5€¹ Rabatt bei Bestellungen per App

 
 
%
Merken
%
Merken
 
 
sofort als Download lieferbar

Bestellnummer: 147662092

Printausgabe 26.80 €
eBook (ePub) -25% 19.99
Download bestellen
Verschenken
Sortiert nach: relevanteste Bewertung zuerst
Filtern nach: alle
Alle Kommentare
  • 4 Sterne

    5 von 5 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Ruth L., 17.11.2023

    Als Buch bewertet

    Anspruchsvolle Lektüre
    Ein Roman, der in Lübeck Ende des 19. Jahrhunderts spielt, lässt unwillkürlich an „ Die Buddenbrooks“ denken. Mit dieser Assoziation liegt man nicht falsch, hat Inger- Maria Mahlke doch eine Art Gegenentwurf zu Thomas Manns weltberühmten Roman geschrieben.
    Allerdings beschränkt sich die in Lübeck aufgewachsene Autorin nicht nur auf das gehobene Bürgertum der Stadt, sondern nimmt auch die Bediensteten in ihren Blick.
    Die Erzählung setzt ein im Jahr 1890 und führt bis ins Jahr 1906. Im Zentrum steht die wohlhabende Familie Lindhorst, kinderreich, konservativ und kaisertreu. Friedrich Lindhorst ist Rechtsanwalt; mit seiner Frau Marie hat er sechs Söhne und zwei Töchter. Als Anwalt hat Lindhorst nicht den Stand, den ein reicher Kaufmann einnimmt und ein Hindernis für eine politische Karriere ist auch seine jüdische Herkunft . Diese Tatsache steht aber nicht so im Vordergrund, wie der Klappentext vermuten ließe, sondern wird von Inger- Maria Mahlke nur ganz subtil angedeutet. Marie Lindhorst ist von ihrer Aufgabe als Haushaltsvorstand und Mutter ( „ Irgendwann waren es zu viele, um alle zu lieben, wie man soll.“) überfordert; monatelang ist sie wegen psychischer Probleme in Sanatorien. Auch die Kinder weichen zum Teil vom vorgezeichneten Lebensweg ab, dabei fehlt es nicht an Tragik .
    Die Autorin blickt mit einem leicht spöttischen Blick auf die Lübecker Gesellschaft. So ist Marie Lindhorst die „ Tochter des berühmtesten Dichters aller Zeiten“. Das Denkmal von ihm ragt hoch über den nach ihm benannten Platz in der Stadt. Stolz ist man hier auf den berühmten Sohn, auch wenn man sich außerhalb Lübecks über ihn nur lustig machen sollte. „ Millionen mit Keitels Worten bestickte Geschirrhandtücher können nicht irren.“ Tatsächlich ist dieser Dichter, im Roman heißt er Keitel, bei Thomas Mann Hoffstede, Emmanuel Geibel, den man heute lediglich als Verfasser des Liedes „ Der Mai ist gekommen“ kennt.
    Noch weitere Familien und deren Lebenswege verfolgt die Autorin in ihrem Buch. Dabei zeigt sich das enge gesellschaftliche Korsett, in das letztendlich alle gezwängt sind. Frauen betrifft das allerdings in größerem Maße, auch das zeigt die Autorin . Vereinzelt gelingen Ausbruchsversuche, so z.B. einer jungen Frau, die nach dem Tod ihres Vaters über ein Erbe verfügt, das sie unabhängig sein lässt. Sie veröffentlicht kleine Geschichten aus dem Alltag einer Kurstadt, allerdings unter männlichen Pseudonym.
    Der Roman erzählt auch von den wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen. So vom Bau des Kaiser - Wilhelm - Kanals, der die Nordsee und die Ostsee miteinander verbindet, was anfangs zu Widerstand in Lübecks Senat führt. Bekommt doch dadurch Hamburg einen direkten Zugang zur Ostsee. Auch wird die Einführung von Wasserclosetts in den Haushalten kontrovers diskutiert. Wenn, dann sollte nur die gehobene Bürgerschicht in den Genuss kommen, die Bedürfnisse der Arbeiterschaft kümmern die Herren Senatoren nicht.
    Die aber haben ihre Fürsprecher in der aufkommenden Sozialdemokratie. Im Buch ist deren Vertreter ein ehemaliger Metallarbeiter, „ Unser aller Unheil“, wie Lindhorst seinem Sohn erklärt.
    Inger - Maria Mahlke gibt dieser gesellschaftlichen Gruppe den gebührenden Raum. Hier treten Bedienstete nicht nur als Nebenfiguren auf. Das Dienstmädchen Ida im Hause Lindhorst begleitet uns die ganze Zeit. Ausführlich wird deren tägliche mühselige Arbeit beschrieben, Tag und Nacht muss sie bereit stehen für ihre Herrschaft. Verständlich, dass sie davon träumt, diesen Verhältnissen zu entkommen. Im Arbeiterbildungsverein lernt sie heimlich Tippen und Stenografie und hofft auf eine Anstellung als Tippmamsell.
    Oder der Lohndiener Charlie Helms, der mit seiner Liste der für den gesellschaftlichen Verkehr in Frage kommenden Familien eine wichtige Rolle spielt. Doch er stürzt über seine homosexuellen Neigungen.
    Auch der Ratsdiener Isenhagen bekommt neben seiner Arbeit ein aufregendes Privatleben bei Inger- Maria Mahlke.
    Thomas Mann darf im Roman natürlich nicht fehlen. Als eitler und arroganter Schüler , Pfau“ genannt, hat er seinen Auftritt; im Schlepptau immer einen Mitschüler, seinen „Schatten“. Jahre später kehrt er als erfolgreicher Jungschriftsteller in seine Heimatstadt zurück und liest aus seinem Werk. Der Roman „ Die Buddenbrooks“ sorgt für Unruhe in Lübeck, da einige sich darin wiedererkennen. „ Es ist das Spiel der Saison. Bei jedem Dinner werden nach dem Dessert Papier und Stifte ausgeteilt. Wer- ist- wer im Roman.“ In Buchhandlungen gibt es sogar „ sogenannte Lektürehilfen“ zu kaufen.
    Die Erzählweise ist allerdings etwas gewöhnungsbedürftig. Sprachlich orientiert sich die Autorin an dem Stil von Thomas Mann, auch an dessen Ironie, unterbricht dabei immer wieder den altertümlichen Duktus mit modernen Wendungen. Die Vielstimmigkeit vermittelt zwar ein breites Panorama, erschwert es dem Leser aber, den Überblick zu behalten.
    Hat Inger- Maria Mahlke in ihrem 2018 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichneten Roman „ Archipel“ eine ungewöhnliche Struktur gewählt, die Geschichte wurde rückwärts aufgerollt, so folgt sie hier ganz traditionell der Chronologie. Dabei gibt es immer wieder Sprünge innerhalb des Erzählten.
    Von einer intensiven Recherche zeugt der Detailreichtums des Romans. So entsteht ein plastisches Bild jener Zeit und von den verschiedenen Gesellschaftsschichten.
    Dem Roman vorangestellt ist ein ausführliches Personenverzeichnis, auf das man während der Lektüre immer wieder zurückgreifen muss.
    Zu loben ist der Verlag für die Buchgestaltung. Das Vorsatzpapier zeigt zwei alte Stadtpläne von Lübeck.
    Trotz kleiner Kritikpunkte ist der Autorin mit „ Unsereins“ ein umfassendes Porträt der Lübecker Gesellschaft zur Kaiserzeit gelungen , eine anspruchsvolle Lektüre, die einen aufmerksamen Leser erfordert.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 4 Sterne

    Martina B., 07.12.2023

    Als Buch bewertet

    Downtown Abbey im „kleinsten Staat des Deutschen Reiches“

    2018 bekam Inger-Maria Mahlke den Deutschen Buchpreis für ihren Roman „Archipel“. In diesem Jahr legt die gebürtige Lübeckerin damit einen veritablen Heimatroman vor. „Unsereins“ ist aktuell das Buch des Monats im NDR. Auf 500 Seiten erzählt sie die Geschichte der Stadt und ihrer Bürger:innen in der Wendezeit vom 19. zum 20. Jahrhundert. Die gute alte Zeit, da geht sie dahin. Der erbitterte Streit über die Konservendosenfabrik und die Versorgung der städtischen Bevölkerung mit Wasser-Closetts“ sind erste Vorboten.

    Bei Nennung des Ortes des Geschehens gehen natürlich alle Glocken an. Lübeck, Familie Mann, die „Buddenbrooks“, der Nobelpreis. Das Spiel mit diesen Assoziationen beherrscht Mahlke. Aber, so wie die Lübecker Gesellschaft den Roman von „Tomy, dem Pfau“ behandelt wie einen Schlüsselroman, der zur Belustigung und großen Ärgernissen in den Salons führt, sollte das heutige Publikum sich nicht in die Lektüre stürzen. Man täte dem Buch großes Unrecht. Es geht im Text nur am Rande um „die“, die vergangenen, seienden oder werdenden Senatoren, Konsuln und Bürgerschaftsmitglieder. Natürlich alles Herren, die Stützen der Gesellschaft. Ich lebe in Rostock und kann also beurteilen, was es bedeutet, von Senatoren und einer Bürgerschaft mit 52 Mitgliedern regiert zu werden. Und es war damals schon wie heute. Die Bürgerschaft ist nichts anderes als in anderen Städten ein Stadtrat, benehmen tun sich die Herrschaften allerdings manchmal als bildeten sie die UNO Vollversammlung.

    „Unsereins“ zeigt wie in einem detailreichen Wimmelbild die „anderen“.
    Die Bediensteten, die im Hintergrund schuften wie Leibeigene und tags wie nachts ein Auge und ein Ohr auf die Herrschaft haben. Für diese Menschen steht exemplarisch Ida, das Mädchen im Hause der Familie Lindhorst. Sie selbst hat in ihrem Leben auch schon bessere Zeiten gesehen und sich geschworen, sie werde nicht als Dienstmädchen enden. Und Ida hat es als Bedienstete und Frau gleich zweifach schwer. Die kaisertreue, noch fest hierarchisch strukturierte, absolut männerdominierte Gesellschaft zwängt alle Frauen, auch die Damen der Gesellschaft, in enge Korsetts, im materiellen als auch übertragenen Sinne. Und so kann die Jagd nach dem passenden Gatten ermüdend und kummervoll werden. Doch die Form muss gewahrt bleiben, um jeden Preis, die Produktion der „Stammhalter“ gewährleistet sein. Einzelne „Ausbrecherinnen“, die weder Gattin noch gar Mama werden sondern zum Beispiel Schriftstellerin, werden nach außen von den Damen misstrauisch beäugt, im Geheimen bewundert.

    Neben den Klassen- und Geschlechtsunterschieden tröpfelt ein stetiges Gift in den norddeutschen Protestantismus: der Antisemitismus. Der macht auch vor der etablierten und ehrbaren Familie Lindhorst nicht halt. Eine bittere Erkenntnis. Und eine weitere folgt sogleich: der Lohndiener Charles, durchaus erfolgreicher Geschäftsmann, ist der Liebling der Damenwelt und leider schwul. Auch die Vermutung, dass „der Tomy“ zu seinem Geschlecht neigt, hält sich beständig, und wird verschwiemelt und verschwitzt von Mund zu Mund getuschelt.

    Und doch haben wir allerlei Vergnügen, auch am Rande aller Beschwernis und Rückschläge. Denn, hinter den Fassaden und durch alle Klassen hindurch, gibt es Amouren abseits des Weges, Fehltritte und zweifelhafter Vaterschaften. Manche gelingen, manche führen ins Unglück.

    Eine Lektüre wie gemacht für diese Jahreszeit.

    Downtown Abbey im „kleinsten Staat des Deutschen Reiches“

    2018 bekam Inger-Maria Mahlke den Deutschen Buchpreis für ihren Roman „Archipel“. In diesem Jahr legt die gebürtige Lübeckerin damit einen veritablen Heimatroman vor. „Unsereins“ ist aktuell das Buch des Monats im NDR. Auf 500 Seiten erzählt sie die Geschichte der Stadt und ihrer Bürger:innen in der Wendezeit vom 19. zum 20. Jahrhundert. Die gute alte Zeit, da geht sie dahin. Der erbitterte Streit über die Konservendosenfabrik und die Versorgung der städtischen Bevölkerung mit Wasser-Closetts“ sind erste Vorboten.

    Bei Nennung des Ortes des Geschehens gehen natürlich alle Glocken an. Lübeck, Familie Mann, die „Buddenbrooks“, der Nobelpreis. Das Spiel mit diesen Assoziationen beherrscht Mahlke. Aber, so wie die Lübecker Gesellschaft den Roman von „Tomy, dem Pfau“ behandelt wie einen Schlüsselroman, der zur Belustigung und großen Ärgernissen in den Salons führt, sollte das heutige Publikum sich nicht in die Lektüre stürzen. Man täte dem Buch großes Unrecht. Es geht im Text nur am Rande um „die“, die vergangenen, seienden oder werdenden Senatoren, Konsuln und Bürgerschaftsmitglieder. Natürlich alles Herren, die Stützen der Gesellschaft. Ich lebe in Rostock und kann also beurteilen, was es bedeutet, von Senatoren und einer Bürgerschaft mit 52 Mitgliedern regiert zu werden. Und es war damals schon wie heute. Die Bürgerschaft ist nichts anderes als in anderen Städten ein Stadtrat, benehmen tun sich die Herrschaften allerdings manchmal als bildeten sie die UNO Vollversammlung.

    „Unsereins“ zeigt wie in einem detailreichen Wimmelbild die „anderen“.
    Die Bediensteten, die im Hintergrund schuften wie Leibeigene und tags wie nachts ein Auge und ein Ohr auf die Herrschaft haben. Für diese Menschen steht exemplarisch Ida, das Mädchen im Hause der Familie Lindhorst. Sie selbst hat in ihrem Leben auch schon bessere Zeiten gesehen und sich geschworen, sie werde nicht als Dienstmädchen enden. Und Ida hat es als Bedienstete und Frau gleich zweifach schwer. Die kaisertreue, noch fest hierarchisch strukturierte, absolut männerdominierte Gesellschaft zwängt alle Frauen, auch die Damen der Gesellschaft, in enge Korsetts, im materiellen als auch übertragenen Sinne. Und so kann die Jagd nach dem passenden Gatten ermüdend und kummervoll werden. Doch die Form muss gewahrt bleiben, um jeden Preis, die Produktion der „Stammhalter“ gewährleistet sein. Einzelne „Ausbrecherinnen“, die weder Gattin noch gar Mama werden sondern zum Beispiel Schriftstellerin, werden nach außen von den Damen misstrauisch beäugt, im Geheimen bewundert.

    Neben den Klassen- und Geschlechtsunterschieden tröpfelt ein stetiges Gift in den norddeutschen Protestantismus: der Antisemitismus. Der macht auch vor der etablierten und ehrbaren Familie Lindhorst nicht halt. Eine bittere Erkenntnis. Und eine weitere folgt sogleich: der Lohndiener Charles, durchaus erfolgreicher Geschäftsmann, ist der Liebling der Damenwelt und leider schwul. Auch die Vermutung, dass „der Tomy“ zu seinem Geschlecht neigt, hält sich beständig, und wird verschwiemelt und verschwitzt von Mund zu Mund getuschelt.

    Und doch haben wir allerlei Vergnügen, auch am Rande aller Beschwernis und Rückschläge. Denn, hinter den Fassaden und durch alle Klassen hindurch, gibt es Amouren abseits des Weges, Fehltritte und zweifelhafter Vaterschaften. Manche gelingen, manche führen ins Unglück.

    Eine Lektüre wie gemacht für diese Jahreszeit.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 5 Sterne

    herrzett, 11.02.2024

    Als Buch bewertet

    Häufig frage ich mich, wenn ich durch Lübecks Straßen, Gassen und Gänge laufe, was diese alten Häuser wohl für Geschichten zu erzählen hätten. Dieser Gegensatz von prunkvollen Fassaden an den Hauptstraßen und den sehr einfachen Hinterhäusern fasziniert mich schon lange und lässt mich spätestens seit Svealena Kutschkes Roman „Stadt aus Rauch“ nicht mehr los. Natürlich könnte ich an dieser Stelle auch Thomas Manns „Buddenbrooks“ erwähnen, doch dieses Buch reizte mich nie, generell habe ich für Geschichten von Adligen und bessergestellten Familien nicht so den Nerv, war es doch häufig nur Zufall in jene angesehene Familien hineingeboren zu sein und ihre Taten, die mehr auf sich, ihren Ruf und Ansehen bedacht waren… nun ja. Die wahren Überlebenskünstler sind dann doch die einfachen Leute, eben jene aus dem Hinterhaus oder die Bediensteten der anderen. Und so freute ich mich wirklich sehr auf Inger-Maria Mahlkes Roman „Unsereins“ der diese Menschen in den Fokus rückt, die alles am Laufen hielten… die einfacheren Menschen, die Köchinnen, Dienstmädchen und Lohndiener, die Bediensteten und Kaufläute.

    „Unsereins“ ist dabei mehr so ein kaleidoskopartiger Roman, der nicht mal unbedingt so einen mitreißenden Plot hat, geschweige denn braucht. Das Herz sind diese unterschiedlichen Charaktere, die lose miteinander verknüpft sind. Familienmitglieder, Freunde, Bekanntschaften - diese liebevollen Figuren mit ihren Erlebnissen und Geschichten umringt von ihren Pflichten und Diensten. Mit jeder Seite kommt man ihnen näher, lernt sie lieben oder sie lernen es zu lieben, amüsiert sich über skurrile Situationen oder ist bewegt von der Armut und den Zuständen um 1890. Ich habe diesen Roman wahnsinnig geliebt, finde dieses Gegenstück zu den Buddenbrooks wirklich großartig und ja, ich wollte ehrlich gesagt gar nicht, dass dieses Buch jemals ein Ende findet. Ein große Empfehlung, für alle die historische, atmosphärische Romane lieben und mehr über das Damals und die nur selten erwähnten Lebensgeschichten und -realitäten lesen mag. Ich hoffe sehr auf eine Fortsetzung… denn, wie der letzte Satz so schön heißt: „vielleicht ist dies nicht das Ende, sondern nur der Anfang.“

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 4 Sterne

    leseleucht, 19.11.2023

    Als Buch bewertet

    Liebe- und humorvolle Figurenporträts
    Eine epische Familiengeschichte ist der Roman „Unsereins“ von Inger-Maria Mahlke eigentlich eher nicht, auch wenn der Familie Lindhorst in ihm mehr Platz eingeräumt wird als anderen Figuren. Neben dem Blick auf die Mitschüler und andere höher gestellte Familien des „kleinsten Staates des Deutschen Reiches“ fällt dieser eben auch auf das alternde Hausmädchen Ida, das nicht „im Dienst“ sterben, sondern noch etwas anderer im Leben erreichen möchte, den Ratsdiener Isenhagen und seine Liebe zu Matthilde Helms, die wiederrum mit dem schwulen Lohndiener Charlie eine Scheinehe führt, damit seine Neigungen nicht auffallen. Aber auch die Familien der Senatoren haben so mit ihren Problemen und Sorgenkindern zu kämpfen: die Schillings suchen nach gesellschaftlicher Anerkennung, da macht es eine unverheiratete Tochter aus erster geschiedener (!) Ehe nicht einfacher, zumal wenn sie auch noch Spukgeschichten schreibt, in denen der Nachbar mit seinem Hund die Hauptrolle spielt, und die nach einer Erbschaft ein unabhängiges Leben in der „Kurblase“ leben kann.
    Auch die Kinder der Lindhorsts sind alles andere als gesellschaftsfähig, seien es unverwiderte Liebesgefühle, der Hang zur Spielsucht oder die „deutsche Krankheit“, die man sich in Bordellen holen kann. Hinzu kommt eine nervenkranke Mutter mit einem verschwenderischen Lebensstil und schlechter gehende Geschäfte, die, wenn schon keinen gesellschaftlichen Abstieg, so doch den Umzug in einfachere Verhältnisse bedeuten.
    Nicht nur der Ort, auch viele Personen und die gesellschaftlichen Um- und Zustände lassen an Thomas Manns „Buddenbrooks“ erinnern. Der Dichter selbst taucht namentlich auf, zunächst noch als Schüler, genannt der Pfau, der allerdings nach dem Tod des Vaters recht klang- und sanglos aus der Gesellschaft verschwindet, um Jahre später mit seinem Buch, das er über die Gesellschaft seines einstigen Heimatortes geschrieben hat, dorthin zurückkehrt. Wer setzt wem hier ein Porträt? Eine Frage mit Tradition, aber letztlich ohne wirkliche Bedeutung. Der Roman ist keine Neuauflage, keine Modernisierung der Buddenbrooks.
    Mit ihm gemein hat er die sehr detaillierte, liebevolle Porträtierung seiner Figuren, die sich manchmal aber auch nicht den humorvoll ironischen Seitenhieb verkneifen kann. Auch die Beschreibung von Natur und Stadtleben sind sehr anschaulich und atmosphärisch. Gerahmt – und das ist der jüngeren Zeit durchaus geschuldet – wird der Roman von der Einnahme einer Perspektive, die moderne Errungenschaften und die Erzählweise des Films voraussetzt: Wir nähern uns dem Erzählten aus der Perspektive eines Regentropfens, der auf den „kleinsten Staat des Deutschen Reiches“ fällt, und wir verlassen ihn wieder, indem wir auf die Kinder der Familie Lindhorst am Ende auf dem Dach ihres alten Familienhauses zurücklassen, aus Sicht einer darüber kreisenden Drohne. Auf jeden Fall ein interessanter erzähltechnischer Aspekt.
    Einige Fragen sind für mich allerdings bei der Lektüre offengeblieben: Wohin will die Erzählung? Es gibt keinen stringenten Leitfaden, die Erzählung springt mal hier, mal dort hin, mancher Faden wird ab und an wieder aufgegriffen, mancher aber auch nicht mehr: Was wird aus dem Schüler der „Anstalt“ Georg, was aus seinem Mitschüler Otto? Was ist mit Robert, der sich aus Japan auf den Heimweg gemacht hat? Kündigt der Schlusssatz „Aber vielleicht ist dies nicht das Ende, sondern nur der Anfang.“ einen möglichen weiteren Teil an?
    Die Geschichte ist nett zu lesen, die Figuren mehr oder minder sympathisch oder zumindest unterhaltsam, aber sind sie „unsereins“? Der Titel gibt Rätsel auf: Unsereins im Sinne der Zugehörigkeit zu einem kleinen Stadtstaat okay, aber dafür sind seine Bewohner viel zu unterschiedlich. Unsereins dann im Sinne einer Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht? Aber dafür sind die einzelnen Figuren viel zu individuell, kaum eine achtet darauf, sich an die Konventionen zu halten: die Damen reisen allein, betrinken sich, suchen Liebschaften, die Herren haben Liebschaften oder besuchen Bordelle oder andere sexuelle Neigungen. Auch wenn sie es nicht offen ausleben, sondern sich hinter einer bürgerlichen Fassade verbergen – wie auch Thomas Mann, so weiß doch jeder darum. Nach außen hin geht es sehr häufig um gesellschaftliche Akzeptanz, darum, dazugehören zu wollen, wofür die Figur des Charlie Helms sinnbildlich steht, ist es doch seine Aufgabe, gesellschaftliche Kontakte zu den höheren Kreisen zu vermitteln. Am ehesten ist es noch Ida, die Angst hat, gegen ein Rollenbild zu verstoßen, wenn sie sich heimlich aufmacht, um Stenografie zu lernen, um mehr aus sich zu machen. Und doch geht es zugleich auch immer darum, sich selbst zu finden und zu leben, den Neigungen nachzugeben. Meint „unsereins“ insofern auch uns alle: unsereins Menschen? Ansonsten bliebe die Lektüre eines gesellschaftliche Porträts einer Zeit um 1900 zwar nette Unterhaltung und vielleicht historisch nicht uninteressant, aber darüber hinaus auch nicht viel mehr.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 5 Sterne

    AnnaMagareta, 27.10.2023

    Als Buch bewertet

    Eine Familiengeschichte aus dem Deutschen Kaiserreich

    „Unsereins“ ist ein historischer Familienroman der Autorin Inger-Maria Mahlke.

    Die Handlung beginnt im Januar 1890 und ist in Lübeck angesiedelt. Alles dreht sich um die Familie Lindenhorst. Friedrich und Marie haben acht Kinder, eine Haushälterin und leben sehr konservativ. Die Kinder wachsen unter den besten Umständen auf. Bis ein Roman - den ein Sohn eines verstorbenen Bekannten herausbringt und der sich zum Bestseller entwickelt – ihnen ihre Herkunft deutlich macht.

    Inger-Maria Mahlke hat mich mit ihrem Schreibstil zeitlich direkt zurückversetzt und die Atmosphäre der vergangenen Zeit lebendig werden lassen. Ich hatte die Bilder von Lübeck von vor über 100 Jahren direkt vor Augen. Sie beschreibt die Gesellschaft mit ihren Bürgern, Dienstschaften und Handwerkern lebendig und verwendet in ihren Dialogen eine angemessene Sprache.

    Die Anzahl der Charaktere ist hoch und ich habe gerne auf das vorangestellte Personenverzeichnis zurückgegriffen.
    Die Familie Lindenhorst und ihr Familiengefüge mit dem Vater, der das Sagen hat und der manisch-depressiven Mutter, die sich um Haushalt, Kinder und Personal kümmert, wirkt authentisch. Auch die übrigen Charaktere - mit zum Teil ihren aus heutiger Sicht verwerflichen Gedankengängen - werden gelungen dargestellt.

    Mir hat dieser Roman gut gefallen. Ich fand es interessant in vergangene Zeiten einzutauchen. Aber es ist kein Buch, das sich leicht liest, sondern eines, das ein wenig Zeit erfordert, deren Einsatz sich lohnt.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 5 Sterne

    2 von 4 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Christian B., 18.11.2023

    Als Buch bewertet

    Große Familiengeschichte

    "Unsereins" ist der neue Roman von Inger-Maria Mahlke, der am 14.11.2023 im Rowohlt-Verlag erschienen ist. Der Roman umfasst 496 Seiten, verfügt über ein Lesebändchen und zwei Stadtplanauszüge sowie ein ausführliches Personenverzeichnis.

    Die Erzählung konzentriert sich auf die Geschichte der Familie Lindhorst aus Lübeck. Als Leser lernt man die Familie näher kennen und begleitet Sie in den Jahren 1890 bis 1906. Die Lindhorsts sind eine wohlhabende Familie von Rechtsanwälten mit vielen Kindern, die konservative Werte pflegen. In Übereinstimmung mit den sozialen Normen jener Zeit übernehmen die Frauen repräsentative Aufgaben für die Familie, während die Männer für den beruflichen Erfolg verantwortlich sind. Diese Tradition spiegelt sich auch in der Erziehung der Lindhorst-Kinder wider. Zusätzlich werden auch andere Personen wie z.B. das Dienstmädchen und der Ratsdiener näher vorgestellt. Durch diese Charaktere erhält der Leser einen lebendigen Eindruck von den Lebensumständen zu dieser Zeit.

    "Unsereins" hat mir insgesamt sehr gut gefallen. Inger-Maria Mahlke gelingt es, dem Leser das Leben im früheren Lübeck aufzuzeigen. Beim Lesen kommen immer wieder historische Figuren vor, was mir besonders gut gefallen hat.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 5 Sterne

    1 von 2 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Hornita, 30.10.2023

    Als Buch bewertet

    Gelungenes Sittengemälde;
    Zu Beginn fand ich den Schreibstil etwas umständlich, aber er ist sehr passend zur Erzählzeit und mit der Zeit hat er für mich einen ganz eigenen Charme entwickelt. Dennoch braucht es eine gewisse Eingewöhnungsphase. Anfangs sind die ganz unterschiedlichen Perspektiven etwas viel, aber man wird als Leser immer wieder gut an die neue Perspektive herangeführt, so dass man sehr bald von der Komplexität profitieren kann. Die damalige Zeit wird gut beschrieben und findet sich in vielen kleinen Details wieder. Die Lebensläufe der Protagonisten passen sehr gut zu den Lebensumständen und es ist faszinierend zu lesen, wie eng der gesellschaftliche Rahmen damals war und wie wenig es bedurfte, um ein Leben auf den Kopf zu stellen. Wie die soziale Stellung alles weitere bedingt wird sehr geschickt anhand vieler kleiner Details in den Biografien beschrieben. Sozialer Aufstieg und Abstieg bringen große Veränderungen, das ist wirklich beeindruckend gut von der Autorin konstruiert worden. Mir hat das Buch sehr gut gefallen, ich hätte große Lust auf eine Fortsetzung.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 4 Sterne

    Kristall, 06.12.2023

    Als Buch bewertet

    Klappentext:

    „Eine Lübecker Familie, protestantisch, konservativ, kaisertreu: die Lindhorsts. 1890 kommt Marthe in dem weitläufigen Patrizierhaus in der Königstraße zur Welt. Um sie eine Schar älterer Brüder, deren Freiheiten nicht ihre sein werden. Und doch ist es ein Leben mit glänzenden Aussichten. Bis ein Bestsellerroman, verfasst vom Sohn eines verstorbenen Bekannten, den respektablen Lindhorsts klarmacht, dass sie für ihr Umfeld auch nach zwei Generationen noch immer «die Jüdischen» sind.“



    Inger-Maria Mahlke hat ihrem aktuellen Roman den Titel „Unsereins“ gegeben - ein Titel der eigentlich bereits alles sagt! Gehört man dazu oder ist man doch ausgegrenzt? Alles Ansichtssache! Drehort der Geschichte Lindhorst ist die wunderschöne Stadt Lübeck. Wir erlesen die Familiengeschichte mit all ihren positiven und negativen Lichtern. Aber wir erlesen auch die Menschen die um diese Familie herum sind und die die Stadt ausmachen. Die vielen tiefgründigen Beschreibungen über die all die vielen Menschen überfordert hier und da den Leser, ja, aber es ergibt sich dadurch ein äußerst stimmiges Gesamtbild, welches sich wunderbar analysieren lässt! Jeder trägt seine Geschichte mit sich herum, jeder hat seine Meinung nur sind wir alle dadurch eine Art Gemeinschaft? Auch die Lindhorst‘s erleben dies am eigenen Leib und genau da will Mahlke mit uns Lesern hin: Wo kommen wir her? Wo gehören wir hin? Wer sind wir auf Grund einer bestimmten Religion?

    Mahlkes Schreibstil ist trotz der Vielzahl an Personen verständlich und sehr eindringlich. Ihre Wortwahl ist bewusst gewählt und fängt den Leser immer und immer wieder ein und dieser darf dann selbst seine Gedanken zu dem erlesenen walten lassen. Hier geht es explizit um Vorurteile und wie damit umgehen. Die Autorin wählt immer wieder zur Situation den passenden Ausdruck und dadurch bleibt die Geschichte lebendig und als Leser bleibt man aufmerksam am Ball. Einerseits erleben wir Leser die Stadt Lübeck zu einer besonderen Zeit aber auch ein Sittenbild dieser. Vieles steckt auch hier wieder zwischen den Zeilen und es darf gern der Kern im Detail gesucht und gefunden werden - es lohnt sich definitiv! In vielen Dialogen oder auch nur einfachen Sätzen der Figuren ist es dann immer wieder zu entdecken - der Buchtitel zeigt seine Wirkung und es gibt dabei Situationen des Erschreckens, des Zuckens, des Fremdschämens. Ist das negativ für das Buch? Keineswegs! Im Gegenteil! Mahlke zeigt nur die damalige Zeit gekonnt auf bohrt in vielen kleinen und großen Wunden unserer Gesellschaft. Diese Geschichte hier wird oft mit denen der Buddenbrooks von Thomas Mann verglichen. Ist das korrekt? Einerseits ja aber es ist eine Geschichte von Inger-Maria Mahlke mit recht ähnlichen Parts aber dennoch einem anderen Stil.

    4 sehr gute Sterne hierfür!

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 4 Sterne

    Meany, 20.11.2023

    Als Buch bewertet

    Und was ist der Mensch anderes als sein Kredit?

    Im Mikrokosmos des kleinsten Staats Deutschlands mit einem klar definierten Zeitrahmen von 1890 bis 1906 stellt die Deutsche Buchpreisträgerin Mahlke die Auswirkungen der Politik und Zeitumstände auf die Psychologie verschiedener Gesellschaftsschichten dar wie z. B. der Arbeiter, der Dienstboten, der gehobenen Mittelschicht und des Kulturbürgertums. Dafür hat die Autorin einen aussagekräftigen Titel gewählt: "Unsereins" - so spricht ein von sich sehr überzeugtes Milieu von sich selbst.

    Im Fokus der einzelnen Kapitel stehen einzelne Personen, die sich dadurch ergebenden Perspektivwechsel erhellen das Bild der Situationen, wenn etwa ein junges Dienstmädchen wegen Schwangerschaft entlassen wird und anschließend die Herrschaft über das neu eingestellte ältere meckert. Die Vielzahl an Charakteren ergibt ein Soziogramm in politisch aufgewühlten Zeiten. Bismarck tritt zurück, Frauen wollen studieren, die Sozialdemokratie bildet sich heraus aus einer sich entwickelnden Arbeiterschaft. Einzelner Individuen wie des Schülers Georg bedient sie sich, um durch seine naiven, aber aufmerksamen Augen das Geschehen zu betrachten. Einem ähnlichen Zweck dient auch Isenhagens "geheimes Staatsarchiv".

    Zu meinem Missfallen hat der Umschlagtitel mit dem Verweis auf die "Buddenbrooks" wieder einmal eine falsche Erwartungshaltung in mir erzeugt, denn so eine herausragende Rolle spielen dieser Roman und sein Verfasser eigentlich gar nicht. "Das Buch" kommt erst auf Seite 386 ins Spiel.

    Mahlke fordert ihre Leser: ihre Bereitschaft, sich auf Subtilitäten einzulassen, ihr Gedächtnis, um kapitelüberspannend Zusammenhänge zu erkennen, und nicht zuletzt ein gewisses Geschichtsverständnis, um die persönlichen Gegebenheiten einzuordnen. Leicht kann man dabei den Faden verlieren ob dieser notwendigen Konzentrationsleistung, was wiederum zu Lasten des Lesevergnügens geht.

    Innere Monologe durchziehen die äußeren Ereignisse und rekapitulieren die Verkettungen mit Vergangenem - das erinnert an die originelle rückwärts gewandte Erzählweise des "Archipels". Allerdings baut sie damit auch eine ganz spezielle Spannung auf, indem sie rätselhafte Ausgangslagen am Kapitelende auflöst. Manchmal bringt die Schriftstellerin aber auch durchaus Humor ins Spiel durch pikante Parallelitäten wie dem Butter schlagen in der Küche und der gleichzeitig erfolgenden manuellen ehelichen Pflichterfüllung im Schlafzimmer.

    Empfehlen würde ich dieses Werk geübten, anspruchsvollen Literaturbegeisterten, die sich nicht nur an einer Geschichte ergötzen, sondern eine artifizielle Schreibweise zu schätzen wissen.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 4 Sterne

    marcialoup, 27.10.2023

    Als Buch bewertet

    Anspruchsvoll und mit viel Atmosphäre aus dem vergangenen Jahrhundert

    Historische Romane sind nicht mein Genre und trotzdem habe ich mich an Inger-Maria Mahlke’s Roman herangetraut, weil es in der Zeit um 1890 in der wunderschönen und reizvollen Stadt (damals noch Staat) Lübeck spielt und das Cover ein einzigartiger Blickfang für mich war.
    Das bezaubernde in grautönen gehaltene Cover mit den akkurat angeordneten Bildern an der Wand und dem ordentlich aufgestellten Kaffee- oder Tee-Gedeck lädt dazu ein, sich zu den Menschen an den Tisch zu setzen und ihren Erzählungen aus früheren Zeiten zu lauschen – Geschichten von Unsereins.
    Lebendig beschriebene Szenarien und interessant gezeichnete Charaktere lassen uns Leser/innen eine Zeitreise machen in eine Welt, so anders als heute und doch so aktuell.

    Ein anspruchsvolles Buch mit viel Atmosphäre aus der damaligen Zeit empfängt die Leser in eine „alte“ aber nicht vergangene Welt und bittet darum, genau hinzuhören und Feinheiten zu entdecken. Es ist kein Roman zum Verschlingen sondern zum konzentriert Lesen und sich auf die unterschiedlichen Figuren, die mehr oder weniger in verschiedenen Gesellschaftsschichten miteinander verwoben sind, einzulassen, um in dieser Zeit anzukommen und ins Buchgeschehen aufgenommen zu werden.

    Auf den ersten Seiten werden die mitwirkenden Personen in einer Liste vorgestellt, was im späteren Verlauf für mich immer wieder eine gute Hilfe war, wenn ich zwischendurch manchmal den Faden verloren hatte, da manche Charaktere nicht so leicht zugänglich sind.
    Isenhagen und Ida waren mir sehr zugänglich und auch die „Gnädige“ war schnell da…
    Trotz bildhafter Sprache war es für mich jedoch nicht leicht, tief ins Buch einzutauchen. Es brauchte einen Moment, den eigenen Lesefluß zu finden in der an die Zeit um 1890 angepassten Sprache. Für die ersten ca. 150 Seiten benötigte ich viel Geduld. Insgesamt habe ich das Buch eher gelesen anstatt es mitzuerleben.

    Subjektiv gesehen ist UNSEREINS nicht meins, weil es für mich schwierig war, echten Zugang zu erhalten und viele Charaktere sich für mich nicht geöffnet haben. Zudem ist das Buch insgesamt gesehen nicht leicht zu lesen.

    Objektiv betrachtet ist UNSEREINS für Liebhaber dieses Genres ein gutes Buch, das detailreich und bildhaft in ein Lübeck des vergangenen Jahrhunderts entführt und eine gutbürgerliche Familiengeschichte erzählt, die aber auch zu den Problemen der heutigen Zeit passt.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 4 Sterne

    Adele, 08.01.2024

    Als Buch bewertet

    Ein literarisches Wimmelbild des ausgehenden 19. Jahrhunderts zwischen Hanse und Provinz

    Der kleinste Staat im Deutschen Reich, oder doch eher der zweitkleinste, aber das klingt nicht gut… In feiner Sprache entwirft Inger Maria Mahlke ein Sittengemälde der Stadt Manns und der Buddenbrooks im ausgehenden 19. Jahrhundert. Der Stil ist leichtfüßig, detailreich, bildlich hat man Holstentor und Trave vor sich und taucht ein in das Leben der Bewohnerinnen und Bewohner um die Jahrhundertwende. Etwas mehr als anderthalb Jahrzehnte begleiten wir im Buch Lohndiener, Senatoren, Hausmädchen, Köchinnen, Ratsdiener, Dichter etc. und solche die es werden wollen, die angesehensten Familien der Stadt und die, die so gerne dazugehören würden. Die Themen, die die ProtagonistInnen umtreibt sind dabei mal ganz lebensweltlich, mal pragmatisch, mal politisch. Interessant fand ich besonders die Darstellung der politischen Sphäre, das Repräsentationssystem im deutschen Reich, die Sozialistengesetze etc.

    Der Stil ist zwar detailreich jedoch sehr deskriptiv, wenig deutend, was sicher auch durch die 3. Person bedingt ist. Dadurch erscheint zwar Lübeck vor dem inneren Auge realitätsnah auf, die Figuren blieben für mich hingegen leider emotional etwas blass. Wirkliche Nähe konnte ich nicht aufbauen. Am ehesten fühlte sich das Lesen für mich wie ein literarisches Wimmelbild an, auf dem immer Neues, neue Details erkennbar werden. Das hat durchaus seinen Reiz, jedoch auf knapp 500 Seiten auch gewisse Längen.

    Bei aller Detailverliebtheit ergeben sich an einigen Stellen leider logische Dissonanzen, so wird beispielsweise ein Mantel, dessen Ausziehen bis ins Detail beschrieben wird, beim Anziehen später plötzlich zur Jacke.

    Gewöhnungsbedürftig war für mich die Mischung des Schauplatzes um die Jahrhundertwende, der mit viel Mühe um Authentizität beschrieben wird, mit gelegentlichen Analogien und Bildern aus der Moderne. Da fliegt ein Regentropfen wie eine Drohne, oder es wird ein moderner Algorithmus an anderer Stelle als Vergleichsperspektive bemüht. Das ist sicher Geschmackssache, für mich fühlte es sich jedoch nicht ganz stimmig an.

    Insgesamt ein interessanter, detailreicher Einblick in das Lübeck um die Jahrhundertwende und seine Ständegesellschaft mit all ihren Freuden und Sorgen, für mich jedoch mit kleinen Schwächen im Leseerlebnis.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 4 Sterne

    Kundin, 20.11.2023

    Als Buch bewertet

    Upstairs, Downstairs

    „Was Georg hier im kleinsten Staat will? Die Übergabe eines Ölzweigkranzes überwachen und sich vor Celia blamieren. Falls der morgige Abend wie erwartet verläuft.“

    Für ihre Publikation „Archipel“ wurde Inger-Maria Mahlke 2018 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet. Das Familienepos „Unsereins“ kann sich ebenfalls sehen lassen, die Rechercheleistung Mahlkes ist beachtlich, die Erzählung ist formal in 15 Teile gegliedert. ‚Die Buddenbrooks‘ lassen grüßen.
    Der Roman ist zeitlich im langen 19. Jahrhundert (und zu Beginn des 20. Jahrhunderts) angesiedelt, ein auktorialer Erzähler führt durch das Geschehen. Im Zentrum steht eine Lübecker Familie, die eigentlich alle Kriterien erfüllt, die es sozial zu erfüllen gibt: Die kinderreichen Lindhorsts sind ebenso kaisertreu wie konservativ. Als Juden werden sie dennoch Außenseiter bleiben.
    Handlungsort ist der Stadtstaat Bremen, und die Geschichte ist in ihrem Kern eine Milieustudie und zugleich ein Gesellschaftsporträt, eine Erzählung über Ständeunterschiede im Kaiserreich. Upstairs, Downstairs. Angesichts der Fülle der handelnden Personen habe ich mich sehr über das Personenverzeichnis gefreut, auch die Karte zu Beginn des Buches war hilfreich. Bei der Betrachtung des historischen Romans sollte man aber nicht nur in der Kategorie „Wirtschafts- und Sozialgeschichte“ denken. Die Autorin Inger - Maria Mahlke legt das Augenmerk vor allem auf die Frauen und geht der Frage nach, inwiefern Emanzipation in den engen gesellschaftlichen Grenzen möglich war, auch das Geschlecht war natürlich ein Faktor, welcher der Selbstverwirklichung im Wege stand. Man kann definitiv etwas Lernen, das Sittengemälde bietet aber mehr als eine flache Faktensammlung.
    Der Ton ist ironisch-distanziert, zynisch ist er jedoch nicht. Mir hat es gut gefallen, dass die Vergangenheit hier weder verteufelt noch glorifiziert wird; während der Lektüre kam keine Langeweile auf. Man sollte als Leser dennoch geduldig sein – „Unsereins“ ist keine Geschichte, die in einem Rutsch gelesen ist.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 4 Sterne

    Anonym, 14.02.2024

    Als Buch bewertet

    Gesellschaftliche Schicksale in Lübeck zur Kaiserzeit


    Lübeck, 1890: Im kleinsten Staat des deutschen Reiches lebt Familie Lindhorst, eine konservative und kaisertreue Familie. Unsereins erzählt von den acht Kindern der Familie Lindhorst. Daneben geht es aber um viel mehr: jedes Schicksal eines Familienmitglieds steht sinnbildlich auch für die gesellschaftlichen Gegebenheiten zu der Zeit. Um diese einfangen zu können, wirft Inger-Maria Mahlke daneben auch einen Blick auf die Angestellten der Lindhorsts, wie des Dienstmädchens Ida. Die politischen Gegebenheit werden mit einem Ratsdiener und verschiedene Senatoren thematisiert.

    Zunächst hatte ich etwas Mühe mich unter den vielen Personen zurechtzufinden, habe mich dann aber entschlossen am Anfang immer nochmals im Personenverhältnis nachzuschlagen, wie die Personen zueinander stehen. So kam ich schnell in die Geschichte und entwickelte immer mehr Interesse an den verschiedenen Figuren.

    Denn Unsereins stellt vor allem die verschiedenen Figuren in den Vordergrund und möchte von ihren Schicksalen erzählen. Die Schicksale der verschiedenen Personen sind dabei oft konträr, sodass es umso spannender war die Entwicklung der Figuren zu verfolgen.
    Mahlke erzählt uns von den Schicksalen der Frauen, für die, egal ob arm oder reich, ein anderes Schicksal als für die Männer vorgesehen war. Daneben geht es aber auch um Homosexualität und deren Verfolgung. Und nicht zuletzt um die politischen Zustände, wie den immer noch bestehenden Antisemitismus, unter dem auch Familie Lindhorst zu leiden hat.

    Kurzum gelingt es Mahlke mit Unsereins, ein gesamtgesellschaftliches Bild der damaligen Zeit abzubilden. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, mich mit den vielen Personen zurechtzufinden, haben mich die vielen Schicksale nicht mehr losgelassen und ich habe Unsereins begeistert gelesen.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 4 Sterne

    Fornika, 26.11.2023

    Als Buch bewertet

    Lübeck, 1890. Die Familie von Rechtsanwalt Lindhorst bekommt ein Nesthäkchen, Marthe. Die kinderreiche Familie will in der Gesellschaft weiter aufsteigen, doch der Vater hat den falschen Beruf für den Senat, die Mutter mit ihren manisch-depressiven Phasen zu kämpfen. Marthes Kindheit und Jugend sind davon geprägt, ebenso wie von der Jahrhundertwende und der Veröffentlichung eines Romans über eine Familie, fast ganz wie die ihre.
    Mahlkes Roman umspannt knapp sechzehn Jahre im kleinsten Staat des Kaiserreichs, unschwer ist für den Leser Lübeck zu erkennen. Das Stadtbild wird gut wiedergegeben, eine Karte erleichtert die Vorstellung zusätzlich. Man bekommt einen lebendigen Einblick in den Alltag der etwas besser Gestellten, aber auch der niederen Arbeiter. Natürlich fühlte ich mich beim Lesen an Manns Buddenbrooks erinnert, aber die Autorin schafft ein ganz eigenes Lesegefühl, das trotzdem seiner Zeit gerecht wird. Ich mochte den Erzählstil sehr, der Blick für die feinen Details, die Kleinigkeiten, die den Alltag ausmachen. Ebenso die Tatsache, dass eher die Frauen in den Fokus gerückt werden, auch und gerade weil sie zu dieser Zeit nicht automatisch das Sagen hatten. Besonders hat mir Ida gefallen, unverhofft zum Dienstmädchen geworden, aber mit doch ganz eigenen Zielen im Leben, die sie langsam, aber stur verfolgt.
    Schon allein Familie Lindhorst zählt stolze zehn Mitglieder, auch sonst geizt Mahlke nicht mit Figuren; nicht immer gelingt der Überblick, Personenregister hin oder her. Eine gewisse Distanz blieb zu allen Figuren, trotzdem gefiel mir dieser Einblick in ganz unterschiedliche Lebenssituationen.
    Fazit: Unsereins ist ein wirklich gelungener Roman, der zwar eine gewisse Aufmerksamkeit fordert, dafür aber auch belohnt.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 4 Sterne

    Andre K., 03.02.2024

    Als Buch bewertet

    Ich habe etwas gebraucht um mit dem Buch warm zu werden.

    Inger-Maria Mahlkes Werk "Unsereins" wirft einen umfassenden Blick auf das Leben in Lübeck gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Dabei präsentiert der Roman eine vielfältige Palette von Charakteren, einschließlich Bürgern, Lohndienern, Handwerkern und insbesondere Frauen, die verschiedene soziale Rollen einnehmen. Im Unterschied zu Werken wie Thomas Manns "Die Buddenbrooks" oder Heinrich Manns "Der Untertan" wird durch die Darstellung der jüdischen Familie Lindhorst auch der Antisemitismus problematisiert.

    "Unsereins" erscheint mir somit als eine sinnvolle Ergänzung zu den traditionellen Schullektüren. Die Erzählung behandelt zentrale Themen wie Identität, Zugehörigkeit, Geschlecht, Klasse sowie Macht- und Liebesverhältnisse innerhalb der Lübecker Gesellschaft, indem sie Ausschnitte aus dem Alltag der Figuren während der Kaiserzeit präsentiert. Durch die episodische Erzählweise entfaltet sich ein Panorama der Stadtgesellschaft, wobei die Perspektiven kontinuierlich wechseln und nur gelegentlich tiefere Einblicke in das Leben der Figuren gewähren.

    Teilweise entsteht bei mir dabei der Eindruck von Zufälligkeit und Willkür. Insgesamt liefert Mahlke eine solide Darstellung sozialer Strukturen und menschlicher Beziehungen, die während des Lesens den Wunsch nach vertiefterem Einblick weckt, als der Roman letztendlich gewähren kann. Der Roman berührt zeitlose Themen, wirkt jedoch in seiner Gesamtwirkung möglicherweise etwas zurückhaltend.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 4 Sterne

    Lilli-Marleen A., 25.01.2024

    Als Buch bewertet

    Der intime Blick auf eine deutsche Stadt

    Dieser fast 500 Seiten starke Roman spielt während der vorigen Jahrhundertwende im "kleinsten Staat des Deutschen Kaiserreichs", in Lübeck. Auch wenn die Stadt nie bei ihrem Namen genannt wird. Zu dieser Zeit wirkt ein großer Schriftsteller in Lübeck: Thomas Mann. In seinen Romanfiguren bei den Buddenbrooks, meint sich die bürgerliche Familie Lindhorst wiederzuerkennen und fühlt sich schließlich einen latenten Antisemitismus ausgesetzt.

    Die Sprache von Inger - Maria Mahlke ist einfach phantastisch detailgetreu, verliert sich aber nicht. Die verschiedenen Figuren breiten ihr Innenleben vor einen aus, ohne das sie viel sagen müssen. Das Buch ist im Präsens geschrieben, was einen das Geschehen sehr intensiv erleben lässt. Sehr gut finde ich, dass am Anfang eine Auflistung der handelnden Figuren erfolgt, so kann man hier immer mal wieder nachschlagen.

    Das einzige Manko für mich war, dass ich die Buddenbrooks nicht gelesen habe und mir wahrscheinlich so einige kluge Verbindungen entgangen sind.

    Aber auch ohne dem Wissen konnte ich in die bürgerliche Welt um 1900 eintauchen, die sich wie ein Panorama vor einen entfaltet.

    Das Buch ist keine einfache Lektüre, aber wenn man sich ganz darauf einlässt, kann es ein richtiges Lesevergnügen werden.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 4 Sterne

    Anna S., 27.11.2023

    Als Buch bewertet

    Schön erzählt
    Das Cover ist grau in grau gehalten, fast alles symmetrisch angeordnet. Das einzige "aufständische" ist die fehlende Symmetrie beim Porzellan.
    Sofort denkt man an das Klischee des Bürgerlichen. Dazu passt auch der Titel. Man kann sofort im Kopf den Satz vervollständigen, das macht unsereins nicht.
    Diese Gesellschaftsschicht fühlt sich sicher in ihren Vorschriften, Zwängen und ungeschriebenen Gesetzen. Wenn man die Regeln befolgt, gehört man dazu und es kann einem nichts passieren.
    Voran steht eine Art Register der handelnden Personen. Etwas gewöhnungsbedürftig sind Zusätze wie kein Bäckermeister oder eine Bulldogge wird namentlich erwähnt.
    Vorne und hinten befindet sich eine Karte, aus jeweils unterschiedlichen Zeiten. Leider grau in grau und nicht so gut strukturiert, dass man sie während des Lesens leicht nutzen kann.
    Das Buch ist nicht leicht zu lesen. Ein durchgehender Lesefluss stellte sich bei mir nicht ein. Es wird zwar ganz die Atmosphäre und die Zeit dargestellt, aber es ist schon sehr gewöhnungsbedürftig und mühsam bis sich man in die einzelnen Personen und Orte eingelesen hat.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 4 Sterne

    Teresa F., 27.11.2023

    Als Buch bewertet

    Mit "Unsereins" hat Inger-Maria Mahlke ein Abbild der deutschen Gesellschaft zur Jahrhundertwende geschaffen.
    Die Sprache ist am Anfang wohl etwas ungewohnt, mir hat jedoch dieser distanzierte Erzähler, der manchmal mehr weiß als wir, sehr gut gefallen.
    Wir bekommen in diesem Roman verschiedene Blickwinkel zu lesen, den Ratsdiener, das Dienstmädchen, den Senator und die zahlreichen Kinder - dabei sind manche Handlungsstränge schneller vorbei und der Charakter verschwindet wieder etwas.
    Dabei kommen die gesellschaftlichen Problem und Entwicklungen dieser Zeit - Adel und gute Familie verliert langsam ihre Stellung - dafür ist das Geld wichtiger denn je. Und gerade letzteres wird einigen in verschiedenen Arten zum Verhängnis.
    Das Thomas Mann mit vorkommt und gerade ab der zweiten Hälfte immer wieder eine Anspielung auf die Buddenbrooks kommt, ist sicherlich interessant- viele Anspielungen habe ich aber sicherlich nicht verstanden, da ich diesen Klassiker noch nicht gelesen habe.
    Ein gelungener historischer Roman, der sich von den zur Zeit häufig verlegten romantischen Historien gekonnt abhebt.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 4 Sterne

    Susdesha, 01.11.2023

    Als Buch bewertet

    Lübeck um die Jahrhundertwende. Wer denkt da nicht gleich an die „Buddenbrocks“.
    Und auch mich hatte dieses Buch schon in seinen Bahn gezogen, daher habe ich mich auf ein erneutes Eintauche in diese Zeitepoche gefreut.
    Wir erleben viele verschiedene Familien, Personen, Konstellationen. Viele unerwartete und nicht immer positiv verlaufende Pfade. Damals wie heute.
    Der Erzählstil ist gewöhnungsbedürftig, aber annehmbar – gerade wenn man in vergangene Zeiten eintaucht.
    Die Geschichten, der einzelnen Personen werden teilweise sehr gut geschildert, verlieren sich dann aber auch schnell wieder in zeitlichen Sprüngen und könnten meines Erachtens ausgreifender geschildert werden bzw. konstanter formuliert.
    Was mich stark verunsichert hat, war der Klappentext. Bei diesem hatte ich erwartet mehr von der Entwicklung Marthes zu erfahren, von den „Unannehmlichkeiten“ durch die Buchveröffentlichung.
    Das aber kommt erst im letzten Drittel des Buches zum Tragen und dementsprechend auch nur sehr kurz.
    Trotz allem ist das Buch lesenswert, wenn man gern in die Vergangenheit reist.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 4 Sterne

    Sigrid C., 01.11.2023

    Als Buch bewertet

    Dieser Roman von Inger-Maria Mahlke zeigt, wie es sich vor mehr als 100 Jahren in der Hansestadt Lübeck leben ließ. Wenn man genug Geld hatte.
    Und viele Töchter und Söhne. Die mussten dann aber bereits Abstriche machen, besonders, wenn sie jüdischen Glaubens waren.
    Die angesehene Familie Lindhorst aus Lübeck, Mutter manisch depressiv, Vater Rechtsanwalt, 6 Söhne, 2 Töchter, mit einem großen Haus und entsprechend Hauspersonal. Da fehlt es an nichts, die Kinder gehen zur Schule, die Söhne studieren, oder dann auch doch nicht, Auslandsjahr, alles, wie es sich in einer konservativen, kaisertreuen Familie eben gehört.
    Und doch gibt es jemanden, der das Idyll stört und plötzlich stehen Dinge im Raum...
    Dieser Roman braucht einen aufmerksamen Leser, denn obwohl Mahlke so dicht und bildhaft schreibt, steht mindestens genau so viel noch zwischen den Zeilen.
    Das Cover zeigt ebenfalls mehr als man sieht, Gediegenheit, das "gute" Porzellan usw.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein