenteuerlustiger „Geschäftsmann“, einem
guten Handel niemals abgeneigt, auch nicht mit jüdischen Partnern.
Kein großer Ideologe, sondern ein auf den „Erfolg“ ausgerichteter
Pragmatiker, dem jedes Mittel recht ist – Odilo Globocniks
Geschichte ist die Geschichte eines jungen Mannes, der
bereit war, sein Menschsein an den „Führer“ und dessen Gehilfen
auszuliefern …
In der Sautratten - Letzte Spuren eines NS-„Haupttäters“
Das Navigationsgerät lotst uns sicher nach Aifersdorf in der
Gemeinde Paternion. Felder, grüne Wiesen, Bauernhöfe,
gleich das erste Haus rechts soll es sein. Wir halten, fragen
zwei Nachbarn – einer von ihnen ist, wie sich später herausstellen
wird, Stefan Sodat, der Lauberhornsieger von 1965. Karl
Schranz, Karl Cordin und alle anderen Abfahrtslegenden hat er
damals hinter sich gelassen. Ja, der alte Herr Köfler würde noch
leben und er sei auch zu Hause. Wir haben Glück: Während wir
noch plaudern, kommt er auch schon des Weges, Stefan Sodat
stellt uns vor. Jemand würde mit ihm über die „Beerdigung“ von
Odilo Globocnik reden wollen. Helmut Köfler, Jahrgang 1927,
ehemals Gendarmeriebeamter in Paternion, ist ein rüstiger alter
Herr und Zeitzeuge. Im Mai 1944 hat er als noch nicht Siebzehnjähriger
zur Wehrmacht einrücken müssen und schließlich in der
1. Gebirgsjägerdivision gedient; am 8. oder 9. Mai 1945 sei er nach
Hause zurückgekommen. Gerne ist er bereit, uns die Stelle zu
zeigen, an der der Globocnik begraben oder besser „verscharrt“
worden ist. Ohne zu zögern steigt er ins Auto, gemeinsam fahren
wir hinunter zur „Sautratten“ am Drauufer; einst haben die Dorfbewohner
hierher ihre Schweine getrieben, das Grundstück war
eine Art von gemeinsamem Besitz, der auch gemeinsam genutzt
wurde. Wir halten neben einer saftig-grünen Wiese, eingezäunt
mit Stacheldraht. Helmut Köfler zeigt auf eine Stelle mitten in der
Wiese: Genau hier sei die Stelle, an der die Briten damals die Leiche
des Nazi-Verbrechers begraben hätten. Einst stand hier noch
eine Heuhütte, die eine bessere Orientierung erlaubte – etwa
35 Meter in südöstlicher Richtung von der Hütte entfernt befand
sich die Grabstätte. Jetzt ist nur mehr die tiefgrüne Wiese
zu sehen, nichts mehr erinnert an die Geschehnisse vom 31. Mai
1945 – kein Hinweisschild, nichts. Odilo Globocnik ist unter
diesem Grün an der Drau verschwunden.
1958 stellt der Glasermeister und Paternioner Gemeinderat
Friedrich Plöb, ehemals NS-Kreispropagandaleiter, den Antrag,
das Grab von Odilo Globocnik auf der Parzelle Nr. 4/2 KG
Paternion auszuforschen und eine Exhumierung auf Kosten der
Gemeinde durchzuführen. Der Antrag wird vom Gemeinderat
genehmigt; Plöb setzt sich mit Globocniks Witwe Laurentia
„Lore“ in Verbindung, die jedoch eine Exhumierung ablehnt –
sie wolle ihrem Sohn Peter „die Aufregung ersparen“. Friedrich
Plöb versucht das Grab in der „Sautratten“ daraufhin auf eigene
Faust zu finden, scheitert jedoch, „da jeder, der angeblich den
Platz kannte, an Ort und Stelle nicht angeben konnte, wo das
Grab sein könnte“.
Über die Sache scheint Gras zu wachsen, doch dann gibt es plötzlich
hektische neue Nachforschungen, dieses Mal von Seiten der
Staatspolizei. Auslöser sind zwei Briefe von Simon Wiesenthal
an Justizminister Christian Broda vom 1. und 2. Juni 1964. Darin
erklärt Wiesenthal, dass Globocnik, der in Österreich durch
Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 1. Juli 1949 für tot
erklärt worden war, an der Costa Brava in Spanien, in Irland und
in Argentinien gesehen worden sei. Er appelliere daher an den
Bundesminister, die Todeserklärungen Globocniks und anderer
hoher Nazifunktionäre überprüfen zu lassen. Broda, durch einen
Artikel in der Wiener Zeitung vom 13. August 1964 unter dem
Titel „Leben 250 Naziführer unter falschem Namen?“ weiter unter
Druck geraten, ersucht die Staatspolizei, Abteilung 2 C, um
neue Ermittlungen.
Am 18. August 1964 spricht ein Polizeibeamter mit Lore Globocnik,
Friedrich Plöb und Helmut Köfler, der über seine Beobachtungen
Folgendes „niederschriftlich“ zu Protokoll gibt: „An
einem Tage gegen Ende Mai oder anfangs Juni 1945, der nähere
Zeitpunkt ist mir nicht mehr erinnerlich, war ich auf einem Felde
innerhalb des Gemeindegebietes von Paternion, ‚In der Sautratten‘,
mit landwirtschaftlichen Arbeiten am Grundstücke meines
außerehelichen Vaters Johann Santer beschäftigt. Ich konnte bemerken,
dass 2 ungarische Soldaten, welche sich offensichtlich in
englischer Kriegsgefangenschaft befanden, auf einer Wiese, die
mit englischem Kriegsmaterial, Panzern und Fahrzeugen belegt
war, ein Loch ausschaufelten. Kurze Zeit danach kam ein englischer
Militärwagen zum ausgehobenen Erdloch. Es war ein Dodge-
LKW. Ich sah auch einige englische Militärpolizisten. Einige
Männer öffneten sodann die rückwärtige Bordwand und hoben
eine männliche Leiche vom Plateau. Die Leiche wurde sofort in
das bereitstehende Grab gelegt. Das Grab wurde zugeschaufelt,
jedoch rollte ein mit englischen Soldaten besetztes Raupenfahrzeug
sofort mehrmals über das Grab. Im Herbst 1945 war eine
Herbstbestellung des Gebietes „In der Sautratten“ nicht mehr
möglich, weil das gesamte Gebiet mit englischen Fahrzeugen bedeckt
war. Es ist mir erinnerlich, dass ich im Juni 1946 mit einer
Pferde-Mähmaschine auf dem Grundstück, wo sich das Grab befindet,
Mäharbeiten verrichtete.
Als ich auf der Mähmaschine saß, spürte ich auf der Stelle, wo
seinerzeit die Leiche beigesetzt worden war, eine deutliche Vertiefung.
Es ist mir noch erinnerlich, dass am gleichen Tage, als
die vorgeschilderte Beerdigung stattfand, innerhalb der Gemeinde
Paternion öffentlich davon gesprochen wurde, dass ‚sich der
Gauleiter Globocnik im Schlosshof Paternion vergiftet hatte‘.
Aus diesem Grunde nahm ich an und bin auch gegenwärtig der
Meinung, dass im gegenständlichen Grabe Gauleiter Globocnik
beigesetzt worden war. Die Bevölkerung von Paternion sprach
zwar öffentlich davon, dass Globocnik ‚auf der Sautratten‘ beerdigt
wurde, den genauen Platz kannte jedoch niemand. Ich habe
auch niemals bemerkt, dass nach dem Krieg das Grab gepflegt
worden war. Offensichtlich kennen auch die nächsten Verwandten
des Globocnik das Grab desselben nicht.
Ich war bis zum Jahre 1952 bei meinem Vater Johann Santer als
landwirtschaftlicher Arbeiter beschäftigt. Aus diesem Anlass
habe ich jährlich die Umgebung des Grabes mehrmals betreten
und die Feldbestellung durchgeführt. Es ist mir niemals eine Veränderung
in der Umgebung des Grabes aufgefallen, weshalb mit
ziemlicher Bestimmtheit angenommen werden kann, dass niemals
eine Exhumierung stattfand. Es ist auch kaum anzunehmen,
dass irgend jemand anderer die Stelle kannte und eventuell den
Leichnam eigenmächtig entfernte.
Ich bin jederzeit in der Lage, die Stelle des Grabes aufzufinden.
Sonst habe ich meinen Angaben nichts Wesentliches mehr hinzuzufügen.“
Für den ermittelnden Polizeibeamten, der sich von Köfler den
Platz in der „Sautratten“ zeigen lässt, ist es „mit Rücksicht auf die
von Köfler geschilderten Umstände wahrscheinlich, daß an dieser
Stelle das Grab Globocniks liegt“; da in den von Lore Globocnik
bereitwillig zur Verfügung gestellten Augenzeugenberichten britischer
Offiziere – darunter auch ein Schreiben des Commanding
Captain, Squadron 4th Queen’s Own Hussars, vom 16. Januar
1949 – der Selbstmord des Naziführers bestätigt wird, resümiert
die Staatspolizei am 4. September 1964, dass „mit großer Wahrscheinlichkeit“
angenommen werden könne, „daß der ehemalige
SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei, welcher als
SS- und Polizeiführer Lublin das ausführende Organ Himmlers
für die millionenfachen Morde an Juden im Raume von Lublin
gewesen ist, am 31. 5. 1945 sich durch Selbstmord gerichtet“
habe. Mit dieser Erkenntnis werden die Nachforschungen eingestellt,
von einer Exhumierung der Leiche wird trotz letzter Zweifel
schließlich abgesehen; für das offizielle Österreich stellen sich
keine Fragen mehr.
Es ist eine körperliche Erfahrung, die Helmut Köfler über lange
Jahre hinweg an das Vorhandensein des Globocnik-Grabes erinnert:
Bei den Mäharbeiten in der „Sautratten“, so erzählt er uns,
habe er die Unebenheit im Gelände immer wieder deutlich gespürt
© Styria Premium
... weniger
Autoren-Porträt von Johannes Sachslehner
Johannes Sachslehner, geboren 1957 in Scheibbs, studierte an der Universität Wien Germanistik und Geschichte (Dr. phil.) und unterrichtete von 1982 bis 1985 an der Jagiellonen-Universität Krakau als Gastlektor für deutsche Sprache und Literatur. Seit 1989 Verlagslektor. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt erschienen bei Styria Premium seine Bände Schicksalsorte Österreichs sowie 365 Schicksalstage Österreichs und Unterirdisches Österreich (mit Robert Bouchal).
Bibliographische Angaben
- Autor: Johannes Sachslehner
- 2014, 352 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 13,5 x 21,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Styria
- ISBN-10: 3222134499
- ISBN-13: 9783222134494
- Erscheinungsdatum: 20.10.2014
Kommentar zu "Zwei Millionen ham'ma erledigt"
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Zwei Millionen ham'ma erledigt".
Kommentar verfassen