Morgen wirst Du frei sein (ePub)
"Als ich zu mir kam, lag ich auf dem Küchenboden. Vor mir, nicht einen Meter entfernt, meine Mutter. Ihr rechtes Auge war halb geschlossen, das linke glotzte mich an. Das Gesicht wirkte so verrutscht wie der Bademantel, der den Blick auf ein geblümtes...
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Produktinformationen zu „Morgen wirst Du frei sein (ePub)“
"Als ich zu mir kam, lag ich auf dem Küchenboden. Vor mir, nicht einen Meter entfernt, meine Mutter. Ihr rechtes Auge war halb geschlossen, das linke glotzte mich an. Das Gesicht wirkte so verrutscht wie der Bademantel, der den Blick auf ein geblümtes Nachthemd und das faltige Dekolletee freigab. Die Haut zerknülltes Wachspapier, die Haare wie vom Sturm zerwühlt.
Ich schaute weg.
Ein Messer lag unter dem Tisch. Ich erkannte es, es steckte für gewöhnlich in dem hölzernen Messerblock an der Spüle. Es war jenes, das mein Vater verwendet hatte, um Gulasch zu schneiden.
Es hatte braune Flecken.
Ich hatte niemals eine Leiche gesehen. Jetzt hatte ich zweifellos eine vor mir.
Ich drehte den Kopf und sah das Blut. Nicht viel, aber deutlich erkennbar auf dem weißen Frottee.
Ich hatte keine Ahnung, was passiert war.
Ich erinnerte mich nicht an einen Streit zwischen uns, nur an die Nachrichten. Es ging um den Euro, um die Krise in Griechenland, um eskalierende Demonstrationen in Spanien. Die Kanzlerin rief zu Besonnenheit und Sparsamkeit auf. Die Versuche Irans, ein Atomkraftwerk zu bauen, waren ebenfalls ein Thema. Der Wetterbericht fehlte bereits in meiner Erinnerung.
Meine Mutter brühte sich an kühlen Abenden Kräutertee. Aber was wollte ich in der Küche?
Ich schauderte, konnte mich aber nicht abwenden. So blieb ich unbeweglich dort auf dem Fliesenboden, fror, begann zu zittern, dann zu weinen.
Ich fühlte zu viel, um mit diesem Aufruhr in meinem Inneren umgehen zu können. Einsamkeit. Verzweiflung. Schuld. Angst. Doch als ich meine Mutter da liegen sah, still und stumm, stellte sich ein weiteres Gefühl ein.
Erleichterung.
Und das löste Panik aus."
Ich schaute weg.
Ein Messer lag unter dem Tisch. Ich erkannte es, es steckte für gewöhnlich in dem hölzernen Messerblock an der Spüle. Es war jenes, das mein Vater verwendet hatte, um Gulasch zu schneiden.
Es hatte braune Flecken.
Ich hatte niemals eine Leiche gesehen. Jetzt hatte ich zweifellos eine vor mir.
Ich drehte den Kopf und sah das Blut. Nicht viel, aber deutlich erkennbar auf dem weißen Frottee.
Ich hatte keine Ahnung, was passiert war.
Ich erinnerte mich nicht an einen Streit zwischen uns, nur an die Nachrichten. Es ging um den Euro, um die Krise in Griechenland, um eskalierende Demonstrationen in Spanien. Die Kanzlerin rief zu Besonnenheit und Sparsamkeit auf. Die Versuche Irans, ein Atomkraftwerk zu bauen, waren ebenfalls ein Thema. Der Wetterbericht fehlte bereits in meiner Erinnerung.
Meine Mutter brühte sich an kühlen Abenden Kräutertee. Aber was wollte ich in der Küche?
Ich schauderte, konnte mich aber nicht abwenden. So blieb ich unbeweglich dort auf dem Fliesenboden, fror, begann zu zittern, dann zu weinen.
Ich fühlte zu viel, um mit diesem Aufruhr in meinem Inneren umgehen zu können. Einsamkeit. Verzweiflung. Schuld. Angst. Doch als ich meine Mutter da liegen sah, still und stumm, stellte sich ein weiteres Gefühl ein.
Erleichterung.
Und das löste Panik aus."
Autoren-Porträt von Claudia Martini
Claudia Martini schreibt unter Pseudonym. Sie lebt und arbeitet in der Nähe von München und im Schwarzwald.
Bibliographische Angaben
- Autor: Claudia Martini
- Altersempfehlung: 12 - 18 Jahre
- 2013, 1. Auflage, 209 Seiten, Deutsch
- Verlag: epubli
- ISBN-10: 3844252878
- ISBN-13: 9783844252873
- Erscheinungsdatum: 03.04.2013
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eBook Informationen
- Dateiformat: ePub
- Größe: 0.39 MB
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