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  • 5 Sterne

    4 von 4 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    mimitatis_buecherkiste, 27.10.2023

    Als Buch bewertet

    Es ist das Jahr 1974, es gibt Unruhen in Boston, nachdem Richter W. Arthur Garrity Jr. aufgrund einer Sammelklage entschieden hat, dass künftig schwarze Kinder mit Bussen in weiße Schulen gebracht werden sollen und weiße Kinder in schwarze Schulen. Als die 17jährige Jules Fennessy nach einem Treffen mit ihren Freunden nicht nach Hause kommt, setzt ihre Mutter Mary Pat alle Hebel in Bewegung, um sie zu finden. In ihrem irischen Viertel stößt Mary Pat auf eine Mauer des Schweigens und ist außer sich vor Schmerz, als ihr klar wird, dass Jules nicht mehr heimkommt. Sie macht sich auf, die Schuldigen zu finden, um sie zu bestrafen. Zu verlieren hat sie nichts mehr.

    „Sie erinnert sich nicht an dieses Mädchen, aber sie spürt es noch in sich. Sie spürt seine Verblüffung und sein Entsetzen. Über den Lärm und die Wut. Den Zornessturm, der sie umtobte und im Kreis herumwirbelte, bis ihr so verdammt schwindlig davon war, dass sie für den Rest ihres Lebens lernen musste, darin zu laufen, ohne hinzufallen.“ (Seite 203)

    Dennis Lehane war im Sommer des Jahres 1974 neun Jahre alt, als er mit seinem Vater mitten in die Unruhen geraten ist. Dieses Erlebnis war so erschreckend und angsteinflössend, dass er sich entschlossen hat, die geschichtlichen Fakten mit einer fiktiven Geschichte zu verbinden. Mir waren die historischen Fakten unvollständig bekannt, dieses Buch hat dazu beigetragen, dass ich mich mit dem Thema näher beschäftigt und einiges dazugelernt habe. Wer ebenfalls interessiert ist, mehr darüber zu erfahren, dem empfehle ich, sich das Urteil Morgan gegen Hennigan anzusehen und durchzulesen. Ergänzend verweise ich darauf, dass die damalige Sprache nicht zeitgemäß ist und das N-Wort durchgehend im Gebrauch, was der Story eine Authentizität verleiht, die ansonsten fehlen würde.

    Die vorliegende Geschichte fing ganz harmlos an, es gab einen Vorfall, der zunächst von mir als nebensächlich eingestuft wurde, bis eine Wendung kam, die dazu führte, dass die geschilderten Ereignisse plötzlich mit im Vordergrund standen. Die raffinierte Verknüpfung erstaunte mich, gab der Erzählung ab da einen ganz anderen Sinn, als ich vermutet habe. So kam es, dass ich mich unerwarteterweise in einem irischen Krimi wiederfand, der vor Spannung platzte, bis es wieder einen Twist gab, der mich sprachlos machte.

    „Einmal blickt er zur Seite, als sie ihn gerade mit einem verstohlenen Lächeln ansieht, und erwägt die Möglichkeit, dass das Gegenteil von Hass nicht Liebe ist. Sondern Hoffnung. Denn Hass braucht Jahre, um sich zu entwickeln, aber Hoffnung kann um die Ecke gefegt kommen, wenn man nicht mal hinsieht.“ (Seite 170)

    Ich schwankte zwischen Mitleid, Verständnis und Zorn, fühlte mich machtlos, gefangen in der Spirale von Hass. Ich litt zusammen mit Mary Pat, hielt den ermittelnden Beamten die Daumen, weinte mit trauernden Eltern, schrie mit der Menge, erlebte die Gewalt und platzte vor Wut. Manchmal musste ich innehalten und das Buch zur Seite legen, zu groß waren meine Emotionen; sie überfluteten meinen Körper und Tränen verschleierten meinen Blick. Was für ein Drama, welch eine Tragödie, grandios in Worte gefasst, erzählerisch eine große Wucht. Dieses Buch wird mir lange im Gedächtnis bleiben! Ein Highlight für mich, das fünf Sterne mit Sternchen bekommt und eine Leseempfehlung dazu.

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  • 5 Sterne

    1 von 2 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Kristall, 25.08.2023

    Als eBook bewertet

    !ein Lesehighlight 2023!



    Klappentext:

    „Boston, 1974. Die Stadt kocht. Künftig sollen schwarze Kinder mit Bussen in weiße Schulen gebracht werden und vice versa. Angst geht um und Hass. Eines Nachts kehrt Mary Pat Fennessys 17-jährige Tochter Jules nicht nach Hause zurück. Mary Pat beginnt Fragen zu stellen, stößt auf Schweigen und Widersprüche, bis sie versteht: Man hat ihr das Letzte genommen, was ihr in dieser Welt Halt gab. Außer sich vor Schmerz macht sie sich auf, um Rache zu nehmen an den Verantwortlichen – und um ihre eigene Schuld abzutragen. Um jeden Preis.“



    Dieses Mal mein Fazit zuerst: Dieses Buch ist wieder Mal ein typischer Lehane! Seine Geschichte „Sekunden der Gnade“ ist äußerst atmosphärisch und im höchsten Maße emotional. Ein grandioses Buch! 5 Sterne hierfür!

    Autor Dennis Lehane hat mit seiner aktuellen Story definitiv keine leichte Kost seinen Lesern beschert. Wer Dehane und seinen Schreibstil kennt, weiß das aber auch. In dieser Story bewegen wir uns in Boston in den anfänglichen 1970 Jahren. Schwarze und Weiße, Rassentrennung sind in den Adern der Menschen fest eingebrannt aber genau das soll sich nun ändern. Die Schulkinder, egal welcher Hautfarbe, sollen gemeinsam in den Schulbussen sitzen. Nun ist endgültig das Pulverfass entzündet! Klüfte tun sich auf, Meinungen werden hinaus geschrien und Rechte wollen verteidigt werden. Allein diese Zeitendarstellung ist Lehane grandios gelungen. Man spürt durch das Buch die beiden Lager aufbrodeln, möchte am liebsten selbst Partei ergreifen, möchte allen am liebsten ins Gewissen reden aber wir sind nur die stille Leserschaft dieser Zeilen. Wir werden des Weiteren mit dem Mutter-Tochter-Gespann Mary Pat (eine äußerst harte Frau in meinen Augen, die keineswegs Ängste scheut) und Jules (in einem Alter, in dem man mit einer gewissen jugendlichen, vielleicht naiven Weitsicht manchmal mehr sieht als die Erwachsenen zu sehen glauben) Fennessys betraut. Um hier im farblichen Spektrum zu bleiben: sie wohnen im weißen Viertel und dieses ist mit den Vorbereitung von Demonstrationen etc. gegen die schwarze Bevölkerung beschäftigt. Lehane führt uns Leser hier wie über ein Schachbrett. Fragt sich nur welche Farbe gewinnt?! Seine Züge in der Geschichte sind bestens austariert und genau beschrieben. Er zeigt dem Leser beide Seiten auf, ist keineswegs wertend und schreit mit jedem verfasstem Wort die Probleme von Damals in das Hier und Jetzt hinaus. Diese sind voller Wut, voller Ärger und auch Hass. Ja, Rassendiskriminierung ist leider noch immer aktuell und es scheint nirgend auf der Welt ein Ende dazu in Sicht zu sein. Egal ob Hautfarbe oder Religion ode sonst etwas. Kurzum: Lehans Geschichte hat an Aktualität keinen Millimeter verloren! Mary Pats Tochter ist verschwunden und wir müssen vom schlimmsten ausgehen - aber lesen Sie selbst. Mary Pat versucht schlussendlich alles um an die Gerechtigkeit zu glauben, nur ist das wirklich die Wahrheit? Das Buch ist jede Seite, jedes Wort wert gelesen zu werden! Es fesselt, es beschäftigt, es rüttelt auf und es hallt im unglaublichen Sinne nach!

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  • 5 Sterne

    JoanStef, 22.07.2023

    Als Buch bewertet

    Haben wir aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt?

    Mit - Sekunden der Gnade - veröffentlicht der Diogenes Verlag am 23.08.2023 einen Roman, der sicher Viele begeistern und zum Nachdenken anregen kann.

    Zum Inhalt:
    Boston 1974 in den USA. In der Gesellschaft brodelt es. Die Hitze des Sommers ist schwer auszuhalten.
    Aufgrund eines Gesetzesentscheid sollen Kinder fortan in den Schulen nicht mehr aufgrund ihrer Hautfarbe getrennt, unterrichtet werden. Um eine faire Verteilung zu erreichen, sollen im nächsten Schuljahr farbige Kinder mit Bussen. in weiße Schulen gebracht werden.
    Ebenso werden weiße Schüler in vormals ausschließlich "farbigen" Schulen gemeinsam unterrichtet werden...
    Eine Entscheidung, die bei vielen Ängste & Hassgefühle schürt.
    Ebenfalls in diesem Sommer: die 17- jährige Jules Tochter von Mary Fennessy verschwindet spurlos. Ihre Mutter versucht sie auf eigene Faust zu finden. Anstatt Antworten gewinnt Mary Gewissheit, dass das Liebste ihr genommen wurde.
    Ihrem Hass und Verzweiflung folgend, will sie nun Rache üben.

    Der Autor Dennis Lehane: ist ein inzwischen mit Preisen ausgezeichneter amerikanischer Schriftsteller. Für seine Bücher wurde er immer wieder ausgezeichnet und Preise gewonnen.
    Er lebt & arbeitet in Boston/Mass. USA.

    Die deutsche Übersetzung ist von Malte Krutsch.

    Mein persönlicher Eindruck

    Erzählstil, Übersetzung, Lesefluss, Thematik und Gesamtkonzept:
    Dieses Buch war für mich das Erste von Dennis Lehane.
    Ja, ich habe von ihm vorab schon gehört gehabt, aber bisher keinen eigenen Eindruck gewinnen können. Das wollte ich mit diesem Buch ändern.

    Die deutsche Übersetzung: ist gut und flüssig lesbar.
    Die Geschichte wir in dem damals üblichen Jargon & Wortlaut wiedergegeben. Dieses lässt alles noch viel authentischer erscheinen. Natürlich ist auch der Realitätsbezug in diesem Werk ein wichtiger Faktor. Die Emotionen der Protagonisten werden sehr gut beschrieben.
    Die gesamte Erzählung nimmt mich total gefangen.
    Ich sehe leider so viele Analogien zu dem heutigen politischen Geschehen in den USA. Es ist erschreckend. Die Story fungiert wie ein Spiegel in dem sich die homophobe Einstellung vieler Bevölkerungsteilen im In - & Ausland zum Greifen nahe, spiegeln.

    Zusammenfassung & Fazit:
    Ein wichtiges Thema, dass viele Menschen unbedingt lesen sollten. Hier spricht eine vergangene, homophobe Zeitepoche zu uns. Wir, die wir schon wieder beginnen, Menschen, die vermeidlich anders sind, zu verurteilen und zu verunglimpfen.

    Ich vergebe überzeugte 5*Lesesterne & verbinde diese mit einer ausdrücklichen Leseempfehlung an alle, die gern über Fakten lesen & nachdenken.

    Ich kann mir vorstellen, dass dieses Buch im Schulunterricht ein bewegendes Werkzeug sein kann. Sollten wir doch alle aus unseren gemeinsamen Fehlern, der Vergangenheit lernen.

    ISDN: 978-3257072587
    Seitenzahl: 400
    Formate: elektr. & Taschenbuch

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  • 5 Sterne

    Elke O., 23.08.2023

    Als Buch bewertet

    Ergreifend und mit historischem Bezug
    Es ist die Zeit der bewegten 70er Jahre, in den USA wird der vorherrschende Rassismus bekämpft, zunächst aber nur mit schwachen Ergebnissen. Auch in Boston brodelt es, denn ab dem neuen Schuljahr soll die Rassentrennung in den Schulen aufgehoben werden. Mit dem Projekt des 'busing' sollen weiße und schwarze Schüler per Bus an andere Schulen transportiert und somit vermischt werden, um damit die fortwährende Segregation zu bekämpfen.
    Mary Pat Fennessy lebt in einem irisch geprägten weißen Vorort Bostons und bereitet mit anderen zusammen Protestaktionen vor, denn auch ihre 17jährige Tochter Jules soll in Kürze per Bus in eine Schule der Innenstadt gebracht werden, was für eine gereizte Atmosphäre unter den Bewohnern sorgt. Für Mary Pat bedeutet ihre Tochter alles, denn ihr Sohn ist bereits durch Drogen gestorben, und ihr zweiter Ehemann hat sie verlassen. In einem Milieu, das von Armut und sozialen Missständen geprägt ist, möchte sie ihre Tochter vor allem Bösen beschützen.
    Eines Nachts jedoch kehrt Jules nicht nach Hause zurück. Nach anfänglichen Erklärungsversuchen und verbreiteten Suchaktionen muss Mary Pat schmerzlich zur Kenntnis nehmen, dass ihre Tochter nie mehr zurückkommt.
    Sie stößt auf ein korruptes und verständnisloses Umfeld, in dem die polizeilichen Ermittlungen kaum eine Chance haben. Denn auf der korrupten Seite häuft sich auch das Geld, und damit kann man bekanntlich viel bewegen und vertuschen.
    Dennis Lehane schildert gewohnt eindrucksvoll die Atmosphäre der Armut und Perspektivlosigkeit in Southie, im Süden Bostons. Und ebenso atmosphärisch ist auch die Beschreibung der Angst und Beklemmung, die sich in Mary Pat immer mehr ausbreiten, als ihr klar wird, dass sie Jules niemals wiedersieht. Nach ein paar Tagen verzweifelter Trauer und Einsamkeit beschließt sie, Rache zu nehmen für den großen Verlust. Da sie nichts mehr zu verlieren hat, ist ihre Vergeltung brutal und jegliche Empathie ist aus Mary Pat verschwunden. So gibt es einige Szenen, die mich sehr ergriffen machten und schlucken ließen. Andererseits habe ich immer wieder versucht, mich in die trostlose Situation der verzweifelten Mutter hinein zu versetzen, um sie zu verstehen. Auf diese Weise hat mich das Buch auch über das Lesen hinaus beschäftigt, denn der Inhalt ist abgrundtief erschütternd.
    Was mich sehr überrascht hat, ist meine Sympathie für die Hauptprotagonistin, die alles andere als rücksichtsvoll und vertrauenswürdig ist. Vielleicht liegt es an ihrer Entschlossenheit, mit der sie ihre Aktionen durchzieht und so ihrer geliebten Tochter einen letzten Dienst erweist.
    Dies ist ein Buch, das ich sicher noch lange in Erinnerung haben werde, ein Meisterstück der atmosphärisch dichten Beschreibung und eine Darstellung, zu was der Mensch in ausweglosen Situationen fähig ist. Meine uneingeschränkte Leseempfehlung!

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  • 5 Sterne

    Simone F., 22.08.2023

    Als eBook bewertet

    "Es gibt ein altes Sprichwort: Wenn man jemandem alles nimmt, hat er nichts mehr zu verlieren." (Anhang zum Buch, Interview mit Dennis Lehane)

    Die irischstämmige Mary Pat lebt mit ihrer Tochter Jules (17) in South Boston. Es ist Sommer 1974, und die Bustransfers, die der Rassentrennung entgegenwirken und Schüler aus mehrheitlich weißen Stadtteilen in Schulen mit überwiegend farbigen Schülern bringen sollen und umgekehrt, sorgen für Aufregung. Der Widerstand ist groß, auch Mary Pat engagiert sich darin. Eines Abends geht Jules mit Freunden aus und kehrt nicht nach Hause zurück. Mary Pat macht sich auf die Suche nach ihrer Tochter und stößt auf eine Mauer des Schweigens. Nach dem Tod ihres Sohnes Noel ist Jules das einzige, das Mary Pat im Leben geblieben ist, und sie setzt alles daran zu erfahren, was in dieser Nacht passiert ist. Koste es, was es wolle.

    Dennis Lehane hätte es sich leicht machen und eine Geschichte aus der Sicht einer farbigen Familie oder einer nicht rassistischen weißen Familie erzählen können, doch er wählt mit Mary Pat und ihrem Umfeld in South Boston eine rassistische Protagonistin mit kurzer Zündschnur, die den Leser/die Leserin herausfordert. Sehr eindrucksvoll beschreibt Lehane die sozialen Strukturen im Stadtteil South Boston, der überwiegend von der ärmeren weißen Arbeiterklasse irischer Abstammung bewohnt wird. Man kennt sich seit Generationen, man hilft sich gegenseitig und hält zusammen. Der Polizei und der Obrigkeit begegnet man mit Misstrauen, für Ordnung sorgen gewachsene Clanstrukturen. Solange man sich an die ungeschriebenen Gesetze der Gemeinschaft hält, ist man auf der sicheren Seite, wer ausbricht, wird geächtet, wer den Clans in die Quere kommt, aus dem Weg geräumt.

    Schreibstil und Sprache geben die aufgeheizte, explosive Stimmung im Vorfeld der Bustransfers deutlich wieder und unterstreichen Mary Pats Temperament, die auf ihrem Rachefeldzug vor nichts und niemandem Halt macht. Besonders positiv fand ich die nüchterne, klare Erzählweise, die auf lange Showdowns und Pathos verzichtet.

    Mich hat die Geschichte bis zum Schluß gefesselt, und ich habe parallel zum Buch einiges zu den Bustransfers und den damit verbundenen Aufständen nachgelesen. Dass diese Transfers in Boston bis 2013 existierten und über viele Jahre zu Unruhen führten, insbesondere in South Boston, wusste ich bisher nicht. Lehane ist es hervorragend gelungen, die historischen Ereignisse und eigene Erinnerungen mit einer spannenden und aufwühlenden fiktiven Geschichte zu verbinden, die tiefe Einblicke in die zerrissene amerikanische Gesellschaft der 1970er Jahre bietet.

    Aufgrund der Thematik, einiger gewalttätiger Szenen und des düsteren Settings ist das Buch sicher keine einfache Kost. Wer sich jedoch hierauf einlässt, kann einen echten Ausnahmeroman entdecken, den ich unbedingt weiterempfehlen möchte.

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  • 5 Sterne

    MeinSohnPrinzAndreas, 04.08.2023

    Als Buch bewertet

    Per Gerichtsbeschluss wird in Massachusetts 1974 die Rassentrennung an öffentlichen Schulen aufgehoben. Busse sollen Kinder aus den mehrheitlich weißen, armen Stadtteilen in Schulen in mehrheitlich schwarze, ebenfalls arme Stadtteile bringen. Doch in keinem der betroffenen Viertel ist die Begeisterung darüber sonderlich groß. So auch nicht im irischstämmigen South Boston, kurz Southie, in dem Mary Pat zusammen mit ihrer siebzehnjährigen Tochter lebt. Eines Nachts verlässt ihre Tochter mit Freunden das Haus und kommt am nächsten Morgen nicht mehr zurück. Tief in ihrem Inneren weis Mary Pat, dass sie ihre Tochter nie wieder lebend sehen wird, doch niemand ist auch nur ansatzweiße gewillt, ihr die Wahrheit zu sagen. Ein Feldzug der Rache durch eine brodelnde Stadt beginnt.

    Ich weiß nicht ganz was ich von der Geschichte erwartet habe, auf jeden Fall bin ich aber überrascht und in meinen Erwartungen übertroffen. Denn der Autor will nicht nur eine spannende Geschichte schaffen, sondern erzeugt gleichzeitig eine brisante und authentische Milieustudie der Unterschichtviertel Bostons, genährt aus den eigenen Erfahrungen und Erinnerungen seiner Kindheit in der Stadt. So hat das Verschwinden Mary Pats Tochter sehr viel mit Bandenkriminalität zu tun und diese erzeugt ein besonders spannendes Element für Mary Pats Rachefeldzug. Hinzu kommt, dass sich der Autor über Mary Pat als Charakterin kritisch mit dem überschwellenden Rassismus der damaligen Zeit auseinandersetzt. Denn in ihr selbst spiegeln sich die tief eingesessenen und von Generation zu Generation weitergegebenen Vorurteile wieder, die Grundlage auch der heutigen Rassismusausuferungen sind. Denn der Autor spannt gekonnt eine Brücke von den Siebzigern in die heutige Zeit, ladet ein, seine eigenen stereotypen Vorstellungen zu reflektieren.

    Vor allem bringt das Buch aber Spannung und Gewalt mit sich. Man muss beim Lesen selbst entscheiden, wie viel Blut und Tod man verträgt, ich hatte mit der schonungslosen Darstellung von Verletzungskinematik und dem fließen von Blut keinerlei Probleme. Doch seien diejenigen gewarnt, die mit diesem Thema nicht auf so gutem Fuß stehen, denn dieser Roman hält die Zügel in dieser Hinsicht nicht zu straff. Doch gerade dadurch wird auch Tempo erzeugt.

    Insgesamt ein wirklich spannendes Buch, eine tolle Milieustudie einer mir unbekannten Welt, die mit dem Bild von den USA, das wir heute haben, kaum mehr was zu tun hat, und eine gelungene Auseinandersetzung mit Rassismus als Volkskrankheit.

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  • 4 Sterne

    alekto, 23.10.2023

    Als eBook bewertet

    "May you be in heaven half an hour before the devil knows you're dead." (Alter irischer Trinkspruch)

    Seitdem Mary Pat Fennessy von ihrem zweiten Mann Ken Fen verlassen worden ist, sind es nur noch ihre Tochter Jules und sie. Deren Verhältnis ist angespannt, da Jules mit Beginn des neuen Schuljahres nicht mehr ihre bisherige Highschool in South Boston besuchen darf. Denn ab September 1974 werden auf richterlichen Beschluss hin Bustransfers umgesetzt, durch die die Highschool mit der größten weißen Schülerschaft mit der entsprechenden Highschool, die den höchsten afroamerikanischen Anteil aufweist, vermischt werden soll. Damit soll die vorherrschende Rassentrennung durchbrochen werden. Als Jules eines Abends am Ende des Sommers mit ihren Freunden Brenda Morello und Rum Collins ausgeht, taucht sie am nächsten Morgen nicht wieder auf. Und obwohl Mary Pat alle von ihren Freunden abklappert, die sie anruft oder persönlich aufsucht, um sie nach dem Verbleib ihrer Tochter zu befragen, bleibt Jules verschwunden.

    “Sekunden der Gnade” wird von Dennis Lehane aus der Perspektive von Mutter Mary Pat sowie Detective Michael Coyne geschildert. Trotz ihrer Arbeit als Krankenhaushelferin im Meadow Lane Manor wird der Alltag von Mary Pat und ihrer Tochter von Armut dominiert. So kann sie seit letzter Woche nicht mehr kochen, weil das Gas wegen ihrer unbezahlten Rechnungen abgestellt worden ist. Auch muss sie sich entscheiden, ob sie von dem in zusätzlichen Schichten verdienten Lohn das Gasunternehmen bezahlen oder Jules die für das neue Schuljahr benötigten Sachen kaufen will. Neben ihrer Geldnot ist das Leben von Mary Pat durch den bereits erlittenen Verlust geprägt. Ihr erster Mann Dukie, der ein begnadeter Dieb und Einbrecher gewesen ist, ist verstorben und ihr zweiter Mann Ken Fen, mit dem sich seine Stieftochter Jules gut versteht, hat Mary Pat verlassen. Ihr Sohn Noel ist zwar von seinem Einsatz in Vietnam zurückgekehrt, dann aber süchtig geworden, da sein bester Freund seit Kindheitstagen ihm Drogen verkauft hat, bis er an einer Überdosis zugrunde gegangen ist.
    Detective Michael David Coyne, der von allen Bobby genannt wird, hat einen neun Jahre alten Sohn. Nach seiner Scheidung hat seine Frau das Sorgerecht erhalten, so dass Bobby sein Kind nur am Wochenende sehen darf. Der Detective lebt mit seinen fünf unverheirateten Schwestern und seinem stillen Bruder, der früher einmal Priester werden wollte, in einem viktorianischen Haus in der Tuttle Street zusammen. Bobby, der von seinen Erlebnissen in Vietnam traumatisiert wurde, während er dort vor Ausbruch des Kriegs als “Berater” eingesetzt war, ist nun seit fast zwei Jahren clean. Obwohl er seine Drogensucht überwunden hat, besucht er immer noch Treffen der Narcotics Anonymous, wann immer es ihm in den Fingern juckt.

    An "Sekunden der Gnade" hat mich die gelungene Integration tatsächlicher historischer Ereignisse aus dem Jahr 1974 in die fiktive Handlung dieses Romans überzeugt. Dazu zählt etwa das Ölembargo der OPEC. Im Mittelpunkt steht aber die Schulbusanordnung, die von Dennis Lehane in einer vorangestellten “Historischen Notiz” erläutert wird. Mary Pat engagiert sich gegen diesen richterlichen Beschluss, indem sie für eine anstehende, groß angelegte Demonstration von Tür zu Tür geht, um Flyer zu verteilen, und Schilder bastelt. Denn Jules, die kein Losglück hatte, wird bald die Highschool wechseln müssen. Mary Pat zweifelt aber daran, dass ihre Tochter, deren Zartheit einen Kontrast zu ihrer eigenen Robustheit bildet, dieser Herausforderung gewachsen ist.
    Wenn dann die besagte Kundgebung mit ihrer Suche nach Jules zusammenfällt, taucht Mary Pat dort nur gezwungenermaßen auf und erlebt diese Veranstaltung inklusive des Auftritts von Teddy Kennedy, dem Bruder des toten Präsidenten, hautnah mit. Ihr Blick darauf ist jedoch distanziert, da sie sich ganz auf das Verschwinden ihrer Tochter konzentriert. Die Southie beherrschende, intensiv angespannte Stimmung, die von der glühend fiebrigen Hitze des Sommers unterstrichen wird, wird gekonnt von Dennis Lehane eingefangen. Auch entwirft der Autor ein stimmiges Porträt von den Projects, die von ihrer für Außenstehende eigenwillig erscheinenden, schlecht nachvollziehbaren Lebensweise geprägt werden und deren strikte Regeln, an die sich alle halten, keiner in Frage stellt. Dabei liegt der Fokus auf dem kultivierten Kriminellen Marty Butler, der in den Projects unterstützt von seiner Bande das Sagen hat. Und Marty, der in seinem Viertel für Ordnung sorgt, setzt sich gegen die Schulbustransfers ein.

    Schwächen zeigt "Sekunden der Gnade" bei der im Kern dieses Krimis erzählten Geschichte, die recht vorhersehbar ausfällt und so kaum wirklich überraschende Wendungen zu bieten hat. Das schließt etwa die Antwort auf die diesen Roman erst über weite Strecken dominierende Frage mit ein, ob und falls ja, wohin Jules verschwunden ist oder ob ihr nicht doch etwas zugestoßen ist. In diesem Zusammenhang stehen auch die Kapitel, die die Sicht von Detective Bobby Coyne wiedergeben. Obwohl Bobby als Sympathieträger angelegt ist, fallen diese deutlich gegenüber den Kapiteln von Mary Pat ab, neben der Bobby erstaunlich blass geblieben ist. Denn Mary Pat, die für mich das Highlight dieses Romans gewesen ist, ist eine Naturgewalt. Angetrieben wird sie von einer Wut, die sich nur mit der Wucht eines Vulkanausbruchs vergleichen lässt. Mit roher Gewalt, teilweise aber auch mit Raffinesse prügelt sie sich auf der Suche nach ihrer Tochter durch die Straßen von Southie. Um Verluste schert sie sich dabei nicht, wenn sie weder Rücksicht auf andere noch sich selbst nimmt. Solange Dennis Lehane an Mary Pat in der Schilderung seiner Handlung dran bleibt, nimmt er nicht einmal den Fuß vom Gas, da seine Protagonistin keinen Aus-Knopf besitzt. Sogar als sie in ihrer Jugend eine Gehirnerschütterung davon getragen hat, nachdem sie von ihrer Schwester einen Ziegelstein an den Kopf bekommen hat, hat sie nicht aufgehört, weiter zu kämpfen. Lediglich durch die Kapitel von Bobby werden das hohe Tempo und die dadurch bedingte steile Spannungskurve zeitweise ausgebremst.
    In "Sekunden der Gnade" ist dem Autor ein ungewöhnliches, dafür nicht weniger intensiv geratenes Porträt einer besonderen Mutterliebe gelungen. Dabei ist der Roman aber kein intellektuell angehauchtes Drama, sondern erinnert etwa in seiner polarisierenden Wirkung eher an den Berlinale-Gewinner “Tropa de Elite”. Denn Mary Pats brutales Vorgehen führt immer wieder zu unerwartet blutigen Gewaltspitzen, die weniger gut für zu Zartbesaitete geeignet sind. Einen leichteren Zugang zu seiner Hauptfigur bietet Dennis Lehane auch über die Beschreibung von Mary Pats Vergangenheit nicht an. Schon als kleines Mädchen hat sie, als sie von einem Rowdy geärgert wurde, gelernt, ihre Probleme durch Zuschlagen zu lösen, statt weiter mit ihrer Puppe zu spielen.

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  • 5 Sterne

    Martin S., 12.09.2023

    Als Buch bewertet

    Wut und Härte

    In den 70ern herrscht in Amerika noch immer der Rassismus. Dem will die Regierung mit einem Beschluss beikommen, nach dem zwangsweise weiße Schüler in einer schwarzen Schule unterrichtet werden und umgekehrt. Die herbeigeführte Mischung soll das Miteinander fördern, sorgt aber auf beiden Seiten für große Unruhe. De Menschen fühlen sich bevormundet und wollen mit den aus ihrer Sicht "Anderen" nichts zu tun haben. Im Rahmen dieser Unruhen kehrt eines Tages die 17-jährige Jules nicht nach Hause zurück. Ihre irisch-stämmige Mutter macht sich auf die Suche, ohne aber auch nur irgendwie auf eine Spur ihrer Tochter zu stoßen. Ihres einzigen Lebensgrund beraubt, sucht sie weiter nach der Wahrheit und will Rache üben...

    Der äußerst erfolgreiche irische Autor Dennis Lehane hat mit "Sekunden der Gnade" einen aus meiner Sicht zwar harten, aber auch sehr berührenden Roman veröffentlicht. Spätestens seit der Verfilmung seine Weltklassiker "Shutter Island" ist Lehane vielen ein Begriff und er erzählt die Geschichte in einem sehr straighten und kompromisslosen Schreibstil, mit dem er aus meiner Sicht hervorragend die besondere Stimmung der damaligen Zeit einfängt. Seine Hauptprotagonistin Mary Pat ist mehr als interessant gezeichnet. Sie hat mit ihrem Schicksal kein leichtes Los gezogen, aber sie hat sich in ihrem Viertel eingerichtet und kommt zurecht. Als ihre Tochter dann spurlos verschwindet zeigt die irische Mutter, dass sie sich durchzusetzen weiß und der Wahrheit immer näher kommt. Das Ganze spielt im historischen Kontext mit dem Kampf in Amerika gegen den Rassismus, ohne aber schon Ansätze auf Erfolg vorzuweisen. Dennoch findet eine Wandlung in Mary Pat statt, die dem Buch aus meiner Sicht auch seinen besonderen Status verleiht. Der Spannungsbogen wird mit der Suche nach Jules sehr hoch gehalten und konnte mich bis zum beeindruckendem Finale in den Bann ziehen.

    Insgesamt ist "Sekunden der Gnade" für mich ein tiefgehender und bemerkenswerter Roman über die Entwicklung des Miteinanders unterschiedlicher Ethnien im Amerika der 70er Jahre. Mich hat die Milieustudie mehr als beeindruckt so dass ich das Buch als sehr lesenswert weiterempfehle und folgerichtig mit den vollen fünf von fünf Sternen bewerte

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  • 5 Sterne

    dj79, 24.08.2023

    Als Buch bewertet

    Beeindruckende Stimme zu Armut, Gewalt und Rassismus
    Im Bosten von 1974 wohnt Mary Pat Fennessy mit ihrer Tochter Jules in Southie, einem überwiegend irisch geprägten Stadtteil. Als die Proteste gegen das Busing - schwarze Kinder sollen mit Bussen in weiße Schulen gebracht werden und weiße Kinder in schwarze Schulen - losgehen, kommt Jules eines Abends nicht nach Hause. In größter Sorge beginnt Mary Pat die Suche nach der Tochter. Einzige Unterstützung findet sie bei Detective Bobby Coyne, der seinerseits nach Jules fahndet, weil er glaubt, dass sie in den Mordfall an Augie Williamson verwickelt ist.

    Dieser Roman ist eine Wucht. Mit Mary Pat Fennessy als tragender Figur werden die durch Gewalt und Armut gekennzeichneten Lebensumstände in Southie gekonnt rübergebracht. Sie transportiert mit ihrer derben Sprache den Sound des Viertels direkt ins Herz der Lesenden, eine Gegend mit eingeschränkten Bildungsmöglichkeiten, die sich fest im Griff einer Mafia befindet, wo Schutzgeldzahlungen und Drogenhandel an der Tagesordnung sind.

    Dennis Lehane hat mich regelrecht reingezogen in seinen Roman, ich konnte nicht entkommen. Obwohl Mary Pat Fennessy überhaupt nicht meinen Vorstellungen, wie man sein Leben angeht bzw. wie man sich grundsätzlich verhält, entspricht, mochte ich diese mutige Frau sehr gern. Es ist nicht mal Mitleid, was da mitschwingt, sondern vielmehr Bewunderung für einen Gerechtigkeitssinn, der von Staats wegen nicht gewährleistet wird. Selbst die damit einhergehende Gewalt, die ich im hier und jetzt ablehne, konnte ich schon irgendwie nachvollziehen. Nach meinem Empfinden werden Urinstinkte bei der Leserschaft angesprochen, wodurch das Mitfiebern mit der Protagonistin entsteht.

    Der einnehmende Schreibstil des Autors lies mich den Roman locker weg lesen. Leicht ist der Roman trotzdem nicht, sondern teilweise wirklich schwer auszuhalten. Es ist eben keine reine Fiktion, sondern Teil der Wahrheit im 74er Boston. Man sollte also nicht zu zart besaitet sein. Besonders schwer zu ertragen, war für mich die Aufklärung des Titels.

    Ingesamt bin ich schwer begeistert und kann den Roman nur empfehlen.

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  • 5 Sterne

    leseratte1310, 08.09.2023

    Als Buch bewertet

    Southie ist ein Viertel von Boston, in dem Hoffnungslosigkeit und Kriminalität herrschen, aber auch Zusammenhalt und Unterstützung. Allerdings muss man sich an die Regeln des Viertels halten. Als ein Bezirksrichter feststellt, dass schwarze Schüler systematisch benachteiligt werden, soll das Dilemma aus der Welt geschafft werden, indem weiße Schüler per Bus in ein schwarzes Viertel gebracht werden und umgekehrt. Aber Mary Pat hat andere Sorgen. Ihre siebzehnjährige Tochter Jules ist nicht nach Hause gekommen und Mary Pat macht sich auf die Suche. Doch ihre Fragen stoßen entweder auf Schweigen und Beschwichtigungen oder aber es gibt Widersprüche in den Aussagen. Doch Mary Pat lässt sich nicht einlullen. Sie macht sich auf, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen – ganz gleich, was es sie selbst kostet.
    Es ist eine spannende, aber auch sehr bedrückende Geschichte. Das Leben im Viertel ist hart. Auch wenn man arbeitet, ist es oft nicht möglich, seine Rechnungen zu bezahlen. So geht es auch Mary Pat. Sie ist ausgelaugt und hat nicht genügend Zeit für ihre Tochter. Aber sie liebt sie.
    Es gibt aber auch massiven Rassismus. Wenn etwas schiefläuft im Viertel, können nur die Schwarzen daran schuld sein. Auch die Drogen haben sie nach Southie gebracht und daher sind sie schuld, dass Mary Pats Sohn Noel an einer Überdosis Heroin starb, weil er das in Vietnam Erlebte nicht verkraftet hat.
    Auch wenn ich Mary Pats Vorgehen nicht gut finden kann, so kann ich sie dennoch verstehen. Sie hat alles verloren, was ihr wichtig war, daher ist es ihr auch egal, was aus ihr selbst wird. In ihr sind Hass und Gewalt und so manch einer bekommt zu spüren, wie stark sie sein kann.
    Doch am meisten hat mir der Detective Bobby gefallen. Er weiß um die Schwächen des Systems und doch setzt er alles daran, Schuldige zu überführen. Er führt einen aussichtslosen Kampf, denn überall gibt es Menschen, welche die Hand aufhalten.
    Das Finale ist drastisch, aber leider auch glaubhaft.
    Ein erschreckend aktuelles Thema und eine spannende Geschichte, die absolut lesenswert ist.

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  • 5 Sterne

    Books of Tigerlily, 31.07.2023

    Als Buch bewertet

    Der Autor Dennis Lehane ist bekannt für seine Arbeit in der Film- und Serienbranche, einige seiner Bücher wurden ebenfalls verfilmt. So ist auch die Umsetzung seines neuen Romans, Sekunden der Gnade, als Serie bereits in Planung. Darin befasst sich der Autor mit dem Sommer 1974 in Boston, als die Segregation durch ein Gerichtsurteil durch das sogenannte "busing" außer Kraft gesetzt wurde.

    Diesen Aufhänger verpackt Dennis Lehane in die Geschichte einer verschwundenen jungen Frau, eines toten Afroamerikaners sowie einer Mutter, die sich auf die Suche nach ihrer Tochter macht. Er verwendet dabei einen klaren, rasanten Schreibstil, der die Hitze des Sommers und die Erregung der Gemüter der kleinbürgerlichen Siedlung Bostons perfekt einfängt. Verwendet wird dabei eine Sprache, die zum Zeitgeschehen passt, versehen durch eine anfängliche Einordnung.

    Durch die Protagonistin der Mutter Mary Pat wird das Lokalkolorit sowie viele gesellschaftliche Probleme wie etwa das (klein-)kriminelle Umfeld, den Klassismus, das Drogenproblem und natürlich der Rassismus hautnah wiedergegeben und erlebbar gemacht. Dass der Autor hier eine Frau mit diesen Hintergründen aus dem Umfeld des Kleinbürgertums erzählen lässt, wie die Desegration erlebt wurde, macht diese Zeit eindrücklicher als wenn er eine reiche weiße Familie aus einem klassischen Suburb dargestellt hätte.

    Und so kommt es, dass der Leser zum einen gemeinsam mit Mary Pat versucht herauszufinden, wo ihre Tochter steckt, aber ebenso wissen will, wieso der afroamerikanische Junge sterben musste und ob dies alles etwas mit dem richtungsweisenden Urteil zusammenhängt, weiße und schwarze junge Menschen nun an gemeinsame Schulen gehen zu lassen. Der Plot baut sich immer weiter auf, führt in die Irre, ist packend. Gegen Ende kommt es zum Showdown, der einem Tarantino-Film in nichts nachsteht und bei dem ich Mary Pat zugejubelt habe.

    Ein schnelllebiger, packender Roman mit Krimielementen, der zeitgleich den damaligen wie auch den heutigen Rassismus und dessen Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft raffiniert aufzeigt.

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  • 5 Sterne

    stina23, 08.08.2023

    Als Buch bewertet

    Boston, August 1974.
    Mary Pat ist in ihren 40ern und lebt schon ihr ganzes Leben in Süd-Boston. Eine Gegend, die sie Armut, Härte aber auch Zusammenhalt innerhalb der eigenen Gruppe gelehrt hat. Sie ist verwitwet und ihre zweite Ehe mit ihrer großen Liebe wurde geschieden. Ihren Sohn verlor sie an Drogen und im August 1974 verschwindet ihre 17jährige Tochter spurlos, während ihr Viertel wegen des „Busings“ in Aufruhr ist (die Rassentrennung in den 70er Jahren soll an Schulen durch den Transfer von Schülerinnen und Schülern aufgehoben werden). Mary Pat macht sich auf die Suche nach ihr. Dabei hat sie eine schreckliche Erkenntnis nach der anderen. Sie kämpft mit allen Mitteln und macht sich viele Feinde, besonders in ihrem eigenen Viertel.
    Der Polizist Bobby untersucht den gewaltsamen Tod eines jungen Mannes in einer U-Bahnstation in Süd-Boston, bei dem ein rassistischer Hintergrund vermutet wird. So lernt er Mary Pat kennen, die ihm mit ihrem Insiderwissen auf verstörende Art Zeugen und Zeuginnen sowie Täter und Täterinnen liefert.
    Dennis Lehane schreibt dieses Buch so, dass sich seine Worte in meinem Kopf sofort in einen Film verwandelten. Erst im Interview am Ende des Buches fand ich heraus, dass er seit Jahren für Filmproduktionen arbeitet und „Sekunden der Gnade“ zurzeit zu einer Serie adaptiert wird. Das erklärt mir meinen Eindruck. Lehane hat Erfahrungen aus seiner Kindheit in Boston verarbeitet und das lässt den Roman sehr lebensnah wirken.
    Die Ereignisse im Buch sind teilweise so schockierend, dass man sich emotional distanziert, weil man sie für reine Fiktion hält, bis man sich daran erinnert, wie unsere Welt wirklich war und ist…dann tut es weh.
    Mit seiner Protagonistin erschuf er keine sympathische Figur, aber eine, die trotz allem großartig die Geschichte trägt. Sie lässt ihre menschliche Seite durchscheinen und entwickelt sich im Laufe des Buches, sodass man mit ihr mitleidet.
    Ich war von dem Buch gefesselt, berührt und gleichermaßen schockiert von der Brutalität, die zum Alltag vieler Figuren gehört. Für mich ein lesenswerter Roman!

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  • 5 Sterne

    Klaraelisa, 22.10.2023

    Als Buch bewertet

    Rassismus endete nicht mit der Aufhebung der Rassentrennung
    In Dennis Lehanes Roman “Sekunden der Gnade“ geht es um eine wichtige Phase der amerikanischen Geschichte: die Aufhebung der Rassentrennung an den Schulen. Im Jahr 1974 trat das Gesetz in Kraft, begleitet von gewalttätigen Auseinandersetzungen. Die Krankenschwester Mary Pat Fennessy lebt in Boston in einem problematischen Armenviertel. Ihr erster Mann ist gestorben, der zweite hat sie verlassen. Jetzt lebt sie allein mit ihrer 17jährigen Tochter Jules, nachdem ihr geliebter Sohn nach seiner Rückkehr vom Kriegseinsatz drogensüchtig wurde und an einer Überdosis starb. Eines Nachts verschwindet ihre Tochter spurlos. In derselben Nacht kommt ein junger Farbiger ums Leben, nachdem sein Auto in einem weißen Viertel eine Panne hatte. Er wurde am Bahnhof tot aufgefunden, offensichtlich das Opfer eines Verbrechens. Bei dem Toten handelt es sich ausgerechnet um Augustus Williamson, den Sohn einer Kollegin von Mary Pat. Eine Gruppe Jugendlicher, u.a. Jules, wurde am Bahnhof gesehen und war irgendwie in die Tat verwickelt. Mary Pat sucht verzweifelt nach ihrer Tochter und geht allen möglichen Spuren nach. Dabei hat sie nicht nur Kontakt zur Polizei, sondern legt sich auch mit dem organisierten Verbrechen in ihrer Stadt an. Diese Männer bleiben durch Korruption unbehelligt und gehen ihren kriminellen Geschäften nach, darunter auch Drogenhandel. Als Mary Pat erfährt, dass ihre Tochter tot ist, beginnt sie einen Rachefeldzug, bei dem sie ihr eigenes Leben riskiert. Sie hat ohnehin alles verloren, was ihr Leben lebenswert machte. Der Roman enthält eine Reihe von brutalen Szenen, aber das ist nun einmal die Realität – bis heute noch. Rassismus ist in den USA noch immer weit verbreitet.
    Mir hat der interessante und spannende Roman sehr gut gefallen. Es war für mich das erste Buch dieses Autors und wird bestimmt nicht das letzte sein. Empfehlenswert ohne Einschränkung!

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  • 5 Sterne

    Lisa, 01.09.2023

    Als Buch bewertet

    Brutal ehrlich und deprimierend - Eine Erzählung welche unter die Haut geht

    „Sekunden der Gnade“ ist mein erstes Buch des Autoren Dennis Lehane und mit seinem neusten Werk, konnte mich der Autor wirklich voll mitreißen. Sehr gelungen stellt er das Leben im Stadtteil South Boston, genannt Southie, in Boston im Jahr 1974 dar. Armut, Gewalt und Drogen prägen den Alltag der Bewohner:innen, zusätzlich aufgeheizt wird die Stimmung durch den anstehenden erzwungenen Schultausch. Vor diesem Hintergrund schafft Dennis Lehane eine dichte Atmosphäre und vermittelt gekonnt die vorherrschende absolute Trostlosigkeit. Der Schreibstil liest sich durchaus angenehm, aber ehrlich gesagt hätte ich nicht damit gerechnet, wie sehr mich die Geschichte emotional deprimiert. Die Hauptprotagonistin Mary Pat macht es einem dabei zusätzlich auch nicht leicht. Auch wenn ihre grundlegende Ziele verständlich sind, greift sie doch auf zunehmend gewaltvolle Methoden zurück. Wer detaillierte Schilderungen davon nicht aushält, wird sich mit dieser Lektüre denke ich schwer tun. Und auch der durchgängig gelebte Rassismus von fast allen Charakteren, sowohl im Verbalen, als auch in direkten Handlungen ist nur schwer auszuhalten. Einziger kleiner Lichtblick ist die Ermittler-Perspektive von Bobby, aber auch seine Sicht allein kommt natürlich nicht gegen die erschlagend negative Grundstimmung an. Damit will ich nicht sagen, dass mir der Roman nicht gefallen hätte. Denn letztendlich ist er finde ich großartig erzählt und erscheint dermaßen wahr, das es eben weh tut. Auf manche Gewalttat hätte ich zwar verzichten können, insgesamt ist das Buch aber überaus lesenswert. Deshalb vergebe ich letztendlich auch volle 5 Sterne und eine Leseempfehlung für Alle, die auf der Suche nach einer emotional anspruchsvollen Lektüre sind.

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  • 5 Sterne

    lisbethsalander, 11.08.2023

    Als Buch bewertet

    Großes Kino

    Bisher kannte ich noch kein Buch von Dennis Lehane, auch wenn ich zugegebenermaßen schon öfter über seinen Namen gestolpert bin. Gott sei Dank haben ich nun den ersten Titel von ihm gelesen, und so werde ich den Autor auf jeden Fall im Auge behalten. Im Mittelpunkt steht Mary Pat Fennessy, eine von Armut bedrohte Frau am Rande der US amerikanischen Gesellschaft. Wir befinden uns in den 70er Jahren, und ich hatte tatsächlich bis dato nichts vom sogenannten "busing" gehört, das Dennis Lehane hier zum Thema bzw. zum Aufhänger seiner Story macht. Zum damaligen Zeitpunkt wurden schwarze Schüler mit Bussen in weiße Wohnviertel gefahren, um die dortigen Lehranstalten zu besuchen und das ganze umgekehrt, um der Rassentrennung entgegen zu wirken, eine Maßnahme, die natürlich ein riesiges Konfliktpotential in sich birgt, wie man sich unschwer vorstellen kann! In den Wirren zu Beginn dieses "busing" verschwindet nun Mary Pats 17jährige Tochter Jules spurlos, und die verzweifelte Mutter greift zur Selbstjustiz, macht sich allein auf die Suche nach ihrer Tochter. Wohl jede Mutter kann mit der Protagonistin mitfühlen, der Autor skizziert alles derart authentisch, dass man sich als Leser mitten im Geschehen wähnt, ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen, so habe ich mitgefiebert! Zwiegespalten bin ich in der Frage, ob hier die Krimihandlung oder das Zeitgeschehen im Mittelpunkt steht, es ist eine mehr als gelungene Mischung aus beidem, die mich perfekt unterhalten, so man das denn bei einem extrem ernsten Thema sagen kann. Auf jeden Fall ein tief bewegendes wichtiges Buch, dem ich viele Leser wünsche, von mir eine absolute Leseempfehlung und natürlich die volle Punktzahl!

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  • 5 Sterne

    moehawk, 06.10.2023

    Als eBook bewertet

    Von moehawk
    Boston 1974. Ein junger Schwarzer wird tot auf den Zuggleisen gefunden. In der Stadt brodelt es bereits, denn die Stadt hat beschlossen, dass es keine Rassentrennung in den Schulen mehr geben darf und dass man schwarze Kinder an weiße Schulen schicken möchte und umgekehrt. Wenn nötig auch gegen den Willen der Eltern und der Gemeinde. Da kommt ein Toter wie dieser sehr ungelegen. War es wirklich ein Drogentod? Oder war es Mord? Am gleichen Abend verschwindet eine junge Weiße und deren Mutter ist ist keine die sich mit fadenscheinigen Beruhigungen abspeisen lässt. Denn Mary Pat Fennessy ist ziemlich schnell klar, dass das Verschwinden ihrer 17jährigen Tochter mit dem Toten auf den Gleisen zu tun hat. Und sie will die Wahrheit herausfinden, egal was es sie kostet.

    Dennis Lehane erzählt eine Geschichte von Rassenhass und Vorurteilen. Die alltägliche Gewalt auf mitten in der Bevölkerung ist beklemmend und sehr realistisch. Mary Pat macht sich keine Illusionen. Sie weiß, wie das Gefüge von Dealern, Polizei und normalen Bürgern funktioniert. Sie scheut selbst nicht vor Drohungen und harten Mitteln zurück, um zu erfahren, was in jener Nacht wirklich passiert ist. Dabei lernt sie sich selbst auf eine ganze neue Art und Weise kennen. Und sie muss erkennen, dass auch sie nicht frei von Vorurteilen war und dass das Leben eine verdammt ungerechte Sache sein kann.

    Ich liebe die Art, wie Lehane erzählt. Seine Hauptpersonen berühren, man kann mit ihnen mitfühlen. Man erkennt ein bisschen besser wie die Menschen ticken, wie die Welt funktioniert. Noch immer funktioniert. Denn da muss man ehrlich sein. Viel besser läuft es auch heute noch nicht.

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  • 5 Sterne

    SofieW, 29.08.2023

    Als Buch bewertet

    Die Abgründe einer rassistischen Gesellschaft und eine Mutter, die nicht anders kann

    Um der tatsächlich weit verbreiteten räumlichen Rassentrennung in den 1970er Jahren, die sich gerade auch in den Schulen abbildete, entgegen zu wirken, beschloss man von oberster Stelle, sogenannte Busing-Programme durchzufechten. Und so karrte man, u.a. auch in Boston, schwarze Schüler aus ihren Ghettos in die Schulen der weißen Wohnviertel und umgekehrt.
    Mary Pat ist weiß und alleinerziehend. Sie lebt in einem heruntergekommenen Bostoner Viertel, in dem Gewalt und Drogen zum Alltag gehören. Ihr Mann ist tot, der spätere Freund hat sie verlassen, ihr Sohn ist an einer Überdosis gestorben. Was bleibt und ihr die Kraft gibt, weiterzumachen, ist ihre 17-jährige Tochter Jules. Doch dann verschwindet diese und die aufgewühlte Atmoshäre, der rassistisch aufgeschaukelte Hass gerade der weißen Bevölkerung, die gewalttätige Auflehnung in der Stadt, lässt ihre Mutter Schlimmes befürchten. Noch hat sie Hoffnung, doch dann bricht die Ordnung der Welt, ihrer Welt, vollends zusammen. Ihre Tochter ist tot und es gibt nichts mehr, was noch zählt. Da ist nur noch Verzweiflung und Trauer und das unbändige Verlangen auf Rache.
    Dies ist ein unendlich intensives Buch, eine Geschichte, die seine Leser regelrecht mit hineinreißt in den Sog der Gefühlswelt, in den das Leben diese verlorene, betäubte Frau gestoßen hat und sie vorantreibt. Ihren Aufschrei der Verzweiflung, sie macht ihn hörbar und übt Vergeltung. Und der Lauf des Geschehens, er nimmt einem den Atem und man gibt sich ganz den Worten des Autors hin, denn man selbst hat keine mehr.
    Für mich ist dieses Buch 'ein Ereignis'.

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  • 5 Sterne

    Meany, 07.08.2023

    Als Buch bewertet

    Im falschen Viertel

    Trotz all der enthaltenen Krimielemente, bei denen es auch ganz schön zur Sache geht, nennt sich dieses Buch schlichtweg "Roman", denn im Eigentlichen handelt es sich hier um eine ganz fundierte Milieustudie mit einem subtilen Psychogramm.

    Die Suche einer verzweifelten Mutter nach ihrer unter dubiosen Umständen verschwundenen Tochter gründet sich auf das Urvertrauen, dass die Gemeinschaft des Viertels füreinander einsteht. Diese ist umso geschlossener, als sie nicht dazu Gehörige unter Aufbietung von grenzenloser Gewalt ausschließt. Eindrucksvoll, wie Lehane hier an Einzelfällen die Wurzeln der Rassensegregation darstellt, so fest in den Menschen verankert, dass sie niemand mehr hinterfragt. Es ist lebensgefährlich, sich in ein Viertel der anderen Hautfarbe zu verirren.

    Als Mary Pat immer mehr Hintergründe aufdeckt und mehr und mehr das Vertrauen zu den mit ihr vernetzten Leuten verliert, geht sie vor wie Tisiphone, die finstere Rachegöttin. Sie kann mit Einbruchswerkzeugen umgehen und hat keine Skrupel, Männer k.o. zu schlagen. Einen Kandidaten nach dem anderen nimmt sie sich vor, um Informationen aus ihnen herauszuquetschen, die ihr schließlich den Boden unter den Füßen wegziehen.

    Historisch gut belegt, aber zeitlos in der Aussage mit authentischen Dialogen entlarvt dieser Roman die Geisteshaltung der Rassisten schonungslos und deckt auf, dass am Ende doch wirtschaftliche Interessen und Profitgier alles andere dominieren. Lehane ist hiermit wieder einmal ein atemberaubender Titel mit tiefgründiger Substanz gelungen.

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  • 5 Sterne

    gagamaus, 30.07.2023

    Als Buch bewertet

    Dennis Lehane gehört für mich zu den ganz großen amerikanischen Autoren. Seine Thriller gestatten immer einen unglaublich intensiven und genauen Blick auf die amerikanische Gesellschaft. Auf die sozialen Missstände, auf Gewalt und Korruption. Aber noch wichtiger sind ihm die Akteure, ihre Schicksale, ihre Sehnsüchte und Ängste. Sie sind es, die den Geschichten Leben einhauchen.

    Sekunden der Gnade ist ganz große Erzählkunst. Lehane findet einen Erzählstil, um seine Hauptdarstellerin Mary Pat Fennessy, eine irischstämmige Frau, die in einem der weißen Stadtviertel Bostons in den 1970 lebt. Eine Altenpflegerin, deren Ältester vor wenigen Jahren an Drogenkonsum gestorben ist. Als ihre einzige Tochter Jules nachts nicht nach hause kommt, ahnt sie das Schlimmste und macht sich auf eine verzweifelte Suche. War das Mädchen in ein Verbrechen verwickelt? Wurde sie umgebracht oder hält sie sich versteckt? Was hat sie mit dem Tod eine jungen Farbigen zu tun? Und wie sind die lokalen Drogenbosse in ihr Verschwinden verwickelt? Mary Pat weiß, wenn sie Jules verloren hat, dann hat sie nichts mehr auf der Welt, was ihr lieb und wichtig ist. Deshalb fürchtet sie weder das im Viertel herrschende Syndikat noch die Polizei, die beide wollen, dass sie sich still verhält. Aber dass will Mary Pat nicht mehr. Sie will die Wahrheit herausfinden, koste es was es wolle. Und am Ende will sie Rache nehmen.

    Ein furioser Roman. Kraftvoll und realistisch erzählt. Mitten hinein in Rassenunruhen und politischen Aufruhr einer gar nicht weit zurückliegenden Zeit. Genial.

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  • 5 Sterne

    steffi k., 18.07.2023

    Als Buch bewertet

    Unbedingt lesen !
    Ich habe dieses Buch mit Spannung erwartet , weil ich vom Klappentext wirklich überrascht war. Ich kenne den Autor Dennis Lehane als Krimischriftsteller. Aber auch sein Roman „Im Aufruhr jener Tage“ beschäftigte sich schon mit Rassenhass .
    Dennis Lehane ist ein Autor , der auf eine Weise schreibt, die es dem Leser schwermacht, seine Bücher wieder beiseitezulegen, wenn man erst einmal angefangen hat zu lesen.
    Daher habe ich das neue Werk "Sekunden der Gnade" auch an einem Stück gelesen. Die einleitende historische Notiz ist enorm wichtig für das Verständnis des Romans und macht dem Leser klar , dass es sich eben nicht um Fiktion allein handelt. Der Hintergrund ist reell : Boston im Sommer 1974 nach der Anordnung des Bundes-Distriktrichters W. Arthur Garrity , der so versuchen wollte, die Integration in den Schulen Bostons durch den Austausch von schwarzen und weißen Schulkindern per Bus zu vollziehen (,Busing"). Rabiater, entschlossener Widerstand setzte ein, der bald ins ganze Land ausstrahlte.
    Das Lesen dieses Buches war nicht immer angenehm; Lehane mutet seinem Leser schon Einiges zu ,wenn er das schwierige Thema mit seinen vielfältigen Hintergründen knallhart realistisch beleuchtet.
    Gut, dass Lehane die Dialoge immer wieder mit erläuternden Passagen unterbricht , damit der Leser nicht auf der Strecke bleibt. Diese Passagen unterbrechen aber nicht den Spannungsbogen.
    Beängstigend ist nicht nur die Thematik an sich , sondern auch wie aktuell sie heute noch ist.
    Unbedingt lesen !

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