Merken
Merken
 
 
lieferbar
versandkostenfrei

Bestellnummer: 132318445

Buch (Gebunden) 22.70
Dekorierter Weihnachtsbaum
In den Warenkorb
Sortiert nach: relevanteste Bewertung zuerst
Filtern nach: alle
Alle Kommentare
  • 5 Sterne

    11 von 15 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    *H*, 17.08.2020

    Kultur-Spagat
    Leyla ist die einzige Tochter eines ezidischen Kurden, der seit 1980 in Deutschland lebt, und einer Deutschen. Die Famile wohnt in einer Reihenhaussiedlung in einem kleinen Ort bei München. Mit drei oder vier Jahren fährt Leyla zum ersten Mal mit ihren Eltern in das Heimatdorf ihres Vaters, um dort zwei Monate des Sommers zu verbringen; es liegt im Norden Syriens nahe der türkischen Grenze. Eigentlich ist es Kurdistan, ein Land, das sich über vier Staaten erstreckt (Syrien, Türkei, Iran und Irak) - aber offiziell gibt es dieses Land nicht, und zu Hause muss sie feststellen, das kaum jemand mit Kurdistan oder Kurden etwas anfangen kann.
    Leyla ist immer hin und her gerissen, seit Kindesbeinen muss sie einen Kulturspagat machen. Ihr Herz schlägt für das geordnete Deutschland, wo man auch für sich alleine sein kann, wo die Türen geschlossen sind, wo Privatsphäre dominiert, wo sie selber Entscheidungen treffen kann. Aber sie fühlt sich auch in dem kleinen kurdischen, einfachen Dorf bei den Großeltern wohl, wo die Großfamilie ein- und ausgeht, wo man auf dem Boden sitzt und Tee trinkt, wo man im Innenhof auf Hochbetten schläft, damit die Schlangen einem nichts anhaben können, auch wenn man nie so richtig alleine / für sich sein kann. Ein ruhiges, unaufgeregtes Leben, das einen irgendwann vergessen lässt, was für ein Wochentag ist. Dieses Sowohl als Auch ist schwer für ihre Identifikationsfindung. Und sie hat niemanden, mit dem sie darüber reden kann!
    „Die Sommer“ von Ronya Othmann ist in meinen Augen kein klassischer Roman. Im Buch dreht sich alles um Ronyas Erleben und Fühlen dieser zwei unterschiedlichen Welten.
    Die Geschichte ist sehr detailliert geschrieben, so dass man alle Figuren vor Augen hat, von denen oder über die erzählt wird. Besonders gut gefallen hat mir, dass der Vater von Leyla - Silo - viel über die Geschichte Kurdistans und die der Kurden erzählt hat, so dass man in die Problematik dieser Bevölkerungsgruppe eindringlich eingeführt wird. Erlebnisse aus seiner Kind- und Jugendzeit machen sehr betroffen und haben mich oft mit einem „Das darf doch wohl nicht wahr sein“ zurückgelassen. Besonders ans Herz gewachsen ist mir Leylas Großmutter, die auch viel durchgemacht hat, die dennoch stets gutmütig und gut gelaunt ist. Durch sie erfährt man Besonderheiten über deren Religion und Bräuche. Die kleine, zierliche, sehnige Frau besitzt eine unwahrscheinliche Größe; sie hat zu Leyla auch ein wahnsinnig liebenswürdiges Verhältnis.

    Betroffen von der Vergangenheit wird man aber mit der nächsten (aktuellen) Katastrophe konfrontiert: Der Syrienkrieg mit all seinen Grausamkeiten! Man fühlt nahezu, wie der Krieg im entfernten Syrien der Familie extrem nahe geht; der Vater verfolgt das Geschehen auf sämtlichen kurdischen Kanälen und ist ständig in Kontakt zur Familie.
    Ach Leyla - es ist die Zeit, in der sie ihr Abitur macht und zum Studieren nach Leipzig geht - nimmt dieser Krieg mehr und mehr mit, findet keine Ruhe mehr. Sie kann nicht verstehen, wie hier in Deutschland unbekümmert getanzt wird, während in ihrer ‚anderen Heimat‘ so viel Blut vergossen wird. Ein innerer Konflikt, der letztendlich eine Entscheidung von ihr abverlangt…..
    Das Buch ist sehr auf aufwühlend - kein leichter Stoff! Es macht einen nachdenklich und sensibilisiert einen, sich mit dem Thema Kurden / Kurdistan auseinanderzusetzen. Gerade dass hier die Thematik anhand einer Familie erzählt hat, schafft Nähe und Authentizität. Ich kann das Buch nur empfehlen, da das Buch nicht nur aktuell ist, sondern auch viel Wissen einfühlsam vermittelt.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 5 Sterne

    10 von 14 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Claudia B., 17.08.2020

    Meine Meinung:
    Dieser Debütroman hat mich zutiefst bewegt und stark beindruckt, selten wurde ich bereits auf den ersten Seiten von er so gewählten Sprachgewalt in Empfang genommen, die sich dabei jegliche Form der zärtlichen Erzählkunst bewahrt hat.
    Was die Autorin Ronya Othmann hier geschaffen hat ist literarisch auf einem einmalig präzisen und beindruckenden Niveau, da es dem Leser die Augen öffnet ohne Belehrung oder den Anspruch dies tun zu müssen. Zudem hat es so leichte schöne Momente, die im ganz kleinen familiären Raum stattfinden von einer so präzisen und punktgenauen Beobachtungsgabe für Menschen geprägt ist, dass man sich in seitenlangen Ausführungen über ein Familienkonstrukt und Familienmitglieder verlieren kann, dabei absolut gefangen genommen ist von dem Geschick das gegebene so wunderbar erzählt zu bekommen.

    Die Charaktere sind einmalig bleiben nicht eindimensional, sind pointiert ausgearbeitet und so komplex und tief, dass man auch auf die Zwischentöne schauen muss. Die Frage danach was Heimat ist, wohin man gehört und die Schwierigkeit, aber auch das Positive einer binationalen Herkunft sind hier zum Zerreißen intensiv geschildert, sodass man als Leser den Schmerz und die Zerrissenheit beinahe eigenständig spüren kann.

    Fazit:
    Ein wahrlich großer Roman, der mich zum Nachdenken anregen konnte und noch lange nachhallen wird! Literarisch und emotional einfach bemerkenswert!

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 4 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Bibliothekarin, 06.09.2020

    Ronya Othmann möchte in ihrem Debüt Roman den Leser für Minderheiten sensibilisieren, was ihr bei mir durchaus gelungen ist.
    Das Buch erzählt die Geschichte von Leyla, die jedes Jahr in den Sommerferien ihre Großmutter in einem Land besucht, über das sie nicht sprechen darf.
    Ihre Mutter ist Deutsche, der Vater ist kurdischer Jeside. Die kleine Familie wohnt in der Nähe von München. Die Familie des Vaters lebt in einem kleinen Dorf nahe der türkischen Grenze. Leyla erlebt dort jedes Jahr unbeschwerte Sommerferien und genießt dort das einfache Leben. Eine besondere Beziehung hat Leyla zu ihrer Großmutter, von der Leyla viele traditionelle Dinge lernt. Als die Revolution beginnt und daraus ein Krieg entsteht bricht das Leben im Dorf auseinander.
    Das Thema Krieg und Flucht, ebenso Diskriminierung , Unterdrückung, Ausgrenzung und die Unterdrückung der Kurden werden im Buch thematisiert. Allerdings hätten die Zusammenhänge etwas ausführlicher sein können.
    Durch die detaillierten Beschreibungen vom Leben im Dorf der Großmutter konnte ich mir alles gut vorstellen. Die verschiedenen Charaktere waren nicht so gut herausgearbeitet so hatte ich zum Beispiel von Leyla kein Bild im Kopf.
    Die Autorin benutzt sehr lange und verschachtelte Sätze, das hat mir das Lesen etwas beschwerlich gemacht. Sie verzichtet auf Emotionen, was sicherlich durch die Thematik begründet ist. Teilweise fand ich das Buch auch langweilig, da meist einzelne Geschichten aneinander gereiht sind. Aber das Thema des Buches hat mich nicht los gelassen, obwohl das Ende bedrückend war. Alles in allem trotzdem ein tolles Buch das mich zum Nachdenken anregte.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 5 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Ruth L., 04.09.2020

    Ein Leben zwischen den Kulturen
    Ronya Othmann, 1983 geboren, ist die Tochter eines kurdisch- jesidischen Vaters und einer deutschen Mutter. Die Protagonistin Leyla in ihrem Debutroman „Die Sommer“ weist einige Ähnlichkeiten mit der Autorin auf.
    Jedes Jahr reist die Familie, der kurdische Vater, die deutsche Mutter und Tochter Leyla, beladen mit Geschenken für die ganze Verwandtschaft, in die Heimat des Vaters, ein kleines Dorf im Nordosten Syriens. Leyla erinnert sich an die heißen Sommer, die sie dort verbracht hat. Sie gibt Einblicke in die Bräuche und Gewohnheiten im Land, in dem sie in vielen Szenen und Episoden die Menschen lebendig werden lässt. Sinnlich genau beschreibt sie Landschaft und Natur. Sie schreibt von Kinderspielen, von den Rivalitäten der Cousinen, vom gemeinsamen Schlafen draußen auf Hochbetten, von Besuchen bei Onkels und Tanten in Aleppo und anderen Städten. Sie lässt den blinden Großvater seine Geschichten von früher erzählen. Und über all dem steht als zentrale Gestalt für Leyla die geliebte Großmutter, die mit ihr betet und ihr das Kochen beibringt. Die Großmutter ist die Einzige der Familie, die gläubig ist. Sie gibt ihrer Enkelin ( und damit dem Leser ) einen Einblick in die reichhaltige Welt der jesidischen Religion. Für Leylas Vater ist Religion lediglich ein Zeichen für Rückständigkeit und den Mangel an Bildung.
    Eingeblendet in Leylas Erinnerungen ist die Lebensgeschichte des Vaters. Er durfte als Kurde in Syrien nicht studieren, wurde als Jugendlicher Mitglied der Kommunistischen Partei. Als junger Mann wird er verfolgt, verhaftet und gefoltert. Unter Lebensgefahr flüchtet er über die Türkei nach Deutschland. Hier muss er jahrelang auf seine Anerkennung als Asylant warten. Aus dem ehemaligen Kämpfer wird ein Mann, der immer höflich und bescheiden auftritt, nur nicht auffallen möchte. In seinem Garten versucht er den Garten seiner Eltern nachzubauen. Doch die deutschen Sommer sind zu kalt; nie wird es eine so üppige Ernte geben wie daheim.
    Seine Tochter soll es mal besser haben, sie soll studieren und nicht, ganz traditionell, früh heiraten. Aber sie soll nie vergessen, dass sie Kurdin ist.
    Doch irgendwann wird es zu gefährlich, in das Dorf zu reisen. 2011, zu Beginn der Revolution, ist der Vater noch euphorisch und voller Hoffnung. „ Ein Jahr noch, hatte der Vater gesagt und vor Freude gelacht, dann ist der Diktator weg, und wir fahren in ein freies Land.“
    Aber der Traum wird zum Alptraum. Von nun an sitzt der Vater nur noch vor dem Fernseher und sieht die Schreckensbilder aus Syrien. Für die Angehörigen dort wird es lebensbedohlich. Immer wieder kommen Assads Truppen ins Dorf, auf der Suche nach Spitzeln. Doch nachdem die islamistischen Fanatiker der IS die Jesiden foltern, verschleppen und ermorden, setzen die Eltern alle Hebel in Bewegung, um die Verwandten nach Deutschland zu holen.
    Nach dem Genozid an den Jesiden sagt der Vater: „ Es ist seltsam, aber zum ersten Mal wissen die Deutschen, wer wir sind.“
    In den Schilderungen von Leylas Aufwachsen in Deutschland wird die Zerrissenheit spürbar. Nirgends richtig hinzugehören ist ein Thema, das in vielen „Migrationsbüchern“ angesprochen wird. Leyla pendelt zwischen dem Leben in einer bayrischen Kleinstadt und den Sommern in dem kurdischen Dorf. Überall ist sie die Außenseiterin , in Deutschland noch mehr. Ständig stößt sie auf Unwissen oder Unverständnis. „ Kurdistan gibt es garnicht.“ „ Bist du Muslima?“
    Als junge Studentin fühlt sich Leyla fremd zwischen den deutschen Kommilitonen, die sich nur am Rande für das Geschehen in Syrien interessieren. Gleichzeitig plagen sie Schuldgefühle, weil es ihr in Deutschland gut geht, während in Syrien die Menschen um ihr Leben fürchten müssen.
    Ronya Othmann hat viele Themen in ihren Roman gepackt. Anschaulich wird die fremde Kultur im kurdischen Dorf geschildert. Die Biografie des Vaters erschüttert und berührt. Sie gibt zugleich Einblick in die Geschichte der jesidischen Kurden, die schon immer rechtlos und verfolgt waren. Allerdings kam mir die Hauptfigur nicht wirklich nahe.
    Trotzdem ist „ Die Sommer“ ein äußerst lesenswerter Roman zu einem aktuellen und zugleich zeitlosem Thema. Ich freue mich auf weitere Bücher der jungen Autorin.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 5 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Patricia W., 11.11.2020

    Sommer für Sommer verbringt Leyla die Ferien bei ihren jesidischen Großeltern. Sie lebt zwischen zwei Welten: die eine Welt in Deutschland, die andere Welt in Nordsyrien.

    "Bist du mehr deutsch oder kurdisch, fragte die Mutter der Schulfreundin. Deutsch, sagte Leyla, und die Mutter der Schulfreundin wirkte zufrieden. Fühlst du dich mehr deutsch oder kurdisch, fragte Tante Felek. Kurdisch, sagte Leyla, und Tante Felek klatschte vor Freude in die Hände."

    Sie erinnert sich einerseits sehr intensiv daran an die Zeit im Dorf, andererseits bruchstückhaft. Eine Geschichte verfolgter und flüchtender Menschen, eine Geschichte die durch Mark und Bein geht, die eindringlich ist und tief berührt. Grausam wie über Kurden gesprochen und wie mit ihnen umgegangen wird. Grausam, dass es in einer oft scheinbar zivilisierten Welt solche menschenverachtenden Zustände gibt. All das ist nicht in Worte zu fassen.



    Ronya Othmann gibt der Minderheit der Jesiden eine Stimme und ein Gesicht. Lässt sie nicht verblassen. Spricht Vergangenes und Hochaktuelles an. Nicht zu vergessen, der vor sechs Jahren an den Jesiden begangene Genozid.

    Der Autorin ist ein großartiger Roman gelungen, von Leyla's Liebe zur Großmutter hin zum Leben in Deutschland, zur Flucht der Verwandten aus der Heimat. So viel Liebe und Leid, so viel Selbstfindung und Zurückfinden zu sich selbst. Am Ende hat es mir die Tränen in die Augen getrieben. Ein sehr, sehr wichtiges Buch, das man lesen muss!

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 5 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Insta.amreading, 23.08.2020

    "Kîne em. Wer sind wir."

    Auf diesen kurzen Satz läst sich "Die Sommer" durchaus herunterbrechen. Es ist ein Buch über Leylas Erinnerungen an eben jene Sommer, die sie mit und bei ihrer Familie (väterlicherseits) in Nordsyrien/Kurdistan verbrachte...und mehr. Es ist die Geschichte von politischer und religiöser Verfolgung, vom Versuch der Auslöschung einer ganzen Volksgruppe, von Widerstand, und auch von Identität, vom zwischen-den-Kulturen-aufwachsen, von Unterschieden, von Gemeinsamkeiten, von Vorurteilen... und mehr.

    Ronya Othmann schreibt ohne Kapitel, wodurch ich das Lesen am Anfang etwas mühsam fand. Das legte sich aber sehr schnell, denn diese unterschiedlichsten Erinnerungen ohne große Pausen schaffen eben auch eine große Dringlichkeit und Sogwirkung, der ich mich gar nicht entziehen konnte (oder entziehen wollte). Die Autorin beschreibt Orte so liebevoll, dass man sie vor dem inneren Auge sieht, die Trockenheit spürt, die Süße der Wassermelonen zu schmecken scheint; ebenso die Menschen, ihren Alltag, ihre Bindungen, ihre Hoffnungen und (existentielle) Sorgen - sie schafft Empathie für Stimmen, die zu oft nicht gehört werden.

    Das Buch habe ich verschlungen. In einer Welt, in der oft eher Gräben gerissen werden, anstatt Brücken zu bauen, ist "Die Sommer" ein Roman, den möglichst viele Menschen lesen sollten.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 5 Sterne

    6 von 8 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    yellowdog, 06.08.2020 bei bewertet

    Leyla

    Die Sommer erzählt auf sensible Art, wie die junge Leyla das Familienleben bei ihren jesidisch-kurdischen Großeltern wahrgenommen hat. Leyla lebt mit ihren Eltern in Deutschland, aber jeden Sommer verbringt sie bei ihren Großeltern in einem Dorf in Syrien nahe der türkischen Grenze.
    Während Leyla mit ihren Cousins nur halbherzig spielt, denn für die ist sie die aus Almanya, hat sie zur Großmutter ein ganz enges, vertrautes Verhältnis.
    Leyla spürt ihre Zerrissenheit auch in Deutschland. Ihre Mitschüler kennen kein Kurdistan.
    Auch die Lebensgeschichte von Leylas Vater wird noch erzählt. Er floh aus Syrien nach Deutschland.

    Es gibt einen weiteren wichtigen Aspekt, der zur Änderung führt. Das Terrorregime Assads und der Krieg, der 2011 beginnt. Das beendet Leylas Sommer in Syrien.
    Es bleibt eine andauernde Verstörung.

    Ich bewundere, wie einfühlsam die Autorin Ronya Othmann diese ganzen Szenen beschreibt. Ich war auch letztes Jahr schon von ihrer Lesung beim Ingeborg-Bachmann-Preis von ihrem Text überzeugt. Die Sommer wurde ein überzeugender Debütroman.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 5 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Frauke P., 16.08.2020

    Bewegend und zum Nachdenken anregend

    Nach der Leseprobe war ich sehr gespannt auf "Die Sommer" und wurde nicht enttäuscht.

    In dem Buch erzählt Leyla von ihrem Leben zwischen zwei Welten; auf der einen Seite dem Leben in Deutschland, wo sie zur Schule gehen darf, studieren soll, wo sie alle viel Platz haben und wo sie mit ihren Eltern weitesgehend alleine ist. Auf der anderen Seite gibt es die Sommer im kleinen Dorf in Nordsyrien. Hier wohnen ihre Verwandten, die Großeltern, Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen. Das Leben hier ist ganz anders als Leylas Leben in Deutschland, immer sind Leute um sie herum, die Kinder wachsen ganz anders auf als Leyla. Ihre Cousine hat andere Wünsche im Leben, interessiert sich mehr für Frisuren und empfindet Leyla als arrogant. Leyla dagegen fühlt sich "nicht dazugehörend" und erst als Erwachsene gelingt es ihr, sich selbst aus Sicht der Cousine zu sehen.
    Leylas Zerrissenheit zwischen Deutschland und Syrien, die Frage in ihr "Wo gehöre ich hin" wurde immer wieder deutlich. Ich stelle es mir sehr schwer vor, sich zu keinem Land so richtig zugehörig zu fühlen. Es hat mich traurig gemacht, dass Leyla sich so einsam fühlen musste, da sich in ihrem Umfeld in Deutschland niemand so wirklich für die Situation in Nordsyrien interessierte.

    Beim Lesen des Buches wurde mir immer wieder bewusst, wie gut es uns in Deutschland doch geht und welche Möglichkeiten / Freiheiten wir eigentlich haben.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 5 Sterne

    https://lieslos.blog/, 20.09.2020

    Gleich vorneweg:
    „Die Sommer“ ist für mich ein Highlight.
    Es ist ein ergreifendes, den Horizont erweiterndes und unterhaltsames Werk.

    Leyla hat eine deutsche Mutter und ihr Vater ist jesidischer Kurde.

    Über das Jahr hinweg lebt sie bei ihren Eltern in München, wo sie in einem Gymnasium die Schulbank drückt.

    „Die Sommer“ ihrer Kindheit und Jugend verbringt sie bei ihren Verwandten väterlicherseits in einem abgeschiedenen jesidischen Dorf im syrisch-türkischen Grenzgebiet.

    Leyla lebt ZWISCHEN bzw. IN zwei Welten und Kulturen.

    Egal, wo Leyla gerade ist,
    räumlich ist sie weit entfernt vom jeweils anderen vertrauten Ort, emotional ist sie jedoch immer sowohl hier als auch dort.
    Es ist ein gefühlsmäßiger Spagat, dem Leyla ausgesetzt ist.

    Das Nebeneinander von Sorglosigkeit und Sicherheit auf der einen Seite und Angst vor Vertreibung und tödlicher Gefahr auf der anderen Seite, ist verstörend und beunruhigend.

    Einerseits lebt sie mit ihren unbeschwerten, unbefangenen und ahnungslosen deutschen Freunden zusammen und andererseits liest sie über das vom syrischen Präsidenten Assad vernichtete Aleppo, über die vom IS ermordeten Jesiden und erlebt in ihren Ferien hautnah mit, dass die Bewohner des Dorfes auf gepackten Koffern sitzen, weil sie immer wieder flüchten müssen, bzw. Angst haben, vertrieben zu werden.

    Es ist äußerst interessant, in die Familiengeschichte einzutauchen, Leyla kennenzulernen und mehr über den Alltag in diesem gefährlichen Gebiet und über die politischen Gegebenheiten und Hintergründe zu erfahren.

    Leylas Vater flüchtete vor Jahren unter dramatischen Umständen nach Deutschland und heiratete dort eine schwäbische Krankenschwester.
    Zusammen mit der gemeinsamen Tochter Leyla verbringt das Paar die Sommer in Vaters Heimat.

    Leyla gelingt es, aus diesen heißen und eintönigen Wochen und diesem einfachen Leben das Beste zu machen. Und nicht nur das! Sie empfindet das Dorf und die Verwandten zunehmend als zweite Heimat.

    Zu lesen, wie Leyla es anstellt, sich in diesem ganz anderen Alltag wohl zu fühlen und wie ihre rast- und ruhelose Großmutter sie unter ihre Fittiche nimmt, um ihr vom Kochen bis zum Beten alles Wesentliche beizubringen, ist ein Genuss!

    Leyla hilft im Haushalt und auf dem Hof und verbringt Zeit mit ihrer Cousine Zozan.

    Die Autorin erschuf beeindruckende Charaktere und überrascht mit starken Dialogen.
    Sie beschreibt die Handlungsorte und Personen so bildhaft, dass man meint, selbst unter dem nächtlichen Sternenhimmel zu sitzen oder die flirrende Tageshitze zu spüren, vor der man hinter den Mauern der Häuser Schutz sucht.

    Mit den Jahren entsteht und wächst in Leyla eine innere Ambivalenz.
    Die gefühlte und erlebte Diskrepanz zwischen der archaischen und traditionellen syrischen Welt und der modernen und strukturierten deutschen Welt löst nachvollziehbar innere Spannungen und Gefühle von Zerrissenheit aus.
    Und dabei geht es nicht nur darum, dass die syrische Großmutter sie bald unter die Haube bringen will, sie selbst aber lesen, einen Beruf erlernen oder studieren will.

    Fragen nach Heimat, Zugehörigkeit und Identität drängen sich ihr auf. Fragen, mit denen sie sich allein gelassen fühlt.

    Die 1993 geborene Ronya Othmann hat mit „Die Sommer“ einen ergreifenden und hochaktuellen Debutroman geschrieben, der dem interessierten Leser die Augen öffnet.

    In abwechselnd wütendem, wuchtigem, melancholischem und zartem Ton erzählt sie gekonnt und souverän eine gleichermaßen erschütternde und wunderschöne jesidisch-kurdisch-deutsche Familiengeschichte vor dem Hintergrund von politischen Unruhen, Krieg, Zerrissenheit und Zerstörung.
    Sie schreibt feinfühlig über Herkunft und Heimat, driftet dabei aber nie ins Kitschige oder Rührselige ab.

    Im Gegenteil: Sie schreibt klar und schnörkellos, bringt auf den Punkt, was sie sagen will.
    Sie beschreibt und erzählt. Sie wird niemals belehrend oder wertend.

    Ich empfehle diesen intensiven und eindrucksvollen Roman sehr gerne weiter. Er erlaubt einen Blick über den Horizont und lässt den Leser in eine fremde Welt eintauchen.
    Man erhält tiefe Einblicke und gewinnt neue Einsichten.

    „Die Sommer“ ist eine Geschichte, die nachdenklich stimmt, nachhallt und bestens unterhält.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 5 Sterne

    Ruth L., 04.09.2020 bei bewertet

    Ein Leben zwischen den Kulturen
    Ronya Othmann, 1983 geboren, ist die Tochter eines kurdisch- jesidischen Vaters und einer deutschen Mutter. Die Protagonistin Leyla in ihrem Debutroman „Die Sommer“ weist einige Ähnlichkeiten mit der Autorin auf.
    Jedes Jahr reist die Familie, der kurdische Vater, die deutsche Mutter und Tochter Leyla, beladen mit Geschenken für die ganze Verwandtschaft, in die Heimat des Vaters, ein kleines Dorf im Nordosten Syriens. Leyla erinnert sich an die heißen Sommer, die sie dort verbracht hat. Sie gibt Einblicke in die Bräuche und Gewohnheiten im Land, in dem sie in vielen Szenen und Episoden die Menschen lebendig werden lässt. Sinnlich genau beschreibt sie Landschaft und Natur. Sie schreibt von Kinderspielen, von den Rivalitäten der Cousinen, vom gemeinsamen Schlafen draußen auf Hochbetten, von Besuchen bei Onkels und Tanten in Aleppo und anderen Städten. Sie lässt den blinden Großvater seine Geschichten von früher erzählen. Und über all dem steht als zentrale Gestalt für Leyla die geliebte Großmutter, die mit ihr betet und ihr das Kochen beibringt. Die Großmutter ist die Einzige der Familie, die gläubig ist. Sie gibt ihrer Enkelin ( und damit dem Leser ) einen Einblick in die reichhaltige Welt der jesidischen Religion. Für Leylas Vater ist Religion lediglich ein Zeichen für Rückständigkeit und den Mangel an Bildung.
    Eingeblendet in Leylas Erinnerungen ist die Lebensgeschichte des Vaters. Er durfte als Kurde in Syrien nicht studieren, wurde als Jugendlicher Mitglied der Kommunistischen Partei. Als junger Mann wird er verfolgt, verhaftet und gefoltert. Unter Lebensgefahr flüchtet er über die Türkei nach Deutschland. Hier muss er jahrelang auf seine Anerkennung als Asylant warten. Aus dem ehemaligen Kämpfer wird ein Mann, der immer höflich und bescheiden auftritt, nur nicht auffallen möchte. In seinem Garten versucht er den Garten seiner Eltern nachzubauen. Doch die deutschen Sommer sind zu kalt; nie wird es eine so üppige Ernte geben wie daheim.
    Seine Tochter soll es mal besser haben, sie soll studieren und nicht, ganz traditionell, früh heiraten. Aber sie soll nie vergessen, dass sie Kurdin ist.
    Doch irgendwann wird es zu gefährlich, in das Dorf zu reisen. 2011, zu Beginn der Revolution, ist der Vater noch euphorisch und voller Hoffnung. „ Ein Jahr noch, hatte der Vater gesagt und vor Freude gelacht, dann ist der Diktator weg, und wir fahren in ein freies Land.“
    Aber der Traum wird zum Alptraum. Von nun an sitzt der Vater nur noch vor dem Fernseher und sieht die Schreckensbilder aus Syrien. Für die Angehörigen dort wird es lebensbedohlich. Immer wieder kommen Assads Truppen ins Dorf, auf der Suche nach Spitzeln. Doch nachdem die islamistischen Fanatiker der IS die Jesiden foltern, verschleppen und ermorden, setzen die Eltern alle Hebel in Bewegung, um die Verwandten nach Deutschland zu holen.
    Nach dem Genozid an den Jesiden sagt der Vater: „ Es ist seltsam, aber zum ersten Mal wissen die Deutschen, wer wir sind.“
    In den Schilderungen von Leylas Aufwachsen in Deutschland wird die Zerrissenheit spürbar. Nirgends richtig hinzugehören ist ein Thema, das in vielen „Migrationsbüchern“ angesprochen wird. Leyla pendelt zwischen dem Leben in einer bayrischen Kleinstadt und den Sommern in dem kurdischen Dorf. Überall ist sie die Außenseiterin , in Deutschland noch mehr. Ständig stößt sie auf Unwissen oder Unverständnis. „ Kurdistan gibt es garnicht.“ „ Bist du Muslima?“
    Als junge Studentin fühlt sich Leyla fremd zwischen den deutschen Kommilitonen, die sich nur am Rande für das Geschehen in Syrien interessieren. Gleichzeitig plagen sie Schuldgefühle, weil es ihr in Deutschland gut geht, während in Syrien die Menschen um ihr Leben fürchten müssen.
    Ronya Othmann hat viele Themen in ihren Roman gepackt. Anschaulich wird die fremde Kultur im kurdischen Dorf geschildert. Die Biografie des Vaters erschüttert und berührt. Sie gibt zugleich Einblick in die Geschichte der jesidischen Kurden, die schon immer rechtlos und verfolgt waren. Allerdings kam mir die Hauptfigur nicht wirklich nahe.
    Trotzdem ist „ Die Sommer“ ein äußerst lesenswerter Roman zu einem aktuellen und zugleich zeitlosem Thema. Ich freue mich auf weitere Bücher der jungen Autorin.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 5 Sterne

    skandinavischbook, 18.08.2020

    Inhalt:
    Leyla wird als Kind einer deutschen Mutter und eines jesidischen Kurden geboren, ihre Kindheit erlebt sie im Zeichen beider Kulturen. Während sie ihre Sommerferien in einem syrischen Dörflein mit ihrer Familie verbringt, lebt sie den größten Teil in Deutschland, auch wenn ihr Herz für beide Seiten schlägt, stellt sich ihr schnell die Frage nach Zugehörigkeit und wohin sie eigentlich gehört. Alles steht dabei unter der Unterdrückung einer ganzen Kultur und Religion, die so unverstanden und in vielen Teil ungewollt ist und dabei schlägt Leylas Herz genau dafür für ihre kurdischen Wuzeln, aber eben auch für die deutschen, doch wer ist sie dabei wirklich und wo gehört sie hin ?

    Meine Meinung:
    Es gibt Rezensionen vor denen man Angst hat sie zu schreiben. Warum? Weil das Buch so gut, so eindringlich und wichtig ist, dass man weiß, man wird ihm nicht gerecht werden. Genau so ein Buch ist "Die Sommer" von Ronya Othmann, die mit diesem Debütroman ein Meisterwerk geschrieben hat.

    Wie sie die Sicht der jungen Leyla auf der Suche nach Heimat und der eigenen Identität schildert, ist dabei so sensibel geschildert, dass man als Leser sehr auf Zwischentöne achten muss, um die Genauigkeit und Tiefgründigkeit zu erfassen, die hier zwischen den Zeilen geschrieben steht. Dabei ist Othmann nie anmaßen, parteiergreifend oder zu klar in ihrer Ansicht, sondern macht die Zerrissenheit einer Person deutlich, die in zwei Welten lebt, zwischen zwei Welt und dabei sucht, nach so vielen und doch so wenig.
    Auch wie erdrückend die Ansicht von außen, die Erwartungen anderer Menschen sein kann und wie zentral immer noch ein Schubladendenken vorherrscht. Doch nicht nur das, sie erschafft Charaktere die unglaublich intensiv sind, und die so menschlich wirken, als seien sie echt.

    Nun funktioniert dieser Roman auf der kleinen Ebene, familiäre wirklich wunderschön beschriebene Momente in einer sommerlichen Szenerie, die immer wieder von Schatten durchzogen wird, denn leider funktioniert dieser Roman auch auf einer viel größeren!
    Denn ein zentraler Punkt ist die Unterdrückung und Ermordung einer religiösen Minderheit der Kurden, die mir hat den Atem stocken lasse. Auch hier wählt Othmann nie die großen grausamen Szenen, sondern setzt auf eine sachliche, dennoch nie kühle Schilderung des Grauens, dass mir häufig Tränen und ein Kopfschütteln über die menschliche Unmenschlichkeit entlockte.

    Mein Fazit:
    Ein großer Roman, der von einem literarisch ausgefeilten und höchst präsenten und gekonnten Schreibstil lebt. Der von einer Familie in binationalen Hintergrund erzählt, von Heimat und Heimatsuche und von so viel größeren Problemen unserer Zeit und dabei so viel Würde und Emotionalität und eben auch Schönheit ausstrahlt, dass man dieses Buch nur lieben und hochachtungsvoll weiterempfehlen kann!
    Lesen !

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 5 Sterne

    Webervogel, 01.10.2020

    Starkes Debüt, aufrüttelnd erzählt

    Die titelgebenden Sommer in Ronya Othmanns Romandebüt sind die Ferien, die Leyla Jahr für Jahr bei ihren Großeltern verbringt. So weit, so normal; allerdings wohnen die Großeltern nicht an Nord- oder Bodensee, sondern in Kurdistan – einem Land, das es offiziell gar nicht gibt und dessen Namen Leyla auf keinen Fall vor Dritten erwähnen soll. Das jedenfalls schärft ihr kurdischer Vater seiner Tochter von Kindesbeinen an ein. Und so lebt Leyla von klein auf mit einer Schere im Kopf: Hier ihr deutsches Leben in der Nähe von München, da ihre kurdischen Sommer bei den Großeltern in Nordsyrien. Hier Wohlstand, da einfachste Verhältnisse. Hier nur die Eltern, da eine Großfamilie. Hier das Leben eines Durchschnittsteenagers, da Angehörige einer stets bedrohten Minderheit als Jesidin.

    Leyla liebt ihre Sommer und Ronya Othmann gelingt es, sie für die Lesenden erfahrbar zu machen – immer wieder geht es um Licht, Gerüche, Haptik. Im Buch scheitert die Protagonistin dagegen daran, ihren deutschen Klassenkameraden und Freundinnen dieses andere Leben nahezubringen. Es rührt an, wie Leyla, die Außenseiterin mit der deutschen Mutter, im Laufe eines Sommers mehr und mehr im nordsyrischen Dorf ankommt, um dann durch ihre Abreise wieder in eine andere Welt katapultiert zu werden und im Jahr darauf erneut von vorne anzufangen.

    „Die Sommer“ ist ein wichtiges Buch – über Verfolgung, Flucht und Heimatlosigkeit, ein Leben als Außenseiterin und Fremdheit im eigenen Land. Gleichzeitig ist die Grundstimmung von einer unbestimmten Sehnsucht nach Menschlichkeit, Zugehörigkeit und Frieden geprägt. Wie nebenbei erzählt Ronya Othmann die Geschichte der Jesiden; von Vertreibung, Flucht, Schikane, staatlicher Willkür und ständiger Benachteiligung. Sie erzählt sie durch Leylas Vater, der seine gesamte Freizeit vor dem Fernseher verbringt und sämtliche arabische Nachrichtensendungen verfolgt, die er finden kann. Der davon träumt, dass verschiedene Ethnien und Religionen gleichberechtigt in einer Demokratie zusammenleben – und dessen Hoffnungen mit Ausbruch des Krieges in Syrien wieder einmal zerstört werden. Ab da verbringt Leyla, inzwischen fast erwachsen, ihre Sommer in Deutschland und entfremdet sich trotzdem mehr und mehr von ihrer Umgebung. Ihre Zerrissen- und Verlorenheit sowie ihre Ohnmacht werden dabei immer erdrückender. Blass bleibt dagegen Leylas Mutter, die allerdings auch nur eine Nebenfigur ist: eine pragmatische Krankenschwester, die ihren Ehemann und dessen kurdische Verwandtschaft bedingungslos unterstützt und offensichtlich keinerlei Verwandte oder Freunde hat, mit denen sie ihre Tochter auch in Deutschland etwas verwurzeln könnte. Das fand ich etwas unstimmig, aber es war auch das einzige.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 5 Sterne

    skiaddict7, 05.09.2020

    Zwischen zwei Kulturen

    "Du darfst diese Geschichte nicht vergessen, sagte der Vater, das ist deine Geschichte, Leyla.
    Diese Geschichte, in der sie kein Land hatten, keinen Platz, und wegen der sie in Deutschland waren. Nicht im Land mit den singenden Hirten, den Frauen mit den Tätowierungen im Gesicht, den Bergdörfern, den weiten Landschaften aus dem kurdischen Fernsehen."

    Leyla wächst als Tochter einer Deutschen und eines ezidischen Kurden in der Nähe von München auf. Die Sommer verbringt sie jeweils bei den Großeltern im Norden Syriens. Das kleine Dorf, die Lehmhäuser, die trockene Hitze, der Staub, das Obst, die Oliven, das selbst gebackene Brot. Tee trinken mit den Großeltern, Onkel, Tanten, Cousinen, Nachbarn... All das verbindet Leyla mit Kurdistan. Aber Kurdistan darf sie nicht sagen. "Wir gehen zu den Großeltern" soll sie sagen, wenn jemand fragt. Die Wochen vergehen immer langsam und doch zu schnell. Doch es kommt zunehmend zu Unruhen im Land und schließlich 2011 zum Bürgerkrieg. Leyla fliegt nicht mehr nach Syrien. Stattdessen verfolgt die Familie fast Tag und Nacht im Fernsehen, was im Land passiert und versucht verzweifelt, die Familie nach Deutschland zu bringen.

    Ich mochte den erzählenden Schreibstil, was Leyla erlebt hat, wie sie mit diesen Kulturen groß wird und langsam mehr versteht. Ich fand es eindrücklich, wie Leyla sich zwischen diesen Welten hin-und hergerissen fühlt, wie sie nirgendwo richtig dazugehört, und wie schmerzlich es ist, dass keiner das Land kennt, in dem sie ihre Wurzeln hat. Mich hat das Buch unglaublich berührt. Ein großartiges, tiefgründiges, emotionales Debüt und eines der besten Bücher von 2020. Ich hoffe auf ein baldiges zweites Buch der Autorin!

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 5 Sterne

    Kaffeeelse, 21.09.2020

    Ein interessantes Konstrukt! Bedächtig beginnend, zeichnet dieses Buch von Ronya Othmann eine coming of age Geschichte, die Geschichte von Leyla, der Tochter eines jesidischen Kurden und einer Deutschen, zwischen den Kulturen schwimmend, wächst sie in Deutschland auf und verbringt sie "Die Sommer" bei ihren jesidisch-kurdischen Großeltern im Norden von Syrien. Leyla ist ein zwischen den Kulturen stehender Mensch; ein Mädchen, welches älter wird, nachdenklicher wird, welches sich wichtige Fragen stellt. Mehr und mehr lernt man aber auch über die jesidisch-kurdische Gruppe, ihre Geschichte und ihre Kultur, ihren Glauben und ihre Ansichten. Dies ist richtig interessant gemacht und bringt eine richtig eigenständige Kultur in den Fokus der Lesenden! Hat mir sehr gefallen! Die Jesiden waren schon oft für ihre engstirnige Umgebung ein Dorn im Auge. Und dieses Buch zeigt genau das auf. Der syrische Krieg macht das ebenso noch einmal deutlich, aber genauso macht dieses Buch auch die Sinnlosigkeit von Gewalt begreifbar. Der syrische Krieg, die Bedrohung der eigenen Familie, die Machtlosigkeit der Protagonistin und das Desinteresse für das Schicksal ihrer Familie/ihres Volkes in der restliches Welt, lässt Leyla zur jesidischen Kurdin werden, zeigt ihr den einzig möglichen Weg! Dieses Buch steigert sich nach und nach zu einem Grauen, es bewegt und berührt ungemein, die Figur der Leyla macht nachdenklich und zeigt ebenso was ein Desinteresse bewirken kann. Gerade in der heutigen Zeit ein wichtiges Buch wie ich finde! Denn die westliche Welt ist beteiligt an dem Grauen der Kriege in vielen verschiedenen Gebieten und ein dauerndes Wegsehen wird nur weitere Opfer in anderen Bataclans fordern!

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 5 Sterne

    esmeralda19, 22.08.2020 bei bewertet

    Zerrissenheit zwischen zwei Welten

    Leyla lebt zwischen zwei Welten. Sie ist die Tochter einer Deutschen und eines jesidischen Kurden. Eigentlich ist sie in Deutschland zu Hause. Aber jeden Sommer verbringt sie bei ihren jesidisch-kurdischen Großeltern in einem Dorf in Syrien in der Nähe von der türkischen Grenze.

    Das Buch ist in zwei Teile aufgeteilt. Im ersten Teil werden diverse Geschichten erzählt. Der Vater erzählt aus seiner Kindheit. Es werden Geschichten vom Großvater erzählt und Leyla erzählt ihre Erinnerungen an ihre Sommer bei den Großeltern. Besonders ans Herz gewachsen ist mir die Großmutter von Leyla. Sie wird sehr großherzig dargestellt und hat in ihrem Leben auch einiges druchmachen müssen. Es wird auch von dem Vater von Leyla erzählt, wie er aus Syrien nach Deutschland floh.

    Der zweite Teil des Buches erzählt, wie 2011 in Syrien der Krieg ausbrach. Das hat mich sehr betroffen gemacht. Dadurch gibt es für Leyla keine Sommer mehr in Syrien. Es wird einiges aus dem Leben von Leyla in Deutschland erzählt und ihre Zerrissenheit zwischen den zwei Welten, zwischen Syrien und Deutschland. Sie fühlt sich nirgendwo zu Hause.

    Die Autorin Ronya Othmann hat mit "Die Sommer" ein außergewöhnliches Buch geschaffen. Sie ist zu bewundern, mit welcher Feinfühligkeit, Intensität und Sensibilität sie das Geschehen schildert und dadurch dem Leser vor Augen führt. Sie schneidet auch mit der Ermordung und Verfolgung der Jesiden ein wichtiges Thema an, das mich sehr schockiert und fassungslos gemacht hat.

    Ein feinfühliger Roman, der zum Nachdenken anregt.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 5 Sterne

    Lesemaus 34, 17.08.2020 bei bewertet

    Meine Meinung:
    Dieser Debütroman hat mich zutiefst bewegt und stark beindruckt, selten wurde ich bereits auf den ersten Seiten von er so gewählten Sprachgewalt in Empfang genommen, die sich dabei jegliche Form der zärtlichen Erzählkunst bewahrt hat.
    Was die Autorin Ronya Othmann hier geschaffen hat ist literarisch auf einem einmalig präzisen und beindruckenden Niveau, da es dem Leser die Augen öffnet ohne Belehrung oder den Anspruch dies tun zu müssen. Zudem hat es so leichte schöne Momente, die im ganz kleinen familiären Raum stattfinden von einer so präzisen und punktgenauen Beobachtungsgabe für Menschen geprägt ist, dass man sich in seitenlangen Ausführungen über ein Familienkonstrukt und Familienmitglieder verlieren kann, dabei absolut gefangen genommen ist von dem Geschick das gegebene so wunderbar erzählt zu bekommen.

    Die Charaktere sind einmalig bleiben nicht eindimensional, sind pointiert ausgearbeitet und so komplex und tief, dass man auch auf die Zwischentöne schauen muss. Die Frage danach was Heimat ist, wohin man gehört und die Schwierigkeit, aber auch das Positive einer binationalen Herkunft sind hier zum Zerreißen intensiv geschildert, sodass man als Leser den Schmerz und die Zerrissenheit beinahe eigenständig spüren kann.

    Fazit:
    Ein wahrlich großer Roman, der mich zum Nachdenken anregen konnte und noch lange nachhallen wird! Literarisch und emotional einfach bemerkenswert!

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 5 Sterne

    Insta.amreading, 23.08.2020 bei bewertet

    "Kîne em. Wer sind wir."

    Auf diesen kurzen Satz läst sich "Die Sommer" durchaus herunterbrechen. Es ist ein Buch über Leylas Erinnerungen an eben jene Sommer, die sie mit und bei ihrer Familie (väterlicherseits) in Nordsyrien/Kurdistan verbrachte...und mehr. Es ist die Geschichte von politischer und religiöser Verfolgung, vom Versuch der Auslöschung einer ganzen Volksgruppe, von Widerstand, und auch von Identität, vom zwischen-den-Kulturen-aufwachsen, von Unterschieden, von Gemeinsamkeiten, von Vorurteilen... und mehr.

    Ronya Othmann schreibt ohne Kapitel, wodurch ich das Lesen am Anfang etwas mühsam fand. Das legte sich aber sehr schnell, denn diese unterschiedlichsten Erinnerungen ohne große Pausen schaffen eben auch eine große Dringlichkeit und Sogwirkung, der ich mich gar nicht entziehen konnte (oder entziehen wollte). Die Autorin beschreibt Orte so liebevoll, dass man sie vor dem inneren Auge sieht, die Trockenheit spürt, die Süße der Wassermelonen zu schmecken scheint; ebenso die Menschen, ihren Alltag, ihre Bindungen, ihre Hoffnungen und (existentielle) Sorgen - sie schafft Empathie für Stimmen, die zu oft nicht gehört werden.

    Das Buch habe ich verschlungen. In einer Welt, in der oft eher Gräben gerissen werden, anstatt Brücken zu bauen, ist "Die Sommer" ein Roman, den möglichst viele Menschen lesen sollten.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 4 Sterne

    helena, 24.08.2020

    Reichhaltiger Inhalt, etwas mühseliger Stil

    Leyla lebt in verschiedenen Kulturen. Ihre Mutter ist Deutsche, ihr Vater ein ehemals geflüchteter staatenloser Kurde aus Syrien. Leylas Großmutter, gläubige Ezidin, lebt dort noch in einem kleinen Dorf. Leyla verbringt dort jedes Jahr ihre Sommerferien.
    Als der Krieg jedoch beginnt, kann sie nicht mehr hinfahren. Stattdessen sitzt der Vater nun rund um die Uhr vor dem Fernseher und verfolgt angespannt die aktuellen Geschehnisse. Angesichts des Syrien- Krieges sowie der Gefahr durch die Daesch (IS), welche die Eziden auslöschen will, helfen sie ihren Verwandten bei der Ausreise nach Deutschland.
    Zugleich erzählt der Vater seine eigene Flucht- Geschichte.
    Leyla selbst fühlt sich nirgendwo richtig zugehörig, überall macht sie aufgrund ihres Andersseins Diskriminierungserfahrungen. Zudem der Krieg, der ihre Familie hochbelastet und unmittelbar betrifft, von ihren deutschen Freundinnen und Schulkameraden gar nicht wahrgenommen wird.

    Viele Thematiken werden hier bearbeitet: die Kurdische Geschichte mitsamt der Unterdrückung, die Ezidische Geschichte mitsamt der Massaker, der Krieg in Syrien, das Flüchtling -Sein, das Asylrecht in seiner ungenügenden Ausprägung, das Migrant - Sein in Deutschland. Es ist zudem eine Familien- und Coming of Age Geschichte inklusive Queer-Seins. Zu viel? Einerseits ja und andererseits auch nicht. Hier wird ein durchaus realistisches Bild gezeichnet, welche unsere aktuelle Modernität abbildet, die komplex, widersprüchlich und vielgestaltig ist. Insofern finde ich das folgerichtig und gelungen.

    Nicht so gelungen empfand ich den Schreibstil, die Art des Erzählens. Der Roman kam oft wie eine Aneinanderreihung von Anekdoten daher oder auch wie ein Bericht. Für mich las sich das auf Dauer beschwerlich, sehr nüchtern, zu oft emotionsarm. Wenngleich mich auch einige Szenen wirklich berühren konnten und aufgrund der detaillierten Beschreibungen auch klare Bilder entstanden, besonders vom Alltag in diesem kurdischen Dorf. Ebenso eindrücklich gelangen die Erlebnisse des Vaters sowie die Figur der Großmutter. Zwar werden die Figuren sehr distanziert geschildert, so blieb aber auch genügend Abstand, um über sie nachzudenken. Und über manche Entscheidungen, welche die Figuren treffen oder eben auch nicht treffen (Leyla in ihrer Passivität), lohnt es sich durchaus nachzudenken.

    Mehrmals musste ich dennoch Pausen einlegen. Der „brave“ berichtende Schreibstil, die vielen Fakten und aneinandergereihten Anekdoten ermüdeten und langweilten mich etwas. Erst mit Zeit und paralleler Recherche "erarbeitete" ich mir diesen "Romanbericht". So informierte ich mich mit Hilfe anderer Quellen über Eziden und ezidische Kurden im speziellen und erst danach verstand ich Teile dieses Werkes besser, konnte Dinge besser einordnen und sie erhielten mehr Farbe und Hintergrund.
    Mich verwirrte zum Beispiel anfangs die Verbindung von Eziden und Kurden – dies wusste ich vorher nicht und es schien mir auch aufgrund der unterschiedlichen Religionen unverständlich. Hierauf geht die Autorin leider kaum ein und thematisiert auch nicht, dass es auch große Konflikte zwischen ezidischen und muslimischen Kurden gab und gibt. Das fehlte mir. Selbstkritisch wurde mir jedoch auch bewusst, wie gern ich Menschen in bestimmte Schubladen sortieren möchte..:)

    Insgesamt war das für mich ein etwas unbefriedigender Mix zwischen Bericht und Roman, der jedoch wichtige Themen anspricht, zur Völkerverständigung beiträgt, zur weiteren Auseinandersetzung anregt und damit auch ziemlich nachhallt.
    3,5 Punkte

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 5 Sterne

    Selina M., 29.04.2021

    Leyla lebt mit ihren Eltern in der Nähe von München und verbringt die Sommer ihrer Kindheit und Jugend bei ihren kurdischen Großeltern in Nordsyrien. Othmanns Roman erzählt vom Leben im Dorf der Großeltern, den politischen Gegebenheiten in Syrien und der Vertreibung und Auslöschung der Kurden durch den IS. Als dies wird durch Leylas Erinnerung und aus der Perspektive ihrer Schul- und Studienzeit beschrieben.

    "Die Sommer" ist für mich ein besonderer und augenöffnender Roman. Das Buch bietet die Möglichkeit, sich ernsthaft damit zu beschäftigen, was religiösen Völkergruppen vor unser aller Augen im 21. Jahrhundert auf dieser Welt widerfährt. Mir hat sehr gut gefallen wie die Autorin es schafft, das Thema Zugehörigkeit komplex darzustellen. Außerdem schafft sie es, eine gewisse Sehnsucht nach einem staubigen Ort fern unserer Realität zu erwecken.

    Ich möchte Ronya Othmanns Roman uneingeschränkt weiterempfehlen und wünsche mir, dass eine breite Masse das Buch, dass sich zugänglich, auf seine Art spannend sowie klar lesen lässt, zur Hand nimmt.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 5 Sterne

    begine, 15.08.2020 bei bewertet

    Kurdische Jesiden
    Die Autorin Ronya Othmann beschreibt einfühlsam und nach vollziehbar in ihrem Debütroman „Die Sommer“ über das Leben zwischen den Welten.
    Die Protagonistin Leyla hat einen jesidischen kurdischen Vater und eine deutsche Mutter. Sie leben in Deutschland.
    Jedes Jahr fahren die Drei zu den Großeltern nach Kurdistan.
    Sensibel erzählt die Autorin wie Leyla als kleines Mädchen den Abstand zu ihrer Cousine hält. Als Erwachsene erkennt sie, das es auch an ihr lag. Sie ist ein Kind zwischen den Ländern.

    Ihr Vater erzählt ihr viel von der Geschichte seines Landes. Die Jesiden wurden immer wieder verfolgt und tyrannisiert,
    Das Massaker an den Jesiden ist noch nicht lange her. Wenn man sich vorstellt, was für Angst es da für die Familie gibt. Das ist schlimm.
    Die Autirun hat selber einen jesidischen Vater und hat bestimmt ähnliches wie ihre Protagonistin erlebt.
    Der Roman ist aktuell. Ihr Schreibstil konnte mich mitreisen.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein