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Älterwerden ist voll sexy, man stöhnt mehr

Gibt Survival-Tipps für den Überlebenskampf ab 50: Komikerin Sabine Bode im Interview

Foto © Olli Haas

Alles eine Frage der Perspektive!

Sind Sie in der Lage, Straßenkarten zu lesen? In der "Gala" kennen Sie keinen Promi mehr unter 40? Und das Vorglühen ist bei Ihnen bereits die Party? Dann könnte "Älterwerden ist voll sexy, man stöhnt mehr" genau die richtige Gute-Laune-Lektüre für Sie sein.

Autorin Sabine Bode ist hauptberuflich lustig – die ehemalige Gag-Schreiberin von Harald Schmidt, Anke Engelke, Hape Kerkeling und Co. haut sie nur so raus, die Pointen, Gags und lustigen Geschichten. Nach der Elternsatire "Kinder sind ein Geschenk (aber ein Wellnessgutschein hätt's auch getan)" sorgt sie aktuell für Lachtränen bei der Generation 50 plus. "Älterwerden ist voll sexy, man stöhnt mehr" heißt ihr Survival-Guide für den Überlebenskampf ab 50 und ist Dauergast auf der Spiegel-Bestsellerliste. Und wäre Corona ihr nicht dazwischen gegrätscht, wäre Sabine Bode aktuell damit auf Bühnentour.

Aber die Bochumerin nimmt's mit Humor und plaudert im Weltbild-Interview darüber, warum Älterwerden eine Frage der Perspektive ist ("So jung wie heute bin ich nie wieder!"), auf welchen neumodischen Schnickschnack sie gut verzichten kann ("...ich brauche weder Goji noch Acai... bis vor kurzem dachte ich noch, das seien Vornamen aus Prenzlberg.") und was das eigentlich mit Gwyneth Paltrow zu tun hat...

Sabine Bode im Interview über die Benefits mit 50plus und worauf sie dankend verzichten kann (wie Superfoods und Tipps von Gwyneth Paltrow).

Sie schreiben: „In zehn Jahren würde ich mich glücklich schätzen, noch mal so auszusehen. Es ist eben alles eine Frage der Perspektive.“ Können wir Frauen um die 50 also froh sein (dass wir nicht 60 sind) bzw. warum ist 50 besser als sein Ruf?

Sabine Bode: "Man sollte einfach mal den Blickpunkt ändern und denken: 'So jung wie heute bin ich nie wieder!'"


Sabine Bode: Das klingt vielleicht wie ein Sixties-Bashing, was es aber gar nicht sein soll. Ich fand 30 schon „alt“, aus heutiger Sicht ist das natürlich blutjung. Man sollte einfach mal den Blickpunkt ändern und denken: „So jung wie heute bin ich nie wieder!“ Vor kurzem habe ich noch gedacht: „50 Jahre? Oh Gott, das sind ja 100 Mark!“ Auch wenn das „Mittelalter“ nicht nur Grund zum Jubeln ist, so fühlt es sich doch wesentlich besser und entspannter an, als ich noch vor ein paar Jahren geglaubt hätte. Es wäre doch schön, einfach mal ohne Zusatztexte wie „sehe aber noch gut aus“, „fühle mich noch topfit“ oder „für das Alter“ auszukommen, sondern zu sagen: Ich bin 50 und das ist auch gut so.

Neulich hat sich vor mir in der Schlange beim Bäcker eine ältere Dame aufgeregt, als sie von der Verkäuferin mit „junge Frau“ angesprochen wurde: „Hörensema, hamse keine Augen im Kopp? Ich bin nicht jung und will’s auch gar nicht mehr sein!“ Das fand ich sehr cool.

Im Buch heißt es: „Ich möchte nicht mehr müssen, ich will nur noch wollen, und zwar Pfützenhüpfen in Stützstrümpfen.“ Was steht auf Ihrer „Muss-ich-nicht-mehr“-Liste?

Sabine Bode: Ganz viel! Je weniger Zeit man hat, desto effizienter nutzt man sie. Ich quäle mich z. B. nicht mehr durch Bücher oder Filme, die angeblich „im letzten Drittel wirklich gut sind!“. Neulich waren wir mit Freunden in einer hochgelobten Theatervorstellung. Wir fanden es super anstrengend, und irgendwann haben wir dann beschlossen, dass wir lieber alle zusammen ein Bier trinken gehen würden, was wir auch gemacht haben. Es klingt ein wenig esoterisch, aber kurz mal in sich horchen („Was will ICH eigentlich?“) und auch mal „Nein“ sagen wirkt Wunder.

Ich verbringe keine Zeit mehr mit Menschen, auf die ich keine Lust habe oder mit zwielichtigen Jobs („Es gibt kein Honorar, aber der Cousin vom Techniker wird dich vielleicht in vier Jahren mal für seine Hochzeit buchen!“). Und neumodischen Schnickschnack brauche ich auch nicht. „Superfoods“ zum Beispiel, zu meiner Zeit hieß das noch „Möhrendurcheinander“! Kurz, ich brauche weder Goji noch Acai … bis vor kurzem dachte ich noch, das seien Vornamen aus Prenzlberg. Ich brauche auch keine nervig fiependen Einparkhilfen im Auto: Beim Rückwärtseinparken weiß ich: Wenn die Häkelklorolle auf der Heckklappe runterfällt, bin ich am Bordstein. Und ich käme mir sehr bescheuert dabei vor, meine Haushaltsgeräte anzuschreien.

Sabine Bode: "Überhaupt gehen mir diese ganzen Blogs und Tutorials auf die Nerven, in denen Frauen anderen Frauen zeigen, wie glücklich sie sein könnten..."


Seit Erscheinen Ihres Buchs werden Sie in einem Zuge mit Gwyneth Paltrow zitiert, die mit drastischen Aussagen das Image der Menopause kippen will. Ist Gwyneth Paltrow da eine glaubwürdige Kämpferin für die Interessen der Frau ab 50?

Sabine Bode: Hui, ich werde natürlich lieber mit Gwyneth Paltrow in einem Atemzug genannt als mit Mutter Beimer. Dass sie das Bieder-Image der Wechseljahre aufpeppen will, ist an sich eine gute Sache. Aber ihre Lifestyle-Produkte finde ich eher befremdlich: Neben den berüchtigten Kerzen mit Vagina-Geruch vertreibt sie jede Menge Murks wie Aura-Spray gegen psychische Attacken und eine 100-Dollar-Creme, die angeblich „angebetet und angesungen“ wurde. Das kann sie doch bitteschön nicht ernst meinen?

Überhaupt gehen mir diese ganzen Blogs und Tutorials auf die Nerven, in denen Frauen anderen Frauen zeigen, wie glücklich sie sein könnten, wenn sie ihre Shirts nach einer bestimmten Methode auffalten, morgens um fünf ihre minimalistische 2-Zimmer-Wohnung mit einem Reisigbesen kehren, den man übrigens für teuer Geld bei steuersparenden Monopolisten bestellen kann („verlinke ich Euch in der Info-Box“, zwinker!).

Mein Lifestyle-Katalog hätte nur eine Message: Macht doch endlich das, worauf ihr Bock habt! Lernt ein Instrument, peppt Straßenpoller mit bunten Häkeltieren auf… oder singt von mir aus auch Eurer No-Name-Gesichtscreme „Highway to Hell“ vor… ist genauso sinnlos wie die Empfehlung von Frau Paltrow, aber wesentlich billiger.

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Sabine Bode: "Je mehr der Körper in die Breite geht, desto mehr gehen die Gedanken in die Tiefe – ist doch auch was!"


„Ich stehe vor dem Spiegel und stelle ziemlich schnell fest: Das Einzige, was an mir dünn ist, sind die Haare.“ - Welche Tipps zum Thema „körperliche Veränderungen“ haben Sie für Ihre Leserinnen?

Sabine Bode: Also, ich mache keinen Luftsprung bei jedem neuen grauen Haar. Aber generell sollten wir unserem Körper nicht böse sein, dass er eben nicht mehr auf Hochleistung arbeitet und sich auch mal ein bisschen runterfährt. Das hat er sich verdient! Man muss sich auch mal überlegen, was dieser schon geleistet hat – in meinem Fall zwei komplizierte Geburten und eine ziemlich harte Krankheit. Da kann ich ihm die ein oder andere Dehnungsfalte verzeihen.

Ich muss mir ja keine beige Komfortbundhose mit Bundfalten zulegen. Aber ich will mir auch nicht die Wangen am Hinterkopf zusammentackern oder mir Schlachtabfälle ins Gesicht spritzen (brrr!), um zwei Jahre jünger zu wirken. Schlimm genug, dass keiner die aktuellen Songs von Frau Lopez oder Shakira kennt, aber alle einhellig befinden, wie toll diese Damen „in ihrem Alter“ noch mit dem Hintern wackeln können.

Und wer sich in seinem Körper unwohl fühlt, sollte einfach mal die Tricks der Modeindustrie durchschauen. Immerhin gilt schon alles über Größe 38 als „Plus Size“. Dabei trägt die statistische deutsche Durchschnittsfrau Gr. 42/44. Und so als Trost: Je mehr der Körper in die Breite geht, desto mehr gehen die Gedanken in die Tiefe – ist doch auch was!

Sabine Bode: "Ich finde, das Leben ab 50 hat mehr zu bieten als Hormonyoga und Hockergymnastik."


Und wieso sollte man Ihrer Meinung nach als Frau im „Mittelalter“ tunlichst den Konsum von Frauenzeitschriften einstellen?

Sabine Bode: Naja, da steckt das ganze Dilemma der Erwartungen drin, die an uns gestellt werden. Wir sollen viermal im Jahr unseren Kleiderschrank komplett erneuern und dann auf den DIY-Seiten aus Marmeladengläsern Schneekugeln basteln, weil das ja so umweltfreundlich ist.

Wir sollen frisch und fettarm kochen, uns dabei aber auch ein bisschen für Frauenprojekte in Afrika interessieren, vor allem aber wissen, wie wir „ihn“ so richtig antörnen. Am meisten aber nervt der allgegenwärtige Optimierungswahn. Nicht nur, dass 19-jährige Styling-Redakteure sich anmaßen, was Frauen ab 30, 40 oder 50 noch tragen sollten (nach deren Standards: Kartoffelsäcke in verschiedenen Farben!). Auf zahlreichen Vorher-Nachher-Seiten wird uns auch noch suggeriert, dass keine so gut ist, wie sie ist. Dann wird Erna P. aus Castrop-Rauxel mit ein paar blonden Strähnchen und Wangenrouge ein „Life-Changing-Moment“ verpasst, bis diese glücklich bekennt: „Jahrelang bin ich in Rosa- und Minttönen herumgelaufen, weil mir niemand gesagt hat, dass ich der Herbsttyp bin und nur die Nussbaum-Ocker-Estrich-Palette tragen darf!“

Die Wellness-Seiten sagen uns, wie wir mit einer Handvoll Kamillenblüten im Fußbad tiefenentspannt und kompletterneuert werden, eine Seite später wird in der „Wem steht’s besser?“-Rubrik dann wieder ein angeblich weiblicher Beißreflex geweckt, bei dem wir zwei Trullas auf dem roten Teppich bewerten sollen, die die Todsünde begangen haben, das gleiche Kleid zu tragen. Warum werden hier nie Männer verglichen, die den gleichen Anzug tragen?

Und auch die Werbung in diesen Blättern wird ab einem gewissen Alter ganz schön doof, frei nach dem Motto „Ich lache, ich niese, und keiner merkt, dass ich eine acht Meter lange Surfbretteinlage im Schritt balanciere!“.

Ich finde, das Leben ab 50 hat mehr zu bieten als Hormonyoga und Hockergymnastik.

Noch mehr von Sabine Bode: Die Autorin im Gespräch mit Kultur-Journalistin Karla Paul

In der Reihe #weltbildliest hat sich Sabine Bode mit Kultur-Journalistin Karla Paul über ihr aktuelles Buch "Älterwerden ist voll sexy, man stöhnt mehr" unterhalten. Erleben Sie die Komikerin im Video: