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  • 4 Sterne

    6 von 9 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    claudi-1963, 19.06.2021

    Als Buch bewertet

    "Nein, ich bin nicht verrückt - mir ist jetzt klar, dass dies hier nicht die Hölle ist - bis auf die wenigen Male, die ich wieder vergesse, dass ich in einer Nervenklinik in der normalen Welt bin." (Buchauszug)
    Während zwei Nächten in einer Nervenklinik vertraut Heleen der Nachtschwester vom Dienst ihre Lebensgeschichte an. Dabei erzählt sie von ihrer Kindheit in einer protestantischen Großfamilie. Als Älteste der Kinder muss sie schon früh im Haushalt mithelfen und ihre anderen acht Geschwister versorgen. Als dann der Vater einen Unfall erleidet und fortan bettlägerig ist, erhält sie noch mehr Verantwortung. Unverhofft kommt dann noch ihre jüngste Schwester Lientje zur Welt, für die Heleen fast wie eine Art Mutterersatz wird. Eine viel zu frühe Anstellung lässt sie dann aus ihrem Elternhaus entfliehen. Durch ihre Schönheit findet sie später einen reichen Mann, den sie heiratet und mit dem sie nie glücklich wird. Erst nach der Trennung von ihm lernt sie ihre wahre Liebe kennen, die sie durch ihre Eifersucht und Zweifel selbst zerstört.

    Meine Meinung:
    Die Geschichte "Die Beichte einer Nacht", entstanden im Jahr 1930, ist in vielen Dingen eine Geschichte, die noch immer modern ist. Selbst heute noch können Ängste, Zweifel, Depression und Eifersucht oft zu Katastrophen führen. Aufgebaut ist sie einzig und allein auf Heleens Monolog in diesen beiden Nächten.Trotz allem ist dies kein einfacher Roman, den man mal so nebenbei liest, da er doch recht anspruchsvoll und deprimierend ist. Schon alleine die Kindheit von Heleen, die im Grunde gar keine hatte, da sie viel zu früh Erwachsen sein musste. Zudem heute völlig unverständlich, dass ein Ehepaar zehn Kinder in die Welt setzt, obwohl sie körperlich und von ihren Verhältnissen aus sich diese gar nicht leisten können. Doch sicher waren Kinder zur damaligen Zeit die Altersversorgung der Eltern. Sie mussten sich um die Eltern kümmern, ob materiell oder fürsorglich sie später oft noch pflegen. Von daher hatten gerade ärmliche Familien viele Kinder, um im Alter gut versorgt zu sein. Außerdem war zu dieser Zeit das Thema Verhütung natürlich nicht so weit wie heute und bei einer gläubigen Familie schon gar nicht. Waren doch für sie Kinder ein Geschenk Gottes. Doch zurück zu Heleen, die in zwei Nächten einer Krankenschwester ihr ganzes unglückliches Leben beichtet. Wenn man es liest, kann einem diese Frau wirklich leidtun. Hat sie doch in ihrem Leben nie richtig das Glück gefunden und als sie es hatte es sich selbst kaputtgemacht. Die Niederländerin Marianne Philips schildert hier ein Frauenbild, das zu jener Zeit, als das Buch entstand, sicherlich prägnant war. Kein Wunder, das ihr Buch zur damaligen Zeit viele Skeptiker hatte. Man muss sich vorstellen, dass zu jener Zeit Frauen oft noch gar nicht oder erst seit Kurzem wählen durften. Man musste die Ehemänner um Erlaubnis fragen, wenn man einen Beruf ausüben oder zur Schule gehen wollte und der Haushalt lag einzig und alleine in den Händen der Frau. Genauso erging es meist den Töchtern, die oft nie eine andere Wahl haben, sich ihr Leben selbst auszusuchen und stattdessen in eine Arbeitsstelle oder Heirat gedrängt wurden, wo sie vielleicht nie glücklich wurden. Kein Wunder, das diese Frauen oft mit Ängsten, Zweifel, Sehnsüchten und Depressionen behaftet waren wie Heleen. Jedoch sie versucht aus diesem Teufelskreis auszubrechen und heiratet einen reichen Mann. Leider entdeckt sie erst viel zu spät, dass sie ihn gar nicht liebt, sondern sogar abstoßend findet. Dass sie sich von ihm scheiden lässt, war damals sicherlich genauso selten gewesen. Die Autorin selbst, ebenfalls geprägt durch ihre schwere Kindheit und den viel zu frühen Tod ihrer Eltern, musste sich wie Heleen um ihre Geschwister kümmern, statt die Schule abzuschließen. Kein Wunder also, das sie versucht von der Familie weg zukommen, ihre Schule nachholt und eine leidenschaftliche Aktivistin wird, um für Verbesserungen und die Rechte von Frauen zu kämpfen. Diese Leidenschaft spiegelt sich selbst in diesem Buch wider. Zudem ist viel Biografisches enthalten, dass die Autorin eigens erlebt hat. Sie war sicherlich ihrer Zeit voraus, als sie hier diese Gedanken zu Papier brachte und sie wäre garantiert glücklich über das heutige Frauenbild. Selbst das ich mit Heleens persönlicher Sichtweise nicht immer klargekommen bin, was wahrscheinlich an ihrer psychischen Erkrankung lag, gebe ich dem Buch 4 von 5 Sterne.

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  • 5 Sterne

    4 von 6 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Philo, 28.04.2021

    Als Buch bewertet

    Das Buch ist bereits vor über 30 Jahren geschrieben worden. An einigen Stellen wird das offensichtlich. Die Krankensäle, die es damals gab, existieren gottlob heute nicht mehr, es gibt Krankenzimmer mit weniger Patienten, es sind Kranke und keine Verrückten. Heleen, die Protagonistin des Buches bemängelt, daß sie die ganze Zeit den unterschiedlichen Gepflogenheiten der vielen Patienten ausgesetzt ist, niemals kann sie abschalten oder Ruhe und Schlaf finden.

    In zwei solcher unruhigen Nächte beginnt sie, einer Nachtschwester ihr Leben zu erzählen in der Hoffnung, daß diese ihr zuhört und sie nicht zurück in den Saal schickt. Heleen spricht nur von sich und ihrem Leben, ihren Erwartungen, ihren Hoffnungen, ihrem Abweichen vom rechten Weg und warum sie letztendlich in der Nervenklinik untergeracht wurde. Es ist ein Monolog. Andere Personen kommen nicht zu Wort.

    Aufgewachsen als Älteste in einer kinderreichen Familie, die in großer Armut lebte, wurde auf Heleen nie Rücksicht genommen. Keine Wärme, keine Anerkennung, stattdessen immer nur Arbeit für die Familie, vor allem für die jüngeren Geschwister, insbesondere den Nachkömmling Lientje, die jüngste Schwester. Es gelingt ihr, eine Arbeitsstelle in einer anderen Stadt zu finden und aufgrund ihrer Schönheit findet sie einen Weg, sich Vorteile durch Männerbekanntschaften zu verschaffen. Einer unglücklichen Ehe folgt die Trennung und doch noch das große Glück in der Bekanntschaft mit Hannes, ihrer großen Liebe. Aber mit dem Älterwerden verändert sich ihr Wesen, die Schönheit schwindet und damit ihr Vertrauen in Hannes' Liebe zu ihr. Damit beginnt ihr großes Unglück.

    Ihre Erzählung holt längst vergessene Erinnerungen zurück und setzt das Lebenspuzzle zusammen. Es ist ein erschütternder Bericht, in dem der aufmerksame Leser schnell herausfindet, daß Heleen, gefangen in einer großen Sehnsucht nach einem besseren Leben und dem Wunsch, den richtigen Weg zu finden, aber zuletzt in einer tiefen Niedergeschlagenheit und Depression gefangen, ihrem Unglück nicht wird ausweichen können.

    Wie die Enkelin der Autorin im Anhang schreibt, hat Marianne Philips selbst unter Psychosen gelitten und Zeiten in einer Nervenklinik verbracht. Mit diesen Erfahrungen war es ihr möglich, schon vor so vielen Jahren dieses unglaubliche, sehr offene und ehrliche Buch zu schreiben, das ich als unbedingt lesenswert empfehlen möchte.

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  • 5 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Ruth L., 06.07.2021

    Als Buch bewertet

    Lesenswerte Wiederentdeckung
    Die Ich- Erzählerin Heleen, eine Frau Ende Dreißig, Anfang Vierzig, ist seit Monaten zur Beobachtung in einer Nervenheilanstalt. Bisher hat sie geschwiegen, doch nun hat sie das Bedürfnis, jemandem ihre Geschichte anzuvertrauen. Sie setzt sich zur Nachtschwester und beginnt zu erzählen, von Anfang an.
    Wir sind zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einem Städtchen in den Niederlanden. Heleen wächst in ärmlichen Verhältnissen in einer kinderreichen Familie auf. Schon früh muss sie als Älteste Verantwortung übernehmen. Um ihre Mutter zu entlasten, kümmert sie sich um die neun Geschwister. Mit 13 Jahren schon findet sie Arbeit als Schneiderin und trägt so zum Unterhalt ihrer Familie bei. Dabei weckt das hübsche Mädchen das Interesse eines Handelsvertreters. Heleen nutzt seine Verliebtheit, um der Enge des Elternhauses zu entfliehen. Er besorgt ihr eine Wohnung und eine Anstellung in der Stadt. Auch hier erkennt die junge Frau ihre Chancen. Sie hat Erfolg, steigt auf, bleibt aber einsam.
    Eine Ehe mit einem weitaus älteren Mann verschafft ihr gesellschaftliches Ansehen und Wohlstand. Doch schon zwei Jahre später bricht sie aus dieser unglücklichen Verbindung aus. Nach dem Tod der Mutter nimmt sie ihre jüngste Schwester Lientje bei sich auf und als sie dem ein paar Jahre jüngeren Hannes begegnet, ist ihr Glück vollkommen. Trotzdem steuert alles auf eine Katastrophe zu, die sie hierher, in die Psychiatrie, gebracht hat.
    Der Roman ist bereits 1930 erschienen. Das mag man kaum glauben, so modern mutet er an.
    Die Protagonistin ist nicht typisch für ihre Zeit und der Literatur dieser Zeit. Schon früh weiß sie, was sie will und steuert zielstrebig darauf zu. „ Ich war tatsächlich ein wenig anders als die anderen jungen Frauen. Ich traute mich etwas und tat, was mir beliebte;...“
    Sie schafft es, sich aus ihrem Milieu zu befreien und aufzusteigen, auch wenn sie dafür ihren Preis zahlen muss. Abschreckend mag das Beispiel ihrer Mutter ihr vor Augen stehen. „ ...ob Mutter wusste, dass sie lebend in der Hölle gelandet war.“
    Ihre Schönheit verleiht ihr Macht über Männer. Das weiß sie bald, für ihre Zwecke zu nutzen.
    Heleen ist eine starke und unabhängige Frau, bis sie die Liebe trifft. Da steigert sich ihre Angst, diese wieder zu verlieren, ins Wahnhafte. Es ist erschreckend zu lesen, wie jemand sein Glück zerstört, weil er das Gefühl hat, er habe es nicht verdient.
    Die Ich- Erzählerin ist eine Protagonistin, die man nicht so schnell wieder vergisst. Doch sie ist keine Frau, die man ins Herz schließt, kein Opfer, das man bedauert. Das möchte sie auch nicht sein. Immer wieder betont sie, dass niemand Schuld trägt an ihrem Schicksal, dass sie frei ihre Entscheidungen getroffen hat.
    Ungewöhnlich ist auch die Erzählweise. Der ganze Roman ist ein langer Monolog, erzählt in zwei Nächten. Adressat eine namenlose Nachtschwester, die aber wenig Reaktionen zeigt auf das Gehörte. Der Leser rückt gewissermaßen in deren Position. Gespannt folgt er der Erzählerin, denn er möchte wissen, was sie hierher gebracht hat in die Nervenheilanstalt.
    Das Buch schließt mit einem informativen Nachwort von Judith Belinfante, der Enkelin der Autorin. Diese beleuchtet darin das Leben und das literarische Werk , sowie das politische Schaffen ihrer Großmutter. Marianne Philips war eine Frau, die sich politisch engagiert hat , sich aber auch mit den Abgründen der weiblichen Psyche beschäftigt hat. In „ Die Beichte einer Nacht“ hat die Autorin Teile ihrer eigenen Biographie ( Herkunft und Kindheit ) verarbeitet; das Schreiben an diesem Roman war auch Teil ihrer eigenen Therapie.
    „ Die Beichte einer Nacht“ ist kein Buch, das Freude macht beim Lesen. Zu beklemmend die Geschichte, zu schrecklich ihr Ende. Trotzdem lohnt sich diese Wieder- Entdeckung!

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  • 5 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Miss.mesmerized, 28.04.2021

    Als Buch bewertet

    Eine Frau kann nicht schlafen, zu sehr stören sie die anderen, die sich in dem Gemeinschaftsschlafsaal der Nervenklinik aufhalten. Sie geht zur Nachtschwester und merkt, dass sie sich plötzlich nach Monaten des Schweigens öffnen und von all dem erzählen kann, was sie an diesen Ort geführt hat. Stumm hört die andere ihr zu, erfährt von der entbehrungsreichen Kindheit als ältestes von zehn Kindern, das früh schon mit anpacken musste. Der gehässige Vater und schon bald der Wunsch, dem Elend zu entkommen. Als Schneiderin und später Verkäuferin gelingt er der Sprung in die Stadt und Bekanntschaft mit reichen Herren, die sie anbeten und gerne ihr Geld für sie ausgeben. Eine gescheiterte Ehe, der finanzielle Ruin und dann unerwartet doch noch die große Liebe – aber offenbar hatte das Leben kein Happy End für Heleen vorgesehen, sonst wäre sie nicht dort in der Klinik, weggesperrt vor der Öffentlichkeit.

    Marianne Philips war ihrer Zeit in vielerlei Hinsicht voraus. Drei Kinder konnten sie nicht von einer politischen Karriere abhalten, das Schreiben entdeckte sie erst spät, wobei ihr das Veröffentlichen ab 1940 als Jüdin verboten war. In „Die Beichte einer Nacht“ sind sicherlich ihre eigenen Erfahrungen mit eingeflossen, da sie nach der Geburt ihrer ersten Tochter einige Wochen in einer Klinik war, aber auch sonst weist der Roman zahlreiche Parallelen zu ihrem Leben auf. Er ist ein einziger Stream of Consciousness, als wenn jemand die Tore weit geöffnet hätte, fließt es einfach so aus der Erzählerin heraus.

    „Seltsam ist das, es gibt Augenblicke, in denen hat man tatsächlich die Wahl. Damals vor dem Bahnhof erkannte ich glasklar, dass ich die Wahl hatte: unser Städtchen und ein bisschen Mühsal, aber auch Ruhe – oder Groenmans und das Unbekannte. „

    Es ist zunächst die Geschichte eines Mädchens mit Träumen, dem sich plötzlich eine Chance bietet, die sie ergreift. Sie erkennt, was ihr ob der Herkunft alles fehlt, um in der oberen Gesellschaft mitzuhalten, aber konsequent arbeitet sie an sich, bleibt bescheiden und höflich und so öffnen sich immer mehr Türen für sie. Zunächst unter dem Schutz des Kaufmanns Groenmans, später des Unternehmers Camelot entwickelt sie sich zur begehrten Dame, die Luxus erkennt und ihn lieben lernt. Die erste Ehe eine Farce, geblendet von der Bildung des Mannes erkennt sie ihn nicht, bis sie sich befreit und bereit ist, noch einmal von vorne anzufangen. Mit Hannes und der deutlich jüngeren Schwester Lientje, die sie zu sich genommen hat, scheint das Glück perfekt.

    Es ist jedoch nicht nur die Entwicklung vom Entlein zum Schwan, sondern die Selbstreflexion der Erzählerin, die den Reiz der Geschichte ausmacht. Sie beschönigt dabei nichts, benennt ihre Fehler und Unzulänglichkeiten und weiß, weshalb alles in diesem Chaos enden musste. Am Ende ist sie allein, nicht einmal mehr Gott steht ihr bei. Sie muss mit sich selbst und dem, was sie getan hat, Frieden schließen.

    Man kann kaum glauben, dass der Roman schon vor 90 Jahren verfasst wurde, zeitlos ist die Geschichte des hoffnungsvollen Aufstiegs und schlussendlichen Niedergangs. Dabei reißt Marianne Philips die großen Fragen des Lebens auf: Glück, Glaube und der Platz in der Welt. Eine sprachgewaltige Introspektion einer faszinierenden Protagonistin.

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  • 5 Sterne

    1 von 2 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    skandinavischbook, 11.06.2021

    Als Buch bewertet

    Meine Meinung:
    Dieses Buch gleicht durchaus einem Klassiker und ist auch in seiner stilistischen Ausfertigung auf diesen höchsten Niveau einzustufen und hat mich wirklich umgehauen. Die Autorin hat einen sehr besonderen, ganz zarten und dennoch sehr schnörkellosen Schreibstil, der den Leser ohne Umschweife packt und dabei in eine Geschichte hineinzieht, die gelungener kaum sein könnte und mich restlos begeistert hat.
    Die Protagonistin des Romans ist einmalig in ihrer Ausarbeitung, von einer Stärke und Diversität, wie ich es selten in einen Buch lesen dürfte und die mich wirklich ausgesprochen sehr faszinieren konnte. Hinzu kommt eine Tiefgründigkeit, eine so noch bei erzählten Geschichte, die manchmal skurril, manchmal emotional und stets wunderbar geschriebene ist!

    Mein Fazit:
    Einfach nur eine grandiose und wunderbare Lektüre !

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  • 5 Sterne

    Ruth L., 06.07.2021 bei bewertet

    Als Buch bewertet

    Lesenswerte Wiederentdeckung
    Die Ich- Erzählerin Heleen, eine Frau Ende Dreißig, Anfang Vierzig, ist seit Monaten zur Beobachtung in einer Nervenheilanstalt. Bisher hat sie geschwiegen, doch nun hat sie das Bedürfnis, jemandem ihre Geschichte anzuvertrauen. Sie setzt sich zur Nachtschwester und beginnt zu erzählen, von Anfang an.
    Wir sind zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einem Städtchen in den Niederlanden. Heleen wächst in ärmlichen Verhältnissen in einer kinderreichen Familie auf. Schon früh muss sie als Älteste Verantwortung übernehmen. Um ihre Mutter zu entlasten, kümmert sie sich um die neun Geschwister. Mit 13 Jahren schon findet sie Arbeit als Schneiderin und trägt so zum Unterhalt ihrer Familie bei. Dabei weckt das hübsche Mädchen das Interesse eines Handelsvertreters. Heleen nutzt seine Verliebtheit, um der Enge des Elternhauses zu entfliehen. Er besorgt ihr eine Wohnung und eine Anstellung in der Stadt. Auch hier erkennt die junge Frau ihre Chancen. Sie hat Erfolg, steigt auf, bleibt aber einsam.
    Eine Ehe mit einem weitaus älteren Mann verschafft ihr gesellschaftliches Ansehen und Wohlstand. Doch schon zwei Jahre später bricht sie aus dieser unglücklichen Verbindung aus. Nach dem Tod der Mutter nimmt sie ihre jüngste Schwester Lientje bei sich auf und als sie dem ein paar Jahre jüngeren Hannes begegnet, ist ihr Glück vollkommen. Trotzdem steuert alles auf eine Katastrophe zu, die sie hierher, in die Psychiatrie, gebracht hat.
    Der Roman ist bereits 1930 erschienen. Das mag man kaum glauben, so modern mutet er an.
    Die Protagonistin ist nicht typisch für ihre Zeit und der Literatur dieser Zeit. Schon früh weiß sie, was sie will und steuert zielstrebig darauf zu. „ Ich war tatsächlich ein wenig anders als die anderen jungen Frauen. Ich traute mich etwas und tat, was mir beliebte;...“
    Sie schafft es, sich aus ihrem Milieu zu befreien und aufzusteigen, auch wenn sie dafür ihren Preis zahlen muss. Abschreckend mag das Beispiel ihrer Mutter ihr vor Augen stehen. „ ...ob Mutter wusste, dass sie lebend in der Hölle gelandet war.“
    Ihre Schönheit verleiht ihr Macht über Männer. Das weiß sie bald, für ihre Zwecke zu nutzen.
    Heleen ist eine starke und unabhängige Frau, bis sie die Liebe trifft. Da steigert sich ihre Angst, diese wieder zu verlieren, ins Wahnhafte. Es ist erschreckend zu lesen, wie jemand sein Glück zerstört, weil er das Gefühl hat, er habe es nicht verdient.
    Die Ich- Erzählerin ist eine Protagonistin, die man nicht so schnell wieder vergisst. Doch sie ist keine Frau, die man ins Herz schließt, kein Opfer, das man bedauert. Das möchte sie auch nicht sein. Immer wieder betont sie, dass niemand Schuld trägt an ihrem Schicksal, dass sie frei ihre Entscheidungen getroffen hat.
    Ungewöhnlich ist auch die Erzählweise. Der ganze Roman ist ein langer Monolog, erzählt in zwei Nächten. Adressat eine namenlose Nachtschwester, die aber wenig Reaktionen zeigt auf das Gehörte. Der Leser rückt gewissermaßen in deren Position. Gespannt folgt er der Erzählerin, denn er möchte wissen, was sie hierher gebracht hat in die Nervenheilanstalt.
    Das Buch schließt mit einem informativen Nachwort von Judith Belinfante, der Enkelin der Autorin. Diese beleuchtet darin das Leben und das literarische Werk , sowie das politische Schaffen ihrer Großmutter. Marianne Philips war eine Frau, die sich politisch engagiert hat , sich aber auch mit den Abgründen der weiblichen Psyche beschäftigt hat. In „ Die Beichte einer Nacht“ hat die Autorin Teile ihrer eigenen Biographie ( Herkunft und Kindheit ) verarbeitet; das Schreiben an diesem Roman war auch Teil ihrer eigenen Therapie.
    „ Die Beichte einer Nacht“ ist kein Buch, das Freude macht beim Lesen. Zu beklemmend die Geschichte, zu schrecklich ihr Ende. Trotzdem lohnt sich diese Wieder- Entdeckung!

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  • 5 Sterne

    Brenda_wolf, 06.05.2021

    Als Buch bewertet

    Der Sprung

    Heleen befindet sich in einer psychatrischen Klinik. Eines Abends setzt sie sich zur Nachtschwester und erzählt ihr ihre Lebensgeschichte in Form einer Beichte. Aufgewachsen in einer kinderreichen Familie, als Ältestes Kind musste sie schon bald Verantwortung für ihre Geschwister übernehmen. Besonders genervt ist sie von ihrer jüngsten Schwester Lientje. Einem Säugling, der ständig am Plärren ist. Beinahe hätte sie was Unüberlegtes getan. Heleen schafft den Sprung aus dem ärmlichen Milieu in eine bessere Gesellschaft. Das ihr das gelingt, hat sie vor allem ihrer Schönheit, ihrem Sinn für Ästhetik und ihrer Kreativität zu verdanken. Ihre große Liebe lernt sie ausgerechnet über Lientje kennen.

    Der Roman ist ein in Vergessenheit geratener Klassiker. Er erschien zum ersten Mal im Jahre 1930. Marianne Philips, die Autorin, wurde 1886 in Amsterdam geboren und verstarb nach einer längeren schweren Krankheit im Jahre 1951. Sie verstand das Schreiben als Therapie, weshalb auch viel Autobiographisches in das Buch eingeflossen ist. Denn auch Marianne Philips musste sich ihren Weg aus ärmlichen Verhältnissen hart erarbeiten.

    Während der Roman nur langsam an Fahrt gewinnt und die Protagonistin anfangs nur am Klagen über ihre Bettgenossinnen ist, kommt später überraschen Spannung auf. Der Roman wird in Form eines Monologs erzählt. Eine etwas gewöhnungsbedürftige Erzählweise. Für Heleen empfand ich ehrliche Bewunderung, der es gelang in dieser für Frauen chancenarmen Zeit ihren Weg zu gehen. Die Protagonistin ist mutig und zaudert nicht. Und sie kennt ihren Wert. Das betont sie immer wieder. Diese Sichtweise fand ich hoch interessant. Denn viel Menschen verkaufen sich besonders in der Arbeitswelt unter ihrem Wert. Aber kann man seinen Wert wirklich am Materiellen festmachen? Heleen macht es mir als Leserin dennoch schwer, sie wirklich sympathisch zu finden. Sie liebt ihre Außenwirkung zu stark, und kommt nicht damit zurecht, dass sie nicht die junge anziehende Frau bleibt. Hier erkenne ich große Parallelen zu Frauen aus dem heutigen Showbiz, die ihr Alter ebenfalls nicht akzeptieren können, was zum Teil groteske Ausmaße annimmt.

    In „Die Beichte einer Nacht“ geht es um starke Gefühle. Liebe, Eifersucht, Hass, Ängste. Gefühle, die die Macht haben, einen Menschen innerlich zu zerstören. Heleen werden ihrer Gefühle zum Verhängnis, sie verliert die Selbstkontrolle., wird von Zweifeln aufgefressen. Im Rückblick sieht Heleen ihren Lebensweg durchaus kritisch.

    Mich hat das Buch nach anfänglichen Schwierigkeiten stark gefesselt und ich konnte es bis zum Schluss nicht mehr aus der Hand legen. Keine leichte Lektüre, aber absolut faszinierend und zum Nachdenken anregend. Ich wurde nicht nur unterhalten, ich wurde angehalten, tiefer in die Lektüre einzutauchen und mich auch noch nach dem Lesen länger damit zu beschäftigen. Deshalb von mir eine absolute Leseempfehlung.

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  • 5 Sterne

    Monal, 16.05.2021

    Als Buch bewertet

    >Die Beichte einer Nacht< So reduziert und anders, einfach bemerkenswert.
    Der Roman erschien schon 1930. Geschrieben von der der niederländischen Autorin, Politikerin und Frauenrechtlerin Marianne Philips (geboren 1886 in Amsterdam), die für die Sozialdemokratische Arbeitspartei 1919 als eine der ersten Frauen zum Ratsmitglied der Niederlande gewählt wurde. Für mich ist das allein schon bemerkenswert... aber ihr Buch... wahnsinn:
    Geschrieben ist der Roman als Monolog der in einer psychiatrischen Klinik untergebrachten Patientin Heleen.
    Eines Nachts schildert Sie einer Nachtschwester ihre Lebensbeichte, die von gesellschaftlichen Aufstiegen aus der Arbeiterschicht, den tiefen Fall und ihrem komplizierten Verhältnis zu sich selbst und ihrer jüngsten Schwester geprägt ist. Das ganze noch poetisch ausgeschmückt durch viele Unglücke und Ängste....
    Zu beginn hatte ich bezüglich der Monologform einen nicht so ganz gelungen Start, aber das hat sich schnell geändert, denn es entfaltet sich ein unglaublichen Sog in die Geschichte und ich hatte als Leserin oft das Gefühl, selbst die angesprochene Nachtschwester zu sein.
    Man erlebt innerhalb weniger Stunden des Lesens (bzw. Zuhörens), ein ziemliches Wechselbad der Emotionen gegenüber der Protagonistin.
    Vieles geht darum, warum ihr Weg sie in die Nervenheilanstalt gebracht hat, nicht darum, Heleen als Person zu mögen oder zu hassen - denn dafür ist der Charakter und auch ihre Gedankenwelt viel zu komplex.
    Das Buch ist eine spannende Charakterstudie, die ihrer Zeit definitiv voraus war. Offen spricht Heleen über Sexualität, die Beziehung zu Männern, ihre Berufstätigkeit, Träume und psychische Konflikte und dabei stechen eindrücklich die damaligen Rollenerwartungen heraus. Obwohl Sie immer versucht sich gegen diese Erwartungen aufzulehnen, kann sie sich selbst nich gegen die verinnerlichten Erwartungen an sie als Frau wehren und verzweifelt dann an sich selbst... insbesondere an den Erwartungen die sie sich selbst auferlegt.
    Vielen Dank an den Diogenes Verlag, dieses Buch aufzulegen, denn es ist nicht nur spannend und historisch. Es teilt auch die damalige Frauenbewegung und die Zugehörigkeiten in Schichten, der Wunsch nach Aufstieg, Geschlechterrollen und das Nichterfüllen von Erwartungen werden bar jedes Klischees verhandelt und sorgen für eine hohe Authentizität.
    Diese Geschichte empfehle ich definitiv allen weiter, aber vor allem denen, die einen Einblick in die damalige Zeit erhalten wollen UND einfach mal wieder tiefere Geschichten lesen wollen.

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  • 5 Sterne

    Philo, 28.04.2021 bei bewertet

    Als Buch bewertet

    Das Buch ist bereits vor über 30 Jahren geschrieben worden. An einigen Stellen wird das offensichtlich. Die Krankensäle, die es damals gab, existieren gottlob heute nicht mehr, es gibt Krankenzimmer mit weniger Patienten, es sind Kranke und keine Verrückten. Heleen, die Protagonistin des Buches bemängelt, daß sie die ganze Zeit den unterschiedlichen Gepflogenheiten der vielen Patienten ausgesetzt ist, niemals kann sie abschalten oder Ruhe und Schlaf finden.

    In zwei solcher unruhigen Nächte beginnt sie, einer Nachtschwester ihr Leben zu erzählen in der Hoffnung, daß diese ihr zuhört und sie nicht zurück in den Saal schickt. Heleen spricht nur von sich und ihrem Leben, ihren Erwartungen, ihren Hoffnungen, ihrem Abweichen vom rechten Weg und warum sie letztendlich in der Nervenklinik untergeracht wurde. Es ist ein Monolog. Andere Personen kommen nicht zu Wort.

    Aufgewachsen als Älteste in einer kinderreichen Familie, die in großer Armut lebte, wurde auf Heleen nie Rücksicht genommen. Keine Wärme, keine Anerkennung, stattdessen immer nur Arbeit für die Familie, vor allem für die jüngeren Geschwister, insbesondere den Nachkömmling Lientje, die jüngste Schwester. Es gelingt ihr, eine Arbeitsstelle in einer anderen Stadt zu finden und aufgrund ihrer Schönheit findet sie einen Weg, sich Vorteile durch Männerbekanntschaften zu verschaffen. Einer unglücklichen Ehe folgt die Trennung und doch noch das große Glück in der Bekanntschaft mit Hannes, ihrer großen Liebe. Aber mit dem Älterwerden verändert sich ihr Wesen, die Schönheit schwindet und damit ihr Vertrauen in Hannes' Liebe zu ihr. Damit beginnt ihr großes Unglück.

    Ihre Erzählung holt längst vergessene Erinnerungen zurück und setzt das Lebenspuzzle zusammen. Es ist ein erschütternder Bericht, in dem der aufmerksame Leser schnell herausfindet, daß Heleen, gefangen in einer großen Sehnsucht nach einem besseren Leben und dem Wunsch, den richtigen Weg zu finden, aber zuletzt in einer tiefen Niedergeschlagenheit und Depression gefangen, ihrem Unglück nicht wird ausweichen können.

    Wie die Enkelin der Autorin im Anhang schreibt, hat Marianne Philips selbst unter Psychosen gelitten und Zeiten in einer Nervenklinik verbracht. Mit diesen Erfahrungen war es ihr möglich, schon vor so vielen Jahren dieses unglaubliche, sehr offene und ehrliche Buch zu schreiben, das ich als unbedingt lesenswert empfehlen möchte.

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  • 5 Sterne

    Michael B., 30.05.2021 bei bewertet

    Als Buch bewertet

    Unbedingt lesen!!!
    "Die Beichte einer Nacht" ist ein wahres Kleinod aus dem Jahre 1930. Schwamm drüber, dass es sich eigentlich um eine Beichte handelt, die sich über zwei Nächte zieht. Leentje ist Patientin in einer psychiatrischen Anstalt und erzählt der Nachtschwester ihr Leben - und wir sind, genau wie die Nachtschwester Zeugen dieses berührenden Berichtes. Einen Freispruch wird Leentje zwar nicht erhalten; gleichwohl verleiht der Erzählprozess dem eigenen Leben Wirklichkeit; die Selbstvergewisserung und Selbstdistanz im Erzählen ist fast schon ein therapeutischer Prozess. Aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen, mit Kinderträumen ausgestattet, die immer wieder einen Zusammenstoß mit der Realität erleiden; Leentje, eines von 10 Kindern, hat sich wegen der Kraftlosigkeit der Mutter um die Nachzüglerin Lientje zu kümmern. Mit großer Intensität lässt Marianne Philips ihre Protagonistin das Frauwerden schildern: "... und man merkt, dass man völlig anders geworden ist, dass man für etwas gemacht ist, und man sucht in alle Richtungen wofür genau." Leentje plagt im weiteren der Zweifel: "Niemand hat Schuld an meinem Leben, nur ich selber." Zur Frau geworden verlässt Leentje das Elternhaus, verdingt sich als Verkäuferin, um schließlich gut - aber nicht verliebt - einzuheiraten. Als die Mutter erkrankt, nimmt sie ihre kleine Schwester Lientje mit zu ihrem älteren Ehemann. Nach dem Scheitern der Beziehung kehrt sie mit ihrer Schwester zurück ins einfache Leben und verliebt sich in Hannes. Leentje verzweifelt zuehmend an ihrem Leben, hat das Gefühl, weder ihrer Schwester noch Hannes gerecht werden zu können. Das eigene Älterwerden neben ihrer jungen Schwester und die Eifersucht nagen an ihr. Leentje leidet an vermeintlich falsch getroffenen Lebensentscheidungen. Die Last der Wahl, so scheint es ihr, ist einem erst durch den Tod genommen: "Darum ist es vielleicht gut, dass wir sterben dürfen, ohne selber darüber zu entscheiden. Dabei zumindest haben wir keine Wahl, man stirbt nicht, man wird gestorben. So wie man geboren wird - ohne jedes Wissen oder Wollen."
    Ein beeindruckendes Werk mit einem unerwarteten Ausgang, der sich aber dennoch in jeder dieser wunderbar geschriebenen Zeilen andeutet.

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  • 5 Sterne

    Michael B., 30.05.2021

    Als Buch bewertet

    Unbedingt lesen!!!
    "Die Beichte einer Nacht" ist ein wahres Kleinod aus dem Jahre 1930. Schwamm drüber, dass es sich eigentlich um eine Beichte handelt, die sich über zwei Nächte zieht. Leentje ist Patientin in einer psychiatrischen Anstalt und erzählt der Nachtschwester ihr Leben - und wir sind, genau wie die Nachtschwester Zeugen dieses berührenden Berichtes. Einen Freispruch wird Leentje zwar nicht erhalten; gleichwohl verleiht der Erzählprozess dem eigenen Leben Wirklichkeit; die Selbstvergewisserung und Selbstdistanz im Erzählen ist fast schon ein therapeutischer Prozess. Aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen, mit Kinderträumen ausgestattet, die immer wieder einen Zusammenstoß mit der Realität erleiden; Leentje, eines von 10 Kindern, hat sich wegen der Kraftlosigkeit der Mutter um die Nachzüglerin Lientje zu kümmern. Mit großer Intensität lässt Marianne Philips ihre Protagonistin das Frauwerden schildern: "... und man merkt, dass man völlig anders geworden ist, dass man für etwas gemacht ist, und man sucht in alle Richtungen wofür genau." Leentje plagt im weiteren der Zweifel: "Niemand hat Schuld an meinem Leben, nur ich selber." Zur Frau geworden verlässt Leentje das Elternhaus, verdingt sich als Verkäuferin, um schließlich gut - aber nicht verliebt - einzuheiraten. Als die Mutter erkrankt, nimmt sie ihre kleine Schwester Lientje mit zu ihrem älteren Ehemann. Nach dem Scheitern der Beziehung kehrt sie mit ihrer Schwester zurück ins einfache Leben und verliebt sich in Hannes. Leentje verzweifelt zuehmend an ihrem Leben, hat das Gefühl, weder ihrer Schwester noch Hannes gerecht werden zu können. Das eigene Älterwerden neben ihrer jungen Schwester und die Eifersucht nagen an ihr. Leentje leidet an vermeintlich falsch getroffenen Lebensentscheidungen. Die Last der Wahl, so scheint es ihr, ist einem erst durch den Tod genommen: "Darum ist es vielleicht gut, dass wir sterben dürfen, ohne selber darüber zu entscheiden. Dabei zumindest haben wir keine Wahl, man stirbt nicht, man wird gestorben. So wie man geboren wird - ohne jedes Wissen oder Wollen."
    Ein beeindruckendes Werk mit einem unerwarteten Ausgang, der sich aber dennoch in jeder dieser wunderbar geschriebenen Zeilen andeutet.

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  • 5 Sterne

    liesmal, 17.05.2021

    Als Buch bewertet

    Zuhören
    „Die Beichte einer Nacht“ von Marianne Philips ist erschienen im Verlag Diogenes. Die Schriftstellerin aus den Niederlanden ist bereits 1951 verstorben. Ihr Roman erschien in der Originalausgabe im Jahr 1930. Protagonistin ist Heleen, eine Frau, die aus unbekannten Gründen in einer Nervenklinik lebt und einer Nachtschwester ihre Lebensgeschichte erzählt.
    Die Buchbeschreibung hatte meine Neugier geweckt und bereits die Leseprobe hat mir außerordentlich gut gefallen und mich sehr berührt. Der Schreibstil ist einfach, aber einzigartig. Ich hatte nicht das Gefühl, als würde ich selber lesen, sondern ich war wie gefangen in der Rolle der Zuhörerin, besonders im ersten der zwei Teile umfassenden Erzählung.
    Heleen hat begonnen mit der Geschichte ihrer Kindheit in einer Familie mit vielen Geschwistern, dem späteren Wunsch nach einem eigenen Leben und einem Beruf, und sie hat nichts ausgelassen… oder vielleicht doch, denn immer wieder erwähnte sie den Namen Hannes, ohne mehr dazu zu sagen. Dass er eine ganz besondere Rolle in ihrem Leben eingenommen hatte, war aber deutlich spürbar. Auch zu ihrer kleinen Schwester Lientje hatte sie eine ganz besondere Beziehung.
    Heleen erzählt und erzählt, richtet zwischendurch mal ein Wort direkt an die Nachtschwester, ohne jedoch auf eine Antwort oder einen Kommentar zu warten. Meistens ist sie aber ganz in ihre eigene Geschichte eingetaucht, dann scheint sie zu vergessen, dass da jemand ist, zu der sie spricht, bis sie dann wieder in der Gegenwart ankommt, um ganz unvermittelt die Eigenarten einer ihrer Mitbewohnerinnen anzusprechen.
    Am Ende bin ich überwältigt, dass Heleen so viel aus ihrem Leben und auch aus ihrer ganz persönlichen Gefühlswelt preisgegeben hat. Eine bewegende Geschichte, die sie erzählt hat und ich glaube: Sie hat nichts ausgelassen!
    Mit meinem ganzen Herzen empfehle ich dieses Buch einer großartigen Schriftstellerin.

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  • 5 Sterne

    Xana, 28.04.2021

    Als Buch bewertet

    Die Beichte einer Nacht ist eigentlich die Beichte zweier Nächte und ist ein faszinierender und gleichzeitig bedrückender Roman, der das Zeug zu einem Klassiker hat.

    Kurzzusammenfassung: Leen/Heleen/Leentje befindet sich in einer Psychiatrie und es ist schnell ungefähr klar, warum: Sie hat mit ihrer Schwester Lientje etwas Furchtbares gemacht. Was genau, wird erst am Ende des Buchs klar. Die Frage nach dem Warum ist die, die sowohl Leen selbst als auch uns als Leser eigentlich interessiert, und um diese Frage zu beantworten, erzählt die Frau zwei Nächte lang der Krankenschwester ihre Lebensgeschichte. Ihr Leben war keineswegs leicht, was allerdings auch an ihrer merkwürigen und eigensinnigen Persönlichkeit liegt. Narzisstische Züge und eine gewisse Unfähigkeit zur Empathie werden bei Leen schnell deutlich und sie sind es auch, die ihr Leben, das insgesamt hätte ein sehr glückliches sein können, letztendlich ruinieren.

    Mit dem Schreibstil muss man sich definitiv erstmal anfreunden, aber hat man es getan, ist er äußerst interessant. Das gesamte Buch ist ein einziger Monolog aus Leens Sicht. Kein einziges Mal kommt eine andere Person zur Sprache, alle Reaktionen der Krankenschwester erfährt man nur aus den direkten Aussagen Leens. Es gibt keine Kapitel, bis auf die Unterteilung in die beiden Nächte und vorsichtig angedeutete Leseabschnitte. Leen ist keine besonders stringente Erzählerin. Ihr unruhiger Geist springt in der Vergangenheit und Gegenwart umher, aber letztendlich erfährt man fast alles, was man erfahren will.

    Das Werk ist, wenn man sich auf den ungewöhnlichen Stil einlässt, lesenswert und spannend. Es ist allerdings keineswegs ein "Feel good"-Roman für seichte Lesestunden, sondern ein oftmals beklemmendes Werk, bei dem man sich mehr als einmal wünscht, man könnte aus Leens Kopf raus und eine andere beteiligte Person über die Geschichte ausfragen.

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  • 5 Sterne

    Desiree R., 20.05.2021

    Als Buch bewertet

    Aufmerksam gemacht haben mich Titel, Umschlaggestaltung und Klappentext und die ersten Seiten haben mich dann ganz in ihren Bann gezogen.
    Ich muss sagen, dass diese sich diese Übersetzung wunderbar lesen lässt, wenn man bedenkt, dass "Die Beichte einer Nacht" in den 1920ern verfasst wurde. Auch die Art, mit der Heleen - die Erzählerin - ihr Leben gelebt hat, hätte ich nicht in dieser Zeit erwartet. Ich konnte kaum erwarten, weiterlesen zu können, um zu erfahren, wie sich die Geschichte weiter entwickelt, auch wenn wir Leser*innen von Beginn an wissen, dass etwas Furchtbares Heleen in die Nervenklinik führen wird.

    Hin und wieder hatte ich mich kurz daran gestört, dass ihr Monolog nicht von der Nachtschwester unterbrochen wird. Jedoch ist auch diese ungewöhnliche Erzählart ein Teil, der das Buch besonders macht.
    Kurz habe ich mich etwa in der Mitte gewundert, als ich feststellte, dass sie ihre Geschichte in zwei Nächten erzählt. Warum das? (Der Titel "Die Beichte aus zwei Nächten" klingt einfach nicht so gut, also warum nicht alles in eine Nacht packen?) Ich denke, selbst als Hörbuch dürfte der Inhalt in eine Nacht passen.

    Heleen, die sich aus dem nichts mit ihrem starken Willen und Mut ein gutes Leben zu schaffen versucht, Karriere macht und es dann (scheinbar) schafft, hat mich beeindruckt. Und doch schwebt jederzeit Unheil über der Geschichte und die guten Zeiten in ihrem Leben sind stets von sehr kurzer Dauer.
    Emotional hat mich das Buch mitgenommen, auch wenn Heleen niemand ist, mit der man sich wirklich identifizieren könnte, selbst wenn ihre Motive - Liebe, Ansehen, Wohlstand - klassisch sind.

    Richtig greifbar ist es für mich nicht, was mich so fasziniert hat, aber ich kann nur jede*r raten, die das Thema interessieren könnte, "Die Beichte einer Nacht" zu lesen und sich von Heleen ihr spannendes, tragisches Leben erzählen zu lassen.

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  • 5 Sterne

    Buchplauderin, 27.11.2020 bei bewertet

    Als Buch bewertet

    Marianne Philips schrieb vor 90 Jahren diesen autobiografisch gefärbten Roman. Ihr Therapeut riet ihr, sich dass von der Seele zu schreiben, was sie durchlitten hatte. Als vielbeschäftigte Mutter von drei Kindern, politisch aktiv und von Jugend an mit der Verantwortung für ihre Geschwister, und später für sich selbst belastet, hatte sie ein bewegtes aber auch produktives Leben, aus dem sie den Plot für "Die Beichte einer Nacht" kreieren konnte.

    Eine Frau wird in eine psychiatrische Klinik zur Überwachung eingeliefert. Sie fühlt sich zunächst von niemandem verstanden, bis sie eines Tages beginnt einer schweigsamen Krankenschwester zu erzählen, was sie bisher erlebt und durchstanden hat. Ein Monolog über die Kindheit bis hin zu dem Moment als ihr Leben komplett aus den Fugen geriet und sie etwas schreckliches tat.

    In ihrer "Beichte" hadert sie mit Gott und der Welt. Dort wo sie hineingeboren wurde, fand sie keine Erfüllung. Immer wieder wendet Heleen, so ist ihr Name, übermäßig viel Kraft auf um den Fußangeln des Lebens zu entfliehen. Als das Glück nicht nur zum greifen nah ist, merkt sie, dass die inneren Brüche nicht mehr zu kitten sind. Kann es einen Ausweg geben?

    Die Beziehungen in welche Heleen teilweise stark verstrickt ist, bleiben meiner Ansicht nach schattenhaft, ähnlich wie die zuhörende Krankenschwester. Um so bildhafter, ja beinahe spürbar, beschreibt die Autorin die Gefühlswelt ihrer Hauptprotagonistin. In diesen Passagen konnte mich die Geschichte einnehmen und Empathie für Heleen wecken.

    Ein starkes Buch, welches sich leicht liest. Ich wollte es bis zum Schluss nicht aus den Händen legen und habe jede Lesepause bedauert.

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  • 5 Sterne

    Martina M., 28.04.2021

    Als Buch bewertet

    Den Leser auf Distanz haltend, aber trotzdem berührend
    Heleen kann nachts nicht schlafen und möchte sich auch einiges von der Seele reden. Dies geschieht an einem bedrückenden Ort, einer geschloßenen Nervenklinik , und die Zustände sind um 1930 noch ganz anders als heute. Im Monolog erzählt Heleen der Nachtschwester ihre Lebensgeschichte und welche Situation sie in die Klinik brachte. Schon ihre Kindheit und Jugend war alles andere als leicht, neun jüngere Geschwister um die man sich mit kümmern muss, kein Wunder das man sich ein leichteres, schöneres Leben wünscht.
    Ein wenig hat es gedauert, bis ich mich eingelesen habe, der Schreibstil ist teilweise etwas abgehackt und distanziert, aber trotzdem hat mich die Geschichte nicht los gelassen .Ich denke , es spiegelt auch sehr gut die finanziellen , gesellschaftlichen und moralischen Zwänge wieder, mit denen sich eine Frau um 1930 abgeben musste. Die Autorin hat einiges an selber erlebten in " Die Beichte einer Nacht" verarbeitet. Obwohl ich sonst andere Lektüre bevorzuge, war ich von der ganzen Geschichte faziniert und beeindruckt .Da man schon früh ahnt, das Heelen eine schreckliche Tat gegangen hat, will man alles darüber wissen , und es entwickelt sich eine fast thrillerartige Spannung. An einem Abend gelesen , aber noch lange in meinem Gedächtnis. Auch wenn die Geschichte schon fast 100 Jahre alt ist, wirkt sie überraschend modern und ich kann sie nur jedem empfehlen, der mal eine etwas andere Lektüre lesen möchte.

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  • 5 Sterne

    Ursula U., 18.07.2021

    Als Buch bewertet

    Die Beichte einer Nacht ist die Lebensgeschichte von Heleen, die sie der Nachtschwester in einer Nervenheilanstalt erzählt. Der Monolog handelt von ihrer schweren Kindheit, einem hilfsbedürftigen Vater und einer Mutter, die sich von der Geburt des jüngsten Kindes von zehn nicht mehr erholte. Mit 13 Jahren fing Heleen in einer Näherei an um für den Lebensunterhalt der Familie zu sorgen. Tagsüber nähte sie und nachts kümmerte sie sich um Lientje, dem Nesthäkchen. Völlig überfordert suchte sie nach Wegen aus ihrem Elternhaus. Als ihr eine gute Stelle als Verkäuferin in einem gehobenen Bekleidungsgeschäft angeboten wurde, sagte sie zu. Ab diesem Zeitpunkt war ihr ihre eigene Schönheit bewusst, sie kleidete und pflegte sich und war sich ihrer Wirkung auf Männer bewusst. Die Männer brachten ihr jedoch kein Glück, ihre Ehe mit Charles war ein Fiasko und ihre Liebe zu Hannes….. Immer wieder spricht sie von ihrer großen Liebe, doch genaueres erfährt man erst zum Schluss ihrer Beichte. Heleen möchte mit sich selbst ins Reine kommen, sich selbst für ihre Taten verzeihen können.
    Ihr Sinn nach Schönheit wurde ihr zum Verhängnis, denn auch sie alterte, fand sich nicht mehr so begehrenswert und wurde zunehmend eifersüchtig.
    Der gesamte Roman aus den 30er Jahren ist ein Monolog und dennoch nicht monoton. In kleinen Einsprengseln hören wir etwas über das Leben in der Klinik, der große Krankensaal und das Leid der anderen Frauen. Vom Schreibstil und Thema ein hoch interessanter Roman.

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  • 5 Sterne

    Johann B., 12.04.2021

    Als eBook bewertet

    Die Ich-Erzählerin Heleen weilt zur Untersuchung in einer Nervenheilanstalt und das im Jahr 1930. Sie sitzt neben der Nachtschwester und schaut ihr beim Nähen zu. Gleichzeitig beginnt sie zu erzählen. Aus ihr sprudeln die Wörter nur so heraus. Sie beginnt mit der Kindheit in einer armen Familie, dem Wunsch nach Unabhängigkeit und finanziellem Auskommen. Wie sie das schafft und warum Hannes ihre große Liebe war, erfährt der Leser in „Die Beichte einer Nacht“ ebenfalls.



    Die Urheberin des Buches, Marianne Philips, lebte von 1886 bis 1951. Im Anhang schreibt die Enkelin ein wenig über ihr Leben und es wird klar, dass der Roman einige biographische Elemente enthält. Die Beschreibung der Zustände in psychiatrischen Anstalten entspricht sehr genau den Tatsachen. Die Armut der Menschen, die krank waren oder viele Kinder hatten, ebenfalls. Das Leben war hart und der Kampf ums tägliche Brot allgegenwärtig.



    Dass dieses Buch schon im Jahr 1930 veröffentlicht wurde, ist erstaunlich. Damals gab es noch keine schriftlichen Abhandlungen über psychische Probleme in Romanen. Und von Frauen schon mal gar nicht. Marianne Philips war also nicht nur mutig sondern sehr gut in Stil und Ausdruck. Mir gefiel das Buch ausgesprochen gut. Die Tiefe der Geschichte sowie die bildhafte, klare Sprache, machten es zu einem einzigartigen Leseerlebnis.

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  • 4 Sterne

    Herr Wieland, 28.04.2021

    Als Buch bewertet

    "In einer Nervenklinik vertraut Heleen des Nachts einer Nachtschwester ihre Lebensgeschichte an." So beginnt der Klappentext des Romans "Die Beichte einer Nacht" von Marianne Philips. Diese Beschreibung ist umfassend, der Roman ist ein Monolog. Das klingt nach wenig, ist aber viel, ist ein ganzes Leben. Ein bemerkenswertes Buch, so reduziert, so anders. Ein Buch das man liest, weil einen die besagte Heleen mit jedem Satz ihrer Geschichte mehr zu interessieren beginnt.

    Es gibt keinen Erzähler, der aus übergeordneter Perspektive eine Situation beschreibt oder erklärt. Dieses Buch malt einem keine Bilder in den Kopf, entwickelt keine Szenen, in welche die Protagonisten gesetzt werden. Weil Monologe so nicht sind. Wenn unsereins jemandem von einer Begegnung erzählt, beschreiben wir auch nicht die Bilder an den Wänden und den Duft, der in der Luft liegt. Auch die Nachtschwester spricht nicht, in diesem Roman. Sie ist wie weggeschnitten und zunächst mag man zweifeln, ob sie überhaupt tatsächlich existiert. Alles ist Heleen. Jedes Wort ist ihre Aussage. Für mich als Leser ist es, als säße ich in einem dunklen Raum, hörte Heleen reden und sähe nichts.

    Doch stickum mag ich in diesem Raum sitzen bleiben und weiter zuhören, weil Heleen viel zu erzählen hat. Und weil sie von Beginn an nicht prahlt. Weil sie keine Memoiren formuliert, sondern weil sie Erinnerungen teilt und dabei Stück für Stück selbst immer mehr Erkenntnis erlangt. Dabei ist sie so offen, wie man sich selbst gegenüber wird, wenn man die Dinge mit Abstand betrachtet und gerade nichts erreichen muss, sie im Gegenteil loswerden, aussprechen will. Beichten will.

    Heleen erzählt ihr ganzes Leben. Von den Schwierigkeiten im Elternhaus, als sie noch das Leentje und die Älteste von zehn Geschwistern war. Von ihrer schwierigen Beziehung zu Schwester Lientje, der Jüngsten, für die sie immer wieder Verantwortung übernehmen musste. Sie beschreibt die Momente ihrer Erkenntnis, arm zu sein, und ihrer Erkenntnis, als schön geachtet und begehrt zu werden. Ihr Leben verläuft nicht stringent, wirft sie hin und her. Und schon früh in ihrem Erzählen verknüpft sie ihre schönsten Erinnerungen mit ihrer großen Liebe Hannes und früh wird klar, dass es mit Ihrer Schwester Lientje zu tun hat, dass sie nun in der Nervenklinik ist.

    Was letztlich genau passiert ist ein Teil der Spannung dieses Romans. Aber auch die Entwicklung des Lebens der Person Heleen ist spannend und war letztlich der Hauptantrieb, der mich immer weiterlesen ließ. Die Stärke des Buches ist es, am Beispiel Heleens die Abzweige darzustellen, die einen Lebensweg ausmachen, und was der eingeschlagene Weg aus einem macht.

    Die Beichte – niederländisch "De biecht" – erschien in den Niederlanden im Jahr 1930 und war der zweite Roman der 1886 in Amsterdam geborenen Marianne Philips. Ihr erstes Werk veröffentlichte sie ein Jahr zuvor, im Alter von 43 Jahren. Philips war Sozialdemokratin und seit 1919 eine der ersten Frauen im Stadtrat der Nord-Holländischen Stadt Bussum. In der Zeit des Nazi-Terrors musste die Jüdin untertauchen, um sich einer Verhaftung und der geplanten Einweisung in das Konzentrationslager Herzogenbusch zu entziehen. Bis 1950 hat Marianne Philips sechs Romane und drei Bände mit Novellen veröffentlicht. Das Hauptthema ihres Werks sei das "Streben nach Reife und der Entwicklung einer individuellen Identität aus einer nicht harmonischen Familie", ist in der niederländischen Wikipedia zu lesen. Dem entspricht das hier besprochene Buch zweifellos.

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  • 5 Sterne

    Elaine L., 02.05.2021

    Als Buch bewertet

    Heleens Lebensweg

    Ich finde es immer wieder spannend Bücher zu lesen, die schon vor langer Zeit geschrieben wurden und damit auch den damaligen Zeitgeist quasi schon einatmen. Eine solche Rarität liegt mit diesem Buch von Marianne Philips vor, das erstmals 1930 auf niederländisch veröffentlicht wurde.
    Inhaltlich geht es um Heleen, eine Insassin in einer Nervenheilanstalt, die einer Nachtschwester in zwei Nächten unverblümt von ihren Leben, ihren Erfahrungen, dem Glück und dem Scheitern erzählt. Beim Lesen erfährt mensch als Leser_in viel über die Ich - Erzählerin, die über das gesamte Buch den Stil der Erzählung aufrecht erhält. Es wird aber auch deutlich, unter welchen gesellschaftlichen Bedingungen Menschen damals leben mussten und welche Möglichkeiten und Grenzen damals vorhanden waren.
    Spannend finde ich, das dieses Buch während einer Psychotherapie der Autorin entstand und sie hier viele eigene Lebenserfahrungen verarbeitet. So entsteht mit der Zeit das Bild einer Frau, die für ihren eigenen Lebensweg kämpfte und nicht bereit war, sich mit den Krümeln zufrieden zu geben, wenn es doch die Möglichkeit gibt, die Hälfte des Kuchens zu erhalten.

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